Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 II 137



130 II 137

13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES)
gegen X. sowie Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 2A.457/2003 vom 16. Januar 2004

Regeste

    Art. 103 lit. b und Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 17 Abs. 2
ANAG; Art. 8 und 191 BV; Art. 8, 13 und 14 EMRK; Art. 3 Anhang I FZA;
Nachzug von ausländischen Familienangehörigen eines Schweizers.

    Beschwerdebefugnis des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration
und Auswanderung (E. 1.1); Zulässigkeit der Behördenbeschwerde bei
Beanstandung einer bundesrechtswidrigen Bejahung eines Rechtsanspruches
auf Bewilligungserteilung (E. 1.2).

    Nachträglicher Nachzug des ausländischen Kindes eines vom anderen
Elternteil getrennt lebenden Schweizers gestützt auf Art. 17 Abs. 2
ANAG? Bestätigung der entsprechenden Voraussetzungen (E. 2).

    Bundesrechtswidrigkeit eines kantonalen Gerichtsurteils (E. 3.1),
welches verfassungsrechtlich einen zur Familiennachzugsregelung des
Freizügigkeitsabkommens analogen Rechtsanspruch auf Nachzug des aus
einem Nichtvertragsstaat stammenden Kindes eines Schweizers herleiten
will (E. 4.1). Die diesbezügliche bundesgerichtliche Rechtsprechung hält
sowohl vor Art. 14 als auch vor Art. 13 EMRK stand (E. 4.2). Es liegt zum
Vornherein keine Ungleichbehandlung von Schweizern beim Familiennachzug
vor, wenn der aus einem Drittstaat stammende Angehörige sich nicht bereits
rechtmässig in einem anderen Vertragsstaat des Freizügigkeitsabkommens
aufhält (E. 4.3).

Sachverhalt

    Der aus dem heutigen Serbien/Montenegro (Kosovo) stammende X., geboren
1962, heiratete im Jahre 1985 eine Schweizer Bürgerin, worauf ihm die
Jahresaufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Seine aus einer früheren
ausserehelichen Beziehung hervorgegangenen drei Kinder Y. (geboren
1983), Z. (geboren 1984) sowie A. (geboren 1985) liess er im Heimatland
zurück. Anfangs 1992 wurde die Ehe (kinderlos) geschieden.

    Im gleichen Jahr ging X. mit einer Landsmännin erneut die Ehe ein,
aus welcher drei Kinder hervorgehen sollten. Am 30. Juni 1995 wurde X. die
Niederlassungsbewilligung im Kanton Aargau erteilt. Im Jahre 1999 kam
seine Ehefrau bei einem Unfall ums Leben. Am 18. Dezember 2001 wurden
X. sowie die drei Kinder aus zweiter Ehe eingebürgert.

    Im April 2002 heiratete X. die aus Serbien/Montenegro stammende B.,
welcher in der Folge die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib beim Ehemann
erteilt wurde.

    Am 17. Juni 2002 reichte X. ein Gesuch um Nachzug seines
ausserehelichen Sohnes A. ein.

    Mit Verfügung vom 22. August 2002 lehnte das Migrationsamt des
Kantons Aargau das Familiennachzugsgesuch ab. Eine dagegen erhobene
Einsprache wies das Migrationsamt mit Entscheid vom 5. Mai 2003 ab. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen an, für den Familiennachzug gestützt
auf die massgebliche Bestimmung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer fehle es an der erforderlichen wesentlichen
Veränderung in den Betreuungsverhältnissen. Ein Rechtsanspruch auf Nachzug
des Sohnes lasse sich im Übrigen auch nicht aus dem Abkommen vom 21. Juni
1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) ableiten.
Eine Bewilligung des Familiennachzugs im Rahmen des fremdenpolizeilichen
Ermessens lehnte das Migrationsamt ab.

