Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 537



130 III 537

69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. B. gegen K.
(Berufung)

    5C.25/2004 vom 17. Juni 2004

Regeste

    Art. 125 ZGB; gebührender Unterhalt; Aufnahme einer Erwerbstätigkeit;
Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils.

    Haben die Ehegatten während rund zehn Jahren getrennt gelebt, ist
für den gebührenden Unterhalt die Lebenshaltung während der Trennungszeit
massgebend (E. 2).

    Voraussetzungen, unter denen ein Ehegatte verpflichtet werden kann,
während des Getrenntlebens eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder
auszudehnen (E. 3).

    Besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, darf die güterrechtliche
Auseinandersetzung nicht vom Entscheid über den Unterhalt abgetrennt und
in ein besonderes Verfahren verwiesen werden (E. 4).

    Tragweite des Grundsatzes der Einheit des Scheidungsurteils im
Verhältnis zwischen Scheidung einerseits und Scheidungsfolgen andererseits
(E. 5).

Sachverhalt

    B.- , geboren am 29. Mai 1945, floh im Jahre 1968 aus der damaligen
Tschechoslowakei in die Schweiz. In ihrer Heimat hatte sie ein
Hochschuldiplom als Ingenieurin in Agrarwissenschaften erlangt. An der
Universität Zürich studierte sie Betriebswirtschaft und schloss mit dem
Lizentiat in Ökonomie ab. Sie arbeitete als Bankangestellte und zuletzt im
EDV-Bereich als Analytikerin und Programmiererin. Im August 1989 lernte B.
den vier Jahre älteren K. kennen. Ab Weihnachten 1989 lebte sie mit ihm
und seinen drei Kindern zusammen. Sie arbeitete in seiner Firma mit und
besorgte den gemeinschaftlichen Haushalt. Am 6. Dezember 1991 heirateten
B. und K. Wenig später - ca. 1992 - gab B. ihre Mitarbeit im Betrieb des
Ehemannes auf. Die Ehe blieb kinderlos. Ab Herbst 1994 entfremdeten sich
die Ehegatten zusehends. B. verbrachte mehrere Monate in ihrer früheren
Heimat. Nach ihrer Rückkehr trennten sich die Ehegatten im Mai 1995. Am
29. August 1995 leitete K. (hiernach: Kläger) den Scheidungsprozess ein.

    Für die Dauer des Scheidungsverfahrens mussten die Gerichte des
Kantons Solothurn vorsorgliche Massnahmen treffen. Was den Unterhalt
angeht, sprach das Obergericht der Ehefrau lediglich bedarfsdeckende
Beiträge zu. Die monatlichen Unterhaltsbeiträge von anfänglich Fr. 3'800.-
wurden den Bedarfsänderungen angepasst, rückwirkend auf 1. Dezember 2000
auf Fr. 3'000.- herabgesetzt und schliesslich ganz aufgehoben. Während des
Scheidungsverfahrens wurde der Ehefrau rückwirkend ab 1. Dezember 1999 eine
ganze Invalidenrente zugesprochen, ausmachend ab 1. Juni 2003 Fr. 1'473.-
pro Monat. Der Invaliditätsgrad beträgt 73 %. Das mit der Behinderung
theoretisch noch zumutbare Erwerbseinkommen (Invalideneinkommen) wurde
auf Fr. 1'831.- pro Monat beziffert.

    Am 26. November 2002 wurde die Ehe in erster Instanz geschieden. Auf
Appellation beider Parteien schied das Obergericht die Ehe. Es sprach
der Ehefrau keine Unterhaltsbeiträge zu und verwies die güterrechtliche
Auseinandersetzung in ein separates Verfahren. Mit eidgenössischer
Berufung beantragt die Ehefrau (hiernach: Beklagte), das obergerichtliche
Urteil vom 24. November 2003 aufzuheben und die Sache an das Obergericht
zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, soweit darauf
eingetreten werden kann, und weist die Sache zu neuer Entscheidung an
das Obergericht zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                             Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Gemäss Art. 125 Abs. 1 ZGB besteht Anspruch auf nachehelichen
Unterhalt ("einen angemessenen Beitrag"), wenn einem Ehegatten nicht
zuzumuten ist, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss
einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt. Strittig ist, was
unter dem "gebührenden Unterhalt" im konkreten Fall verstanden werden muss.

