Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 II 56



130 II 56

8. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. A. gegen Fremdenpolizei der Stadt Biel sowie Haftgericht III
Bern-Mittelland (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    2A.611/2003 vom 30. Januar 2004

Regeste

    Art. 13b und 13c Abs. 5 lit. a ANAG; Art. 5 Ziff. 1 lit.  f EMRK;
Verhältnismässigkeit der Verlängerung einer Ausschaffungshaft und
Vollziehbarkeit der Wegweisung innert absehbarer Frist nach Mali.

    Ein Ausländer, der in Verletzung der Visumsvorschriften in die Schweiz
eingereist ist und sich wiederholt geweigert hat, in seinen Heimatstaat
zurückzukehren, darf zur Sicherung seiner formlosen Wegweisung wegen
Untertauchensgefahr in Ausschaffungshaft genommen werden, auch wenn er
im Rahmen einer geplanten Heirat nachträglich wahrheitsgetreue Angaben
macht (E. 1-3). Mit dem Vollzug der Wegweisung muss aber ernsthaft
zu rechnen sein, ansonsten die Haft gegen Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
verstösst. Verhältnismässigkeit der Festhaltung und Absehbarkeit des
Wegweisungsvollzugs aufgrund der konkreten Umstände in einem Fall verneint,
in dem eine Ausschaffung an der Weigerung des Heimatstaates scheitert,
die zwangsweise Rückführung von Staatsangehörigen zu dulden (E. 4).

Sachverhalt

    Der aus Mali stammende A. (geb.  1973) ersuchte am 31. Oktober
2001 in der Schweiz unter falscher Identität (B., geb. 1972, Guinea)
um Asyl. Das Bundesamt für Flüchtlinge wies sein Gesuch am 30. September
2002 ab. Mit Urteil vom 27. November 2002 bestätigte die Schweizerische
Asylrekurskommission diesen Entscheid. In der Folge galt A. als
verschwunden.

    Am 10. September 2003 wurde A. in Biel angehalten und tags darauf
in Ausschaffungshaft genommen. Bei seiner Einvernahme gab er an, die
Schweiz nach dem Asylverfahren verlassen zu haben, um sich in seiner
Heimat die für die Heirat mit der Schweizer Bürgerin C. (geb. 1954)
nötigen Papiere zu beschaffen. Seit eineinhalb Jahren habe er bei
seiner Verlobten gelebt. Am 22. April 2003 sei er in die Schweiz
zurückgekehrt; am 23. April 2003 habe er beim Zivilstandsamt Biel-Nidau
das Ehevorbereitungsverfahren eingeleitet, wobei sein Rechtsvertreter
am gleichen Tag das Migrationsamt des Kantons Bern um Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung zwecks Vorbereitung der Heirat ersucht habe. Das
Haftgericht III Bern-Mittelland prüfte und bestätigte die Ausschaffungshaft
am 12. September 2003. Mit Entscheid vom 9. Dezember 2003 genehmigte es
eine Haftverlängerung bis zum 9. April 2004.

    A. hat hiergegen am 16. Dezember 2003 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, ihn aus der Haft
zu entlassen und ihm bis zur Heirat eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung
zu erteilen.

    Mit Verfügung vom 12. Januar 2004 forderte der Abteilungspräsident
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Abteilung
Vollzugsunterstützung) auf, einen Amtsbericht bezüglich der Möglichkeiten
eines zwangsweisen Vollzugs von Wegweisungen nach Mali zu erstatten,
was es am 15./16. Januar 2004 getan hat.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft
nehmen bzw. in dieser belassen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b
ANAG (SR 142.20) erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein
erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg-
oder Ausweisungsentscheid vorliegt, dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender
Papiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (vgl. Art. 13c Abs. 5
lit. a ANAG; BGE 125 II 217 E. 2 S. 220, 377 E. 5 S. 384; 122 II 148
E. 3 S. 152 f.). Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten
Haftgründe bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124
II 1 E. 1 S. 3), der Vollzug der Wegweisung mit dem nötigen Nachdruck
verfolgt werden (Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot; BGE 124 II
49 ff.) und die Haft als Ganzes verhältnismässig sein (vgl. BGE 126 II
439 E. 4; 125 II 377 E. 4 S. 383).

