Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 II 258



130 II 258

24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (heute: Swiss
Life) gegen Bundesamt für Privatversicherungen sowie Eidgenössische
Rekurskommission für die Aufsicht über die Privatversicherung
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    2A.441/2003 vom 12. März 2004

Regeste

    Art. 20 VAG; Art. 14 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 2, 67 und 68 Abs. 2 BVG;
Art. 12 und 17 BVV 2; Zulässigkeit von Zusatzprämien zur Finanzierung
der BVG-Mindestzinsgarantie bzw. der BVG-Umwandlungssatzgarantie bei
Kollektivversicherungsverträgen im obligatorischen Bereich.

    Im versicherungsrechtlichen Genehmigungsverfahren ist auch die
Vereinbarkeit der Tarife mit dem BVG-Obligatorium und den entsprechenden
Vorschriften zu prüfen (E. 2).

    Zusatzprämien zur Finanzierung der Mindestzinssatz- bzw.
Umwandlungssatzgarantie sind nicht systeminhärent BVG-widrig (E. 3 und 4);
Voraussetzungen, unter denen solche zulässig sein können (E. 5).

Sachverhalt

    Die Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (heute: Swiss
Life; im Weiteren: Rentenanstalt) bietet Kollektivversicherungsverträge im
Rahmen der beruflichen Vorsorge im Sinne des Bundesgesetzes vom 25. Juni
1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge
(BVG; SR 831.40) an. Am 31. Mai 2002 beantragte sie dem Bundesamt
für Privatversicherungen, die Einführung einer Risikoprämie für
die BVG-Mindestzinsgarantie und die BVG-Umwandlungssatzgarantie zu
genehmigen. Sie begründete dies damit, dass der gemäss Art. 12 der
Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1, in der ursprünglichen
Fassung) vorgeschriebene Mindestzinssatz von 4 % mit einer auf Sicherheit
angelegten Anlagepolitik nicht mehr erzielt werden könne. Der in Art. 17
BVV 2 festgelegte Mindestumwandlungssatz für die Altersrente von 7,2 %
sei seinerseits infolge der erhöhten Lebenserwartung heute zu hoch,
so dass im Zeitpunkt der Pensionierung eine Finanzierungslücke entstehe.

    Das Bundesamt für Privatversicherungen verweigerte am 4. September
2002 die Genehmigung der Zusatzprämien im obligatorischen Bereich, liess
sie indessen für den überobligatorischen Bereich zu. Es begründete dies im
Wesentlichen damit, dass der Mindestzinssatz und der Mindestumwandlungssatz
im obligatorischen Bereich durch zwingendes öffentliches Recht
vorgegeben seien. Die Erhebung einer Zusatzprämie, um diese Sätze
zu garantieren, komme einer Umgehung der entsprechenden gesetzlichen
Vorgaben gleich. Der vom Bundesrat festgelegte BVG-Mindestzinssatz bilde in
Zeiten sinkender Kapitalerträge ein Anlagerisiko und gehöre nicht zu den
Versicherungsrisiken, für die das Gesetz Leistungen der obligatorischen
beruflichen Vorsorge vorsehe. Hinsichtlich des Umwandlungssatzes,
welcher die Tarifierung des Langlebigkeitsrisikos erfasse, müssten die
Anbieter im Bereich der beruflichen Vorsorge - Vorsorgeeinrichtungen und
Lebensversicherer - das gesetzliche Minimum garantieren; jede Auferlegung
einer Zusatzprämie zu Lasten der Kunden wirke faktisch als Senkung des
vom Bundesrat festgelegten minimalen Umwandlungssatzes und sei deshalb
unzulässig. Die Eidgenössische Rekurskommission für die Aufsicht über
die Privatversicherung bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am
7. August 2003.

    Das Bundesgericht heisst die von der Rentenanstalt hiergegen
eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und weist die Sache zu neuem
Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Bundesamt für Privatversicherungen
zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Die Beschwerdeführerin macht geltend, gar nicht dem Bundesgesetz
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge zu
unterstehen; die Vorinstanzen hätten dessen Bestimmungen zu Unrecht auf
sie angewendet. Ihre entsprechenden Ausführungen überzeugen nicht:

    2.1  Gemäss Art. 67 BVG können die im Register für die berufliche
Vorsorge aufgenommenen Vorsorgeeinrichtungen, auf die das BVG
Anwendung findet (vgl. Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 48 BVG),
die Deckung der Risiken selber übernehmen oder sie ganz oder teilweise
Versicherungseinrichtungen wie der Beschwerdeführerin übertragen. Diese
haben, soweit sie die Risikodeckung einer Vorsorgeeinrichtung übernehmen,
Tarife in ihre Angebote einzubeziehen, die lediglich die gesetzlich
vorgeschriebenen Risiken für Todesfall und Invalidität abdecken
(Art. 68 Abs. 1 BVG). Die für die Genehmigung der Tarife aufgrund
von Art. 20 Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 (VAG; SR
961.01) zuständige Aufsichtsbehörde prüft, "ob die für die gesetzlich
vorgeschriebene berufliche Vorsorge anwendbaren Tarife auch unter
dem Gesichtspunkt des Obligatoriums angebracht sind" (Art. 68 Abs. 2
BVG). Damit überträgt das BVG dem Bundesamt für Privatversicherungen
ausdrücklich die Aufgabe, die Versicherungstarife auch im Hinblick auf
das BVG-Obligatorium und die entsprechenden Vorschriften zu prüfen. Es
konkretisiert bzw. ergänzt insofern spezialgesetzlich den Prüfungsmassstab
von Art. 17 und Art. 20 VAG (Solvenz der Versicherungseinrichtungen und
Schutz der Versicherten vor Missbrauch).

    2.2  Nichts anderes ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte von
Art. 68 Abs. 2 BVG: Der Entwurf des Bundesrats zum BVG enthielt einen
Art. 64, welcher sich mit dem heutigen Art. 67 deckt (BBl 1976 I 307);
eine Art. 68 BVG entsprechende Regelung war nicht vorgesehen. Der
Nationalrat ergänzte Art. 64 des Entwurfs in der Folge dahin gehend,
dass "im Genehmigungsverfahren der Tarife nach Artikel 20 des
Versicherungsaufsichtsgesetzes" der Bundesrat prüft, "ob die für die
gesetzlich vorgeschriebene berufliche Vorsorge anwendbaren Tarife auch
unter sozialen Gesichtspunkten angebracht sind" (AB 1981 N 1105 ff.). Damit
sollte verhindert werden, dass die Versicherungsgesellschaften, deren
Dienste zu beanspruchen die Vorsorgeeinrichtungen durch das Obligatorium
praktisch gezwungen waren, übermässige Gewinne auf Kosten der Versicherten
machen könnten (AB 1981 N 1106 ff., Voten Reimann, Fischer, Muheim,
Barchi). Nachdem der Ständerat diesen Absatz wieder gestrichen hatte (AB
1982 S 22 f.), beschloss der Nationalrat eine neue Formulierung, wonach
die Tarife "auch unter dem Gesichtspunkt des Obligatoriums angebracht"
sein müssten (AB 1982 N 211 ff.). Der Ständerat sprach sich daraufhin
für den heutigen Art. 68 BVG aus (AB 1982 S 190), dem sich der Nationalrat
schliesslich anschloss (AB 1982 N 769 f.).

    2.3  Aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte von Art. 68
Abs. 2 BVG ergibt sich damit klar, dass für Verträge im Bereich des
BVG-Obligatoriums zum Schutz der Versicherten ein gegenüber Art. 20 VAG
verschärfter Prüfungsmassstab gilt (JÜRG BRÜHWILER, Beitragsbemessung
in der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach BVG, insbesondere
Zusatzbeiträge für die Finanzierung des BVG-Mindestzinses und des
BVG-Umwandlungssatzes, in: SZS 2003 S. 319 ff., dort S. 333). Namentlich
wollte der Gesetzgeber verhindern, dass vorsorglich zu hohe Prämien erhoben
und allenfalls entstehende Gewinne erst später zurückerstattet würden (AB
1982 N 212 f. [Fischer], 1982 S 190 [Kündig]). Während Art. 20 VAG den
Versicherern im Allgemeinen einen gewissen Spielraum belässt, indem die
Aufsichtsbehörde lediglich zu prüfen hat, ob sich die Prämien "in einem
Rahmen halten, der einerseits die Solvenz der Versicherungseinrichtungen
und anderseits den Schutz der Versicherten vor Missbrauch gewährleistet"
(vgl. Urteil 2A.61/1993 vom 28. Oktober 1993, E. 3b), soll die Aufsicht
über die Tarife im Bereich des BVG-Obligatoriums dichter sein. Wenn
Vorsorgeeinrichtungen die Risikoabdeckung einer Versicherungseinrichtung
übertragen bzw. diese selber für die Vorsorgekassen verschiedener
Arbeitgeber Sammelstiftungen zur Verfügung stellt (vgl. zu diesen:
CARL HELBLING, in: Boemle/Gsell, Geld-, Bank- und Finanzmarktlexikon
der Schweiz, Zürich 2002, S. 931 f.), welche alle oder einen Teil der
BVG-Risiken bei ihr versichern, darf dies nicht dazu führen, dass im
Ergebnis Bestimmungen des BVG verletzt werden, die einzuhalten wären, würde
die Vorsorgeeinrichtung die Risiken selber abdecken. Deshalb müssen trotz
der Tatsache, dass das BVG an sich nur für die im Register der beruflichen
Vorsorge eingetragenen Vorsorgeeinrichtungen gilt (Art. 5 Abs. 2 BVG),
die Versicherungsverträge bzw. die entsprechenden Tarife jeweils auch im
Lichte des BVG überprüft werden.