    2.1  Das Obergericht hat den gebührenden Unterhalt ausgehend von dem
im Massnahmenverfahren ermittelten monatlichen Bedarf der Beklagten von Fr.
3'016.- bestimmt, der mit einem anrechenbaren Monatseinkommen von rund Fr.
3'300.- mehr als gedeckt sei. Die Beklagte wendet ein, sie habe Anspruch
auf Fortführung der während der Ehe gelebten Lebenshaltung, weil ihre
Ehe lebensprägend gewesen sei. Aber selbst wenn für ihre Lebenshaltung
an die vorehelichen Verhältnisse anzuknüpfen wäre, könnte der gebührende
Unterhalt nicht einfach mit dem Bedarf gleichgesetzt werden. Dieser
Bedarf sei zudem unrichtig bestimmt worden. Die Beklagte bemängelt eine
ungenügende Begründung (Art. 51 Abs. 1 lit. c OG) bzw. eine unvollständige
Feststellung des Sachverhalts (Art. 64 OG) und ergänzt das obergerichtliche
Urteil in tatsächlicher Hinsicht.

    2.2  Dass das Obergericht den "gebührenden Unterhalt" im Sinne von Art.
125 Abs. 1 ZGB anhand der Lebenshaltung während der Trennungszeit bestimmt
hat, kann nicht beanstandet werden. Mit ihren Ausführungen übersieht
die Beklagte einen wesentlichen Punkt: Im Sinne einer Ausnahme von den
allgemeinen Grundsätzen ist die Lebenshaltung des anspruchsberechtigten
Ehegatten während der Trennungszeit massgebend, wenn die Ehegatten vor der
Scheidung bereits über eine längere Zeit hinweg getrennt gelebt haben.
Diesfalls findet eine Anknüpfung an eine eheliche oder voreheliche
Lebenshaltung nicht statt. Darin sind sich Lehre und Rechtsprechung einig
(BGE 129 III 7 E. 3.1.1 S. 9; Urteil 5C.230/2003 vom 17. Februar 2004,
E. 4.2, je mit Hinweisen, z.B. auf GLOOR/SPYCHER, Basler Kommentar,
2002, N. 3, und SCHWENZER, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel
2000, N. 5, je zu Art. 125 ZGB).

    2.3  Die Parteien leben nunmehr seit rund zehn Jahren getrennt und
seit 1. September 1995 besteht eine gerichtliche Unterhaltsregelung. In
Anbetracht dessen verletzt es kein Bundesrecht, dass das Obergericht auf
die Lebenshaltung während dieser langandauernden Trennungszeit abgestellt
hat. Was die Beklagte zu den verschiedenen Lebensverhältnissen ausführt
und an Sachverhaltsergänzungen vorbringt, ist insoweit unerheblich.

    2.4  Das Obergericht hat von Beginn an nur bedarfsdeckende
Unterhaltsbeiträge zuerkannt und den Bedarf zuletzt auf einen monatlichen
Betrag von Fr. 3'016.- beziffert. Im kantonalen Verfahren hat die
Beklagte dagegen lediglich eingewendet, es müssten höhere Mietkosten
berücksichtigt werden. Das Obergericht hat dem Einwand entgegengehalten,
die Beklagte begründe die geltend gemachten höheren Mietkosten nicht
ausreichend. Soweit die Beklagte das heute nachholt, ohne in diesem Punkt
ausnahmsweise zulässige Sachverhaltsrügen zu erheben (Art. 63 f. OG),
kann auf ihre Berufung nicht eingetreten werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c
und d OG). Im Übrigen hat das Obergericht das ihm zustehenden Ermessen
nicht verletzt mit der Annahme, dass die Mietkosten für die Beklagte als
allein stehende Person Fr. 1'000.- nicht wesentlich überschreiten dürfen
(Urteil 5C.6/2002 vom 11. Juni 2002, E. 4b/cc nicht publ. in BGE 128
III 257; VETTERLI, Über den praktischen Umgang mit Scheidungsrenten,
AJP 1994 S. 929 ff., 934/935 bei Anm. 49).