Erwägung 2

    2.  Der Beschwerdeführer wurde durch das Bundesamt für Flüchtlinge
bzw. die Asylrekurskommission rechtskräftig aus der Schweiz
weggewiesen. Für den Fall, dass er das Land nach dem Asylverfahren
verlassen haben sollte - was er in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nunmehr bestreitet, wofür aber die Datierung der von ihm im
Verkündverfahren eingereichten Unterlagen spricht (unter anderem
in Bamako ausgestellter malischer Pass vom 25. März 2003) -, hat
ihn die Fremdenpolizei der Stadt Biel zudem formlos weggewiesen
(vgl. Art. 12 Abs. 1 ANAG in Verbindung mit Art. 1 und 17 Abs. 1 ANAV
[SR 142.201]). Der Beschwerdeführer verfügt in der Schweiz, in die
er unter Verletzung der Visumsvorschriften eingereist ist (vgl. Art. 1
Abs. 1 der Verordnung vom 14. Januar 1998 über Einreise und Anmeldung von
Ausländerinnen und Ausländern [VEA; SR 142.211]), trotz seiner Absicht,
sich hier verheiraten zu wollen, über keine Aufenthaltsberechtigung
(vgl. Urteil 2A.613/1999 vom 6. Januar 2000, E. 3a mit Hinweisen; HUGI
YAR, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold,
Ausländerrecht, Basel/Genf/München 2002, Rz. 7.107). Auf das Gesuch, ihm
im vorliegenden Verfahren eine Bewilligung zu erteilen, ist zum Vornherein
nicht einzutreten, da Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens einzig die
Rechtmässigkeit der Ausschaffungshaft, nicht auch die Bewilligungs-
oder Wegweisungsfrage bildet (vgl. BGE 125 II 217 E. 2).

Erwägung 3

    3.

    3.1  Untertauchensgefahr im Sinne von Art.  13b Abs. 1 lit. c
ANAG liegt vor, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich
der Ausländer der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil sein
bisheriges Verhalten darauf schliessen lässt, dass er sich behördlichen
Anordnungen widersetzt. Dies ist nach der Praxis regelmässig der Fall,
wenn er bereits einmal untergetaucht ist, durch erkennbar unglaubwürdige
und widersprüchliche Angaben die Vollziehungsbemühungen zu erschweren
versucht oder sonst klar zu erkennen gibt, dass er nicht in seinen
Heimatstaat zurückzukehren bereit ist (BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243;
125 II 369 E. 3b/aa S. 375; 122 II 49 E. 2a S. 51).

    3.2  Der Beschwerdeführer hat sich wiederholt geweigert, nach
Mali zurückzureisen; zudem hat er im Asylverfahren falsche Angaben
gemacht. Am 15. und 29. September 2003 mussten zwei Versuche, ihn nach
Bamako auszuschaffen, abgebrochen werden, da er sich renitent verhielt und
nicht freiwillig in die entsprechenden Flugzeuge steigen wollte. Aufgrund
dieses Verhaltens besteht bei ihm Untertauchensgefahr. Der Beschwerdeführer
wendet ein, sich den Behörden bei seiner Verlobten immer zur Verfügung
gehalten zu haben. Ein entsprechender Wechsel des Aufenthaltsortes ist
ihm im Asylverfahren indessen nie bewilligt worden; seine Präsenz in Biel
sowie seine richtige Identität hat er im Übrigen erst bekannt gegeben,
nachdem er wegen der geplanten Heirat nicht mehr mit dem Vollzug der
Wegweisung rechnete. Seine - heute bestrittene - Wiedereinreise war
ihrerseits insofern rechtswidrig, als sie ohne das hierfür erforderliche
Visum erfolgte (Art. 1 Abs. 1 VEA). Zwar war die Fremdenpolizei der Stadt
Biel offenbar seit dem 6. Mai 2003 tatsächlich über den Aufenthalt bei
seiner Verlobten informiert (vgl. das entsprechende Schreiben an die
Kantonspolizei von diesem Tag); dies lässt die Untertauchensgefahr mit
Blick auf sein sonstiges Verhalten - insbesondere die zweimalige Weigerung,
die Rückreise nach Bamako anzutreten - indessen nicht dahinfallen.

