Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 678



130 III 678

90. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen Bank Y.
sowie Appellationshof des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)

    5P.196/2004 vom 11. August 2004

Regeste

    Überweisung des Rechtsvorschlags gemäss Art. 265a Abs. 1 SchKG.

    Die Vorschrift, wonach der mit fehlendem neuen Vermögen begründete
Rechtsvorschlag dem Richter vorzulegen ist, betrifft das Verhältnis
zwischen Gläubiger und Schuldner. Eine betreibungsamtliche Verfügung,
die gegen diese Vorschrift verstösst, ist deshalb nicht im Sinn von
Art. 22 Abs. 1 SchKG nichtig (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Mit Schuldanerkennung vom 23. Mai 2001 bestätigte X., der Bank
Y. aus dem am 10. Februar 2000 geschlossenen Konkursverfahren gestützt
auf die ausgestellten Verlustscheine Fr. 5'014'363.- schuldig zu sein.

    B.- Nachdem die Bank Y. die Betreibung eingeleitet hatte, machte
X. in einem mit "Betr. Rechtsvorschlag gegen Zahlungsbefehl Nr. 20340079"
betitelten Schreiben an das Betreibungsamt geltend, er sei nach dem Konkurs
zu keinem neuen Vermögen gekommen. Mit beschwerdefähiger Verfügung vom 27.
November 2003 hielt das Betreibungsamt fest, die betriebene Forderung sei
nach der Konkurseröffnung entstanden, weshalb der Einwand des fehlenden
neuen Vermögens nicht erhoben werden könne. Die Forderung werde deshalb
als bestritten registriert, der Rechtsvorschlag aber nicht gemäss Art. 265a
Abs. 1 SchKG dem Richter unterbreitet. Die Verfügung blieb unangefochten.

    Mit Entscheid vom 3. Februar 2004 erteilte der Gerichtspräsident
B. der Bank Y. für Fr. 4'929'535.- (die am 23. Mai 2001 anerkannte
Schuld von Fr. 5'014'363.-, abzüglich die Rückzahlungen von Fr. 60'000.-
und Fr. 20'000.-, zuzüglich Gerichts- und Parteikosten von Fr. 4'728.-)
provisorische Rechtsöffnung. Mit Entscheid vom 7. April 2004 bestätigte der
Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, die erstinstanzliche
Rechtsöffnung.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat X. am 19. Mai 2004 staatsrechtliche
Beschwerde eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Anwendung von
Art. 265a SchKG mit der Begründung, das Betreibungsamt hätte den mit
fehlendem neuen Vermögen begründeten Rechtsvorschlag dem Richter vorlegen
müssen und demzufolge wäre der Appellationshof auch verpflichtet gewesen,
diesen Einwand zu prüfen.

    2.1  Wird der Rechtsvorschlag mit dem Fehlen neuen Vermögens
begründet, so ist der Zahlungsbefehl von Amtes wegen dem Richter zur
Beurteilung vorzulegen, und zwar selbst dann, wenn der Betreibungsbeamte
der Meinung ist, die Einrede sei unzulässig, beispielsweise weil über den
Schuldner gar nie ein Konkurs durchgeführt worden oder weil die Forderung
erst nach der Konkurseröffnung entstanden ist (GUT/RAJOWER/SONNENMOSER,
Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens, in: AJP 1998 S. 531), denn seine
Überprüfungsbefugnis ist auf rein formelle Aspekte beschränkt (BGE 124
III 379).

    2.2  Daraus ergibt sich, dass die Verfügung des Betreibungsamtes
vom 17. November 2003 im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäss Art. 17
SchKG hätte aufgehoben werden müssen. Obwohl die Verfügung detailliert
begründet und mit der gehörigen Rechtsmittelbelehrung versehen war,
unterliess der Schuldner jedoch die Beschwerdeführung. Die Möglichkeit,
sich vor dem Richter auf das fehlende neue Vermögen zu berufen, ist deshalb
verwirkt, zumal die Verfügung entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers
nicht nichtig ist, sondern bloss anfechtbar gewesen wäre: Der Schuldner hat
die Einrede des fehlenden neuen Vermögens zusammen mit dem Rechtsvorschlag,
d.h. spätestens 10 Tage ab Erhalt des Zahlungsbefehls mit ausdrücklicher
Erklärung geltend zu machen, ansonsten die Einrede verwirkt ist (Art. 75
Abs. 2 SchKG). Aus welchen Gründen der Schuldner die Einrede unterlässt,
ist belanglos; die Verwirkung tritt nicht nur ein, wenn er die Einrede
verpasst, sondern auch, wenn er auf sie verzichtet. Steht es jedoch im
Belieben des Schuldners, ob er die Einrede des fehlenden neuen Vermögens
erheben will oder nicht, kann es sich bei Art. 265a Abs. 1 SchKG nicht
um eine Norm handeln, die im öffentlichen oder gar im Interesse von
am Verfahren nicht beteiligten Dritten erlassen worden ist. Vielmehr
regelt die betreffende Bestimmung ein Verhältnis zwischen Gläubiger und
Schuldner bzw. einen ausschliesslich diese beiden Parteien betreffenden
Verfahrensschritt. Weil die betreibungsamtliche Verfügung demnach
nicht gegen Vorschriften verstösst, die im öffentlichen Interesse oder
im Interesse von nicht am Verfahren beteiligten Personen erlassen worden
sind, liegt keine in allen Verfahren zu beachtende Nichtigkeit i.S. von
Art. 22 SchKG vor.

    2.3  Der Appellationshof durfte somit willkürfrei davon ausgehen,
dass es sich um eine gewöhnliche provisorische Rechtsöffnung nach Art. 82
SchKG handle und er sich mit der Einrede des fehlenden neuen Vermögens
nicht auseinanderzusetzen habe.