Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 II 87



130 II 87

11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. Zürcher Anwaltsverband gegen X. und Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte im Kanton Zürich sowie Obergericht des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    2A.110/2003 vom 29. Januar 2004

Regeste

    Art. 4-8, 12 sowie 36 BGFA; Eintragung ins kantonale Anwaltsregister,
Voraussetzung der anwaltlichen Unabhängigkeit.

    Gegen letztinstanzliche kantonale Beschlüsse über die Eintragung
ins kantonale Anwaltsregister kann der Anwaltsverband des betreffenden
Kantons Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben (E. 1).

    Anwaltstätigkeit im Monopolbereich fällt unter das Grundrecht
der Wirtschaftsfreiheit; Verweigerung des Registereintrags (wegen
fehlender Unabhängigkeit) tangiert dieses Grundrecht, was bei
der Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit zu berücksichtigen
ist (E. 3). Unabhängigkeit des Anwalts als weltweit anerkannte
Berufspflicht, im Umfeld des (veränderten) Berufsbilds (E. 4.1). Inhalt
der Unabhängigkeit (E. 4.2), bundesgerichtliche Rechtsprechung (E. 4.3)
und Literatur (E. 4.4) zur Frage der Unabhängigkeit von Anwälten im
Angestelltenverhältnis. Entstehungsgeschichte von Art. 8 Abs. 1 lit. d
und Art. 8 Abs. 2 BGFA; bei angestellten Anwälten besteht Vermutung
für Fehlen der Unabhängigkeit (E. 5.1), die widerlegbar ist (E. 5.2).
Verhältnis der gesetzlichen Regelung zum Freizügigkeitsabkommen, keine
Inländerdiskriminierung (E. 5.1.2). Voraussetzungen, unter denen ein
angestellter Anwalt den Registereintrag beanspruchen kann; Pflicht zur
Schaffung klarer Verhältnisse (E. 6). In casu hat der Anwalt ungenügende
Angaben zu seinem Angestelltenverhältnis gemacht und die Vermutung
des Fehlens der Unabhängigkeit nicht widerlegt (E. 7). Art. 36 BGFA
entbindet gegebenenfalls von der Erfüllung der fachlichen, nicht aber
der persönlichen Voraussetzungen; bei fehlender Unabhängigkeit kann die
Eintragung ins Register nicht übergangsrechtlich beansprucht werden (E. 8).

Sachverhalt

    X. ist Inhaber des aargauischen Fürsprecherpatents. Er steht in einem
Anstellungsverhältnis zur Bank Y. AG, wo er in der Rechtsabteilung tätig
ist. Im Handelsregister ist er bei dieser Bank u.a. als Vizedirektor mit
Kollektivunterschrift eingetragen.

    Nachdem am 1. Juni 2002 das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die
Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61)
in Kraft getreten war, stellte X. bei der Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte im Kanton Zürich (nachfolgend: Aufsichtskommission) am 29.
Juli 2002 das Gesuch, er sei im Sinne von Art. 5 ff. und Art. 36 BGFA ins
kantonale Anwaltsregister einzutragen. Er erklärte, den Anwaltsberuf als
Teilzeit-Selbständigerwerbender ausüben zu wollen, neben seiner Tätigkeit
als Angestellter bei der Bank Y. Die Aufsichtskommission stellte fest,
dass X. auf Grund des bisherigen Rechts über ein Anwaltspatent des Kantons
Aargau verfüge und nach Art. 196 Ziff. 5 BV in den anderen Kantonen eine
Berufsausübungsbewilligung erhalten hätte, weshalb sein Eintragungsgesuch
nach Art. 36 BGFA als begründet erscheine. Dementsprechend gab sie
dem Gesuch statt und trug X. mit Beschluss vom 20. August 2002 in das
kantonale Anwaltsregister ein.

    Der Zürcher Anwaltsverband erhob gegen diesen Beschluss Rekurs bei
der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich, welche
den Rekurs mit Beschluss vom 12. Februar 2003 abwies, soweit sie darauf
eintrat.

    Am 20. März 2003 hat der Zürcher Anwaltsverband gegen den Beschluss vom
12. Februar 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben.

    Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und
hebt den angefochtenen Beschluss auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Streitgegenstand bildet die Frage, welche Voraussetzungen eine
Person erfüllen muss, um in das kantonale Anwaltsregister eingetragen
werden zu können. Die Frage ist bundesrechtlich geregelt (Art. 6
ff. BGFA). Der angefochtene Beschluss stützt sich auf Bundesrecht
(Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG), und er kann,
da die Voraussetzungen gemäss Art. 98 ff. OG erfüllt sind, mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Gegen Eintragungen
ins kantonale Register steht das Beschwerderecht auch dem Anwaltsverband
des betreffenden Kantons zu (Art. 6 Abs. 4 BGFA); der Beschwerdeführer
ist damit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Auf die form-
und fristgerecht erhobene Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

Erwägung 2

    2.

    2.1  Der Beschwerdegegner stellte sein Gesuch um Eintragung in das
kantonale Anwaltsregister gestützt auf Art. 5 ff. und Art. 36 BGFA,
wobei er insbesondere hervorhob, dass er den Anwaltsberuf im Sinne von
Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA unabhängig ausübe. Er geht davon aus, dass
er sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für den Registereintrag
erfülle. Die Aufsichtskommission begründete ihren Beschluss vom
20. August 2002 über die Eintragung ins Register damit, dass der
Gesuchsteller auf Grund des bisherigen Rechts über ein Anwaltspatent
des Kantons Aargau verfüge und nach Art. 196 Ziff. 5 BV in den anderen
Kantonen eine Berufsausübungsbewilligung erhalten hätte, weshalb sein
Eintragungsgesuch nach Art. 36 BGFA als begründet erscheine. In ihrem
Rekursentscheid ging die Verwaltungskommission des Obergerichts davon
aus, dass der Beschwerdegegner sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen
für den Registereintrag erfülle, stützte ihren Entscheid mithin nicht
auf Art. 36 BGFA.

    Als Übergangsbestimmung soll Art. 36 BGFA den Eintrag ins
Anwaltsregister regeln in Fällen, da ein Eintrag gestützt auf das neu
geltende Bundesrecht nicht (mehr) in Frage kommt, jedoch nach bisherigem
Recht interkantonal eine Berufsausübungsbewilligung hätte erlangt werden
können. Erfüllt eine Person die ordentlichen Voraussetzungen für einen
Eintrag ins Register, erübrigt sich eine Berufung auf Art. 36 BGFA. Zuerst
ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdegegner nach heute geltendem Recht
ins Register eingetragen werden kann.

    2.2  Gemäss Art. 6 Abs. 1 BGFA lassen sich Anwälte, die über
ein kantonales Anwaltspatent verfügen und Parteien vor Gericht
vertreten wollen, ins Register des Kantons eintragen, in dem sie
ihre Geschäftsadresse haben. Die Aufsichtsbehörde trägt sie ein,
wenn sie festgestellt hat, dass die Voraussetzungen nach den Artikeln
7 und 8 erfüllt sind (Art. 6 Abs. 2 BGFA). Art. 7 BGFA umschreibt
die fachlichen Voraussetzungen für einen Eintrag, Art. 8 BGFA die
persönlichen Voraussetzungen. Gemäss Art 8 Abs. 1 BGFA müssen die
Anwälte handlungsfähig sein (lit. a); es darf keine im Strafregister nicht
gelöschte strafrechtliche Verurteilung wegen Handlungen vorliegen, die mit
dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind (lit. b), und es dürfen gegen
sie keine Verlustscheine bestehen (lit. c). Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA
bestimmt sodann, dass die Anwälte in der Lage sein müssen, den Anwaltsberuf
unabhängig auszuüben, und Angestellte nur von Personen sein können, die
ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind. Was Anstellungen
betrifft, gilt gemäss Art. 8 Abs. 2 BGFA eine Ausnahme für Anwälte, die
bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen angestellt sind; auch sie
können sich ins Register eintragen lassen, wenn die übrigen persönlichen
Voraussetzungen (Art. 8 Abs. 1 lit. a-c BGFA) erfüllt sind und sich die
Tätigkeit der Parteivertretung strikte auf Mandate im Rahmen des von der
betreffenden Organisation verfolgten Zwecks beschränkt.