Erwägung 4

    4.

    4.1

    4.1.1  Der angefochtene Entscheid erweist sich damit als
bundesrechtskonform, falls die Aufrechterhaltung der Haft auch
verhältnismässig ist und der Vollzug der Wegweisung nicht als aus
rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar gelten muss
(vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG). Die Ausschaffungshaft soll den
Vollzug der geplanten Entfernungsmassnahme sicherstellen und muss ernsthaft
geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen (BBl 1994 I 305 ff., dort S. 316),
was nicht (mehr) der Fall ist, wenn die Weg- oder Ausweisung trotz der
behördlichen Bemühungen nicht in absehbarer Zeit vollzogen werden kann
(vgl. zur altrechtlichen Ausschaffungshaft und Internierung: BGE 119 Ib
193 E. 2c S. 199, 202 E. 3b S. 207). Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG sieht
in dieser Situation die Beendigung der Haft vor, soweit sie sich nicht
mehr mit einem hängigen Ausweisungsverfahren rechtfertigen lässt (BGE 127
II 168 E. 2b S. 171; 125 II 217 E. 1 S. 219; 119 Ib 202 E. 3a u. b S.
207; Urteile 2A.312/2003 vom 17. Juli 2003, E. 1, und 2A.184/1995
vom 24. Mai 1995, E. 4a, publ. in: Pra 85/1996 Nr. 118 S. 383 ff.;
Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte i.S. Ali gegen
Schweiz vom 26. Februar 1997, Rz. 39; STEFAN TRECHSEL, Zwangsmassnahmen
im Ausländerrecht, in: AJP 1994 S. 43 ff., dort S. 48; PETER UEBERSAX,
Menschenrechtlicher Schutz bei fremdenpolizeilichen Einsperrungen, in:
recht 13/1995 S. 53 ff., dort S. 62 f.; ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence
récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF
1997 I S. 267 ff., dort S. 329; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische
Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 102 f.).

    4.1.2  Der Umstand allein, dass die Ausreise nur schwer organisiert
werden kann und im Rahmen der entsprechenden Bemühungen mit ausländischen
Behörden erst noch verhandelt werden muss, was erfahrungsgemäss eine
gewisse Zeit in Anspruch nimmt, macht die Ausschaffung nicht bereits
undurchführbar. Gerade wegen solcher Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber
die Haftdauer erheblich erhöht und die Möglichkeit der Haftverlängerung
geschaffen (BBl 1994 I 305 ff., S. 316; BGE 125 II 217 E. 2 S. 220). Nach
Art. 13b Abs. 2 ANAG darf die Ausschaffungshaft grundsätzlich zwar
"höchstens drei Monate dauern"; doch kann sie um maximal sechs Monate
verlängert werden, wenn dem Vollzug der Weg- oder Ausweisung "besondere
Hindernisse" entgegenstehen; dabei kann es sich auch - wie hier - um eine
missbräuchliche Weigerung des Betroffenen handeln, in seinen Heimatstaat
zurückzukehren, wenn dieser trotz nachgewiesener Staatsbürgerschaft
in Verletzung völkerrechtlicher Regeln nur eine freiwillige Rückkehr
zulässt (vgl. NICOLAS WISARD, Les renvois et leur exécution en droit
des étrangers et en droit d'asile, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 375;
IGNAZ SEIDL-HOHENVELDERN, Völkerrecht, 9. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München
1997, Rz. 1641). Auch in diesem Fall hat der Vollzug der Wegweisung aber
in absehbarer Zeit möglich zu erscheinen und die Haft gestützt auf die
gesamten Umstände verhältnismässig zu sein (BBl 1994 I 324; WISARD, aaO,
S. 299 f.; WURZBURGER, aaO, S. 330; HUGI YAR, aaO, Rz. 7.85).