    Mit Urteil vom 15. August 2003 hiess das Rekursgericht im
Ausländerrecht des Kantons Aargau eine von X. erhobene Beschwerde gut, hob
den Einspracheentscheid des Migrationsamtes vom 5. Mai 2003 auf und wies
dieses an, den Aufenthalt von A. zu regeln. Das Gericht kam zum Schluss,
ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug sei in analoger Anwendung der
Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens zu bejahen.

    Mit Eingabe vom 19. September 2003 erhebt das Bundesamt für
Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der es die Aufhebung des Entscheids
des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 15. August
2003 beantragt.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das angefochtene
Urteil auf und weist die Sache zu neuem Entscheid an das Rekursgericht
im Ausländerrecht des Kantons Aargau zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Nach Art. 103 lit. b OG ist das in der Sache zuständige
Departement oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die in
der Sache zuständige Dienstabteilung der Bundesverwaltung zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht berechtigt. Gemäss
Art. 14 Abs. 2 der Organisationsverordnung vom 17. November 1999 für das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (OV-EJPD; SR 172.213.1;
Fassung mit der per 1. Mai 2003 angepassten Behördenbezeichnung) ist das
Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES; vormals
Bundesamt für Ausländerfragen) ermächtigt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zu führen.

    Der Hinweis in der Vernehmlassung des Rekursgerichts im Ausländerrecht,
wonach die Beschwerde des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und
Auswanderung (IMES) nicht zulässig sein könne, soweit damit die Tolerierung
eines rechtsungleichen Vollzuges von Bundesrecht angestrebt werde, ist
abwegig: Die vorliegende Beschwerde zielt darauf ab, klarzustellen,
dass auf Bewilligungen der hier streitigen Art bundesrechtlich kein
Anspruch bestehe und die gegenteilige Auffassung des Rekursgerichts
gegen Bundesrecht verstosse. Ein dahingehender Antrag dient der
einheitlichen und richtigen Anwendung des Bundesrechts und entspricht
dem legitimen Zweck einer Behördenbeschwerde. Das IMES ist daher zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert.

    1.2  Ein Ausschlussgrund gemäss Art. 99-102 OG liegt nicht
vor. Wohl steht der Weg der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG an sich nur offen gegen Entscheide über
fremdenpolizeiliche Bewilligungen, auf die das Bundesrecht einen Anspruch
einräumt. Käme diese Schranke auch bei der Behördenbeschwerde unbesehen
zur Anwendung, könnte das Bundesgericht in Fällen, wo die legitimierte
Behörde die bundesrechtswidrige Bejahung eines Rechtsanspruches beanstanden
will, bei Begründetheit dieser Rüge auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
formell nicht eintreten und damit auch nicht den bundesrechtswidrigen
kantonalen Rechtsmittelentscheid aufheben. Dass diese Konsequenz nicht
dem Zweck des Beschwerderechts der Bundesbehörden - Sicherstellung
des richtigen und rechtsgleichen Vollzuges des Bundesverwaltungsrechts
(BGE 125 II 633 E. 1a S. 635; 129 II 1 E. 1.1. S. 3) - entspräche, liegt
auf der Hand. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde muss der legitimierten
Bundesbehörde richtigerweise auch zur Verfügung stehen, um geltend
zu machen, die kantonale Rechtsmittelinstanz habe das Vorliegen eines
Rechtsanspruches auf die streitige fremdenpolizeiliche Bewilligung in
Verletzung von Bundesrecht bejaht (so im Ergebnis auch BGE 129 II 11;
125 II 585). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.

    (...)

Erwägung 2

    2.

    2.1  Ein allfälliger Anspruch auf Familiennachzug des Sohnes des
Beschwerdegegners kann sich vorliegend zunächst aus Art. 17 Abs. 2 Satz
3 ANAG (SR 142.20) ergeben. Danach haben ledige Kinder unter 18 Jahren
Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern,
wenn sie mit diesen zusammen wohnen. Diese Bestimmung gilt sinngemäss auch
für ausländische Kinder eines Schweizers (BGE 118 Ib 153 E. 1b S. 155 f.;
129 II 249 E. 1.2 S. 252).