    2.3  Der Beschwerdeführer widersetzt sich dem Eintrag des
Beschwerdegegners ins kantonale Anwaltsregister mit der Begründung,
es werde dadurch Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA verletzt; wegen seines
Anstellungsverhältnisses biete der Beschwerdegegner keine Gewähr dafür,
seine nebenberufliche Anwaltstätigkeit unabhängig auszuüben.

    Das Gesetz umschreibt den Begriff der anwaltlichen Unabhängigkeit
weder im Zusammenhang mit der Registereintragung noch in Art. 12 lit. b
BGFA, wo die unabhängige Berufsausübung als Berufsregel aufgeführt ist,
näher. Es ist nachfolgend zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein
Anwalt Gewähr für unabhängige Berufsausübung bietet und insofern, unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Anwaltsregisters, den Eintrag in
dasselbe verlangen kann.

Erwägung 3

    3.  Zur Anwaltstätigkeit gehören typischerweise die Vertretung von
Parteien vor Gericht sowie die Rechtsberatung; das Tätigkeitsgebiet
des Anwalts kann sich darüber hinaus auf andere Bereiche erstrecken
(wirtschaftliche Dienstleistungen, Ausübung von Verwaltungsratsmandaten
usw.). Gemäss Art. 2 Abs. 1 BGFA gilt das Anwaltsgesetz für Personen,
die über ein Anwaltspatent verfügen und in der Schweiz im Rahmen des
Anwaltsmonopols Parteien vor Gericht vertreten (s. auch Art. 4 BGFA). Der
Eintrag ins kantonale Anwaltsregister ist erforderlich, sofern ein
Rechtsanwalt Parteien in sämtlichen Kantonen ohne weitere Bewilligung vor
Gericht vertreten will (Art. 6 Abs. 1 BGFA); der Registereintrag betrifft
somit allein die so genannte Monopoltätigkeit.

    Beim Anwaltsmonopol handelt es sich nicht um ein echtes Monopol im
Rechtssinn. Der Zugang zum Beruf des Anwalts als Prozessvertreter erfolgt
auf Grund einer klassischen wirtschaftspolizeilichen Bewilligung, welche
zum Schutz des rechtsuchenden Publikums die persönlichen und fachlichen
Eigenschaften und Fähigkeiten des Berufsausübenden sicherstellen
soll (TOMAS POLEDNA, Anwaltsmonopol und Zulassung zum Anwaltsberuf -
Streiflichter in vier Thesen, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift
Schweizerischer Anwaltsverband 1998, Bern 1998, S. 89 ff.). Damit aber
fällt auch die Anwaltstätigkeit im Monopolbereich grundsätzlich in den
Schutzbereich der von Art. 27 BV garantierten Wirtschaftsfreiheit. Gemäss
Art. 36 BV bedarf daher jede Einschränkung der Befugnis, Parteien vor
Gericht zu vertreten, einer gesetzlichen Grundlage; sie muss sich durch
ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter
rechtfertigen lassen und hat verhältnismässig zu sein. Unzulässig sind
wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien
Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen
zu sichern oder zu begünstigen. Andere die Wirtschaftsfreiheit des
Anwalts einschränkende, im öffentlichen Interesse liegende Massnahmen sind
zulässig, wenn nebst dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit derjenige
der Rechtsgleichheit, namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität,
gewahrt wird (BGE 125 I 417 E. 4a S. 422; 123 I 12 E. 2a S. 15; Urteil
2P.187/2000 vom 8. Januar 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835,
E. 3a S. 838; Urteil 2P.151/1995 vom 12. Dezember 1996, publ. in: RDAT
1997 II Nr. 10 S. 14, E. 4b S. 20).

    Wird einem Rechtsanwalt der Eintrag ins kantonale Anwaltsregister
und damit die Möglichkeit, in sämtlichen Kantonen Parteien vor Gericht
zu vertreten, mit der Begründung verweigert, dass ihm die erforderliche
Unabhängigkeit fehle, wird er in seiner durch Art. 27 BV garantierten
Wirtschaftsfreiheit eingeschränkt. Für die Auslegung des Begriffs der
Unabhängigkeit des Anwalts im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA ist
daher die verfassungsrechtliche Komponente mitzuberücksichtigen. Der
Begriff darf nicht zu eng verstanden werden. Die Bestimmung ist so
auszulegen, dass patentierten Rechtsanwälten die Parteivertretung vor
Gericht nur insoweit verwehrt bleibt, als dies zur Verwirklichung der
mit der Zulassungsbeschränkung verfolgten Zielsetzung notwendig ist. Vor
diesem Hintergrund ist nachfolgend auf die Bedeutung der Unabhängigkeit
des Anwalts einzugehen.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Der Grundsatz der Unabhängigkeit des Anwalts ist von
herausragender Bedeutung; er ist als Berufspflicht des Anwalts weltweit
anerkannt (BGE 123 I 193 E. 4a S. 195; Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835,
E. 4a/aa S. 838 f., je mit Hinweisen). Die Unabhängigkeit des Anwalts
soll grösstmögliche Freiheit und Sachlichkeit bei der Interessenwahrung
gegenüber dem Klienten wie gegenüber dem Richter gewährleisten. Sie
bildet die Voraussetzung für das Vertrauen in den Anwalt und in die Justiz
(Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4c S. 842).

    Die Vorstellung des unabhängigen Anwalts ist verbunden mit dem Bild
des freien Anwalts, der selbständig ein Anwaltsbüro betreibt. Geläufig
ist auch die kombinierte Tätigkeit Anwalt/Notar. Insofern ergeben sich
kaum Schwierigkeiten. Allerdings sind Rechtsanwälte heute vielmals im
Rahmen komplexer (Unternehmens-)Strukturen tätig. Nicht nur schliessen
sich häufig mehrere Anwälte zu immer grösseren Anwaltskanzleien
zusammen; sie organisieren sich mit Wirtschaftsfachleuten, Treuhändern,
Steuerexperten usw. Vor allem sind immer mehr Inhaber von Anwaltspatenten
als Arbeitnehmer tätig. Viele Unternehmungen (Banken, Treuhandbüros,
Versicherungen) offerieren ihren Kunden Rechts- und Wirtschaftsberatung
in weitem Sinn und stellen zu diesem Zweck Anwälte an. Druck für
derartige Umgestaltungen entsteht durch die zunehmende Komplexität der
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht zuletzt wegen
der Internationalisierung des Wirtschaftslebens. Der Markt für anwaltliche
Tätigkeiten ist vielfältiger geworden (vgl. zum Ganzen, nebst anderen:
MICHAEL PFEIFER, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesellschaft, ZSR
115/1996 II S. 253 ff., insbes. S. 291 ff.; DOMINIQUE DREYER, L'avocat
dans la société actuelle, ZSR 115/1996 II S. 395 ff., insbes. S. 410
ff.; ISABELLE HÄNER, Das veränderte Berufsbild des Anwaltes und der
Anwältin. Neue Entwicklungen in der Rechtsberatung und Rechtsvertretung,
in: Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Das Anwaltsrecht nach dem BGFA,
St. Gallen 2003, S. 9 ff.; ferner verschiedene Beiträge in: Das künftige
Berufsbild des Anwalts in Europa, DACH Schriftenreihe 13 zur 20. Tagung
der Europäischen Anwaltsvereinigung e.V. vom 27.-29. Mai 2000 in München,
Köln 2000).

