Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 672



130 III 672

89. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurs-kammer i.S.
X. gegen Obergericht des Kantons Zürich, II. Zi-vilkammer, als obere
kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen
(Beschwerde)

    7B.86/2004 vom 19. August 2004

Regeste

    Verteilung (Art. 144 SchKG); Wirkung der paulianischen Anfechtung
(Art. 285 ff. SchKG).

    Für die Frage, ob und inwieweit jemand an der Verteilung teilnimmt,
ist alleine die betreibungsrechtliche Situation im Zeitpunkt der Verteilung
massgebend (E. 3.1).

    Das Anfechtungsurteil entfaltet Wirkung nur mit Bezug auf ein
bestimmtes Vollstreckungsverfahren (E. 3.2-3.5).

Sachverhalt

    A.

    A.a Das Betreibungsamt A. pfändete in der von Y. gegen Z. geführten
Betreibung Nr. q das pfändbare Einkommen ab 2. Mai 2001 bis 2. Mai 2002
(Pfändung Nr. 1) und erliess am 19. Juni 2001 die Pfändungsurkunde als
provisorischen Verlustschein. Am 12. März 2003 rechnete das Betreibungsamt
über die eingegangenen Lohnquoten ab. Es hielt den Erlös von Fr. 19'865.80
für die eingegangenen Lohnquoten Mai 2001 bis April 2002 zuzüglich
Zins fest und errechnete zugunsten der Betreibungsgläubigerin Y. einen
Nettoerlös von Fr. 19'549.40, und nach Abzug des sofort ausbezahlten
Teilbetrages (Fr. 13'500.-) einen Resterlös von Fr. 6'049.40.

    Gegen diese Abrechnung erhob X. Beschwerde und verlangte, dass der
Erlös der eingegangenen Lohnquoten ihm auszuzahlen sei, da seine gestützt
auf die Abtretung vom 21. Januar 1999 erhobene Eigentumsansprache am
gepfändeten Einkommen anerkannt worden sei. Das Bezirksgericht Bülach als
untere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen
hiess die Beschwerde mit Beschluss (CB030009/U) vom 28. Juli 2003 gut
und hob die Abrechnung des Betreibungsamtes vom 12. März 2003 über die
Lohnpfändung in Pfändung Nr. 1 auf und wies das Betreibungsamt an, eine
neue Abrechnung zu erstellen.

    A.b Mit Verfügung vom 15. Mai 2003 hielt das Betreibungsamt die
Auszahlung in der ebenfalls gegenüber Z. vollzogenen Pfändung Nr. 2 den auf
die Betreibungsgläubigerin Y. entfallenden Erlös vorläufig im Umfang der
nach Pfändung Nr. 1 ausbezahlten Fr. 13'500.- vorläufig - bis zum Abschluss
des betreffenden Beschwerdeverfahrens - zurück. Gegen diese Verfügung
erhob Y. Beschwerde, welche die untere Aufsichtsbehörde mit Beschluss
(CB030018/U) vom 28. Juli 2003 abwies, soweit darauf eingetreten wurde.

    B.- Y. erhob gegen beide erstinstanzlichen Beschlüsse Beschwerde. Das
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen hiess die
Beschwerde gegen den Entscheid CB030009/U mit Beschluss vom 14. April 2004
gut und setzte die angefochtene Abrechnung über die Lohnpfändung wieder in
Kraft (Dispositiv-Ziffer 1). Die Beschwerde gegen den Entscheid CB030018/U
wurde mit gleichem Beschluss abgewiesen (Dispositiv-Ziffer 2).

    C.- X. hat den Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 3. Mai 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt,
Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses sei aufzuheben und
es sei - im Sinne der Erstinstanz - die Abrechnung des Betreibungsamtes
vom 12. März 2003 über die Lohnpfändung in Pfändung Nr. 1 aufzuheben und
das Betreibungsamt anzuweisen, eine neue Abrechnung zu erstellen und die
eingegangenen Lohnquoten (Mai 2001 bis April 2002) ihm auszuzahlen. Weiter
verlangt er aufschiebende Wirkung.

    Die obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf
Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) verzichtet. Das Betreibungsamt hat sich
nicht vernehmen lassen. Die Betreibungsgläubigerin als Beschwerdegegnerin
beantragt die Abweisung der Beschwerde.

    Mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2004 wurde der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde
gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Die obere Aufsichtsbehörde hat festgehalten, die Beschwerdegegnerin
habe die Abtretung vom 21. Januar 1999, wonach der Schuldner sein Einkommen
dem Beschwerdeführer abgetreten hatte, mit Klage vom 18. April 2000
erfolgreich nach Art. 288 SchKG angefochten (Urteil des Bundesgerichts
5C.268/2001 vom 28. Januar 2002). Diese Anfechtung habe sich dahingehend
ausgewirkt, dass das abgetretene Vermögenssubstrat im Rahmen der
Pfändung Nr. 2 - im Verfahren, in dem die Anfechtung erfolgt war -
dem Schuldner zuzurechnen und pfändbar sei. Das Anfechtungsurteil wirke
indessen nicht nur für die Pfändung Nr. 2 (Lohnquoten 3. März 1999 bis
3. März 2000), sondern auch für die Pfändung Nr. 1 (Lohnquoten Mai 2001
bis April 2002). Es sei nicht sachgerecht, wenn die Beschwerdegegnerin
für dieselbe Forderung einen neuen Anfechtungsprozess über die gleiche
Abtretung des Schuldners zu führen hätte, um den Drittanspruch
des Beschwerdeführers noch einmal zu beseitigen. Daher könne der
Beschwerdegegnerin nicht schaden, dass das Bezirksgericht Bremgarten am
11. September 2001 auf ihre Klage auf Bestreitung des Eigentumsanspruchs
des Beschwerdeführers an dem mit Pfändung Nr. 1 beschlagnahmten
Einkommen wegen Nichtleistens des Kostenvorschusses nicht eingetreten
sei. Das frühere Anfechtungsurteil bestimme endgültig darüber, dass der
Beschwerdeführer als Anfechtungsbeklagter die Zwangsvollstreckung in die
von ihm erworbenen Aktiven zu dulden habe, weshalb die Abrechnung des
Betreibungsamtes zu schützen sei.

    Der Beschwerdeführer wirft der oberen Aufsichtsbehörde im Wesentlichen
vor, sie verletze Bundesrecht, weil sie dem Anfechtungsurteil materielle
Rechtskraft nicht nur für die frühere Pfändung Nr. 2, sondern auch für
die Pfändung Nr. 1 zuerkenne und weil sie übergehe, dass sein in dieser
Pfändung erhobener Eigentumsanspruch an den Lohnquoten nach Art. 108
Abs. 3 SchKG anerkannt sei.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Frage, ob und inwieweit jemand an der Betreibung teilnimmt
und an der Verteilung partizipiert, entscheidet das Betreibungsamt (BGE
116 III 42 E. 3a S. 46). Dabei ist für das Betreibungsamt alleine die
betreibungsrechtliche Situation im Zeitpunkt der Verteilung massgebend
(SCHÖNIGER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, N. 66 zu Art. 144 SchKG). Vorliegend ist unbestritten, dass der
Beschwerdeführer an der gepfändeten Forderung für Einkommen Drittansprache
erhoben, das Betreibungsamt der Beschwerdegegnerin Frist zur Klage
zur Bestreitung der Drittansprache nach Art. 108 SchKG erteilt und die
Beschwerdegegnerin gegen die Drittansprache keine Klage erhoben, mithin
die Drittansprache anerkannt hat. Auf das Vorgehen des Betreibungsamtes
zur Behandlung der Drittansprache kann im vorliegenden Verfahren nicht
mehr zurückgekommen werden. Strittig ist einzig, ob das Betreibungsamt
für die Erstellung der Abrechnung über die Pfändung bzw. die Verteilung
des Pfändungserlöses auf den Ausgang des früheren Anfechtungsprozesses,
mit welchem die Zession für anfechtbar erklärt worden war, berücksichtigen
durfte.

