Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 IV 7



130 IV 7

3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz und A. (Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.127/2003 vom 28. November 2003

Regeste

    Art. 125 Abs. 2 StGB; fahrlässige schwere Körperverletzung;
Sorgfaltspflichten des Notfallarztes.

    Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht (E. 3.3 und 4.3).

    Der Arzt darf sich bei einer Verdachtsdiagnose nicht auf einzelne
Auskünfte beschränken, sondern muss sämtliche ihm zur Verfügung stehenden
Informationen berücksichtigen (E. 4.3).

    Bei Notfällen ist bei der Bemessung der Anforderungen an die
Sorgfaltspflicht der zeitlichen Dringlichkeit Rechnung zu tragen (E. 4.3).

Sachverhalt

    A.

    A.a Am Sonntag, den 1. August 1999, um ca. 03.20 Uhr fuhren B. auf
seinem Kleinmotorroller (50 ccm) und A. auf seinem Rollbrett auf dem
Trottoir von Brunnen in Richtung Schwyz. Bei dieser Fahrt liess sich
A. von seinem Freund B. auf dem Motorroller bei einer Geschwindigkeit von
30 bis 35 km/h ziehen, indem er sich an dessen linkem Arm festhielt. In
Ibach liess A. den Arm von B. los, um vom Trottoir auf die Strasse zu
wechseln. Unmittelbar danach kam er zu Fall, stürzte auf die Strasse und
blieb regungslos liegen.

    In der Folge verbrachte die von einem Automobilisten herbeigerufene
Ambulanz A. zusammen mit seinem Freund notfallmässig ins Spital
Schwyz. Aufgrund der Meldung des Rettungsdienstes, es werde ein
ca. 26-jähriger, stark alkoholisierter Mann nach einem Sturz ohne
Rissquetschwunde eingeliefert, bot die zuständige Krankenschwester
den für die medizinische Abteilung verantwortlichen Assistenzarzt Dr.
med. X. auf, der in jener Nacht den Notfalldienst versah und zum Zeitpunkt
der Einlieferung bereits rund 20 Stunden ununterbrochen im Dienst
stand. Der Arzt wurde im Ambulatorium durch die Rettungssanitäterin
und die Krankenschwester informiert, untersuchte den Patienten und
liess sich sodann von B., der vor dem Ambulatorium wartete, den
Unfallhergang schildern. Dabei gab Letzterer, wie bereits gegenüber
dem Rettungssanitätspersonal, wahrheitswidrig an, er habe den auf dem
Skateboard stehenden A. zu Fuss gestossen, worauf er vornüber gestürzt
sei. A. habe weder das Bewusstsein verloren noch sei er mit dem Kopf am
Boden aufgeschlagen. B. verschwieg ferner, dass das Unfallopfer nach dem
Sturz zunächst nicht ansprechbar gewesen war.

    Aufgrund des negativen Befundes seiner Untersuchung und den Auskünften
von B. gelangte X. zum Schluss, es liege keine Kopfverletzung vor. Er
sah daher vom Beizug eines Chirurgen, von weiteren Untersuchungen sowie
von der Anordnung einer stationären Überwachung im Spital ab, entliess
A. um ca. 05.00 Uhr aus dem Spital und übergab ihn in die Obhut seiner
inzwischen herbeigerufenen Freundin. Diese fuhr zunächst B. nach Ibach
zu seinem Motorroller und brachte A. anschliessend zu sich nach Hause.

    A.b Um ca. 08.45 Uhr wurde A. durch den Rettungsdienst
in bewusstlosem Zustand erneut notfallmässig ins Spital Schwyz
eingeliefert, wo nach einer zweiten Untersuchung ein grosses
Epiduralhämatom diagnostiziert wurde. Daraufhin wurde das Unfallopfer
durch die REGA ins Universitätsspital Zürich überführt und notfallmässig
operiert. Dabei wurden ein Schädel-Hirn-Trauma mit einer grossen Blutung
aus einer verletzten Arterie zwischen der knöchernen Schädelkapsel und
der Hirnhaut, ausgelöst durch einen Schädelbruch, festgestellt, welche
eine Durchblutungsstörung des Hirngewebes sowie einen lebensgefährlichen
Druck auf das Gehirn bewirkten. Diese Verletzungen führten bei A. zu
einer bleibenden Invalidität.