    Konkurrenz bzw. Wettbewerb herrscht damit insbesondere zwischen den
freien Anwälten und jenen Anwälten, die bei Unternehmungen angestellt
sind, welche nebst wirtschaftlichen Dienstleistungen auch rechtliche
Beratung anbieten und daran interessiert sind, die Vertretung ihrer
Kunden vor Gericht nötigenfalls durch eigenes Personal zu gewährleisten;
die grossen Revisions- und Beratungsfirmen sowie Banken usw. "wollen
ihren globalen Klienten ein möglichst umfassendes Leistungspaket anbieten"
(PETER NOBEL, Rechtsformen der Zusammenarbeit von Anwälten, in: Festschrift
des Schweizerischen Anwaltsverbands 1998, aaO, S. 339 ff., insbes. S. 351
ff.). Da die Unabhängigkeit des Anwalts Voraussetzung für die Zulassung zur
Parteivertretung vor Gerichten ist und sich das Problem der Unabhängigkeit
bei mit Unternehmungen verbundenen Anwälten ausgeprägt stellt, wirkt sich
die Beurteilung der Unabhängigkeitsfrage unweigerlich entscheidend auf
den Wettbewerb aus. In diesem Zusammenhang ist vereinzelt davon die Rede,
dass die Unabhängigkeitsfrage in der Literatur ohne klare Differenzierung
"hochstilisiert" werde (PETER NOBEL, aaO, S. 353). Dem ist höchstens
insofern beizupflichten, als damit der Besorgnis Ausdruck gegeben wird,
dass das Erfordernis der Unabhängigkeit angerufen werden könnte, um im
Sinne reiner Standespolitik undifferenziert die selbständigen Anwälte zu
privilegieren; dies wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht (vorne E. 3)
unzulässig. Die Unabhängigkeit des Anwalts ist aber vom Gesetzgeber, unter
Berufung auf die Lehre und insbesondere die Rechtsprechung, zu Recht zu
einem zentralen Kriterium für die Zulassung von Anwälten zur forensischen
Tätigkeit gemacht worden (Botschaft des Bundesrats vom 28. April 1999 zum
Anwaltsgesetz, BBl 1999 S. 6013 ff., insbes. S. 6033 ff.; AB 1999 N 1556
ff.; AB 1999 S 1165 ff.; AB 2000 N 38 ff.).

    4.2  Die Frage der Unabhängigkeit ist verknüpft mit der in Art. 12
lit. c BGFA festgeschriebenen Berufspflicht des Anwalts, jeden Konflikt
zwischen den Interessen seiner Klientschaft und denjenigen anderer
Personen, Unternehmungen oder Organisationen, mit denen er geschäftlich
oder privat in Beziehung steht, zu vermeiden (LUCIEN W. VALLONI/MARCEL
C. STEINEGGER, Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen
und Anwälte, Gesetzesausgabe mit Einführung, Zürich/Basel/Genf 2002,
S. 46). Damit ist der Aspekt angesprochen, dass der Anwalt bei der
Ausübung eines Mandats von Dritten unabhängig sein muss. Das ist der Fall
bei "absence de tous liens qui exposent l'avocat, dans l'exercice de sa
profession, à quelque influence que ce soit de la part de tiers (qui ne
pratiquent pas le barreau)" (JEAN-PIERRE GROSS, La libre circulation
des avocats - Portée de certaines dispositions de la LLCA [art. 7,
8 et 12], in: Anwaltsrevue 3/2002 S. 7/8). Dasselbe Verständnis der
anwaltlichen Unabhängigkeit hat der Europäische Gerichtshof. Er billigt
den Mitgliedstaaten der EU das Recht zum Erlass von Regelungen zu, die vom
Rechtsanwalt verlangen, dass er sich in einer Position der Unabhängigkeit
gegenüber staatlichen Stellen, anderen Wirtschaftsteilnehmern und Dritten
befindet, von denen er sich zu keiner Zeit beeinflussen lassen darf. Der
Anwalt muss insoweit Gewähr dafür bieten, dass sämtliche Handlungen,
die er in einer Angelegenheit vornimmt, ausschliesslich vom Interesse
seines Mandanten bestimmt sind (Urteil des EuGH vom 19. Februar 2002 in
der Rechtssache C-309/99, Wouters, Slg. 2002, I-1577, Randnr. 102). Wer
sich an einen Anwalt wendet, soll gewiss sein dürfen, dass dieser in
keiner Weise an einen Dritten gebunden ist, dessen Interessen den eigenen
in irgendeiner Weise entgegenstehen könnten (Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835,
E. 4c S. 842). Dieser Aspekt der Unabhängigkeit liegt auf der Hand.

    Darüber hinaus wird gemeinhin verlangt, dass der Anwalt auch gegenüber
seinem Klienten unabhängig sein muss. Er soll als objektiv urteilender
Helfer dienlich sein können. Das setzt voraus, dass er eigenständig
abschätzt, wie im Prozess vorzugehen ist, und versucht, den Klienten von
seiner Betrachtungsweise zu überzeugen bzw. von einer unzweckmässigen
Handlungsweise abzuhalten (zu diesem Element der Unabhängigkeit etwa:
TOMAS POLEDNA, aaO, S. 94; FRANZ WERRO, Les conflits d'intérêts de
l'avocat, in: Festschrift des Schweizerischen Anwaltsverbands 1998, aaO,
S. 231 ff., insbes. S. 240 f.; ALBERT-LOUIS DUPONT-WILLEMIN, Le secret
professionnel et l'indépendance de l'avocat, in: Bulletin SAV, März 1986,
Nr. 101, S. 9 ff., insbes. S. 14 ff.).

    Beide soeben erwähnte Gesichtspunkte betreffen insbesondere die
Frage, ob eine Anstellung mit der Pflicht zur Unabhängigkeit des Anwalts
vereinbar ist. Dabei sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden: Es gibt
einerseits den Anwalt, der neben der Tätigkeit für seinen Arbeitnehmer und
ohne Konnex mit der im Rahmen dieser Anstellung ausgeübten Tätigkeit eigene
Klienten betreut und vor Gericht vertritt. Der Anwalt kann andererseits
in seiner Tätigkeit als Angestellter entweder seinen Arbeitgeber oder
aber Kunden seines Arbeitgebers vertreten.

    4.3  Da das Anwaltsrecht bisher kantonalrechtlich geregelt war,
hatte das Bundesgericht sich mit der Problematik der anwaltlichen
Unabhängigkeit nicht umfassend und jedenfalls nicht mit freier Kognition
zu befassen. Diesbezügliche Fragen konnten ihm im Wesentlichen bloss
im Rahmen von staatsrechtlichen Beschwerden unterbreitet werden, wobei
jeweilen zu prüfen war, ob mit dem Gebot der anwaltlichen Unabhängigkeit
begründete Beschränkungen der Anwaltstätigkeit mit den angerufenen
verfassungsmässigen Rechten (insbesondere der Wirtschaftsfreiheit)
vereinbar waren. Immerhin wurden in dieser Rechtsprechung die Konturen
des Begriffs der Unabhängigkeit abgesteckt.

    4.3.1  Das Bundesgericht hat eine kantonale Norm wegen Verletzung
der Handels- und Gewerbefreiheit aufgehoben, welche bestimmte, dass die
Anwaltstätigkeit unvereinbar sei mit jeder anderen Erwerbstätigkeit, welche
diejenige als Anwalt überwiegt. Es erachtete zwar das vom Gesetzgeber
verfolgte Ziel, die Qualität der Dienstleistung und die Unabhängigkeit des
Anwalts sicherzustellen, als zulässig, qualifizierte die Massnahme aber als
unverhältnismässig, weil sie ohne Notwendigkeit Anwälte benachteilige,
die freiwillig oder gezwungenermassen die Anwaltstätigkeit nur in
einem Teilpensum ausübten; sie sei einerseits nur bedingt geeignet zur
Erreichung des gesetzgeberischen Ziels und schiesse andererseits über
dieses hinaus (Urteil P.1175/1985 vom 18. Oktober 1985, publ. in: RDAF
1986 S. 157, E. 4b und c S. 161 ff.). Aus den gleichen Überlegungen hat
das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde eines hauptberuflich
als Leiter der Schadensabteilung einer Versicherung angestellten Anwalts
insofern teilweise gutgeheissen, als der Kanton Tessin ihm die Zulassung
zum Anwaltsberuf vollständig verweigern und ihm unterschiedslos jegliche
Nebentätigkeit als Anwalt untersagen wollte (RDAT 1997 II Nr. 10 S. 14,
E. 6b S. 23 ff.). Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Verbot, einem
angestellten Anwalt die Parteivertretung vor Gericht generell und selbst
für den Fall zu untersagen, dass ein Mandat in keinem Zusammenhang zu
seiner Tätigkeit als Angestellter steht, unzulässig.

