Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 66



130 III 66

10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. AG gegen
B. N.V. sowie Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer (staatsrechtliche
Beschwerde)

    4P.162/2003 vom 21. November 2003

Regeste

    Art. 178 f. und Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG; Art. 20 Abs.  2 OR analog;
internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Auslegung einer Schiedsvereinbarung
mit einem teilweise unmöglichen Inhalt.

    Lässt sich die Bestellung des Schiedsgerichts nach der von den
Parteien getroffenen Regelung nicht realisieren, führt dies nicht
zwingend zur Ungültigkeit der Schiedsklausel, wenn aus dieser der
klare Wille der Parteien hervorgeht, ihre Streitigkeiten einer privaten
Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen (E. 3).

    Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG; Verwirkung von Einwendungen gegen die
Zuständigkeit und die Zusammensetzung eines Schiedsgerichts.

    Gerichtsorganisatorische Fragen sind im Verfahren frühstmöglich
zu bereinigen. Entsprechende Einwendungen sind nach Treu und Glauben
unverzüglich geltend zu machen (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Parteien schlossen am 20.  Mai/22. Juni 1992 einen
Alleinvertriebsvertrag (Distributor Agreement), der in Art. 22.2 folgende
Schiedsklausel enthält:

      "The parties agree that any dispute or difference which may arise out

       of this Agreement or the execution or interpretation of any of

       the Clauses hereof shall be settled amicably. If such dispute or

       difference cannot be settled in the aforementioned manner they shall

       be finally settled under the Rules of Conciliation and Arbitration

       of the Zurich Chamber of Commerce, Zurich/Switzerland, in accordance

       with the UNCITRAL Arbitration Rules. The number of arbitrators

       shall be three (3). ICC shall be the appointing authority acting

       in accordance with the rules adopted by ICC for that purpose."

    In deutscher Übersetzung:

      "Die Parteien vereinbaren, dass jede Streitigkeit oder

       Meinungsverschiedenheit, welche aus diesem Vertrag oder der

       Durchführung oder Interpretation irgendeiner seiner Klauseln

       entstehen kann, einvernehmlich beigelegt werden soll. Falls

       eine solche Streitigkeit oder Meinungsverschiedenheit nicht auf

       diese Weise beigelegt werden kann, soll sie endgültig beigelegt

       werden, nach den Schlichtungs- und Schiedsgerichtsregeln der

       Zürcher Handelskammer, Zürich/Schweiz, in Übereinstimmung mit den

       UNCITRAL-Schiedsregeln. Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt drei

       (3). Die ICC soll die ernennende Stelle sein, handelnd gemäss den

       dafür von der ICC erlassenen Bestimmungen."

    B.

    B.a  Im August 2002 leitete die Beschwerdegegnerin bei der Zürcher
Handelskammer (ZHK) ein Schiedsverfahren ein und beantragte die
Verurteilung der Beschwerdeführerin auf Schadenersatz von mindestens 1
Million Euros.

    Gestützt auf Art. 11 Abs. 2 ZHK-Schiedsordnung ernannte der Präsident
der Handelskammer am 16. September 2002 Rechtsanwalt Dr. Rudolf Tschäni
zum Präsidenten des Schiedsgerichts. Am 19. September 2002 bezeichnete
er sodann die vier Rechtsanwälte Dr. Felix R. Ehrat, Dr. Willi Dietschi,
Dr. Philipp Habegger und Dr. Hansjörg Stutzer gestützt auf Art. 12 Abs. 3
ZHK-Schiedsordnung als mögliche Mitglieder des Schiedsgerichts.

    B.b  Am 23. Oktober 2002 unterbreitete der Präsident des
Schiedsgerichts den Parteien den Entwurf einer "Order of Constitution",
in der nebst ihm die Rechtsanwälte Dr. Felix R. Ehrat und Dr. Hansjörg
Stutzer als Mitglieder des Schiedsgerichts aufgeführt waren. Dabei verfügte
er u.a. Folgendes:

      "Both parties are invited to submit their comments or objections with

       regard to the aforementioned draft or the appointment of the

       arbitrators on or before November 1, 2002. Otherwise, the order

       of constitution will be issued in this form."

    Die Beschwerdegegnerin teilte am 31. Oktober 2002 mit, sie habe zur
"Order of Constitution" weder Bemerkungen noch Einwände anzubringen. Die
Beschwerdeführerin liess sich innert der gesetzten Frist nicht vernehmen.