    B.- Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz erklärte X. mit Urteil
vom 21. Januar 2003 der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig
und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 2'000.-, bedingt löschbar nach
Ablauf einer Probezeit von zwei Jahren. Auf die erhobenen Zivilforderungen
trat es nicht ein und verwies sie auf den Zivilweg. B. sprach es von
Schuld und Strafe frei.

    C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er
beantragt, das angefochtene Urteil sei in den Ziffern 1 lit. a und d
sowie Ziffer 2 aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.1  Gemäss Art. 125 Abs. 2 StGB wird mit Gefängnis oder Busse
bestraft, wer fahrlässig einen Menschen schwer am Körper oder an der
Gesundheit schädigt.

    Die kantonalen Instanzen würdigen die vom Geschädigten erlittenen
Verletzungen als schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB. Die beim
Geschädigten erst bei der zweiten Einlieferung ins Spital Schwyz
festgestellte Blutung aus einer verletzten, zwischen der knöchernen
Schädelkapsel und der Hirnhaut verlaufenden Arterie habe, da das Blut unter
dem Schädel nicht ausweichen konnte, zu einem Druck auf lebenswichtige
Hirnzentren geführt und hätte eine sofortige Einlieferung mit der REGA ins
Universitätsspital Zürich erfordert. Als Folge des Schädel-Hirn-Traumas
mit grosser Epiduralblutung rechts und massiver Hirnschwellung habe
eine Hirngewebsdurchblutungsstörung sowie eine Hirnstamm-Epilepsie
bestanden. Diese Verletzungen seien lebensgefährlich gewesen. Aufgrund
dieser Umstände ist die Annahme einer schweren Schädigung der Gesundheit
des Geschädigten nicht zu beanstanden und liegt auch ausser Streit.

    3.2  Fahrlässig begeht der Täter ein Verbrechen oder Vergehen, wenn
die Tat darauf zurückzuführen ist, dass er die Folge seines Verhaltens
aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht
Rücksicht genommen hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 StGB). Ein Schuldspruch
wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung setzt somit voraus, dass
der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht
hat. Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt
der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten
die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen
können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos
überschritten hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StGB).

    Erkennbar bzw. voraussehbar ist die Gefahr des Erfolgseintritts für
den Täter, wenn sein Verhalten geeignet ist, nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen
herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Dabei müssen die zum Erfolg
führenden Geschehensabläufe für den konkreten Täter mindestens in ihren
wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Zunächst ist daher zu fragen, ob
der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen
bzw. erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt
der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein,
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens
einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu
begünstigen. Die Vorhersehbarkeit der zu beurteilenden Ursache für den
Erfolg ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie
das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler,
als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden
musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste
und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen
mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten
- in den Hintergrund drängen. Damit der Eintritt des Erfolgs auf das
pflichtwidrige Verhalten des Täters zurückzuführen ist, genügt seine blosse
Vorhersehbarkeit nicht. Vielmehr stellt sich die weitere Frage, ob der
Erfolg auch vermeidbar war. Dabei wird ein hypothetischer Kausalverlauf
untersucht und geprüft, ob der Erfolg bei pflichtgemässem Verhalten
des Täters ausgeblieben wäre. Dabei genügt es für die Zurechnung des
Erfolgs, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad der
Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die
Ursache des Erfolges bildete (Urteil 6S.81/2001 vom 29. November 2001, E.
2b nicht publ. in BGE 128 IV 49; BGE 127 IV 34 E. 2a; 122 IV 17 E. 2c;
121 IV 10 E. 3, 286 E. 3, je mit Hinweisen).

    3.3  Wo besondere, der Unfallverhütung und der Sicherheit dienende
Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, richtet sich das Mass der im
Einzelfall zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften
(BGE 127 IV 34 E. 2a mit Hinweisen). Das Gleiche gilt für entsprechende
allgemein anerkannte Verhaltensregeln, auch wenn diese von einem privaten
oder halböffentlichen Verband erlassen wurden und keine Rechtsnormen
darstellen.