    4.1.3  Wie es sich mit der Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs
im Einzelnen verhält, bildet Gegenstand einer nach pflichtgemässem
Ermessen vorzunehmenden Prognose (ANDREAS ZÜND, Die Rechtsprechung
des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZBJV
132/1996 S. 72 ff., dort S. 90). Massgebend ist, ob die Ausschaffung mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit innert absehbarer Zeit möglich sein wird
oder nicht. Die Haft hat, weil unverhältnismässig, dann als unzulässig
zu gelten, wenn triftige Gründe für die Undurchführbarkeit des Vollzugs
sprechen oder praktisch feststeht, dass er sich innert vernünftiger Frist
kaum wird realisieren lassen (vgl. BGE 127 II 168 E. 2c S. 172; 125 II
217 E. 2; 122 II 148 E. 3 S. 152 f.). Dies ist in der Regel bloss der
Fall, wenn die Ausschaffung auch bei gesicherter Kenntnis der Identität
oder der Nationalität des Betroffenen bzw. trotz seines Mitwirkens bei
der Papierbeschaffung mit grosser Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen
erscheint. Zu denken ist etwa an eine länger dauernde Transportunfähigkeit
aus gesundheitlichen Gründen oder an eine ausdrückliche oder zumindest klar
erkennbare und konsequent gehandhabte Weigerung eines Staates, gewisse
Staatsangehörige zurückzunehmen (BGE 125 II 217 E. 2 S. 220; WURZBURGER,
aaO, S. 330 f.). Nur falls keine oder bloss eine höchst unwahrscheinliche,
rein theoretische Möglichkeit besteht, die Wegweisung zu vollziehen,
ist die Haft aufzuheben, nicht indessen bei einer ernsthaften, wenn
auch allenfalls (noch) geringen Aussicht hierauf (BGE 127 II 168 E. 2c
S. 172; Urteile 2A.312/2003 [Nigeria] und 2A.328/2003 [Kamerun] vom
17. bzw. 22. Juli 2003, E. 2.1). Eine Beeinträchtigung der öffentlichen
Ordnung durch den Betroffenen vorbehalten, welche die Verhältnismässigkeit
der Aufrechterhaltung der Haft wegen eines überwiegenden öffentlichen
Interesses in einem anderen Licht erscheinen lassen kann (vgl. Urteile
2A.230/2003 vom 2. Juni 2003, E. 2.1, und 2A.269/1999 vom 10. Juni 1999,
E. 2), ist dabei nicht notwendigerweise auf die maximale Haftdauer,
sondern vielmehr auf einen den gesamten Umständen des konkreten Falles
angemessenen Zeitraum abzustellen (vgl. BGE 122 II 148 E. 3 S. 153; 125 II
217 E. 3b/bb S. 223; 127 II 168 E. 2c S. 172; FELIX ZILTENER, Neues aus
der Praxis zur Ausschaffungshaft, in: AJP 2001 S. 499 ff., dort S. 510).