    Der nachzuziehende Sohn des Beschwerdegegners war im Zeitpunkt der
Gesuchseinreichung gut 17 Jahre alt, weshalb er gestützt auf Art. 17 Abs. 2
ANAG grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Nachzug zu seinem Schweizer
Vater besitzt, wogegen er sich, nachdem er das Mündigkeitsalter inzwischen
erreicht hat, nicht mehr auf das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13
Abs. 1 BV verankerte Recht auf Achtung des Familienlebens berufen kann
(vgl. zum Ganzen in ständiger Rechtsprechung BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 f.,
249 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen).

    2.2  In seinem Urteil hat sich das Rekursgericht, da es die Beschwerde
aus anderem Grund guthiess, nicht näher mit der Zulässigkeit des Nachzugs
unter dem Titel von Art. 17 Abs. 2 ANAG befasst. Es hält jedoch fest,
dass die Ausführungen des Migrationsamtes im Einspracheentscheid vom
5. Mai 2003, wonach die Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf
die anbegehrte Anwesenheitsberechtigung gestützt auf Art. 17 Abs. 2
ANAG mangels stichhaltiger familiärer Gründe bzw. einer Änderung in
den Betreuungsverhältnissen nicht gegeben seien, "grundsätzlich nicht
zu beanstanden" seien. Indessen wird im Urteil Bezug genommen auf eine
inzwischen geänderte Praxis des Migrationsamtes, auf deren Grundlage es
nach Auffassung des Rekursgerichts den Einspracheentscheid in diesem Punkt
zu überprüfen gegolten hätte, wäre ein Rechtsanspruch auf Nachzug nicht
bereits in analoger Anwendung des Freizügigkeitsabkommens zu bejahen
gewesen. Wie den Akten zu entnehmen ist, besteht die geänderte Praxis
des Migrationsamtes - soweit vorliegend von Interesse - darin, dass
der (nachträgliche) Nachzug minderjähriger ausländischer Kinder eines
Schweizer Elternteils (zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen gegenüber
EG-/EFTA-Bürgern) künftig - unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes
- nicht mehr vom Kriterium einer vorrangigen familiären Beziehung zum
Schweizer Elternteil sowie einem triftigen familiären Grund (z.B. Änderung
der Betreuungsverhältnisse) abhängig gemacht werden soll. Das Migrationsamt
beruft sich dabei auf ein Rundschreiben des Bundesamtes für Zuwanderung,
Integration und Auswanderung (IMES) vom 5. Juni 2003 betreffend "Umsetzung
des Freizügigkeitsabkommens, Auswirkungen beim Familiennachzug". Wie
es sich damit im Einzelnen verhält, kann offen bleiben. Zu beachten
bleibt, dass die Entstehung eines Rechtsanspruches auf nachträglichen
Familiennachzug des ausländischen Kindes eines vom anderen Elternteil
getrennt lebenden oder geschiedenen Schweizers gestützt auf Art. 17
Abs. 2 Satz 3 ANAG auch nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens -
wie bisher nach ständiger Rechtsprechung (BGE 118 Ib 153 E. 2b S. 159;
125 II 585 E. 2a S. 586 f.; zuletzt: BGE 129 II 249 E. 2.1 S. 252 mit
weiteren Hinweisen) - eine nachgewiesene vorrangige Bindung des Kindes
zum in der Schweiz lebenden Elternteil bzw. eine Rechtfertigung durch
besondere stichhaltige familiäre Gründe, insbesondere eine Änderung der
Betreuungsverhältnisse, voraussetzt.