    4.3.2  Ein absolutes Verbot, den eigenen Arbeitgeber als Anwalt vor
Gerichten zu vertreten, hat das Bundesgericht unter dem Gesichtswinkel
der (finanziellen) Unabhängigkeit - ausdrücklich (RDAT 1997 II Nr. 10
S. 14, E. 6b/cc S. 26 f.; vgl. auch BGE 123 I 193 E. 4b S. 198; Pra
90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4a/aa S. 839) oder implizit (Urteil P.370/1978
vom 17. Oktober 1980, E. 4c, e contrario) - als verfassungskonform erachtet
(s. dazu FRANZ WERRO, Les conflits d'intérêts de l'avocat, in: Festschrift
des Schweizerischen Anwaltsverbands 1998, aaO, S. 241; ALBERT-LOUIS
DUPONT-WILLEMIN, aaO, S. 14 ff.). Gemeint ist damit der Fall, dass der
Angestellte der Unternehmung formell als deren Anwalt auftritt. Nicht
berührt davon ist hingegen die Frage, ob eine Unternehmung sich durch
eigene Arbeitnehmer mit Organfunktion, die über ein Anwaltspatent verfügen,
vertreten lassen darf. Soweit kein Anwaltszwang besteht, dürfte dem nichts
entgegenstehen; der Arbeitnehmer kann dabei aber nicht die Stellung eines
Anwalts beanspruchen.

    4.3.3  In Bezug auf die Vertretung von Kunden des Arbeitgebers eines
Anwalts hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zur Handels- und
Gewerbefreiheit bzw. zur Wirtschaftsfreiheit eine differenzierte Haltung
eingenommen (s. Zusammenfassung in BGE 123 I 193 E. 4b S. 197 f.; ferner
BBl 1999 S. 6037 f.). Als ausschlaggebend erscheint das Kriterium des
Interessenkonflikts. Übernimmt der angestellte Anwalt ein Mandat eines
Kunden seines Arbeitgebers, tut er dies - auch - im Interesse seines
Arbeitgebers, der ihm gegenüber aus dem Arbeitsverhältnis weisungsbefugt
ist. Die Ausübung eines Mandats unter dem Einfluss des Arbeitgebers ist mit
dem Erfordernis der anwaltlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar und darf
untersagt werden. Die Möglichkeit der Vertretung von mit dem Arbeitgeber
in Beziehung stehenden Personen ist dagegen von der Rechtsprechung nicht
vollständig ausgeschlossen worden, sofern im Einzelfall als sichergestellt
erscheint, dass der Anwalt das Mandat führen kann, ohne dass er dabei
durch ein möglicherweise vom Interesse des Klienten abweichendes Interesse
des Arbeitgebers beeinflusst wird. So nahm das Bundesgericht im Falle
des von einer Gewerkschaft angestellten und entlöhnten Anwalts an, das
Prinzip der (finanziellen) Unabhängigkeit des Anwalts sei nicht verletzt,
wenn dieser Mitglieder der Gewerkschaft berät und vor Gerichten vertritt
(Urteil P.370/1978 vom 17. Oktober 1980). Im Fall eines Anwalts, der
gegen eine Pauschalentschädigung für eine soziale Institution tätig war,
welche Bedürftigen unentgeltliche Rechtsberatung sowie Vertretung im
Prozess gewährte, wobei er auch das Alimenteninkasso zu besorgen hatte,
nahm das Bundesgericht an, die Unabhängigkeit sei gewahrt, weil sich
der Anwalt im Arbeitsvertrag die Art und Weise der Durchführung des
Mandats ausdrücklich vorbehalten hatte und diesbezüglich keinerlei
Weisungen unterlag (BGE 113 Ia 279 E. 2 S. 282 f.). Demgegenüber
bestätigte das Bundesgericht einen kantonalen Entscheid, womit einem
leitenden Angestellten einer Rechtsschutzversicherung untersagt wurde,
als Anwalt Kunden der Arbeitgeberin zu vertreten (BGE 123 I 193). Ebenso
schützte es einen Entscheid, mit welchem die kantonale Behörde annahm,
ein bei einer Treuhandgesellschaft angestellter Rechtsanwalt habe das
Unabhängigkeitsgebot verletzt; dieser hatte in einem Gerichtsverfahren
als Rechtsvertreter einer Klientin Briefpapier verwendet, auf welchem
nebst seinem Namen seine Arbeitgeberin aufgeführt war (Pra 90/2001
Nr. 141 S. 835). Wohl schloss das Bundesgericht nicht aus, dass auch
bei derartigen Anstellungsverhältnissen im Einzelfall eine Vertretung
von Kunden des Arbeitgebers ohne Beeinträchtigung der anwaltlichen
Unabhängigkeit möglich sei. Es hielt aber dafür, dass angesichts
der besonderen Natur der Geschäftstätigkeit von Unternehmungen wie
(Rechtsschutz-)Versicherungen, Treuhandgesellschaften, Banken usw. die
Gefahr der Divergenz der Interessen des Klienten und der Arbeitgeberin
und damit die Möglichkeit einer Gefährdung der Unabhängigkeit und
der eigenverantwortlichen Berufsausübung als Anwalt augenscheinlich
sei (BGE 123 I 193 E. 4e S. 199 ff.); im Interesse einer klaren,
transparenten und auch für den Rechtsuchenden überblickbaren Ordnung
erweise sich der generelle Ausschluss der von Treuhandgesellschaften oder
anderen (gewinnorientierten) Unternehmungen angestellten Anwälte von der
Monopoltätigkeit als geeignet und verhältnismässig, um die Unabhängigkeit
des Anwaltsstandes zu gewährleisten (Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4c
S. 842 f.). Im gleichen Zusammenhang hat das Bundesgericht auch die
Bedeutung des Anwaltsgeheimnisses hervorgehoben, dessen Einhaltung durch
einen angestellten Anwalt im Rahmen der Unternehmensorganisation nur
schwer gewährleistet werden kann (s. dazu Voten von Nationalrat Suter,
AB 1999 N 1560 f, S. 1566; ferner BENOÎT CHAPPUIS, La pratique du barreau
au sein d'une personne morale - Réflexions de lege ferenda sous l'angle
de l'indépendance de l'avocat, in: Anwaltsrevue 8/2003 S. 261 ff.,
insbes. S. 263).

    4.3.4  Nie problematisiert wurde in der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung, soweit ersichtlich, die Frage der Unabhängigkeit von
Anwälten, die bei Anwaltsbüros angestellt sind; diesfalls bietet der
Arbeitgeber hinsichtlich der Pflicht zur Unabhängigkeit (wie auch in
Bezug auf das Anwaltsgeheimnis) selber die notwendigen Garantien.

    4.4  Vor Inkrafttreten des Anwaltsgesetzes wurde in der Literatur
die Tätigkeit von angestellten Anwälten im Monopolbereich grossenteils
abgelehnt und insbesondere hinsichtlich der Vertretung von Kunden des
Arbeitgebers als mit dem Unabhängigkeitsgebot grundsätzlich unvereinbar
erachtet. Gewisse Autoren hielten die Tätigkeit von angestellten Anwälten
im Monopolbereich für zulässig, sofern sich der Anwalt von seinem
Arbeitgeber vertraglich eine unabhängige Berufsausübung ausbedungen
hatte (s. Übersicht in Pra 90/2001 Nr. 141 S. 835, E. 4a/bb S. 839
f.). Unterschiedlich gehandhabt wurde die Zulassung von angestellten
Anwälten zur Monopoltätigkeit in den Kantonen (s. Übersicht in BGE 123
I 193 E. 4a S. 196 f.; ferner Zusammenstellung in der Botschaft zum
Anwaltsgesetz, BBl 1999 S. 6033 f.). Hervorzuheben ist die Praxis der
Zürcher Aufsichtsbehörde, wonach es dem angestellten Anwalt gestattet ist,
Kunden seines Arbeitgebers (selbst einer Treuhandgesellschaft) vor Gericht
zu vertreten; Voraussetzung ist, dass durch schriftlichen Vertrag mit
dem Arbeitgeber jene Kautelen vereinbart werden, die für die unabhängige
Berufsausübung und zur Einhaltung der Standespflichten unerlässlich sind
(ZR 79/1980 Nr. 126 S. 265 ff.).