    Ausgangspunkt für das Mass der anzuwendenden Sorgfalt stellt in dem
zu beurteilenden Fall die den Arzt treffende allgemeine Pflicht dar, die
Heilkunst nach anerkannten Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft und
Humanität auszuüben, alles zu unternehmen, um den Patienten zu heilen,
und alles zu vermeiden, was ihm schaden könnte. Nach der Rechtsprechung
liegt die Besonderheit der ärztlichen Kunst darin, dass der Arzt mit
seinem Wissen und Können auf einen erwünschten Erfolg hinzuwirken
hat, diesen aber nicht herbeiführen oder gar garantieren muss. Die
Anforderungen an die dem Arzt zuzumutende Sorgfaltspflicht richten sich
nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs
oder der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Beurteilungs-
und Bewertungsspielraum, der dem Arzt zusteht, sowie den Mitteln und der
Dringlichkeit der medizinischen Massnahme. Die zivilrechtliche Haftung des
Arztes beschränkt sich dabei nicht auf grobe Verstösse gegen die Regeln der
ärztlichen Kunst. Vielmehr hat er Kranke stets fachgerecht zu behandeln,
zum Schutze ihres Lebens oder ihrer Gesundheit insbesondere die nach
den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zu beachten, grundsätzlich
folglich für jede Pflichtverletzung einzustehen (BGE 120 Ib 411 E. 4a;
116 II 519 E. 3a; 115 Ib 175 E. 2b; 113 II 429 E. 3a, je mit Hinweisen;
vgl. auch HANS WIPRÄCHTIGER, Die Strafbarkeit des Arztfehlers, in: Die
Haftung des Arztes und des Spitals, Zürich 2003, S. 247 f.; HEINZ HAUSHEER,
Unsorgfältige ärztliche Behandlung, in: Peter Münch/Thomas Geiser [Hrsg.],
Schaden-Haftung-Versicherung, Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. V,
N. 15.19; WALTER FELLMANN, Berner Kommentar, Art. 398 OR N. 380/384
f./388; MORITZ KUHN, Die rechtliche Beziehung zwischen Arzt und Patient,
in: Heinrich Honsell [Hrsg.], Handbuch des Arztrechts, Zürich 1994,
S. 24). Dies gilt im selben Mass für die Bestimmung der Sorgfaltspflicht
in strafrechtlicher Hinsicht.

    Der Begriff der Pflichtverletzung darf jedoch nicht so verstanden
werden, dass darunter jede Massnahme oder Unterlassung fällt, welche aus
nachträglicher Betrachtungsweise den Schaden bewirkt oder vermieden hätte
(vgl. BGE 57 II 196 E. 3 S. 202). Der Arzt hat im Allgemeinen nicht für
jene Gefahren und Risiken einzustehen, die immanent mit jeder ärztlichen
Handlung und auch mit der Krankheit an sich verbunden sind. Zudem steht
dem Arzt sowohl in der Diagnose wie auch in der Bestimmung therapeutischer
oder anderer Massnahmen nach dem objektiven Wissensstand oftmals ein
Entscheidungsspielraum zu, welcher eine Auswahl unter verschiedenen
in Betracht fallenden Möglichkeiten zulässt. Der Arzt verletzt seine
Pflichten nur dort, wo er eine Diagnose stellt bzw. eine Therapie oder ein
sonstiges Vorgehen wählt, das nach dem allgemeinen fachlichen Wissensstand
nicht mehr als vertretbar erscheint und daher den objektivierten
Anforderungen der ärztlichen Kunst nicht genügt (BGE 120 Ib 411 E. 4a
mit Hinweisen; HAUSHEER, aaO, N. 15.14; vgl. auch KUHN, aaO, S. 27).