    4.2

    4.2.1  Das Haftgericht ging im vorliegenden Fall davon aus, dass
eine zwangsweise Ausschaffung nach Mali nicht ausgeschlossen sei, da
sich eine Delegation des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
"momentan" in Bamako befinde und sich dort um ein Rückübernahmeabkommen
bemühe. War diese Auffassung im Dezember 2003 aufgrund der damaligen
Situation vertretbar, kann sie heute angesichts der Stellungnahme des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements nicht mehr geteilt werden,
und erweist sich die Aufrechterhaltung der Haft des Beschwerdeführers
deshalb als bundesrechtswidrig. Zwar ist das Bundesgericht im Rahmen
von Art. 105 Abs. 2 OG an sich an den Sachverhalt im haftrichterlichen
Entscheid gebunden, weshalb es in seinem Verfahren neuen Vorbringen und
Entwicklungen in der Regel keine Rechnung trägt (BGE 125 II 217 E. 3a
S. 221); dies gilt indessen nicht, wenn sich die Umstände - wie hier
- seit dem angefochtenen Entscheid derart verändert haben, dass der
Haftrichter unabhängig von den Sperrfristen von Art. 13c Abs. 4 ANAG
auf ein Haftentlassungsgesuch einzutreten und diesem zu entsprechen hätte
(BGE 125 II 217 E. 3b/bb u. 3b/cc S. 222 ff.; 124 II 1 ff.).

    4.2.2  Nach Ansicht der Abteilung Vollzugsunterstützung des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements erscheint eine zwangsweise
Ausschaffung mit einem Sonderflug nach Bamako heute als "erschwert". Auf
operationeller Ebene fänden zwar bilaterale Gespräche mit Mali statt,
"welche als Vorbereitung zu einem möglichen Rückübernahmeabkommen dienen
könnten", die Durchführung eines Sonderflugs würde im Moment - so das
Departement - jedoch "nicht zu einer positiven Verhandlungsatmosphäre"
beitragen. Aufgrund einer "aggressiven" französischen Sonderflugspolitik
in den letzten Monaten bestehe "eine sehr hohe Sensibilität der
Öffentlichkeit in Mali" und habe der amtierende Präsident mehrmals
"öffentlich seine Meinung gegen unfreiwillige Rückführungen kund getan". Es
seien deshalb bis auf weiteres keine Sonderflüge geplant. Eine zwangsweise
Ausschaffung des Beschwerdeführers bis zum 9. April 2004 erscheine deshalb
als "unwahrscheinlich".

    4.2.3  Dass eine freiwillige Rückkehr nach Mali jederzeit möglich
wäre und der Wegweisungsvollzug - zumindest vorläufig - allein an der
Weigerung des Beschwerdeführers und jener seines Heimatstaates scheitert,
die zwangsweise Rückführung seiner Staatsangehörigen zu dulden, ändert
nichts daran, dass die Fortsetzung der Ausschaffungshaft im Lichte
von Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG bzw. Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK unter
diesen Umständen vorliegend unverhältnismässig erscheint: Sinn und
Zweck der Haft nach Art. 13b ANAG ist es, die zwangsweise Ausschaffung
sicherzustellen, und nicht in erster Linie den Ausländer durch eine
Beugehaft dazu anzuhalten, freiwillig auszureisen, auch wenn hierin ein
erwünschter Nebeneffekt der Festhaltung liegen mag. Schon in BGE 127 II
168 ff. (E. 3 S. 172 ff.) ist die Undurchführbarkeit der Ausschaffung und
damit die Unzulässigkeit einer Haft festgestellt worden, obwohl nur der
zwangsweise Vollzug der Wegweisung aus praktischen Gründen ausgeschlossen
war, eine freiwillige Rückkehr hingegen grundsätzlich jederzeit möglich
blieb (vgl. die Urteile 2A.230/2003 und 2A.312/2003 vom 2. Juni bzw. 17.
Juli 2003, E. 2.3.1); gleich verhielt es sich bereits 1995, als zwar
eine freiwillige, jedoch keine zwangsweise Rückkehr von Kosovo-Albanern
in ihre Heimat erfolgen konnte (vgl. das Urteil 2A.184/1995 vom 24. Mai
1995, E. 4c). Wohl ist gestützt auf Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK unter engen
Voraussetzungen eine Haft auch zulässig "zur Erzwingung der Erfüllung einer
gesetzlichen Verpflichtung", doch muss auch eine solche verhältnismässig
sein (vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Köln usw. 1996,
Rz. 68 ff. zu Art. 5 EMRK; MICHELE DE SALVIA, Compendium de la CEDH, Bd. 1,
Kehl/Strassburg/Arlington 2003, Rz. 81 ff. zu Art. 5 EMRK). Je länger die
Haft dauert, desto gewichtiger haben die öffentlichen Interessen an ihrer
Aufrechterhaltung zu sein, und um so sorgfältiger sind diese - auch bei
einer Weigerung des Ausländers zu kooperieren - gegenüber den Interessen
des inhaftierten Ausländers abzuwägen (WALTER KÄLIN, Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht, in: AJP 1995 S. 835 ff., dort S. 852).