Erwägung 5

    5.

    5.1

    5.1.1  Die vorstehend wiedergegebenen Überlegungen bildeten, was den
Gesichtspunkt der Unabhängigkeit des Anwalts betrifft, weitgehend auch
die Grundlage für die Ausarbeitung des Anwaltsgesetzes.

    In Berücksichtigung der Stellungnahmen zu einem ersten Entwurf sowie
im Hinblick darauf, dass eine mögliche Entwicklung auf dem Anwaltsmarkt
nicht blockiert werden solle, wurde vorerst eine Formulierung gewählt
(Art. 7 lit. e in Verbindung mit Art. 11 lit. b des Entwurfs), die es
den kantonalen Aufsichtsbehörden und den Gerichten ermöglicht hätte,
die Konturen der Unabhängigkeit zu bestimmen (vgl. BBl 1999 S. 6038 f.,
Ziff. 172.17). Ein angestellter Anwalt sollte ins Register eingetragen
werden können, und beim Eintrag ins Anwaltsregister eines "liberalen"
Kantons wäre es den anderen Kantonen verwehrt geblieben, ihm das Recht
zur Parteivertretung vor ihren Gerichten auf Grund seiner Eigenschaft
als Angestellter zu verweigern (BBl 1999 S. 6054 f., Ziff. 233.22).

    In der parlamentarischen Beratung wurde teils die Auffassung vertreten,
dass für die Frage der Unabhängigkeit allein der konkrete Fall massgeblich
sei, nicht aber die Organisationsstruktur und damit etwa die Tatsache,
dass ein Anwalt angestellt sei (Votum Hochreutener, AB 1999 N 1557); es
liege im Übrigen im Interesse des Kunden einer ihn umfassend beratenden
Unternehmung, dass auch deren Angestellte die allenfalls notwendig
werdende Vertretung vor Gericht besorgten (Votum Nabholz, AB 1999 N
1557 f.). Nach intensiven Diskussionen (AB 1999 N 1556-1566) setzte
sich jedoch eine restriktive Auslegung der Unabhängigkeit durch, womit
gleichzeitig den Kantonen wenig Spielraum belassen wurde. Der Wortlaut
von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA drückt unmissverständlich den Willen
der Parlamentsmehrheit aus, dass ein Anwalt im Angestelltenverhältnis
den für die Tätigkeit im Monopolbereich erforderlichen Registereintrag
nicht beanspruchen kann, es sei denn, der Arbeitgeber sei seinerseits
ein im Register eingetragener Anwalt. Es besteht insofern bei (nicht von
Anwälten) angestellten Anwälten eine (unter bestimmten Voraussetzungen
allerdings widerlegbare, s. nachfolgend E. 5.2) Vermutung des Fehlens
der Unabhängigkeit; diese wird im neuen Anwaltsgesetz strukturell,
institutionell umschrieben (BEAT HESS, Umsetzung des Bundesgesetzes über
die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA] durch die Kantone,
SJZ 98/2002 S. 485 ff., insbes. S. 489; s. für Begriff "institutionelle
Unabhängigkeit" Votum Baumberger, AB 1999 N 1559). Was die Ausnahme von
Art. 8 Abs. 2 BGFA betrifft, ist zu berücksichtigen, dass das Parlament
diese bewusst auf "anerkannte gemeinnützige Organisationen" beschränkt
und damit auf den weiter gefassten Begriff "nicht gewinnorientierte
Organisationen" verzichtet hat, was insbesondere zur Folge haben dürfte,
dass beispielsweise bei Mieterverbänden oder Gewerkschaften angestellte
Anwälte Mitglieder ihres Arbeitgebers nicht in Gerichtsverfahren vertreten
können, für welche das Anwaltsmonopol gilt (vgl. AB 1999 S 1165 ff.;
AB 2000 N 41). Allerdings fielen bisher Verfahren gerade in diesen
Bereichen nach den kantonalen Prozessordnungen vielfach nicht unter das
Anwaltsmonopol; und diesbezüglich besteht im Sinne von Art. 3 Abs. 2 BGFA
weiterhin Raum für (allein die Vertretung vor Gerichten des jeweiligen
Kantons betreffende) kantonale Regelungen.

    5.1.2  Die in der Ratsdebatte zum Ausdruck kommende Befürchtung,
eine restriktive Handhabung des Registereintrags im Zusammenhang mit der
Unabhängigkeitsfrage führe zu einer Inländerdiskriminierung (Votum Nabholz,
AB 1999 N 1558), entbehrt der Grundlage. Es kann hierzu auf die Abschnitte
4 und 5 des Anwaltsgesetzes verwiesen werden, wo die vorübergehende
Ausübung bzw. die ständige Ausübung des Anwaltsberufs durch Anwälte aus
Mitgliedstaaten der EU oder EFTA geregelt wird. Insbesondere gelten für
sie gemäss Art. 25 bzw. Art. 27 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 BGFA die
Berufsregeln nach Art. 12 BGFA, mithin auch das Gebot der Unabhängigkeit
(s. auch Art. 30 Abs. 2 BGFA). Die Regelung steht im Einklang mit dem
Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR
0.142.112.681). Art. 19 von Anhang I zum FZA hält ausdrücklich fest,
dass der Dienstleistungserbringer seine Tätigkeit in einem Staat
unter den gleichen Bedingungen ausüben kann, wie dieser Staat sie
für seine eigenen Staatsangehörigen vorschreibt; zugleich verweist er
auf Anhang III, wo unter B.3. die Richtlinien 77/249/EWG (betreffend
vorübergehende Dienstleistungserbringung) und 98/5/EG (betreffend ständige
Dienstleistungserbringung bzw. Niederlassung) erwähnt sind. Was speziell
angestellte Anwälte betrifft, bestimmt Art. 8 der Richtlinie 98/5/EG, dass
der in einem Anstellungsverhältnis stehende ausländische Rechtsanwalt
die Zulassung nur beanspruchen kann, wenn der Aufnahmestaat dies für
die unter der Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats eingetragenen
Rechtsanwälte in gleicher Lage gestattet. Sodann erlaubt Art. 6 der
Richtlinie 77/249/EWG jedem Mitgliedstaat, die im Gehaltsverhältnis
stehenden Rechtsanwälte, die durch einen Arbeitsvertrag an ein
staatliches oder privates Unternehmen gebunden sind, von der Ausübung der
Tätigkeiten der Vertretung und Verteidigung im Bereich der Rechtspflege
für dieses Unternehmen insoweit auszuschliessen, als die in diesem Staat
ansässigen Rechtsanwälte diese Tätigkeiten nicht ausüben dürfen. Beiden
Richtlinien liegt der Grundsatz der Inländerbehandlung zugrunde. Die
ausländischen Anwälte, die in einem Vertragsstaat tätig werden wollen,
sind ihren inländischen Berufskollegen insbesondere in Bezug auf die
Berufspflichten (wie das Unabhängigkeitsgebot) gleichgestellt (Art. 6
der Richtlinie 98/5/EG; Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/249/EWG;
vgl. dazu DAVID EINHAUS, Die Richtlinie 98/5/EG zur Erleichterung der
ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im Ausland - Auswirkungen und
Prognosen, in: Das künftige Berufsbild des Anwalts in Europa, aaO, S. 33
ff.; FRITZ ROTHENBÜHLER, Dienstleistungsfreiheit und Berufsanerkennung,
insbesondere für Rechtsanwälte, in: Die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG.
Ausgewählte Fragen zur Rezeption und Umsetzung der Verträge vom 21. Juni
1999 im schweizerischen Recht, Berner Tage für die juristische Praxis,
Bern 2002, S. 95 ff., insbes. S. 104 ff., 114 ff.).