    Bei der Diagnose einer Gesundheitsbeeinträchtigung muss der Arzt mithin
nicht die Erhebung eines zutreffenden Befundes garantieren. Dementsprechend
ist zwischen einem Diagnosefehler und einer Fehldiagnose zu unterscheiden
(vgl. KLAUS ULSENHEIMER, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl.,
Heidelberg 2003, N. 41). Doch muss der Arzt für die Feststellung und
Beurteilung der gesundheitlichen Störung in jedem Fall fachgerecht vorgehen
und die erforderlichen Mittel und Erkenntnisquellen nutzen. Mehrdeutige
Krankheitsbilder muss er durch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel
aufklären. Der Arzt handelt unsorgfältig, wenn sich sein Vorgehen nicht
nach den durch die medizinische Wissenschaft aufgestellten und generell
anerkannten Regeln richtet und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht
entspricht (BGE 57 II 196 E. 3 S. 202 f. mit Hinweisen; HAUSHEER, aaO, N.
15.21; FELLMANN, aaO, Art. 398 OR N. 386; vgl. auch ADOLF LAUFS [Hrsg.],
Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., München 2002, § 100 N. 6 ff.).

Erwägung 4

    4.

    4.1  Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz stelle an
die aufzuwendende Aufmerksamkeit überrissene und willkürlich festgelegte
Anforderungen, die fern jeder Praktikabilität lägen. Der Notfallarzt
müsse wegen des permanenten Zeitdrucks und der Unplanbarkeit des
Notfalldienstes zielorientiert vorgehen. Informationen, die er von einer
Person glaubwürdig erheben könne, müsse er nicht hinterfragen. Stünden
ihm mehrere Auskunftspersonen zur Verfügung, dürfe er sich an
diejenige halten, die ihm am geeignetsten erscheine. Als primäre
Informationsquelle habe ihm hier B. gedient, der als originärer Zeuge
den Verletzten mit der Rettungssanität ins Spital Schwyz begleitet habe.
Dieser habe den Unfallhergang glaubwürdig geschildert. Es stelle daher
keine Sorgfaltspflichtverletzung dar, wenn er sich im Gespräch mit der
Rettungssanitäterin auf die Umstände des eigentlichen Krankentransports
beschränkt und sich für die Umstände der vorausgegangenen Ereignisse
auf die verlässlichen Auskünfte des Kollegen des Opfers konzentriert
habe. Er habe auch davon absehen dürfen, das Formular des Notfalldienstes
zu beachten, da dieses über den Unfall selbst keine Aufschlüsse habe
bieten können.

    4.2  Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe sich
unvorsichtig nur gestützt auf die im entscheidenden Punkt nicht
aussagekräftigen und im Widerspruch zum Formular des Rettungsdienstes
stehenden Angaben B.s ein Bild vom Sturz des Geschädigten gemacht. Aber
auch gestützt auf dessen Aussagen hätte der Beschwerdeführer nicht davon
ausgehen dürfen, dass sich der Geschädigte nicht am Kopf verletzt haben
könnte, weil dessen Aussagen ein Aufschlagen des Kopfes auf der Strasse
nicht mit Sicherheit ausschlossen. Er hätte daher die Möglichkeit, dass
zusätzlich zur Angetrunkenheit eine durch ein Schädeltrauma ausgelöste
Hirnblutung vorhanden sein könnte, in Betracht ziehen müssen. Dies auch
deshalb, weil die bei der Untersuchung festgestellten Anzeichen wie
Torkeln, verwaschene Sprache, Schläfrigkeit, Ruhelosigkeit und Erbrechen
sich wohl mit der Alkoholisierung erklären liessen, das Vorliegen innerer
Kopfverletzungen aber keineswegs ausschlossen. Zudem hätte ihn der Umstand,
dass die erfahrene Notfallschwester vom Verletzten einen zwiespältigen
Eindruck gewonnen hatte und gegen seine Entlassung Vorbehalte anbrachte,
zu besonderer Vorsicht anhalten sollen.

    4.3  Das angefochtene Urteil verletzt in diesem Punkt kein
Bundesrecht. Zwar weist der Beschwerdeführer grundsätzlich zu Recht
darauf hin, dass in Notfällen an die Sorgfaltspflichten des Arztes wegen
der zeitlichen Dringlichkeit ein weniger strenger Massstab anzulegen ist
als in Fällen, in denen dem Arzt für seine Diagnose und die Wahl der
zu treffenden Behandlung oder der sonstigen Massnahmen genügend Zeit
zur Verfügung steht (vgl. für das Rettungswesen PATRICK M. LISSEL,
Strafrechtliche Verantwortung in der präklinischen Notfallmedizin,
Diss. Tübingen 2001, S. 139 f.). Doch hat die Vorinstanz auch unter
Berücksichtigung des Umstands, dass der Beschwerdeführer als Notfallarzt
gehandelt hat, zu Recht eine Verletzung der Sorgfaltspflicht bejaht. Im
Übrigen ist in diesem Zusammenhang danach zu differenzieren, in welchem
Mass hinsichtlich der ärztlichen Entscheidungen Eile geboten ist.
Im zu beurteilenden Fall stand der Beschwerdeführer, nachdem eine akute
Vitalbedrohung beim Geschädigten ausgeschlossen werden konnte, jedenfalls
nicht unter erheblichem Zeitdruck, auch wenn er grundsätzlich damit rechnen
musste, dass weitere Patienten in die Notfallstation des Spitals hätten
eingeliefert werden können.

    Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer aufgrund der ihm
bekannten Umstände des Unfalls davon ausgehen musste, der Geschädigte
sei bei seinem Sturz mit dem Kopf auf der Strasse aufgeschlagen. Nach den
Erwägungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer denn auch selbst einen
Sturz angenommen. Dass er aufgrund der beschönigenden Schilderung des
Unfallhergangs durch B. irrtümlich unterstellt hat, der Geschädigte hätte
dabei den Kopf "höchstens leicht" angeschlagen, ist hierbei ohne Bedeutung.

    Bei der notfallärztlichen Tätigkeit wird der
Anamnese eine entscheidende Bedeutung zugeschrieben (vgl. G.
HEMPELMANN/H.A. ADAMS/P. SEFRIN [Hrsg.], Notfallmedizin, Stuttgart und
New York 1999, S. 21/28). Dabei soll sich der Arzt nicht auf einzelne
Komponenten beschränken, sondern muss sämtliche ihm zur Verfügung
stehenden Informationen berücksichtigen und darf sie nicht unbesehen
übernehmen. Der Beschwerdeführer hätte sich daher bei der Stellung der
Verdachtsdiagnose nicht allein auf die Darstellung der Ereignisse durch
B. und die mündliche Orientierung der Rettungssanitäterin beschränken
dürfen, sondern hätte insbesondere dem von der letzteren ausgefüllten
Formular "Notruf 144" Beachtung schenken müssen. Denn dem Notfallprotokoll
kommt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers für die Erstdiagnose
erhebliche Bedeutung zu, da es die Umstände, unter denen der Verletzte
aufgefunden wird, festhält, was Rückschlüsse auf die vorhandenen
Verletzungen erlaubt. Ausserdem handelt es sich bei Rettungssanitätern
um medizinisch geschulte Fachkräfte, welche aufgrund ihrer Ausbildung in
der Lage sind, die erforderlichen ersten Hilfemassnahmen zu ergreifen und
dementsprechend die für die Beurteilung des Sachverhalts entscheidenden
Informationen zu erkennen und festzuhalten. Der Gutachter wertet daher
die Informationen der Rettungssanitäterin im zu beurteilenden Fall zu
Recht als die wichtigsten Fremdangaben bezüglich des Unfallgeschehens.

    Im vorliegenden Fall enthielt das Notfallprotokoll unter der Rubrik
Anamnese/Notfallgeschehen die folgenden Angaben:

      Pat war mit Roller-skate unterwegs, kam mit Brett vom Trottoir

      weg und stürzte auf die Strasse - ist alkoholisiert - gibt keine

      Schmerzen an - keine sichtbaren Wunden - ist vor ein Auto gestürzt,

      das konnte rechtzeitig stoppen. War mit Kollege unterwegs von Schwyz

      nach Brunnen [recte: von Brunnen nach Schwyz]".

    Die Bewertung des Bewusstseinszustands durch die Einsatzverantwortliche
des Rettungsdienstes nach dem Glasgow Coma Scale (GCS) ergab einen Wert
von 13 (zum GCS vgl. G. HEMPELMANN/H.A. ADAMS/P. SEFRIN [Hrsg.], aaO,
S. 192 f.; C. MADLER/K. JAUCH/K. WERDAN [Hrsg.], Das NAW Buch, Praktische
Notfallmedizin, München etc. 1995, S. 525).