    2.5  Nach dem Gesagten muss von einem monatlichen Bedarf der
Beklagten von Fr. 3'016.- ausgegangen werden. Diesen anhand der
betreibungsrechtlichen Richtlinien bestimmten Betrag hat das Obergericht -
entgegen der Darstellung der Beklagten - nicht dem gebührenden Unterhalt
im Gesetzessinne gleichgesetzt. Der gebührende Unterhalt liegt gemäss
obergerichtlichem Urteil vielmehr bei rund Fr. 3'300.- pro Monat. Die
Beklagte wendet dagegen nicht ein, dass ihre Lebenshaltung während der
Trennungszeit von rund zehn Jahren wesentlich höher gewesen wäre.

Erwägung 3

    3.  Einen nachehelichen Unterhaltsbeitrag kann nur der
Ehegatte fordern, der nicht in der Lage ist, für seinen im Sinne
von Art. 125 Abs. 1 ZGB gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer
angemessenen Altersvorsorge selbst aufzukommen. Das Obergericht hat die
Eigenversorgungskapazität der Beklagten bejaht und angenommen, es sei
ihr die Aufnahme einer Teilzeitarbeit zumutbar. Die Beklagte bestreitet
die Zumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit.

    3.1  Das Obergericht ist davon ausgegangen, die Beklagte sei
bei ihrer Trennung vom Kläger im Mai 1995 fünfzig Jahre alt gewesen,
habe ihre Erwerbstätigkeit erst fünf Jahre zuvor aufgegeben und hätte
als Informatikerin mit Hochschulabschluss seither ohne weiteres eine
Teilzeitbeschäftigung finden können. Mit der IV-Rente von Fr. 1'473.-
und einem zumutbaren Erwerbseinkommen von mindestens Fr. 1'831.- vermöge
sie den ihr gebührenden Unterhalt zu decken. Angesichts der zu erwartenden
Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation nach der Scheidung dürfe der
Beklagten ein noch höherer Verdienst angerechnet werden. Sie könne daher
auch nach Auflösung der Ehe nicht nur ihren Lebensunterhalt bestreiten,
sondern zusätzlich für das Alter noch einen angemessenen Betrag auf die
Seite legen. Die Beklagte wendet sich gegen die bejahte Zumutbarkeit,
während des Scheidungsverfahrens eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
In tatsächlicher Hinsicht bemängelt sie, dass die Leistungsfähigkeit
des Klägers nicht abgeklärt worden sei. Sie verlangt diesbezüglich eine
Vervollständigung des Sachverhalts.

    3.2  Unter dem Titel "Die Wirkungen der Ehe im allgemeinen" regeln
die Art. 163 ff. ZGB den Unterhalt der Familie. Auch nach Aufhebung des
gemeinsamen Haushalts in einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren behält
der Unterhaltsanspruch seine Grundlage in diesen Gesetzesbestimmungen. Für
entsprechende Massnahmen des Scheidungs- und des Eheschutzgerichts gelten
daher im Grundsatz dieselben Regeln (statt vieler: HAUSHEER/BRUNNER,
in: Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N. 04.93 S. 227). Die
ZGB-Revision von 1998/2000 hat daran nichts geändert. Im Unterschied
zum bisherigen Recht (aArt. 145 Abs. 2 ZGB) erklärt Art. 137 Abs. 2 ZGB
nunmehr ausdrücklich die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der
ehelichen Gemeinschaft für sinngemäss anwendbar (vgl. dazu Botschaft, BBl
1996 I 1, Ziff. 234.4 S. 137). Nach den grundsätzlich gleichen Kriterien
ist somit zu prüfen, ob und in welchem Umfang dem Ehegatten, der durch das
Getrenntleben der Pflicht zur Führung des gemeinsamen Haushalts enthoben
ist, zugemutet werden darf, seine freigewordene Arbeitskraft anderweitig
einzusetzen und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auszudehnen.