    2.3  Das Rekursgericht hat sich zur Zulässigkeit des Nachzugs des
Sohnes des Beschwerdegegners unter dem Blickwinkel von Art. 17 Abs. 2 ANAG
- wie erwähnt - nicht bzw. nicht abschliessend geäussert, weshalb in diesem
Punkt materiell kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vorliegt,
den das Bundesgericht überprüfen könnte (Art. 98 lit. g in Verbindung mit
Art. 98a OG). Soweit sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde
des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES)
als begründet erweisen sollte, wird es Sache des Rekursgerichts sein,
über das weitere Vorgehen in dieser Frage zu befinden.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Im angefochtenen Urteil ist das Rekursgericht zum Schluss
gekommen, es liege ein rein inlandbezogener Sachverhalt vor, auf den
grundsätzlich die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG) anzuwenden seien; eine direkte Anwendung
des Freizügigkeitsabkommens (FZA) stehe in derartigen Fällen nicht zur
Diskussion. Dagegen stelle sich die Frage, ob die Schlechterstellung der
Schweizer beim Nachzug von aus Drittstaaten stammenden Angehörigen gegen
das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV verstosse
und in Anwendung von Art. 8 BV ein analoger Rechtsanspruch einzuräumen
sei. Das Rekursgericht kommt zum Ergebnis, dass dem Nationalrat die mit dem
Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens entstehende Schlechterstellung
der Schweizer spätestens seit Ablehnung der Motion Hubmann, welche durch
eine Änderung des ANAG die Gleichbehandlung hätte herbeiführen wollen,
bewusst gewesen sei. Dieser Entscheid sei jedoch nicht dem Willen
gleichzusetzen, Schweizer gegenüber EG- und EFTA-Staatsangehörigen zu
benachteiligen. Die Haltung des Nationalrates sei vielmehr dahingehend
zu interpretieren, dass er keinerlei Notwendigkeit für eine vorgezogene
Teilrevision des ANAG sah bzw. davon ausging, dass eine Schlechterstellung
von Schweizern - nach vorgenommener Anpassung von Art. 3 der Verordnung
vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO;
SR 823.21) - gar nicht erfolgen werde. Der Nationalrat habe darauf
vertraut, dass die zuständigen Behörden im Rahmen des ihnen eingeräumten
Ermessens bis zum Inkrafttreten des - die Gleichbehandlung herbeiführenden
- neuen Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) für
eine rechtsgleiche Behandlung von Schweizer Bürgern sorgen und ansonsten
die Gerichte korrigierend eingreifen würden, wie dies das Bundesgericht
in BGE 118 Ib 153 bereits hinsichtlich Art. 17 Abs. 2 ANAG getan habe,
indem es die Bestimmung analog auch auf ausländische Kinder von Schweizer
Eltern angewendet und damit eine rechtsgleiche und verfassungskonforme
Rechtslage geschaffen habe. Für eine derartige Auslegung spreche auch
die Medienmitteilung der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates
vom 31. Januar 2003, welche im Anschluss an BGE 129 II 249 ergangen
sei und vom Bundesgericht nicht in seine Erwägungen habe miteinbezogen
werden können. Darin beurteile es die Kommission als fragwürdig, wenn
Schweizer gegenüber Bürgern der EG und der EFTA diskriminiert würden,
weshalb sie erwarte, dass die kantonalen Vollzugsbehörden im Rahmen der
bestehenden Möglichkeiten auf Verordnungsstufe für eine Gleichbehandlung
besorgt seien. Die Kommission spreche sich damit explizit gegen eine
rechtsungleiche Behandlung von Schweizer Bürgern aus. Im Ständerat sei
die Problematik des Familiennachzugs nicht thematisiert worden, weshalb
hier erst recht nicht von einem qualifizierten Schweigen gesprochen werden
könne. Zusammenfassend bestehe zwar ein gesetzgeberischer Wille, auf eine
vorgezogene Regelung des Familiennachzugs von Drittstaatsangehörigen durch
Schweizer Bürger zu verzichten, wogegen sich der Wille des Gesetzgebers
nicht auch auf eine (vorübergehende) rechtsungleiche Behandlung von
Schweizern gegenüber EG- und EFTA-Staatsangehörigen erstrecke; es
liege diesbezüglich kein qualifiziertes Schweigen, sondern eine Lücke
im Nachzugsrecht des ANAG vor, welche es zu füllen gelte. Art. 191 BV
verhindere daher eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen
Normen nicht. In Anwendung von Art. 8 Abs. 1 BV sei somit Schweizer
Bürgern ein aus Art. 3 Anhang I FZA abgeleiteter (analoger) Rechtsanspruch
auf Familiennachzug eines aus einem Drittstaat stammenden Angehörigen
einzuräumen. Im Falle des Beschwerdegegners seien die Voraussetzungen
für den von ihm anbegehrten Nachzug seines Sohnes gemäss den Bestimmungen
des Freizügigkeitsabkommens erfüllt, weshalb das Gesuch zu bewilligen sei.