    Der Beschwerdeführer hätte damit den Sturz des Geschädigten, der
ihm - wenn auch beschönigend - von B. geschildert und ihm auch durch
die Rettungssanitäterin beschrieben worden war, ernst nehmen müssen
und ihn nicht als Bagatelle abtun dürfen. Dieses Sturzgeschehen -
auch wenn hinsichtlich der Frage, wie schwer der Geschädigte dabei den
Kopf angeschlagen hatte, Unklarheit bestand - erlangte namentlich in
Kombination mit dem Umstand, dass jener alkoholisiert war, besondere
Bedeutung. Denn nimmt man an, dass die Diagnose des Beschwerdeführers,
der Geschädigte sei "schwerst alkoholisiert" gewesen, zutraf, hätte er
im mindesten damit rechnen müssen, dass jener beim Sturz auch den Kopf
angeschlagen haben könnte. Das ergibt sich, wie der Gutachter einleuchtend
ausführt, aus dem Umstand, dass Stürze von alkoholisierten Personen oftmals
gefährliche Verletzungen, insbesondere am Kopf, verursachen, da diese im
Fallen in ihrer Reaktion verzögert sind und die Haltemuskulatur nicht
rasch genug anspannen können, um den Aufprall zu dämpfen (vgl. auch C.
MADLER/K. JAUCH/K. WERDAN [Hrsg.], aaO, S. 504 und 528 f.).

    Bei dieser Sachlage hätte der Beschwerdeführer die Bewusstseinstrübung
und das Erbrechen des Geschädigten nicht allein dem zusätzlich
vorausgegangenen Alkoholkonsum zuschreiben dürfen, sondern hätte
einen Kopfaufprall in Betracht ziehen müssen, selbst wenn ein solcher
von niemandem beobachtet worden ist. Dementsprechend hätte er seine
Massnahmen nicht nur auf die Diagnose einer Alkoholintoxikation
ausrichten dürfen, sondern hätte, wie der Gutachter festhält, den
Geschädigten jedenfalls im Hinblick auf allfällige Veränderungen
der Bewusstseinslage in der Klinik engmaschig überwachen müssen, um
eine mögliche Blutung im Schädelraum frühzeitig erfassen zu können
(vgl. auch http://www.insel.ch/notfallzentrum/trauma/manual/02_sht.htm
Schädel-Hirn-Trauma Ziff. 6 a 1.). Im Grunde war dies auch dem
Beschwerdeführer bewusst, zumal er in der untersuchungsrichterlichen
Befragung ausgeführt hatte, in ähnlichen Entscheidungssituationen seien
alkoholisierte Patienten, bei denen klar gewesen sei, dass sie den Kopf
angeschlagen hatten, oder bei denen jedenfalls ein entsprechender Verdacht
bestand, aus diagnostischen Gründen überwacht worden.

    Aufgrund der Umstände hätte der Beschwerdeführer somit nicht
davon ausgehen dürfen, dass der Geschädigte bei seinem Sturz den Kopf
nicht angeschlagen hatte. Was der Beschwerdeführer hiegegen weiter
einwendet, geht fehl. Dass der Zustand der Alkoholisierung, wie er im
vorliegenden Zusammenhang in Frage steht, ein Mass an Alkoholkonsum
voraussetzt, das über ein Glas Wein hinausgeht, bedarf keiner besonderen
Erörterungen. Ausserdem schliesst der Gutachter nicht vom blossen Umstand
der Angetrunkenheit auf das Vorliegen eines Sturzes, sondern knüpft seine
Folgerungen hinsichtlich der zu treffenden medizinischen Massnahmen gerade
an die hier vorliegende Kombination von Sturzgeschehen und Alkoholisierung.

    Die Entlassung des Geschädigten in die Obhut seiner Freundin
lediglich mit der Instruktion, jenen im Hinblick auf die Gefahr der
Aspiration von Erbrochenem bezüglich der Atmung zu überwachen, stellt
daher eine unsachgemässe und unvertretbare ärztliche Massnahme dar. Der
Beschwerdeführer hat daher schon aus diesem Grund seine unter medizinischen
Gesichtspunkten gebotenen Sorgfaltspflichten verletzt.