    2.4  Dies gilt auch für das Altersrisiko: Zwar könnte aus der
Systematik von Art. 68 BVG geschlossen werden, dass dessen Absatz 2
nur die in Absatz 1 genannten Tarife für Todesfall und Invalidität
erfassen will, doch lassen sich diese Leistungen von jenen im Alter,
welche ihrerseits zumindest zum Teil durch den gesetzlichen Mindestzins-
und den Umwandlungssatz bestimmt werden, letztlich nicht trennen, da ihre
Berechnung in Abhängigkeit von diesen erfolgt (vgl. Art. 21 und 24 BVG;
CARL HELBLING, in: Boemle/Gsell, aaO, S. 170 f.). Entstehungsgeschichtlich
wurde die Art. 68 Abs. 2 BVG entsprechende Bestimmung zunächst an den
heutigen Art. 67 BVG geknüpft, der sich seinerseits nicht nur auf die
Risiken Tod und Invalidität bezieht. Allerdings dachte man offenbar vor
allem hieran, da das BVG neu alle Vorsorgeeinrichtungen verpflichtete,
auch diese zu versichern, was kleinere oder neue Einrichtungen praktisch
zum Abschluss von Versicherungsverträgen zwang und damit das Bedürfnis
nach Schutz vor überhöhten Prämien weckte (vgl. AB 1982 N 213 f.
[Berichterstatter Muheim und Barchi, Bundesrat Hürlimann], 1982 S 190
[Berichterstatter Kündig], 1982 N 769 [Berichterstatter Muheim und
Barchi]). Hinsichtlich der Tarife für das Altersrisiko ist die Lage der
Vorsorgeeinrichtungen gegenüber den Versicherungen indessen bloss graduell,
nicht aber grundsätzlich eine andere. Die Vorinstanzen haben deshalb zu
Recht geprüft, ob die streitigen Zusatzprämien mit dem BVG vereinbar sind.

Erwägung 3

    3.  Bundesamt und Rekurskommission sind davon ausgegangen, der
BVG-Mindestzinssatz und der BVG-Umwandlungssatz könnten im obligatorischen
Bereich grundsätzlich und systeminhärent nicht mit zusätzlichen Leistungen
der Versicherungsnehmer gedeckt werden; dies zu Unrecht:

    3.1  Das BVG regelt in seinem Zweiten Teil (Art. 7-47 BVG)
die Versicherung, und darin in einem Ersten Titel die Obligatorische
Versicherung der Arbeitnehmer (Art. 7-41 BVG). Das 3. Kapitel (Art. 13-26
BVG) bestimmt die Versicherungsleistungen, darunter in einem 1. Abschnitt
diejenigen im Alter (Art. 13-17 BVG). Grundlage hierfür bildet das während
der Erwerbstätigkeit geäufnete individuelle Altersguthaben (Art. 15
Abs. 1 BVG; Art. 11 BVV 2). Dieses besteht aus den Altersgutschriften,
die jährlich in Prozenten des koordinierten Lohnes berechnet werden und
mindestens den gesetzlich festgelegten Ansätzen entsprechen müssen (Art. 6
und 16 BVG), sowie den darauf gutgeschriebenen Zinsen (Art. 15 Abs. 1 BVG),
wobei der Bundesrat aufgrund der Anlagemöglichkeiten den Mindestzinssatz
festlegt (Art. 15 Abs. 2 BVG). Bei Erreichen des Rentenalters ergibt
sich damit ein individuell berechnetes Altersguthaben, woraus sich die
Altersrente auf der Grundlage des vom Bundesrat unter Berücksichtigung
der anerkannten technischen Regeln bestimmten Mindestumwandlungssatzes
berechnet (Art. 14 Abs. 1 BVG); dieser beträgt zurzeit gemäss Art. 17
Abs. 1 BVV 2 7,2 %. Die obligatorische berufliche Vorsorge beruht
somit auf einem System der gesetzlichen Mindestleistungsvorgaben
(BBl 2003 S. 6402; BGE 114 V 239 E. 6a S. 246; JÜRG BRÜHWILER, Die
betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Bern 1989, S. 205 ["Primat
der Altersgutschriften"]; CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG,
7. Aufl., Bern 2000, S. 151): Die Mindestleistungen (d.h. die Ansprüche
der Versicherten bzw. die Verpflichtungen der Vorsorgeeinrichtungen)
werden durch die drei Faktoren Altersgutschriften, Mindestzinssatz und
Mindestumwandlungssatz definiert. Je höher der Mindestzinssatz und der
Mindestumwandlungssatz sind, desto höher fallen die Leistungen aus,
welche die Vorsorgeeinrichtungen zu erbringen haben.

    3.2  Hiervon zu trennen ist die Frage der Finanzierung der gesetzlich
geschuldeten Leistungen bzw. des durch diese ausgelösten Finanzbedarfs.

    3.2.1  Im Unterschied zu anderen Zweigen der Sozialversicherung wird
die berufliche Vorsorge nicht durch staatliche Beiträge unterstützt. Die
Einnahmen der Vorsorgeeinrichtungen bestehen im Wesentlichen aus den
Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Art. 66 BVG) sowie aus
den Kapitalerträgen (Art. 71 BVG; BGE 128 II 24 E. 3a). Im Rahmen
des Gesetzes, welches hierzu kaum Vorschriften enthält, sind die
Vorsorgeeinrichtungen frei, wie sie ihre Finanzierung regeln wollen
(Art. 49 Abs. 1 BVG). Gewisse Mindestanforderungen ergeben sich jedoch aus
dem Kapitaldeckungsverfahren, auf dem die berufliche Vorsorge beruht und
nach dem sämtliche gesetzlich und reglementarisch vorgesehenen laufenden
und anwartschaftlichen Leistungen durch ein entsprechendes Deckungskapital
sichergestellt sein müssen (BBl 2003 S. 6404, 2000 S. 2645; BGE 128 II
24 E. 3a; BRÜHWILER, 1989, aaO, S. 203 f.). Nach Art. 65 Abs. 1 BVG
haben die Vorsorgeeinrichtungen jederzeit Sicherheit dafür zu bieten,
dass sie die übernommenen Verpflichtungen erfüllen können (Grundsatz der
kollektiven Äquivalenz; BBl 2003 S. 6404; BRÜHWILER, 1989, aaO, S. 204 f.).
Dabei besteht kein Unterschied, ob ein Kollektivversicherungsvertrag
vorliegt oder ob die Vorsorgeeinrichtung die Risiken selber trägt. Die
übernommenen Verpflichtungen müssen jederzeit vollumfänglich abgesichert
sein, d.h. es darf auch nicht vorübergehend hierauf verzichtet werden; die
Vorsorge- oder Versicherungseinrichtungen haben die hierfür erforderlichen
Rückstellungen zu machen (BBl 2003 S. 6404). Die Vorsorgeeinrichtungen
regeln das Beitragssystem und die Finanzierung so, dass die Leistungen
im Rahmen des Gesetzes bei Fälligkeit erbracht werden können (Art. 65
Abs. 2 BVG). Mit Blick auf die Pflicht zur Sicherstellung (BBl
1976 I 265) müssen die Einnahmen mindestens so hoch sein, dass die
Vorsorgeeinrichtungen ihre Verbindlichkeiten erfüllen können (Urteil
2A.101/2000 vom 26. November 2001, E. 2a). Ergibt sich eine Unterdeckung,
ist die Vorsorgeeinrichtung gestützt auf Art. 65 BVG gehalten, diese
zu beheben, was nötigenfalls aufsichtsrechtlich durchzusetzen ist
(Art. 62 Abs. 1 lit. d BVG; Art. 44 BVV 2; Weisungen des Bundesrates über
Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge,
BBl 2003 S. 4314 ff.; Botschaft vom 19. September 2003 über Massnahmen
zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge, BBl 2003
S. 6399 ff.; BGE 121 II 198 E. 5c). Da im obligatorischen Bereich die
gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen nicht reduziert werden dürfen,
fällt - nach Erschöpfung der Reserven - zur Behebung von Unterdeckungen
praktisch nur die Erschliessung zusätzlicher Einnahmen in Betracht. Die
Höhe der Beiträge ist nicht direkt im Gesetz geregelt, sondern wird von
den Vorsorgeeinrichtungen grundsätzlich frei festgelegt (vgl. BGE 121 II
198 E. 3). Die Gesamteinnahmen (d.h. im Wesentlichen die Beiträge und die
Kapitalerträge) müssen aber ausreichen, um die Verbindlichkeiten decken
zu können. Je höher die Kapitalerträge sind, desto tiefer dürfen die
Beiträge sein. Dasselbe gilt umgekehrt: Gehen die Kapitalerträge zurück,
müssen allenfalls - nach Erschöpfung der Reserven - die Beiträge erhöht
werden, um gleich bleibende Einnahmen zu erreichen.