    3.2  In seiner Beschwerde bringt das Bundesamt für Zuwanderung,
Integration und Auswanderung (IMES) vor, die Auffassung des Rekursgerichts,
wonach vorliegend von einer Gesetzeslücke auszugehen sei, welche es
durch analoge Anwendung des Freizügigkeitsabkommens zu schliessen
gelte, widerspreche in grundlegender Weise der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung (BGE 129 II 249 E. 5; Urteile 2A.115/2003 vom 31. Juli 2003
und 2A.198/2003 vom 12. Mai 2003). Die Argumentation des Rekursgerichts
erweise sich zudem insofern als fehlerhaft, als kein Raum für Analogie und
richterliche Lückenfüllung bleibe, wenn - wie das Gericht selber ausführe
- der Gesetzgeber bewusst keine vorgezogene Regelung des Nachzugs von
Drittstaatsangehörigen durch Schweizer getroffen habe.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Das angefochtene Urteil enthält keine wesentlichen neuen
Argumente, welche vom Bundesgericht in BGE 129 II 249 ausser Acht gelassen
worden wären. Ob der schweizerische Gesetzgeber die Ungleichbehandlung der
Schweizer Bürger gegenüber den EG-Angehörigen effektiv gewollt hat, ist
nicht entscheidend. Er hat jedenfalls das Bundesgesetz über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG), wo die Frage zu regeln gewesen wäre,
beim Abschluss des Freizügigkeitsabkommens nur in anderen und nicht in
diesem Punkt revidiert, und die Überweisung einer die betreffende Frage
explizit aufgreifende Motion wurde vom Nationalrat abgelehnt. Damit hat
der Gesetzgeber auf eine vorgezogene Teilrevision des Ausländerrechts
bewusst verzichtet; er hat die mit der einstweiligen Aufrechterhaltung
der jetzigen Regelung des ANAG verbundenen Konsequenzen zwar nicht
eigentlich angestrebt, aber diesen Rechtszustand aus den in der Antwort
des Bundesrates dargelegten Gründen (vorübergehend) in Kauf genommen;
von einem Versehen des Gesetzgebers kann nicht gesprochen werden.
Dass der Ständerat mit der genannten Motion nicht ebenfalls ausdrücklich
konfrontiert worden ist, ändert nichts. Massgebend ist, dass die von
der Motionärin angestrebte Gesetzesänderung gescheitert ist und keine
verbindliche Beschlussfassung über die von ihr angestrebte Teilrevision
zustande gekommen ist, womit sich der massgebliche Wille des Gesetzgebers
nach dem heutigen Gesetzesinhalt bestimmt. Entgegen der Auffassung
des Rekursgerichts lässt sich den (nicht im Ratsplenum erfolgten)
Verlautbarungen der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates
vom 31. Januar 2003 nichts entnehmen, was diesem Ergebnis widersprechen
würde. Im Übrigen lehnte es gemäss Medienmitteilung auch die Kommission ab,
einem Antrag für eine vorgezogene Revision des ANAG zum Familiennachzug
Folge zu geben; demgegenüber hat sie sich - ebenso wie zuvor der
Nationalrat (durch Ablehnung der Motion Hubmann) - für "eine umfassende
Neuregelung" im Rahmen der laufenden Totalrevision entschieden.