    Am 12. November 2002 eröffnete das Schiedsgericht den Parteien gestützt
auf Art. 20 ZHK-Schiedsordnung die auf den 5. November 2002 datierte
"Order of Constitution" in unveränderter Fassung.

    Von den Parteien wurde mit dieser Verfügung ein Gerichtskostenvorschuss
von je Fr. 100'000.- eingefordert. Die Beschwerdegegnerin leistete ihn,
die Beschwerdeführerin nicht. Der Präsident des Schiedsgerichts lud
daher die Beschwerdegegnerin am 20. Februar 2003 ein, auch den Anteil
der Beschwerdeführerin zu übernehmen oder auf das Schiedsverfahren
zu verzichten (Art. 55 ZHK-Schiedsordnung). In der Folge überwies
die Beschwerdegegnerin ebenfalls die noch ausstehende Hälfte des
Kostenvorschusses.

    B.c  In der "Order of Constitution" hatte das Schiedsgericht der
Beschwerdeführerin eine Frist zur Klageantwort bis zum 26. November
2002 gesetzt. Diese ersuchte um Fristerstreckung und wies gleichzeitig
darauf hin, das Erstreckungsbegehren bedeute keine Anerkennung der
schiedsgerichtlichen Zuständigkeit. Am 13. Januar 2003 reichte sie einen
Antrag ein, das Verfahren vorerst auf die Frage der Zuständigkeit zu
beschränken. Sie erhob eine Unzuständigkeitseinrede ("Plea of Lacking
Jurisdiction") mit der Begründung, das Schiedsgericht sei nicht gültig
konstituiert.

    Das Schiedsgericht entsprach dem Verfahrensantrag und setzte der
Beschwerdegegnerin Frist, sich zur Unzuständigkeitseinrede vernehmen zu
lassen. Diese widersetzte sich der Einrede, und beide Parteien hielten
in zusätzlichen Eingaben an ihrem Rechtsstandpunkt fest.

    Im Nachgang zu einer telefonischen Besprechung mit den Prozessparteien
gab der Obmann des Schiedsgerichts ihnen Gelegenheit, sich über die
Konstituierung des Schiedsgerichts direkt zu einigen, widrigenfalls das
Gericht darüber entscheiden werde. Mit Eingabe vom 30. April 2003 erklärte
daraufhin die Beschwerdeführerin, sich einer Abänderung der Schiedsklausel
zu widersetzen, und ersuchte das Schiedsgericht, über seine Zuständigkeit
zu entscheiden.

    B.d  Am 6./12. Juni 2003 erliess das Schiedsgericht einen
Zwischenentscheid ("Interim Decision and Order"), worin es erkannte,
ordnungsgemäss zusammengesetzt zu sein ("The Arbitral Tribunal ist
properly constituted").

    C.- Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit
staatsrechtlicher Beschwerde, diesen Vorentscheid aufzuheben.

    Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Schiedsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.  Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Schiedsgericht
sei mangels gültiger Schiedsvereinbarung nicht zuständig (Art. 190
Abs. 2 lit. b IPRG). Mit dem Verweis auf drei unterschiedliche
Verfahrensordnungen (ZHK-Schiedsordnung, UNCITRAL-Schiedsordnung
und ICC-Schiedsgerichtsordnung) enthalte die Schiedsvereinbarung
widersprüchliche Anordnungen, die sich nicht kompatibel auslegen
liessen. Ein Konsens der Parteien über den Inhalt der Schiedsvereinbarung
sei daher nicht auszumachen und diese somit nicht gültig zustande gekommen.