    3.2.2  Aus diesem gesetzlichen System ergibt sich, dass der
gemäss Art. 15 Abs. 2 BVG festgelegte Mindestzinssatz nur indirekt
etwas mit den effektiv erzielbaren oder erzielten Kapitalerträgen zu
tun hat. In erster Linie kommt ihm eine leistungsseitige Funktion zu:
Er bestimmt (zusammen mit den lohnabhängigen Altersgutschriften) das
Altersguthaben, aus welchem sich die Höhe der Altersrente (und damit
auch der Hinterlassenen- und Invalidenleistungen, Art. 21 und 24 BVG)
errechnet. Der Mindestzinssatz beeinflusst die zu erbringenden Leistungen;
je höher er ist, desto bedeutender sind diese sowie der zu ihrer Deckung
erforderliche Finanzbedarf (BRÜHWILER, 2003, aaO, S. 329). Welche Rendite
die Vorsorgeeinrichtung auf ihren Aktiven tatsächlich erzielt, hängt
hingegen von den Kapitalmarktverhältnissen bzw. ihrer Anlagestrategie
sowie den entsprechenden Vorschriften (Art. 71 BVG; Art. 49 ff. BVV 2)
ab und kann durch die gesetzliche Festlegung des Mindestzinssatzes nicht
beeinflusst werden. Klaffen die effektiv erzielbaren Kapitalerträge und
der Mindestzinssatz während längerer Zeit deutlich auseinander, ist nicht
ausgeschlossen, dass es zu einer gesetzwidrigen Unterdeckung kommt, der
längerfristig nur mit zusätzlichen Einnahmen begegnet werden kann. Das
Gesetz will dies zwar möglichst vermeiden, weshalb es den Bundesrat anhält,
den Mindestzinssatz aufgrund der Anlagemöglichkeiten so festzusetzen,
wie er längerfristig auf dem Kapitalmarkt auch tatsächlich erwirtschaftet
werden kann (vgl. Art. 15 Abs. 2 BVG). Tut der Bundesrat dies jedoch nicht,
ist nach Erschöpfung allfälliger Reserven gestützt auf das vom Gesetzgeber
gewählte System der Komplementarität von Beiträgen und Kapitalerträgen
eine Anpassung zu Lasten der Beiträge allenfalls unabdingbar, soll eine
gesetzwidrige Unterdeckung vermieden werden.

    3.2.3  Analoges gilt für den Umwandlungssatz. Auch dieser definiert
(zusammen mit der Höhe des Altersguthabens) die von der Vorsorgeeinrichtung
geschuldeten Renten (Art. 14 BVG) und ist somit ein Faktor, der die
Leistungsseite beschlägt, indessen nicht den Finanzierungsaspekt,
d.h. die Frage, wie der entsprechende Finanzierungsbedarf gedeckt wird
(vgl. BRÜHWILER, 2003, aaO, S. 331). Das Gesetz geht in diesem Zusammenhang
wiederum davon aus, dass der Bundesrat den Umwandlungssatz anhand
anerkannter (versicherungstechnischer) Grundlagen festlegt (Art. 14 Abs. 1
Satz 2 BVG) und insbesondere aufgrund der statistischen Lebenserwartung bei
Erreichen des Rentenalters. Ist der Mindestumwandlungssatz längerfristig
mit Blick auf die gestiegene Lebenserwartung nicht mehr realistisch, kann
wiederum ein zusätzlicher Finanzbedarf entstehen, der mit den ursprünglich
kalkulierten Beiträgen bzw. allenfalls den über dem BVG-Mindestzinssatz
liegenden Kapitalerträgen längerfristig nicht mehr finanziert werden kann
und zu einer unzulässigen Deckungslücke führt.