    Dass das geltende Ausländerrecht das Nachzugsrecht für ausländische
Familienmitglieder von Schweizer Bürgern nicht ausdrücklich regelt
und diese Lücke durch analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG
geschlossen werden konnte (BGE 118 Ib 153 E. 1b S. 155 f.), bedeutet
nicht, dass für diese Frage heute auf die entsprechende Regelung des
Freizügigkeitsabkommens abgestellt werden müsste. Es ging hier um
eine Lücke des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer, welche nach den diesem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen zu
schliessen war. Für eine Neufüllung dieser Lücke im Sinne der Regelung
des Freizügigkeitsabkommens besteht kein Raum, nachdem der Gesetzgeber
selber eine vorgezogene Teilrevision in diesem Punkt abgelehnt hat,
weil er die Frage nicht als spruchreif betrachtete.

    Das angefochtene Urteil des Rekursgerichts, welches in der vorliegenden
Konstellation verfassungsrechtlich einen zur Familiennachzugsregelung des
Freizügigkeitsabkommens analogen Rechtsanspruch auf Nachzug herleiten will,
steht nach dem Gesagten in Widerspruch zu Bundesrecht.

    4.2  Auch die seitens der Doktrin geübte Kritik gibt keinen Anlass,
von der in BGE 129 II 249 begründeten und inzwischen in einer Reihe
von Entscheiden bestätigten Rechtsprechung abzuweichen (vgl. etwa
die Urteile des Bundesgerichts 2A.16/2003 vom 3. März 2003, E. 1.2;
2A.198/2003 vom 12. Mai 2003, E. 2.2.1; 2A.115/2003 vom 31. Juli 2003,
E. 4; 2A.238/2003 vom 26. August 2003, E. 5.2.1 sowie 2A.577/2003 vom
4. Dezember 2003). MICHEL HOTTELIER und HANSPETER MOCK (Le Tribunal
fédéral suisse et la "discrimination à rebours" en matière de regroupement
familial, in: Revue trimestrielle des droits de l'homme 2003 S. 1275 ff.,
insbesondere S. 1299 ff.) halten BGE 129 II 249 entgegen, dass auch hätte
geprüft werden müssen, ob die in der geltenden gesetzlichen Regelung
verankerte Ungleichbehandlung von Schweizern und EG-Staatsangehörigen
nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstosse,
welche diskriminierende Eingriffe in das Familienleben verbiete (Art. 14
in Verbindung mit Art. 8 EMRK). Dazu ist zu bemerken, dass das in Art. 14
EMRK enthaltene Diskriminierungsverbot keinen selbständigen Charakter
aufweist, sondern die Anwendbarkeit einer anderen Grundrechtsgarantie
der EMRK voraussetzt (vgl. BGE 125 III 209 E. 6a S. 216; 123 II 472
E. 4c S. 477, je mit Hinweisen). Wohl ist die Verletzung dieser anderen
EMRK-Garantie nicht Voraussetzung für die Anrufung von Art. 14 EMRK;
eine solche Garantie muss aber in ihrem Geltungsbereich betroffen sein.
Dies ist in Bezug auf Art. 8 EMRK regelmässig nicht der Fall, soweit
es - wie vorliegend - um den Nachzug von Nachkommen geht, die über 18
Jahre alt sind (vgl. oben E. 2.1). Aber auch hinsichtlich des Nachzugs
minderjähriger Kinder besteht kein Konflikt mit Art. 14 EMRK, schliesst
doch diese Bestimmung Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit
grundsätzlich nicht aus (vgl. etwa die Urteile des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Moustaquim gegen Belgien vom
18. Februar 1991, Serie A, Band 193, Ziff. 48 f. sowie i.S. C. gegen
Belgien vom 7. August 1996, Recueil CourEDH 1996-III S. 915, Ziff. 37
f.). Eine allfällige (vorübergehende) Ungleichheit in dieser Frage beruht
auf zu respektierenden gesetzgebungspolitischen Gründen, zumal es nicht um
einschneidende Eingriffe, sondern bloss um eine allfällige Ausweitung des
Umfangs der bisher zulässigen - und an sich als ausreichend betrachteten
- Familiennachzugsmöglichkeiten geht, welche der nationale Gesetzgeber
im gebotenen demokratischen Verfahren noch zu prüfen haben wird. Die auf
BGE 129 II 249 zurückgehende bundesgerichtliche Rechtsprechung hält somit
vor Art. 14 EMRK stand.