    5.2  Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nennt als persönliche Voraussetzung
des Registereintrags die Unabhängigkeit des Anwalts und verknüpft dieses
Erfordernis mit dem Zusatz: "Sie können Angestellte nur von Personen
sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind." Nach
diesem Wortlaut könnte das Gesetz so verstanden werden, dass jeder in
einem Anstellungsverhältnis stehende Anwalt, dessen Arbeitgeber nicht
selber als Anwalt eingetragen ist, ungeachtet dessen, ob es sich um eine
Voll- oder um eine Teilzeitanstellung handelt, und ohne Rücksicht darauf,
ob und wieweit die Auswahl der Klienten und die Art der Mandate mit dem
Anstellungsverhältnis zusammenhängt, vom Registereintrag ausgeschlossen
wäre. Eine derartige Auslegung des Gesetzes hätte zur Folge, dass es selbst
jenen Anwälten, die neben einer bloss teilzeitlichen Erwerbstätigkeit
als Angestellter noch eine selbständige Anwaltstätigkeit ausüben wollen,
verwehrt wäre, von der mit dem Registereintrag verbundenen interkantonalen
Freizügigkeit (vgl. Art. 6 Abs. 1 BGFA) zu profitieren; darüber hinaus
würde ihnen, trotz des Vorbehalts von Art. 3 Abs. 2 BGFA, wohl auch in den
meisten Kantonen die Parteivertretung vor deren eigenen Gerichtsbehörden
untersagt. Damit hätte das Anwaltsgesetz, welches immerhin gerade auch
eine Liberalisierung bezweckte, eine Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit
zur Folge, die sich in ihrem Ausmass nicht mehr durch ein öffentliches
Interesse rechtfertigen liesse (vorne E. 4.3.1).

    Abgesehen davon, dass der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d
BGFA nicht zwingend eine derartige Auslegung verlangt, gibt es
keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber, der sich von
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung leiten liess, dies gewollt
haben könnte. Selbst Parlamentarier, die sich für einen restriktiven
Unabhängigkeitsbegriff einsetzten, wollten Teilzeitangestellte nicht von
der Tätigkeit im Monopolbereich ausschliessen (Votum Jutzet, AB 2000 N
38). Institutionell verstandene Unabhängigkeit bedeutet denn auch bloss,
dass das Fehlen der Unabhängigkeit bei Mandaten zu vermuten ist, die in
irgend einem Zusammenhang mit der Anstellung stehen; so bei der Vertretung
des Arbeitgebers selber oder von mit diesem verbundenen Unternehmungen
sowie bei der Vertretung von dessen Kunden. Berät und vertritt der Anwalt
hingegen Klienten, die in keinerlei Beziehung zu seinem Arbeitgeber
stehen, erscheint die anwaltliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt,
soweit keine zusätzlichen entsprechenden Indizien vorliegen. Für solche
Verhältnisse darf in der Regel auf Unabhängigkeit geschlossen werden. Das
Gesetz ist daher so auszulegen, dass der Anwalt für seine Tätigkeit als
Anwalt in keinem Angestelltenverhältnis mit einem Arbeitgeber stehen
darf, der nicht selber als Anwalt im Register eingetragen ist. Der bei
einem diese Voraussetzung nicht erfüllenden Arbeitgeber angestellte
Anwalt kann aber die verlangte Unabhängigkeit ebenfalls aufweisen, wenn
er seine Anwaltstätigkeit ausserhalb dieses Angestelltenverhältnisses
ausübt und sich auf Mandate beschränkt, die auch klar ausserhalb des
Tätigkeitsbereichs seines Arbeitgebers liegen (vgl. BEAT HESS, aaO, S.
490; LUCIEN W. VALLONI/MARCEL C. STEINEGGER, aaO, S. 46). Für eine
derartige teilzeitliche selbständige Anwaltstätigkeit besteht daher
grundsätzlich Anspruch auf Eintragung ins Anwaltsregister, sofern die
übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und den durch die
Anstellung bewirkten Besonderheiten Rechnung getragen wird.

    Bei der Prüfung von Gesuchen um Registereintrag hat die zuständige
Behörde zu berücksichtigen, dass auch der ausschliesslich selbständig
tätige Anwalt Interessenkonflikten ausgesetzt sein kann. Jeder Anwalt
hat auch nach der Eintragung ins Register das Unabhängigkeitsgebot von
Art. 12 lit. b BGFA zu beachten und muss im Einzelfall abschätzen, ob
ein Interessenkonflikt vorliegt. Das wirkt sich auf den beim Entscheid
über den Registereintrag anzuwendenden Beurteilungsmassstab aus. Die
Anforderungen an die Unabhängigkeit dürfen auch beim Anwalt, der bei
einer Unternehmung angestellt ist, nicht so hoch angesetzt werden, dass
dieser nachzuweisen hätte, dass jegliche künftige Beeinträchtigung der
Unabhängigkeit zum Vornherein ausgeschlossen ist. Die Behörde hat sich
vielmehr zu vergewissern, dass die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses
des Anwalts und die im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit getroffenen
organisatorischen Vorkehrungen eine Beeinflussung durch die Interessen
des Arbeitgebers verunmöglichen und auch sonst der korrekten Ausübung
des Anwaltsmandats in keiner Weise entgegenstehen.

Erwägung 6

    6.

    6.1  Die kantonale Aufsichtsbehörde trägt einen Anwalt ins kantonale
Anwaltsregister ein, wenn sie festgestellt hat, dass die fachlichen
und persönlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind (Art. 6 Abs. 2
BGFA). Der Anwalt ist dementsprechend verpflichtet, seinem Gesuch sämtliche
Bescheinigungen beizufügen, welche belegen, dass die Voraussetzungen nach
Art. 8 BGFA erfüllt sind (Art. 5 Abs. 1 lit. c BGFA). Erforderlich ist die
Angabe einer Geschäftsadresse (Art. 5 Abs. 1 lit. d BGFA). Im Hinblick
auf Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA muss der angestellte Anwalt insbesondere
vollständige Angaben über sein Arbeitsverhältnis beibringen, soweit sie
für die Unabhängigkeitsfrage von Belang sein können. Angesichts des engen
Zusammenhangs zwischen Unabhängigkeit und Berufsgeheimnis bei angestellten
Anwälten (vorne E. 4.3.3 am Ende) darf der Registereintrag sodann auch
davon abhängig gemacht werden, dass der Anwalt die von ihm getroffenen
Vorkehrungen aufzeigt, die ihm die Wahrung des Berufsgeheimnisses trotz
seiner Anstellung erlauben. Wer als angestellter Anwalt, dessen Arbeitgeber
nicht selber ins Register eingetragen ist, in ein kantonales Register
eingetragen werden und damit die Befugnis erhältlich machen will, in
sämtlichen übrigen Kantonen ohne zusätzliche Bewilligung als unabhängiger
Anwalt tätig zu werden, hat für klare Verhältnisse zu sorgen.

    6.2  Ein angestellter Anwalt wird sich insbesondere dann ins
kantonale Anwaltsregister eintragen lassen wollen, wenn er neben einer
Teilzeitanstellung als unabhängiger Anwalt tätig werden will. Auch
vollzeitlich bei einer Unternehmung angestellte Anwälte gehen indessen
in ihrer Freizeit gelegentlich einer unabhängigen Anwaltstätigkeit
nach. Der Umstand einer Vollzeitanstellung allein spricht nicht gegen
die Zulässigkeit des Registereintrags. Das Argument, wer vollzeitlich
angestellt sei, biete mangels zeitlicher Kapazität keine Gewähr für eine
korrekte Mandatsführung, trifft so nicht zu. Auch beim ausschliesslich
freierwerbenden Anwalt besteht die Gefahr der Überlastung. Es ist so
oder anders Sache des Anwalts, bei der Mandatsübernahme den Zeitbedarf,
die vorhandenen Kapazitäten und auch die Wahrscheinlichkeit allfälliger
Dringlichkeitssituationen abzuschätzen.