    3.1  Art. 178 IPRG regelt die Formerfordernisse der Schiedsklausel
und bestimmt das auf ihre materielle Gültigkeit, namentlich hinsichtlich
ihres Zustandekommens, ihrer Tragweite und ihres Erlöschens anwendbare
Recht. Zu den Wesensmerkmalen und zum notwendigen Inhalt einer
Schiedsklausel äussert sich die Norm dagegen nicht (WENGER, Basler
Kommentar, N. 3 zu Art. 178 IPRG; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de
l'arbitrage interne et international en Suisse, Lausanne 1989, N. 1
zu Art. 178 IPRG). In Übereinstimmung mit dem überlieferten Begriff
der privaten Schiedsgerichtsbarkeit ist darunter eine Übereinkunft zu
verstehen, mit der sich zwei oder mehrere bestimmte oder bestimmbare
Parteien einigen, eine oder mehrere, bestehende oder bestimmte künftige
Streitigkeiten verbindlich und unter Ausschluss der ursprünglichen
staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht nach Massgabe einer
unmittelbar oder mittelbar bestimmten rechtlichen Ordnung zu unterstellen
(WENGER, aaO, N. 3 zu Art. 178 IPRG; LALIVE/POUDRET/REYMOND, aaO, N.
1 zu Art. 178 IPRG; VOLKEN, in: Heini/Keller/Siehr/Vischer/Volken
[Hrsg.], IPRG Kommentar, N. 4 zu Art. 178 IPRG; POUDRET/BESSON,
Droit comparé de l'arbitrage international, Zürich 2002, S. 124 ff.).
Allgemeine Voraussetzung einer Schiedsvereinbarung ist zudem ihre Klarheit
und Bestimmtheit hinsichtlich der privaten Jurisdiktion, d.h. das zur
Entscheidung berufene Schiedsgericht muss entweder eindeutig bestimmt
oder jedenfalls bestimmbar sein (SCHWAB/WALTER, Schiedsgerichtsbarkeit,
Kommentar, 6. Aufl., München 2000, S. 23; WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN,
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bern 1991, S. 68;
vgl. auch BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 679 f.).

    Bestimmungen in Schiedsvereinbarungen, die unvollständig,
unklar oder widersprüchlich sind, gelten als pathologische Klauseln
(WENGER, aaO, N. 50 zu Art. 178 IPRG; POUDRET/BESSON, aaO, S. 130 ff.;
FOUCHARD/GAILLARD/GOLDMAN, Traité de l'arbitrage commercial international,
Paris 1996, S. 283 ff.; SCALBERT/MARVILLE, Les clauses compromissoires
pathologiques, Revue de l'arbitrage 1988 S. 117 ff.). Sofern sie
nicht zwingende Elemente der Schiedsvereinbarung, namentlich die
verbindliche Unterstellung der Streitentscheidung unter ein privates
Schiedsgericht zum Gegenstand haben, führen sie nicht ohne weiteres zu
deren Ungültigkeit. Vielmehr ist vorerst durch Auslegung und allenfalls
Vertragsergänzung in Anlehnung an das allgemeine Vertragsrecht nach einer
Lösung zu suchen, die den grundsätzlichen Willen der Parteien respektiert,
sich einer Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen (SCHWAB/WALTER, aaO,
S. 24; POUDRET/BESSON, aaO, S. 130; FOUCHARD/GAILLARD/GOLDMAN, aaO,
S. 284; SCALBERT/MARVILLE, aaO, passim).

    Haben die Parteien einen schweizerischen Sitz des Schiedsgerichts
bestimmt, können sie die Bestellung des Schiedsgerichts parteiautonom
regeln (Art. 179 Abs. 1 IPRG). Diese Bestellung kann individuell ad hoc
oder durch Verweis auf eine Schiedsordnung erfolgen. Fehlt eine solche
Vereinbarung, kann der Richter am Sitz des Schiedsgerichts angerufen
werden, der unter sinngemässer Anwendung des staatlichen Rechts über die
Ernennung, Abberufung oder Ersetzung von Schiedsrichtern die erforderlichen
Anordnungen trifft (Art. 179 Abs. 2 IPRG).

    3.2  Die Auslegung einer Schiedsvereinbarung folgt den für
die Auslegung privater Willenserklärung allgemein geltenden
Grundsätzen. Massgebend ist in erster Linie das übereinstimmende
tatsächliche Verständnis der Parteien zu den ausgetauschten
Erklärungen. Kann ein solcher tatsächlicher Parteiwille nicht festgestellt
werden, ist die Schiedsvereinbarung objektiviert auszulegen, d.h. der
mutmassliche Parteiwille so zu ermitteln, wie er vom jeweiligen
Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und
musste (BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680; 116 Ia 56 E. 3b; vgl. auch BGE
127 III 248 E. 3f S. 255, 279 E. 2c/ee S. 287; 126 III 119 E. 2a, 375 E.
2e/aa).