    Im Weiteren werfen die genannten Autoren (aaO, S.  1298 f.) die
Frage auf, ob die Bindung des Gerichts an das Gesetz (Art. 191 BV) nicht
gegen den in Art. 13 EMRK verankerten Anspruch auf eine national wirksame
Beschwerde verstosse. Auch dieser Einwand erscheint nicht stichhaltig.
Nach Art. 13 EMRK hat, wer sich in den durch die Konvention garantierten
Rechten und Freiheiten für beeinträchtigt hält, Anspruch darauf, bei einer
nationalen Instanz eine wirksame Beschwerde einlegen zu können (BGE 129
II 193 E. 3.1 S. 199 mit Hinweisen). In den vorliegenden Konstellationen
ist ein derartiger Rechtsschutz regelmässig bereits auf kantonaler Ebene
gewährleistet (vgl. BGE 126 II 377 E. 8d/bb S. 396). Die Bindung an
die geltende landesrechtliche Familiennachzugsregelung (BGE 129 II 249
E. 5) hindert die Rechtsmittelbehörden nur daran, für ausserhalb des
Geltungsbereichs des Freizügigkeitsabkommens liegende Sachverhalte - wie
vorliegend im angefochtenen Urteil - analoge Rechtsansprüche zu Art. 3
Anhang I FZA zu statuieren, nicht jedoch anerkannten Rechtspositionen,
wie sie sich aus dem in Art. 8 EMRK verankerten Recht auf Achtung des
Familienlebens ergeben, zum Durchbruch zu verhelfen. Insofern behalten
die zur Verfügung stehenden nationalen Rechtsmittel ihre Wirksamkeit im
Sinne von Art. 13 EMRK.

    4.3  Hinzuweisen ist schliesslich auf BGE 130 II 1, welcher
die Familiennachzugsregelung des FZA - in Anlehnung an das Urteil des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 23. September 2003
in der Rechtssache C-109/01, Secretary of State gegen Akrich (publ. in:
EuGRZ 2003 S. 607) zu den analogen Normen der Verordnung Nr. 1612/68/EWG
vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (ABl.
1968, L 257, S. 2) - dahin interpretiert, dass sich nur auf Art. 3
Anhang I FZA berufen kann, wer bereits in einem anderen Vertragsstaat
nach nationalem Recht ein Aufenthaltsrecht erworben hat (E. 3.6 des
zitierten Urteils des Bundesgerichts). Mit dieser restriktiven Auslegung
des Freizügigkeitsabkommens ist der Gleichbehandlungsrüge im vorliegenden
Fall zum Vornherein die Grundlage entzogen: Der Beschwerdegegner könnte
selbst dann, wenn er als Angehöriger eines EG-Staates in Ausübung des
Freizügigkeitsrechts in die Schweiz übersiedelt wäre, nicht direkt gestützt
auf Art. 3 Anhang I FZA den Nachzug seiner über das Staatsbürgerrecht
von Serbien/Montenegro verfügenden Kinder aus dem Kosovo verlangen,
sondern es müsste für sie zuerst die Aufenthaltsbewilligung eines anderen
FZA-Vertragsstaates vorliegen. Die Frage der Ungleichbehandlung stellt sich
mithin nur bei Schweizer Bürgern in der Schweiz, die aus einem Drittstaat
stammende Familienangehörige mit Aufenthalt in einem EG-Staat nachziehen
wollen, was bei der ermessensabhängigen Bewilligung des Familiennachzuges
(Art. 3 Abs. 1bis BVO) zu berücksichtigen sein wird.