    Gegen die Zulassung von Vollzeitangestellten zur nebensächlichen
Berufsausübung als Rechtsanwalt lässt sich auch nicht einwenden,
diese könnten sich der Pflicht zur Übernahme von Offizialmandaten
entziehen. Einerseits könnte dies nur dann problematisch sein, wenn nicht
genügend vollzeitlich freierwerbende Anwälte zur Verfügung stehen, die
(finanziell) an derartigen Mandaten interessiert sind. Andererseits
wird der nur nebenbei als freischaffender Anwalt Tätige die Übernahme
solcher Mandate zwar nicht generell ablehnen dürfen, sich aber gegen
eine übermässige entsprechende Beanspruchung legitimerweise zur Wehr
setzen können (vgl. Urteil 2P.248/2001 vom 20. Dezember 2001, publ. in:
Pra 91/2002 Nr. 50 S. 267).

    Ausschlaggebend ist letztlich allein, ob der Anwalt darlegen kann,
dass angesichts der Ausgestaltung seines Anstellungsverhältnisses keine
Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit bzw. der gewissenhaften und allein
im Interesse seiner Klienten liegenden Berufsausübung droht.

    6.3

    6.3.1  Der Beweis dafür, dass dem Arbeitgeber jegliches
Weisungsrecht bezüglich der von seinem Angestellten in dessen
Eigenschaft als selbständiger Anwalt betreuten Klienten abgeht und
ihm auch kein Einsichtsrecht zusteht, kann und soll (jedenfalls bei
Vollzeitangestellten) in der Regel durch Vorlage eines entsprechend
formulierten Arbeitsvertrags bzw. allfälliger ergänzender Klauseln dazu
erbracht werden. Das Bundesgericht hat sich zum möglichen Inhalt solcher
vertraglicher Bestimmungen im bereits erwähnten Urteil 2P.151/1995 (RDAT
1997 II Nr. 10 S. 14) geäussert und dabei auf einen Entscheid der Zürcher
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte (publ. in: ZR 79/1980 Nr. 126
S. 265 ff.) verwiesen. Darauf kann abgestellt werden. Im Einzelnen sind
folgende Punkte hervorzuheben:

    Insbesondere bei vollamtlicher Anstellung muss aus dem Arbeitsvertrag
oder aus einer Erklärung des Arbeitgebers hervorgehen, dass dieser über
die nebenberufliche selbständige Anwaltstätigkeit seines Angestellten
im Bilde und damit einverstanden ist. Ebenso muss klargestellt sein,
dass der Arbeitgeber keinen Einfluss auf diese Anwaltstätigkeit nehmen
kann und dass weder er oder ihm nahe stehende Unternehmungen noch seine
Kunden oder sonstige Geschäftspartner, sofern die Art der Beziehung dieser
Personen zum Arbeitgeber für die Unabhängigkeit der Mandatsführung nicht
zum Vornherein irrelevant erscheint, die anwaltlichen Dienstleistungen
des Angestellten in Anspruch nehmen können. Auch die allfällige Führung
von Mandaten gegen den Arbeitgeber oder dessen Kunden muss ausgeschlossen
sein. Weiter soll dargetan sein, dass dem Arbeitgeber gegenüber keine
Verpflichtungen bestehen, die den Anwalt davon abhalten könnten, den
anwaltlichen Berufspflichten vollumfänglich nachzukommen und namentlich
das Anwaltsgeheimnis zu wahren. So darf keine irgendwie geartete
Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber betreffend die ausgeübten
Mandate bestehen. Des Weiteren muss das Verhältnis zum übrigen Personal
des Arbeitgebers geklärt sein; es soll zumindest implizit ausgeschlossen
werden, dass vom Arbeitgeber des Anwalts angestelltes und entlöhntes
Personal Anwaltskanzleiarbeiten für den Anwalt ausübt.

    Bei Teilzeitangestellten kann dann davon abgesehen werden, die Vorlage
eines entsprechend ausgestalteten Arbeitsvertrags zu verlangen, wenn schon
angesichts der Natur der Branche, in welcher der Arbeitgeber tätig ist,
und der Art der Aufgaben, die der nebenberuflich den Anwaltsberuf ausübende
Angestellte in der Unternehmung wahrnimmt, davon auszugehen ist, dass
die Unabhängigkeit der Anwaltstätigkeit durch das Angestelltenverhältnis
nicht beeinträchtigt werden kann.

    6.3.2  Neben der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags sind weitere Punkte
von Bedeutung. Auf der Hand liegt die Notwendigkeit von Vorkehrungen für
eine strikte Trennung von Vermögenswerten der Klienten nicht nur vom
eigenen Vermögen des Anwalts (vgl. Art. 12 lit. h BGFA), sondern erst
recht vom Vermögen von dessen Arbeitgeber. Auch unter dem Gesichtspunkt
des Anwaltsgeheimnisses muss der Anwalt aufzeigen, dass er die Möglichkeit
hat, die Akten von Anwaltsmandaten gesondert und für Organe, Vertreter oder
Angestellte des Arbeitgebers unzugänglich aufzubewahren. Wenn Art. 5 Abs. 1
lit. d BGFA vorschreibt, dass im Anwaltsregister die Geschäftsadresse
des Anwalts angegeben werden muss, ist dies nicht nur im Hinblick auf
dieses letztgenannte Element, sondern allgemein unter dem Aspekt der
"institutionellen" Natur der Unabhängigkeit von Bedeutung. In der Tat
ist nur schwer vorstellbar, dass der Anwalt für eigene Klienten in einer
den Anforderungen des Unabhängigkeitsgebots genügenden Weise und unter
vollständiger Wahrung des Anwaltsgeheimnisses tätig werden kann, wenn
er seine Anwaltstätigkeit in den gleichen Räumlichkeiten ausübt, die ihm
von seinem Arbeitgeber für die unselbständige Erwerbstätigkeit zugewiesen
sind, und er dort beispielsweise Klienten empfängt. Jedenfalls ist eine
auch in der räumlichen Organisation zum Ausdruck kommende Trennung von
unselbständiger und selbständiger Tätigkeit unerlässlich. Dies setzt, wie
das Bundesamt für Justiz in seiner Stellungnahme ausführt, grundsätzlich
voraus, dass die Geschäftsadresse des Anwalts sich in einem Lokal befindet,
das von den Räumlichkeiten seines Arbeitgebers verschieden ist.

    6.4  Nicht näher einzugehen ist im vorliegenden Verfahren auf
die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei öffentlichrechtlichen
Körperschaften angestellte Personen sich für eine nebenberufliche Tätigkeit
ins Anwaltsregister eintragen lassen können. Jedenfalls erscheint auch für
derartige Fälle ein Registereintrag anwaltsrechtlich nicht grundsätzlich
unzulässig, doch lassen sich angesichts der möglichen Verschiedenheiten
der Verhältnisse allgemeingültige Kriterien nicht ohne weiteres aufstellen.

Erwägung 7

    7.  Der Beschwerdegegner ist bei einer Arbeitgeberin angestellt,
die nicht im Anwaltsregister eingetragen ist. Er hat im kantonalen
Rekursverfahren in seiner Rekursantwort unter Berufung auf ein Gespräch
mit dem Vertreter des Beschwerdeführers dargelegt, dass er zu keiner
Zeit beabsichtige, seine Arbeitgeberin oder deren Kunden in irgendeiner
Art und Weise anwaltlich (vor Gericht) zu vertreten; selbstverständlich
werde darüber hinaus keine Vertretung in Betracht gezogen, in welcher
ein noch so entfernter Interessenkonflikt zur Arbeitgeberin entstehen
könne; es gehe ihm einzig darum, in privatem Rahmen, beispielsweise
für Familienmitglieder oder Freunde, allenfalls gerichtlich auftreten zu
können. Nähere Angaben über das Arbeitsverhältnis hat der Beschwerdegegner
zu keinem Zeitpunkt gemacht, weil er sich auf den Standpunkt stellt, dass
das Arbeitsverhältnis für die Behandlung des Eintragungsgesuchs nicht
massgeblich sei. Weder äussert er sich über seinen Beschäftigungsgrad,
noch legt er eine Bestätigung der Arbeitgeberin vor, dass diese über
seine nebenberufliche selbständige Anwaltstätigkeit informiert und
damit einverstanden ist. Es lässt sich insbesondere nicht feststellen,
ob die Arbeitgeberin ihm irgendwelche diesbezügliche Auflagen macht.
Der Beschwerdegegner hat es unterlassen, im erforderlichen Masse klare
Verhältnisse zu schaffen. Gründe dafür, ihn von dieser grundsätzlichen
Pflicht zu entbinden, bestehen keine:

    Wenn er ausführt, er gedenke bloss in wenigen Fällen Bekannte oder
Familienangehörige vor Gericht zu vertreten, so übersieht er, dass ihm
mit dem Registereintrag ohne zusätzliche Überprüfung und ohne jegliche
Einschränkung die (gewerbsmässige) Anwaltstätigkeit im Monopolbereich
in sämtlichen Kantonen gestattet wird. Für eine derart weitgehende
Ermächtigung müssen sämtliche Voraussetzungen, insbesondere die
institutionell verstandene Unabhängigkeit, klar und nachweisbar erfüllt
sein; verzichtet der Anwalt darauf, die hiefür notwendigen Angaben zu
machen, kann er nicht beanspruchen, eingetragen zu werden. Will der
Beschwerdegegner tatsächlich bloss ganz vereinzelt Bekannte vor Gericht
vertreten, sollte ihm dies auch ohne Registereintrag möglich sein;
diesfalls ist ihm zuzumuten, gestützt auf seinen Fähigkeitsausweis im
(seltenen) Einzelfall bei der zuständigen kantonalen Behörde eine
Ermächtigung einzuholen.

    Unbehelflich ist der vor Bundesgericht erhobene Einwand, ein Anwalt
könne sich ins Anwaltsregister eintragen lassen und erst kurz darauf ein
Arbeitsverhältnis eingehen. Richtigerweise wird in einem solchen Fall
die Aufsichtsbehörde, wenn sie vom Anstellungsverhältnis Kenntnis erhält,
vom Betroffenen die notwendigen Auskünfte einholen und gegebenenfalls
die Löschung im Register veranlassen (vgl. Art. 9 BGFA). Im Übrigen
wäre der Anwalt wohl gestützt auf Art. 12 lit. a BGFA verpflichtet, der
Aufsichtsbehörde Änderungen der Verhältnisse bekannt zu geben, die für
die Frage der Unabhängigkeit von Bedeutung sein könnten.

    Der Beschwerdeführer macht nach dem Gesagten zu Recht geltend, der
Beschwerdegegner erfülle die Voraussetzungen für einen Registereintrag
nicht bzw. habe den Nachweis hiefür nicht erbracht.

Erwägung 8

    8.  Es bleibt damit zu prüfen, ob der Beschwerdegegner den
Registereintrag gestützt auf Art. 36 BGFA erwirken kann, wovon offenbar
die Aufsichtskommission in ihrem Beschluss vom 20. August 2002 ausging.

    8.1  Art. 36 BGFA hält fest, dass Personen, die auf Grund bisherigen
kantonalen Rechts über ein Anwaltspatent verfügten, ins kantonale
Anwaltsregister einzutragen sind, sofern sie in den anderen Kantonen nach
Art. 196 Ziff. 5 BV eine Berufsausübungsbewilligung erhalten hätten. Als
Übergangsbestimmung zu Art. 95 BV verpflichtet Art. 196 Ziff. 5 BV
die Kantone bis zum Erlass einer Bundesgesetzgebung zur gegenseitigen
Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen. Gemäss Art. 95 Abs. 2 BV sorgt
der Bund für einen einheitlichen schweizerischen Wirtschaftsraum und
gewährleistet, dass Personen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung
oder mit einem eidgenössischen, kantonalen oder kantonal anerkannten
Ausbildungsabschluss ihren Beruf in der ganzen Schweiz ausüben können.

    8.2  Art. 36 BGFA regelt als Übergangsbestimmung die Anerkennung von
Anwaltspatenten, die möglicherweise den Voraussetzungen nicht genügen,
welche nunmehr nach dem Anwaltsgesetz gelten. Nach seinem Wortlaut,
insbesondere durch die Bezugnahme auf Art. 196 Ziff. 5 BV und damit
auf Art. 95 BV, geht es ausschliesslich um die Massgeblichkeit und
Anerkennung von Fähigkeitsausweisen. Angesprochen sind damit die
fachlichen Voraussetzungen für die Berufsausübung bzw. den Registereintrag
im Sinne von Art. 7 BGFA, nicht hingegen die persönlichen Voraussetzungen
gemäss Art. 8 BGFA. Dafür, dass der Gesetzgeber die Übergangsbestimmung in
einer anderen, vom Wortlaut abweichenden Weise verstanden haben wollte,
bedürfte es klarer Indizien, insbesondere in den Materialien, oder sonst
triftiger Gründe.

    Nun wird in der bundesrätlichen Botschaft bezeichnenderweise
einzig das Beispiel des Anwalts erwähnt, der ein Anwaltspatent erwerben
konnte, ohne dass er ein mindestens einjähriges Praktikum absolvieren
musste (BBl 1999 S. 6070 f. zum zu Art. 36 BGFA gewordenen Art. 33 des
Entwurfs). Gedacht wurde auch an die Berner Fürsprecher, die ihr Patent
nach der alten Regelung noch erwarben, ohne ihre Ausbildung - formell -
mit einem Lizenziat abgeschlossen zu haben (VALLONI/STEINEGGER, aaO,
S. 64 Fn. 126). Es handelt sich dabei um fachliche Voraussetzungen. In
der Literatur gilt soweit ersichtlich als unbestritten, dass jedenfalls
derjenige Anwalt, der die - persönlichen - Voraussetzungen gemäss Art. 8
Abs. 1 lit. a-c BGFA nicht erfüllt, sich nicht auf Art. 36 BGFA berufen
kann. Was das Erfordernis der Unabhängigkeit gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d
BGFA betrifft, wird teils die Meinung vertreten, dass aufgrund einer
hinsichtlich angestellter Anwälte liberalen kantonalen Praxis bisher
zugelassene Anwälte gestützt auf Art. 36 BGFA ins Register eingetragen
werden müssten, selbst wenn sie die restriktivere Eintragungsvoraussetzung
gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nicht erfüllten (klar in dem Sinne
HANS NATER, Steiniger Weg zur Harmonisierung des Anwaltsrechts in der
Schweiz, in: SJZ 98/2002 S. 362 ff., 364; tendenziell ähnlich ISAAK MEIER,
Bundesanwaltsgesetz: Probleme in der Praxis, in: Plädoyer 2000 5 S. 30
ff., 40, unter Hinweis auf die vom Autor allerdings wohl zu liberal
eingeschätzte bisherige bundesgerichtliche Praxis). Gegenteiliger
Auffassung ist BEAT HESS (aaO, S. 493 f.); er erachtet es als
ausgeschlossen, dass angestellte Anwälte, die aufgrund der in Art. 8
Abs. 1 lit. d BGFA zum Ausdruck kommenden Vermutung nicht als unabhängig
gelten, übergangsrechtlich zu einem Registereintrag gelangen können.
Diese Auffassung trifft zu: Wie bereits umfassend dargelegt worden
ist, wurde vor und wird nach Inkrafttreten des Anwaltsgesetzes das
Erfordernis der anwaltlichen Unabhängigkeit als zentrale Voraussetzung
für die Berufsausübung (insbesondere im Monopolbereich) betrachtet.
Mit der vom Gesetzgeber getroffenen Lösung wird das Unabhängigkeitsgebot
mithin nicht neu eingeführt, sondern es wird bloss klargestellt, dass
bei angestellten Anwälten grundsätzlich eine (widerlegbare) Vermutung
für das Fehlen der Unabhängigkeit besteht. Mit der grossen Bedeutung des
Unabhängigkeitsgebots nicht zu vereinbaren wäre, wenn ein Rechtsanwalt
den Registereintrag beanspruchen und damit das Recht erwirken könnte, in
der ganzen Schweiz vor Gerichten aufzutreten, ohne mit den erforderlichen
Angaben und Unterlagen die erwähnte Vermutung widerlegt zu haben. Es ist
kein einleuchtender Grund ersichtlich, Art. 36 BGFA - über dessen Wortlaut
hinaus - eine derart weitgehende Wirkung beizumessen.

    8.3  Der Beschwerdegegner kann auch aus Art.  36 BGFA kein Recht auf
Registereintrag ableiten.