    Steht als Auslegungsergebnis fest, dass die Parteien die zu
beurteilende Streitsache von der staatlichen Gerichtsbarkeit ausnehmen und
einer schiedsgerichtlichen Entscheidung unterstellen wollten, bestehen
aber Differenzen hinsichtlich der Abwicklung des Schiedsverfahrens,
greift grundsätzlich der Utilitätsgedanke Platz, nach dem möglichst
ein Vertragsverständnis zu suchen ist, das die Schiedsvereinbarung
bestehen lässt (vgl. BGE 110 Ia 59 E. 4; FOUCHARD/GAILLARD/GOLDMAN, aaO,
S. 284; POUDRET/BESSON, aaO, S. 130 f.; BUDIN, Bemerkung zu BGE 110
Ia 59, in: Revue de l'arbitrage 1986 S. 599 f.). Demnach führt eine
unpräzise oder fehlerhafte Bezeichnung des Schiedsgerichts nicht zur
Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung, wenn durch Auslegung ermittelt
werden kann, welches Schiedsgericht die Parteien bezeichnen wollten
(BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 681; WENGER, aaO, N. 50 zu Art. 178 IPRG;
RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht nach Konkordat
und IPRG, 2. Aufl., Zürich 1993, S. 85; POUDRET/BESSON, aaO, S. 130 f.;
FOUCHARD/GAILLARD/GOLDMAN, aaO, S. 284 ff.; SCALBERT/MARVILLE, aaO, S. 119
ff.). Ebenso wird im Allgemeinen gestützt auf Art. 179 Abs. 2 IPRG die
Zuständigkeit des staatlichen Richters am gewählten Schiedsort als gegeben
erachtet, das Schiedsgericht zu bestellen, wenn die Bestellung sich nach
der parteiautonomen Regelung nicht realisieren lässt. Diese richterliche
Bestellung des Schiedsgerichts setzt immerhin voraus, dass die Parteien
dessen Sitz bestimmt haben (BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680; 110 Ia 59 E. 3
betr. das interkantonale Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit vom
27. März 1969 [KSG; SR 279]; LALIVE/POUDRET/REYMOND, aaO, N. 4 zu Art. 179
IPRG; POUDRET/BESSON, aaO, S. 131; BLESSING, Drafting an Arbitration
Clause, in: Association suisse de l'arbitrage [Hrsg.], The Arbitration
Agreement - Its Multifold Critical Aspects, Basel 1994, S. 32 ff., 50 f.;
SCALBERT/MARVILLE, aaO, S. 121 f.).

    3.3  Die zu beurteilende Schiedsvereinbarung ist insoweit
unzweideutig und klar, als die Parteien allfällige Streitigkeiten aus
ihrem Alleinvertriebsvertrag der ursprünglichen staatlichen Gerichtsbarkeit
entzogen und einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt haben. Mit
dem primären Verweis auf die Schlichtungs- und Schiedsgerichtsregeln der
Zürcher Handelskammer haben sie sodann ein institutionelles Schiedsgericht
mit Sitz in Zürich als zuständig erklärt (Art. 6 Abs. 1 ZHK-Schiedsordnung;
LALIVE/POUDRET/REYMOND, aaO, N. 6 zu Art. 176 IPRG; WENGER, aaO, N. 20 zu
Art. 176 IPRG; POUDRET/BESSON, aaO, S. 113). Dass die ZHK-Schiedsordnung
nach der Schiedsvereinbarung "in accordance with the UNCITRAL Arbitration
Rules" angewandt werden soll, ist vertrauenstheoretisch und nach dem
erwähnten Utilitätsprinzip klarerweise im Sinne einer Verweisung auf
Ersatzrecht zu verstehen, das die primäre Verfahrensordnung ergänzen
soll. Als unheilbare pathologische Klausel erscheint die Bestimmung
insoweit jedenfalls nicht.

    Dagegen begründet die Schiedsklausel einen möglichen Kompetenzkonflikt
bei der Bestellung des Schiedsgerichts, soweit sie ein Dreierschiedsgericht
vorsieht, dessen Ernennung durch die Internationale Handelskammer (ICC)
in Paris und nach deren Regeln erfolgen soll, und soweit diese Regeln
sich mit der primär anwendbaren ZHK-Schiedsordnung nicht vertragen.

    3.3.1  Nach Art. 11 Abs. 2 ZHK-Schiedsordnung ernennt der Präsident
der Handelskammer den Obmann des Schiedsgerichts in der Regel aus dem
Kreis der vom Vorstand der Kammer gewählten ständigen Obmänner. Die beiden
andern Schiedsrichter ernennen je die Parteien, sofern sie dies schriftlich
vereinbart haben, andernfalls der Präsident des Schiedsgerichts aus einer
ihm vom Präsidenten der Handelskammer unterbreiteten Liste (Art. 12 Abs. 1
und 3 ZHK-Schiedsordnung).