    Die obere Aufsichtsbehörde stützt ihre Auffassung im Wesentlichen
auf GULDENER (Zwangsvollstreckung und Zivilprozess, ZSR 74/1955 I
S. 40 und 48 f.), wonach u.a. das Urteil im Anfechtungsprozess auch in
späteren Betreibungsverfahren die Wirkung der materiellen Rechtskraft
von Zivilurteilen entfalten soll, sofern sich in der späteren Betreibung
die gleichen Parteien gegenüberstehen und keine Änderung der Rechtslage
eingetreten ist. Diese Meinung hat sich indessen nicht durchgesetzt. Die
Anfechtungsklage ist eine betreibungsrechtliche Klage mit Reflexwirkung
auf das materielle Recht (BGE 114 III 110 E. 3d S. 113; AMONN/WALTHER,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., 2003,
§ 4 Rz. 54 und 55, § 52 Rz. 41; STOFFEL, Voies d'exécution: Poursuite
pour dettes, exécution de jugements et faillite en droit suisse, § 7 Rz.
41). Diese Reflexwirkung beschränkt sich auf die Durchführung der hängigen
Betreibung. Das Anfechtungsurteil (ausserhalb des Konkurses) erwächst
nur in der laufenden Betreibung in materielle Rechtskraft (BGE 63 III 27
E. 3 S. 31). Es hat keine Wirkung auf die Anfechtungsklage desselben oder
eines anderen Gläubigers in einer anderen Betreibung, sondern entfaltet
Wirkung nur mit Bezug auf ein bestimmtes Vollstreckungsverfahren (AMONN/
WALTHER, aaO, § 4 Rz. 54; D. STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, N. 24 zu Art. 289 SchKG; BAUER, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 9 zu Art. 291 SchKG;
GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et
la faillite, N. 16 zu Art. 291 SchKG; STOFFEL, aaO; BLUMENSTEIN, Handbuch
des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, S. 108 f. und 856 f.). Anlass,
um diese in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Auffassung in Frage zu
stellen, besteht nicht. Wenn die obere Aufsichtsbehörde angenommen hat,
das im Rahmen der Pfändung Nr. 2 (in den Betreibungen Nr. r und s;
Pfändungsverlustschein vom 21. Mai 1999) ergangene Anfechtungsurteil
entfalte auch Wirkung für die Pfändung Nr. 1 (in der Betreibung Nr. q;
Pfändungsverlustschein vom 19. Juni 2001), hat sie dem Anfechtungsurteil
eine Wirkung zuerkannt, die vor Bundesrecht nicht standhält und im Übrigen
mit den berechtigten Interessen anderer Gläubiger nicht vereinbar ist.

    3.2  Daran ändert nichts, dass offenbar die Fortsetzung der
Betreibung gestützt auf den früheren Pfändungsverlustschein zur Pfändung
Nr. 1 geführt hat. Beim Fortsetzungsbegehren innert sechs Monaten nach
Zustellung des Verlustscheines handelt es sich um eine neue selbständige
Betreibung (BGE 102 III 25 E. 3 S. 26; 98 III 12 E. 1 S. 16; HUBER,
in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 32
zu Art. 149 SchKG; GILLIÉRON, aaO, N. 43 zu Art. 149 SchKG). Entgegen
der Auffassung der oberen Aufsichtsbehörde kann daher die aufgrund eines
Pfändungsverlustscheines fortgesetzte Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl
nicht als ein Ganzes mit der ursprünglichen Betreibung betrachtet werden,
in welcher das Anfechtungsurteil ergangen ist.

    3.3  Schliesslich übergeht die obere Aufsichtsbehörde, dass weder
die Art. 286-288 SchKG von Amtes wegen angewendet werden (BGE 74 III
84 E. 2 S. 86), noch die Betreibungsbehörden über die Anfechtbarkeit
von Rechtsgeschäften zu entscheiden haben. Sodann gilt nach Art. 108
Abs. 3 SchKG bei Nichtanhebung der Klage der Anspruch des Dritten für
die betreffende Betreibung als anerkannt (A. STAEHELIN, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 12 zu Art. 108
SchKG). Auch vor diesem Hintergrund ist nicht haltbar, wenn die obere
Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist, das Betreibungsamt habe bei
der Abrechnung über die Pfändung Nr. 1 auf das frühere Anfechtungsurteil
abstellen und die von der Beschwerdegegnerin anerkannte Drittansprache
des Beschwerdeführers übergehen dürfen.

    3.4  Nach dem Dargelegten erweist sich die Beschwerde als begründet
und Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses ist aufzuheben. In
der Sache ist die Abrechnung des Betreibungsamtes vom 12. März 2003 über
die Lohnpfändung in Pfändung Nr. 1 aufzuheben und das Betreibungsamt
anzuweisen, eine neue Abrechnung im Sinne der Erwägungen zu erstellen,
da die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Beschluss keine
genügend zuverlässige Berechnung des dem Beschwerdeführer auszubezahlenden
Nettoerlöses bzw. des daraus resultierenden Verlustscheinbetrages zulassen.