    3.3  Betreffen die Art. 14 und 15 BVG bzw.  Art. 12 und 17 Abs. 1 BVV
2 somit ausschliesslich die Leistungs- und nicht die Finanzierungsseite,
werden diese Bestimmungen durch die von der Beschwerdeführerin beantragten
Zusatzprämien nicht verletzt. Bei einer Versicherung, die auf dem System
von Mindestleistungsvorgaben beruht, müssen die Einnahmen allenfalls
auch mit Zusatzbeiträgen den Verbindlichkeiten angepasst werden können,
soweit allfällige Reserven längerfristig erschöpft sind und keine anderen
Einnahmen zur Verfügung stehen (vgl. Art. 68 Abs. 2 BVG). Zwar sahen
Art. 17 Abs. 2 und Abs. 3 BVV 2 ursprünglich vor, dass die Aufsichtsbehörde
zur Beseitigung bestehender Deckungslücken einen tieferen Umwandlungssatz
genehmigen konnte (AS 1984 S. 548), doch wurde diese Regelung 1996,
weil vermutlich gesetzwidrig, aufgehoben (BBl 1995 IV 1250, S. 1259;
AS 1996 S. 3452); Art. 14 Abs. 2 BVG sieht seinerseits die Anwendung
eines tieferen Umwandlungssatzes mit Zustimmung des Bundesrats nur vor,
wenn die sich hieraus ergebenden Überschüsse zur Leistungsverbesserung
verwendet werden. Eine Sanierung im obligatorischen BVG-Bereich ist
zurzeit somit nur einnahmeseitig möglich, weshalb in einer entsprechenden
Korrektur - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - keine Gesetzesumgehung
liegen kann. Es wird damit auch nicht in die bloss die Leistungsseite
beschlagende Zuständigkeit des Bundesrats eingegriffen. Diesem steht zwar
bei der Festsetzung der beiden Sätze, namentlich beim Mindestzinssatz,
ein gewisses Ermessen zu, weil hierfür jeweils eine längerfristige
Betrachtung Platz greifen muss und kurzfristige Marktschwankungen nicht
berücksichtigt werden können (Urteil B 29/92 vom 4. Dezember 1992,
publ. in: SZS 1993 S. 296 ff.; nach Art. 15 Abs. 3 BVG in der Fassung
der 1. BVG-Revision soll der Mindestzinssatz nunmehr mindestens alle
zwei Jahre überprüft werden [BBl 2003 S. 6656]). Der Bundesrat dürfte
aber dennoch nicht einen unrealistischen Mindestzinssatz festlegen,
der längerfristig von den auf dem Kapitalmarkt realisierbaren Renditen
abwiche (BBl 1995 IV 1248 f.). Täte er dies, verpflichtete er die
Vorsorgeeinrichtungen zu Leistungen, die mit den kalkulierten Einnahmen
nicht gedeckt werden könnten, was gesetzwidrig wäre und - zumindest von den
verwaltungsunabhängigen Rechtsmittelinstanzen - korrigiert werden müsste.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Zu Unrecht wendet das Bundesamt ein, diese Prinzipien gälten
nur für selbständige Vorsorgeeinrichtungen, indessen nicht auch für
Versicherungsgesellschaften, die im obligatorischen Bereich der beruflichen
Vorsorge tätig sind. Aus Art. 68 Abs. 2 BVG ergibt sich, dass die Tarife
der Versicherungseinrichtungen nicht den Grundsätzen des BVG zuwiderlaufen
dürfen; zudem muss aufsichtsrechtlich die Prämie bzw. das Tarifsystem so
ausgestaltet sein, dass sowohl die Solvenz der Versicherungsgesellschaft
als auch der Schutz der Versicherten vor Missbrauch gewährleistet bleiben
(Art. 1, 17 und 20 VAG). Die Erhebung zusätzlicher Beiträge bzw. von
Zusatzprämien zur Verhinderung einer Unterdeckung bzw. Beseitigung
einer solchen sind im Bereich des BVG-Obligatoriums nach dem Gesagten
nicht systemwidrig, falls die vom Bundesrat festgelegten Mindestsätze
nach anlage- und versicherungstechnischen Kriterien strukturell
zu hoch und nicht anderweitig kompensierbar sein sollten. Tarife,
die nicht kostendeckend sind, können Art. 17 Abs. 1 und Art. 20 VAG
verletzen. Zwar ist es einer Versicherungseinrichtung, die zahlreiche
Vorsorgeeinrichtungen und damit eine grössere Anzahl von BVG-Versicherten
erfasst, möglich, ihre Risiken besser zu verteilen als allenfalls einer
einzelnen Vorsorgeeinrichtung selber, weshalb eine Situation, die bei
einer solchen zu einer Unterdeckung führen würde, ihre Solvenz noch nicht
zu bedrohen braucht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erhebung einer
Zusatzprämie deshalb unzulässig wäre. Art. 68 Abs. 2 BVG will vermeiden,
dass die Versicherungsgesellschaften mit der obligatorischen beruflichen
Vorsorge übermässige Gewinne erzielen, aber nicht Tarife vorschreiben,
die nicht kostendeckend sind (AB 1981 N 1108 [Muheim], 1982 N 212
f. [Fischer]).