    3.3.2  Nach Art. 8 Abs. 4 ICC-Schiedsgerichtsordnung benennt jede
Partei einen Schiedsrichter zur Bestätigung durch den Gerichtshof. Der
dritte Schiedsrichter, der den Vorsitz im Schiedsgericht führt, wird durch
den Gerichtshof ernannt, es sei denn, die Parteien hätten ein anderes
Benennungsverfahren vorgesehen. In diesem Fall bedarf die Benennung der
Bestätigung des Gerichtshofs (Art. 9 ICC-Schiedsgerichtsordnung).

    3.3.3  Die beiden Regelungen stehen in Konflikt, weil sie sich
beide auf institutionelle Schiedsgerichte beziehen, die durch die
jeweilige Institution (ZHK, ICC) administriert, zur Verfügung gestellt
und kontrolliert werden. Die beiden Ordnungen sind jedenfalls insoweit
inkompatibel, als das konkrete Schiedsgericht nur einer der beiden
Institutionen angehören kann. Es stellt sich daher die Frage, ob diese
Inkompatibilität zur Ungültigkeit der Schiedsklausel führt. Auch sie ist
vorerst eine solche der Vertragsauslegung.

    Nach dem vertrauenstheoretischen Verständnis der Schiedsvereinbarung
unterstellten die Parteien allfällige Streitigkeiten aus dem
Alleinvertriebsvertrag einem ZHK-Schiedsgericht. Dies ergibt sich
aus dem Aufbau der Bestimmung mit der rangersten Benennung der
ZHK-Schiedsordnung und dem sitzbestimmenden ausdrücklichen Hinweis
auf Zürich, aber auch daraus, dass die ICC-Schiedsgerichtsordnung
nicht umfassend, sondern bloss für die Ernennung der Schiedsrichter
als massgebend bezeichnet wird. Die vereinbarten Modalitäten
der Ernennung der Schiedsrichter aber sind in einem ICC-fremden
Schiedsgericht ausgeschlossen, weil es an einer Administration durch
die Internationale Handelskammer und damit an der Möglichkeit ihrer
Einflussnahme fehlt. Insoweit hat die Schiedsvereinbarung einen teilweise
unmöglichen Inhalt. Aufgrund des eindeutigen Willens der Parteien, ihre
Streitigkeiten einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen,
führt diese teilweise Unmöglichkeit allerdings nicht zur vollständigen
Unwirksamkeit und damit zur Unzuständigkeit des ZHK-Schiedsgerichts
(Art. 20 Abs. 2 OR analog). Vielmehr ist der unmögliche Teil nach den
vorbeschriebenen Grundsätzen entweder teleologisch gültigkeitserhaltend
auszulegen, ersatzlos zu streichen oder durch staatliches Ersatzrecht zu
substituieren. Die erste Möglichkeit scheidet im vorliegenden Verfahren
wegen der ausdrücklichen Bezeichnung der ICC als ernennende Stelle
("appointing authority") aus. Dagegen ist eine am Zweck der Vereinbarung
orientierte Streichung der unmöglichen Ernennungsbestimmung zu Gunsten
der prioritären ZHK-Schiedsordnung durchaus vertretbar, wie auch -
in Fortschreibung der Rechtsprechung, namentlich von BGE 110 Ia 59 -
die Annahme eines fehlenden Konsenses über die Ernennungsmodalitäten und
demzufolge die Anwendung von Art. 179 Abs. 2 IPRG.

    3.4  Damit erweist sich die Einrede der Unzuständigkeit des
Schiedsgerichts mangels gültiger Schiedsvereinbarung als unbegründet.

Erwägung 4

    4.  Für den Fall der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung an sich macht
die Beschwerdeführerin geltend, das Schiedsgericht sei vorschriftswidrig
zusammengesetzt worden (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG).

    4.1  Nach den bisherigen Erwägungen sind die Bestimmungen
der Schiedsvereinbarung über die Bestellung des Schiedsgerichts
gültigkeitserhaltend entweder so zu verstehen, dass die Schiedsrichter nach
Massgabe der ZHK-Schiedsordnung ernannt werden, oder aber dahingehend,
dass der staatliche Richter gemäss Art. 179 Abs. 2 IPRG ihre Ernennung
vornimmt. Welcher der beiden Modalitäten der Vorzug gebührt, kann offen
bleiben, da die Rüge der vorschriftswidrigen Zusammensetzung aus einem
andern Grund abzuweisen ist.