    4.2.4  Der Beschwerdeführer ist seit rund zwei Jahren mit einer
Schweizerin liiert; das Verkündverfahren ist seit dem Frühjahr 2003
eingeleitet. Beim Amt für Migration ist ein Gesuch zur Bewilligung des
Aufenthalts zur Vorbereitung der Heirat seit dem 23. April 2003 hängig. Die
Fremdenpolizei der Stadt Biel hatte ihrerseits seit Mai 2003 vom Aufenthalt
des Beschwerdeführers bei seiner Verlobten Kenntnis; dennoch nahm sie ihn
erst am 10. September 2003 in Ausschaffungshaft. Auch wenn die Partnerin
des Beschwerdeführers, die ihn während der Haft regelmässig besucht hat,
rund neunzehn Jahre älter ist als er, muss es sich bei der geplanten
Heirat nicht zum Vornherein um eine Ausländerrechtsehe handeln (vgl. BGE
123 II 49 E. 5b S. 51 ff.; 127 II 49 E. 4b S. 56). Soweit ersichtlich,
hat sich der Beschwerdeführer - abgesehen von seiner Einreise ohne Visum
und dem anschliessenden, bisher unbewilligten Aufenthalt in der Schweiz -
strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. War ursprünglich noch
davon auszugehen, dass er nötigenfalls in absehbarer Zeit zwangsweise nach
Mali ausgeschafft werden könnte, ist dies aufgrund des Amtsberichtes des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 15./16. Januar 2004 -
wie dargelegt - zurzeit nicht mehr der Fall. Nachdem der Beschwerdeführer
sich inzwischen seit mehr als vier Monaten in Haft befindet und heute
ein zwangsweiser Vollzug seiner Wegweisung realistischerweise nicht
absehbar ist, rechtfertigt es sich nicht, seine Festhaltung allein noch
in der vagen Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass er das Land doch noch
vor Ablauf der neun Monate freiwillig verlassen wird; mit Blick auf
das hängige Bewilligungsverfahren und seine zweimalige Weigerung, das
Flugzeug zu besteigen, dürfte dies auch wenig wahrscheinlich sein. Es
wird gegebenenfalls am Gesetzgeber liegen, zu prüfen, ob und inwiefern
das bestehende gesetzliche Instrumentarium zu ergänzen ist, um Fällen
der vorliegenden Art künftig angemessener Rechnung tragen zu können.

    4.2.5  Den kantonalen Behörden steht es frei, dem Beschwerdeführer
Kontrollauflagen zu machen und ihn, sollte sich die Möglichkeit eines
zwangsweisen Vollzugs der Wegweisung nach Mali wieder konkretisieren,
bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen (vgl. hierzu Urteil
2A.211/2003 vom 5. Juni 2003, E. 3.2 mit Hinweisen) für den Rest der
maximal möglichen Dauer erneut in Haft zu nehmen. In der Zwischenzeit
können sie die Anordnung einer Aus- oder Eingrenzung prüfen (Art. 13e
ANAG), sollte er die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören oder
gefährden.