    4.2  Das Bundesamt hat seinen Entscheid auch damit gerechtfertigt,
dass es einer Versicherungsgesellschaft unbenommen bleibe, sich aus dem
BVG-Geschäft zurückzuziehen, wenn sie die Mindestzinsgarantie nicht
mehr zu gewährleisten vermöge. Diese Überlegung erscheint insofern
richtig, als nicht überhöhte Tarife genehmigt werden sollen, welche auch
unwirtschaftlich arbeitenden Versicherungseinrichtungen ein Überleben
ermöglichen. Ist jedoch der Mindestzinssatz längerfristig so angesetzt,
dass die daraus resultierenden Verpflichtungen mit den effektiv
erwirtschafteten Renditen generell nicht mehr gedeckt werden können,
so würden die Versicherungsgesellschaften letztlich verpflichtet,
höhere Leistungen zu erbringen als sie Einnahmen erzielen, was mit
der gesetzgeberischen Absicht, keine Tarife vorschreiben zu wollen,
die nicht kostendeckend sind, unvereinbar erschiene. Eine solche Lösung
stünde im Widerspruch zu Art. 17 und 20 VAG und würde bei einem Rückzug
der Versicherungseinrichtungen aus der (obligatorischen) beruflichen
Vorsorge deren Realisierung zwar nicht verunmöglichen (vgl. Art. 60 BVG),
aber doch wesentlich erschweren.

Erwägung 5

    5.  Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass die von der
Beschwerdeführerin beantragten Zusatzprämien auch ohne weiteres zu
genehmigen wären:

    5.1  Nach Art. 1 und Art. 17 Abs. 2 VAG hat die Versicherungsaufsicht
zum Schutz der Versicherten darüber zu wachen, dass keine missbräuchlichen
Tarife eingeführt werden. Die Erhebung der geplanten Zusatzprämien
ist nicht - wie die Vorinstanzen angenommen haben - bereits aus
systemimmanenten Gründen unzulässig, kann es jedoch sein, falls die
Beschwerdeführerin in der Vergangenheit zu Lasten der Versicherten
übermässige Gewinne erzielt bzw. über der Mindestzinsgarantie liegende
Renditen nicht an diese weitergegeben haben sollte. Zur Beurteilung
dieser Frage fehlen die erforderlichen Grundlagen, nachdem die
Vorinstanzen fälschlicherweise die Missbräuchlichkeit bereits aus einem
anderen Grund bejaht haben. Während langer Zeit konnten auf dem Markt
Kapitalrenditen erzielt werden, welche deutlich höher lagen als der
Mindestzinssatz (vgl. ANDREAS LUIG, Das grosse Ringen um den "richtigen
Zinssatz", und ROBERT JAKOB, Weich gekocht, in: Schweizer Versicherung
9/2002 S. 32 ff.). Wurden solche erwirtschaftet, ohne dass sie den
versicherten Vorsorgeeinrichtungen angemessen zugute kamen, erschiene
es missbräuchlich, Zusatzprämien zu erheben, sobald der Mindestzinssatz
(allenfalls vorübergehend) nicht mehr erreicht werden kann. Dessen
Festlegung seitens des Bundesrats erfolgte unter Berücksichtigung
der Raten für den risikofreien Zins, die Lohnentwicklung und die
Inflation ("goldene Regel"; vgl. ANDREAS LUIG, aaO, S. 33) in einer
längerfristigen Optik (vgl. JEAN MARC WANNER, Der minimale BVG-Zinssatz,
ein heikler Parameter, in: Schweizer Personalvorsorge 2/2001 S. 14 ff.);
kurzfristige Kapitalmarktschwankungen rechtfertigen deshalb die Erhebung
von entsprechenden Zusatzprämien nicht. Solche sind nur zulässig, wenn
trotz angemessener Rückstellungspolitik mittel- oder längerfristig
eine Unterdeckung zu erwarten ist, welche nicht anders als durch
Zusatzprämien bzw. Beitragserhöhungen aufgefangen werden kann. Es wird
an der Beschwerdeführerin sein, dies im Genehmigungsverfahren darzutun
und ihre entsprechenden Rechnungen - einschliesslich der Verwendung der
Überschüsse aus den früheren Jahren - im Detail offen zu legen; dabei wird
in sachverhaltsmässiger Hinsicht auch zu prüfen sein, wie die einzelnen
versicherten Vorsorgeeinrichtungen konkret organisiert sind und wie jeweils
die Vermögensverwaltung der angeschlossenen Vorsorgekassen tatsächlich
erfolgt (gemeinsam, getrennt, vollumfänglich durch die Versicherung).
Nur falls die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit keine übermässigen
Gewinne aus dem obligatorischen BVG-Geschäft gemacht bzw. solche nicht
für andere Zweige verwendet haben sollte, und trotz einer angemessenen
Rückstellungspolitik tatsächlich während längerer Zeit die hinreichend
sichere Rendite bei einer angemessenen Anlagepolitik tiefer lag als der
Mindestzinssatz, und sich der Mindestumwandlungssatz schliesslich als
versicherungstechnisch tatsächlich falsch bzw. über eine höhere Rendite
als dem Mindestzinssatz nicht mehr finanzierbar erweisen sollte, sind die
entsprechenden Zusatzprämien allenfalls zu genehmigen. Bei diesem Entscheid
wird das Bundesamt bei seiner Angemessenheitsprüfung auch den Auswirkungen
der neuen gesetzlichen Regelungen des Mindestzinssatzes bzw. der inzwischen
eingetretenen Entspannung auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen haben
(vgl. die zur Zeit laufenden Beratungen in der Bundesversammlung).

    5.2  Gemäss den von der Beschwerdeführerin dem Bundesamt vorgelegten
Unterlagen erreicht die Zusatzprämie unter Umständen eine erhebliche
Höhe. Das Bundesgericht ist aufgrund der vorliegenden Akten nicht
in der Lage, zu beurteilen, ob die Annahmen und Berechnungen der
Beschwerdeführerin zutreffen. Sollte dies der Fall sein, würden für
die betroffenen Versicherungsnehmer beträchtliche Mehrbelastungen
entstehen, welche mit freien Stiftungsmitteln oder - unter Einhaltung
der Garantien von Art. 66 BVG - zusätzlichen Beiträgen finanziert werden
müssten. Diese wären - unter den obgenannten Voraussetzungen - jedoch
nicht der Beschwerdeführerin anzulasten, sondern darauf zurückzuführen,
dass der Bundesrat in der Vergangenheit durch zu hohe Mindestzins- und
Umwandlungssätze die Vorsorge- bzw. Versicherungseinrichtungen im Resultat
zu Leistungen verpflichtet hat, die aufgrund der Kapitalmarktverhältnisse
und der gestiegenen Lebenserwartung mit den kalkulierten Beiträgen nicht
gedeckt werden können. Die Vorinstanzen haben aufgrund ihrer unrichtigen
Auslegung des Gesetzes die Berechtigung der von der Beschwerdeführerin
beantragten Zusatzprämien nicht im Einzelnen analysiert; die Sache ist
hierzu im Sinne der Erwägungen an das Bundesamt zurückzuweisen (Art. 114
Abs. 2 OG). Dieses wird erneut zu prüfen haben, ob die beantragten
Zusatzprämien im Lichte der Erwägungen sowie der veränderten Umstände
mit Blick auf das BVG-Obligatorium als angemessen gelten können.