    Fragen könnte sich darüber hinaus, ob der Beschwerdeführer aufgrund
der konkreten Informationen, die ihm zur Verfügung standen, beim
Geschädigten überhaupt eine "schwerste Alkoholisierung" diagnostizieren
durfte. Immerhin musste er nach der Darstellung von B. voraussetzen,
dass dieser und der Geschädigte von Brunnen nach Schwyz zu Fuss bzw. auf
dem Rollbrett unterwegs waren. Das Zurücklegen eines derart langen Wegs
zu Fuss oder auf dem Rollbrett wäre wohl bei einem Grad an Trunkenheit,
den der Beschwerdeführer aufgrund der vorhandenen Symptome des Geschädigten
(verwaschene, leicht lallende Sprache; teilweise unverständliches Murmeln
als Antwort; unsicheres Gangbild; Erbrechen) annahm, gar nicht möglich
gewesen. Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte dem Beschwerdeführer der
Verdacht auf die naheliegende Verletzung aufkommen müssen und hätte er,
wie die Vorinstanz zu Recht erkennt, die festgestellten Symptome nicht
allein dem Alkoholrausch zuordnen dürfen.

    Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

Erwägung 5

    5.

    5.1  Der Beschwerdeführer bestreitet ferner, dass seine
Sorgfaltspflichtverletzung für die schwere Körperverletzung
des Geschädigten adäquat kausal gewesen bzw. dass die schwere
Körperverletzung durch die Überwachung im Spital vermeidbar gewesen
sei. Er beruft sich hiefür auf die schriftliche Stellungnahme des IRM
Zürich, nach welcher es fraglich sei, ob die Aufnahme ins Spital Schwyz im
Anschluss an die Erstuntersuchung zu einer wesentlich früheren Verlegung
ins Universitätsspital Zürich und somit zu einer erheblich früheren
Einleitung der spezifischen Behandlung der Blutung geführt hätte.

    5.2  Die Vorinstanz nimmt in diesem Zusammenhang an, bei
einem Epiduralhämatom spiele der Zeitfaktor für die Vermeidung von
Hirnschädigungen eine äusserst wichtige Rolle. Bei einer engmaschigen
GCS-Überwachung im Spital wäre eine alarmierende Veränderung des
Bewusstseinszustandes zweifellos früher bemerkt worden als durch die
Freundin des Geschädigten, die ohnehin in dieser Hinsicht nicht genügend
instruiert worden sei. Es sei daher als höchstwahrscheinlich anzusehen,
dass das fehlerhafte Verhalten des Beschwerdeführers sich in einer
Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Geschädigten ausgewirkt habe,
indem die in Entstehung begriffene epidurale Hirnblutung nicht frühzeitig
erkannt und beseitigt worden sei. Zumindest sei dadurch die Gefahr einer
verspäteten Feststellung des sich anbahnenden Epiduralhämatoms und der
damit einhergehenden schwerwiegenden Hirnverletzung erheblich gesteigert
worden.

    5.3  Die Vorinstanz stützt sich auch in diesem Punkt auf das Gutachten
des IRM St. Gallen, welches davon ausgeht, dass die neurologischen
Spätfolgen der Hirnschädigung bedeutend geringer ausgefallen wären, wenn
der Geschädigte im Spital Schwyz behalten und hier geeignet klinisch
überwacht worden wäre, so dass er bei den ersten Anzeichen eines sich
entwickelnden Epiduralhämatoms hätte in neurochirurgische Behandlung
übergeben werden können.

    Dass das sorgfaltswidrige Handeln des Beschwerdeführers nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet
waren, die schweren Verletzungen des Geschädigten mit herbeizuführen,
kann nicht ernsthaft in Frage stehen. Das ergibt sich daraus, dass bei
derartigen Verletzungen der Zeitablauf für die weitere Entwicklung des
Gesundheitszustandes eine wesentliche Rolle spielt. Die Folgen wären
daher jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weniger
schwerwiegend ausgefallen, wenn das Epiduralhämatom früher erkannt worden
wäre. Dies wäre wiederum ohne jede vernünftige Zweifel der Fall gewesen,
wenn der Geschädigte im Spital engmaschig im Hinblick auf allfällige
Veränderungen der Bewusstseinslage überwacht worden wäre. Denn in diesem
Fall wäre einerseits kein erneuter Transport des Geschädigten von der
Wohnung seiner Freundin ins Spital Schwyz notwendig gewesen, andererseits
wäre eine Verschlechterung des Bewusstseinszustandes des Geschädigten
in der klinischen Überwachung zweifellos früher bemerkt worden als durch
die nicht im Hinblick auf die Möglichkeit einer Hirnblutung instruierte
Freundin. Damit wäre der Erfolg auch vermeidbar gewesen.

    Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

Erwägung 6

    6.

    6.1  Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, die falsche
Schilderung des Unfallhergangs durch den Freund des Geschädigten stelle
einen aussergewöhnlichen Umstand dar, mit dem er nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge nicht habe rechnen müssen. Bei richtiger Orientierung über
das Unfallgeschehen hätte er ohne Zweifel andere medizinische Massnahmen
ergriffen. Die gezielte Irreführung habe daher den Kausalzusammenhang
unterbrochen.

    6.2  Die Vorinstanz nimmt zu Recht an, es könne keine Rede davon sein,
dass die falschen und unvollständigen Angaben von B. derart schwer wögen,
dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs
erschienen und das Fehlverhalten des Beschwerdeführers derart in den
Hintergrund rückten, dass eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges
anzunehmen wäre.

    Ob das Verhalten von B. als Sorgfaltspflichtverletzung zu werten ist,
die eine Fahrlässigkeitshaftung zur Folge hätte, muss hier nicht geprüft
werden. Die unzutreffende Schilderung des Unfallhergangs erscheint
jedenfalls nicht als konkurrierende Ursache, welche die durch das
Verhalten des Beschwerdeführers in Gang gesetzte Kausalreihe abbrechen
lässt. Vielmehr geht der gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der
Sorgfaltspflichtverletzung gerade von dieser Schilderung aus. Was der
Beschwerdeführer in diesem Punkt vorbringt, geht nicht über das hinaus,
was er gegen die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung einwendet. Dass
er bei Kenntnis der wahren Sachlage möglicherweise anders vorgegangen
wäre, kann ihn nicht entlasten. Im Übrigen weist die Vorinstanz zu Recht
darauf hin, dass er auch verschiedene Anhaltspunkte hatte, aufgrund derer
er die Angaben von B. unbedingt hätte in Zweifel ziehen müssen.

    Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.

Erwägung 7

    7.  Zuletzt macht der Beschwerdeführer geltend, es habe die
Konstellation einer Pflichtenkollision vorgelegen, da er einerseits auf
die Erhebung einer Fremdanamnese angewiesen sei und andererseits eine
irreführende Fremdanamnese nie ganz ausgeschlossen werden könne. Der
Notfallarzt müsse auf eine korrekt erhobene Fremdanamnese vertrauen dürfen.

    Was der Beschwerdeführer in diesem Punkt vorbringt, geht an der Sache
vorbei. Der übergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision
liegt vor, wenn zwei Rechtspflichten in derselben Situation so
zusammentreffen, dass der Verpflichtete keine von ihnen ohne Verletzung der
anderen erfüllen kann. Wer bei zwei konkurrierenden Handlungspflichten die
höhere oder auch nur gleichwertige Pflicht auf Kosten der anderen erfüllt,
handelt somit nicht rechtswidrig (vgl. BGE 113 IV 4 E. 3 S. 8; GÜNTER
STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I: Die Straftat,
2. Aufl., Bern 1996, § 10 N. 63; CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allg. Teil,
Bd. I, 3. Aufl., München 1997, § 16 N. 101 ff., 111).

    Im zu beurteilenden Fall sind keine konkurrierenden Rechtspflichten
ersichtlich. Den Beschwerdeführer traf hier einzig und allein die Pflicht,
den ihm als Notfallpatient anvertrauten Geschädigten nach den allgemein
anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft und Heilkunst zu untersuchen
und die medizinisch indizierten Massnahmen zu treffen. Gegen diese Pflicht
hat er verstossen, indem er in falschem Vertrauen auf die Schilderungen
von B. den eindeutigen Verdacht auf ein Verletzungsbild nicht erkannt und
die Bedeutung der vom Geschädigten gezeigten Symptome in unvertretbarer
Weise gedeutet hat.

    Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.