    4.2  Am 23. Oktober unterbreitete der vom Präsidenten der Zürcher
Handelskammer ernannte Obmann des Schiedsgerichts den Parteien den Entwurf
einer "Order of Constitution", die u.a. die vorgesehene Zusammensetzung des
Schiedsgerichts enthielt. Gleichzeitig setzte er ihnen Frist, hinsichtlich
dieses Entwurfs oder der Ernennung der Schiedsrichter ihre Bemerkungen
oder Einwendungen vorzubringen, andernfalls der Konstituierungsbeschluss
in der vorliegenden Form erlassen werde (hierseitige Hervorhebungen).

    Die Beschwerdeführerin liess sich innert der gesetzten Frist
nicht vernehmen, die Beschwerdegegnerin opponierte dem vorgelegten
Konstituierungsbeschluss nicht. Daraufhin konstituierte sich das
Schiedsgericht wie im Entwurf vorgesehen.

    4.3  Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts sind in jedem
Verfahren gerichtsorganisatorische Fragen ihrer Natur nach frühstmöglich
zu bereinigen, bevor das Verfahren seinen Fortgang nimmt (BGE 126 I 203
E. 1b S. 205 f.; 124 I 255 E. 1b/bb S. 259; 116 II 80 E. 3a S. 84, je mit
Hinweisen). Der Grundsatz hat in Art. 87 Abs. 1 OG (in der Fassung vom 8.
Oktober 1999) seinen ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag gefunden
(BGE 126 I 207 E. 1b S. 209). Er beherrscht auch das schiedsgerichtliche
Verfahren.

    Ausfluss dieses Grundsatzes ist einmal, dass Zwischenentscheide
des Schiedsgerichts über seine Zusammensetzung oder Zuständigkeit nicht
nur selbständig anfechtbar sind (Art. 190 Abs. 3 IPRG; vgl. BGE 116 II
80 E. 3a S. 84), sondern auch selbständig angefochten werden müssen,
andernfalls die dagegen gerichteten Rügen nach Massgabe des im Zeitpunkt
des Zwischenentscheids bekannten Sachverhalts verwirken (BGE 118 II 353
E. 2). Darüber hinaus obliegt den Parteien nach dem Gebot des Handelns
nach Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs, welche auch im
Verfahrensrecht Geltung haben, Einwendungen gegen die Zuständigkeit oder
die Zusammensetzung des Schiedsgerichts im frühest möglichen Zeitpunkt
geltend zu machen. Verspätete, gegen diese Prinzipien verstossende
Vorbringen formeller Natur können zufolge Verwirkung unbeachtet bleiben
(BGE 124 I 121 E. 2 S. 123; 121 I 30 E. 5f S. 38).

    So verhält es sich im vorliegenden Fall. Wurden die Parteien
ausdrücklich und unter Fristansetzung aufgefordert ("invited"), sich
zur vorgesehenen Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu äussern und ihr
gegebenenfalls zu opponieren, waren entsprechende Einwendungen nach Treu
und Glauben innert Frist vorzubringen und durfte das Schiedsgericht
ohne weiteres aus dem Stillschweigen der Beschwerdeführerin auf
deren Einverständnis schliessen oder entsprechende Einwendungen
zufolge widersprüchlichen Verhaltens als verwirkt erachten. Dass die
Beschwerdeführerin angeblich im Zeitpunkt des Erhalts des Entwurfs
zu einem Konstituierungsbeschluss nicht anwaltlich vertreten und die
Frist zur Stellungnahme mit neun Tagen allenfalls etwas kurz angesetzt
war, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Aufforderung, allfällige
Einwendungen innert Frist zu erheben, war in jeder Hinsicht klar und auch
dem Laien verständlich, wobei es sich bei der Beschwerdeführerin um ein
geschäftserfahrenes und international tätiges Unternehmen handelt. Falls
sodann mögliche Einwendungen aus Zeitgründen nicht innert der gesetzten
Frist ausformuliert und dem Schiedsgericht eingereicht werden konnten,
hätte der Beschwerdeführerin offen gestanden und oblegen, um eine
Fristerstreckung nachzusuchen, wie sie dies in anderem Zusammenhang getan
hat, wenn auch unter Vermittlung eines Anwalts.

    Demzufolge wurde das Schiedsgericht mit der "Order of Constitution"
vom 5./12. November 2002 rechtsgültig konstituiert, und ist die
Beschwerdeführerin mit Einwendungen gegen dessen Zusammensetzung
zufolge normativ zugerechneten Einverständnisses bzw. Verwirkung
ausgeschlossen. Auch diese Rüge erweist sich damit als unbegründet.