    Im Eheschutzverfahren ist eine Pflicht zur Aufnahme oder Ausdehnung
einer Erwerbstätigkeit nur zu bejahen, wenn keine Möglichkeit besteht,
auf eine während des gemeinsamen Haushalts gegebene Sparquote oder
vorübergehend auf Vermögen zurückzugreifen, wenn die vorhandenen
finanziellen Mittel - allenfalls unter Rückgriff auf Vermögen - trotz
zumutbarer Einschränkungen für zwei getrennte Haushalte nicht ausreichen
und wenn die Aufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit unter den
Gesichtspunkten der persönlichen Verhältnisse des betroffenen Ehegatten
(Alter, Gesundheit, Ausbildung u.ä.) und des Arbeitsmarktes zumutbar
ist. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (HAUSHEER/REUSSER/
Geiser, Berner Kommentar, 1999, N. 19a zu Art. 176 ZGB, mit Hinweisen).

    Im Scheidungsverfahren ist zusätzlich zu beachten, dass
die vorsorglichen Massnahmen einen anderen Zweck verfolgen als
die Eheschutzmassnahmen. Nach Eintritt der Rechtshängigkeit des
Scheidungsprozesses wird eine Rückkehr zur gemeinsam vereinbarten
Aufgabenteilung weder angestrebt noch ist sie wahrscheinlich. Insoweit
darf dem Ziel der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des bisher nicht
oder bloss in beschränktem Umfang erwerbstätigen Ehegatten bereits
eine gewisse Bedeutung zugemessen werden und in stärkerem Ausmass
als im Eheschutzverfahren auf die bundesgerichtlichen Richtlinien zum
Scheidungsunterhalt abgestellt werden (HAUSHEER/BRUNNER, aaO, N. 04.98
S. 229; vgl. dazu BGE 128 III 65 E. 4a S. 67 und das die Parteien
betreffende Urteil 5P.189/2002 vom 17. Juli 2002, E. 2, zusammengefasst
in: FamPra.ch 2002 S. 836).

    3.3  Gemäss den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts hat die
Beklagte ihre bezahlte Erwerbstätigkeit im Alter von vierundvierzig Jahren
aufgegeben und ab 1989 bis ca. 1992 im Betrieb des Klägers mitgearbeitet.
Nebst dieser zeitlich beschränkten Mitarbeit hat die Beklagte die
Kinder des Klägers aus erster Ehe betreut und den gemeinsamen Haushalt
besorgt. Die Trennung im Mai 1995 ist abrupt erfolgt. Bei ihrer Rückkehr
von einem mehrmonatigen Aufenthalt in ihrer Heimat hat der Kläger, der
inzwischen mit einer anderen Frau zusammenlebte, die Beklagte endgültig
aus der ehelichen Wohnung gewiesen - bekundet durch Auswechseln der
Türschlösser und entsprechende Mitteilung.

    Auf Grund des geschilderten Sachverhalts muss von einer Ehe mit
traditioneller Rollenverteilung ausgegangen werden. Mit Blick auf die
verschiedenen vorsorglichen Massnahmen betreffend Unterhalt können die
wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten des Klägers als grundsätzlich gut
bezeichnet werden, auch wenn sie im kantonalen Verfahren nicht restlos
geklärt worden sind. Der Kläger ist jedenfalls in der Lage gewesen,
die trennungsbedingten Mehrkosten allein zu tragen und der Beklagten
bedarfsdeckende Beiträge von Fr. 3'800.- bzw. Fr. 3'000.- monatlich zu
bezahlen. Haben die finanziellen Mittel zur Bezahlung der Kosten zweier
Haushalte problemlos ausgereicht, hat für die Beklagte keine Pflicht
bestanden, sofort ab der Trennung eine Arbeit aufzunehmen.

    Die erwähnten Begleitumstände der Trennung im Mai 1995 machen deutlich,
dass die Beklagte bereits ab jenem Zeitpunkt nicht mehr ernsthaft mit einer
Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft rechnen durfte. Insoweit
hat das Obergericht zu Recht die Grundsätze für den nachehelichen
Scheidungsunterhalt in die Beurteilung miteinbezogen. Es hat dabei
jedoch zu wenig gewürdigt, dass der Kläger selbst erst im Dezember
2000 die ersatzlose Aufhebung seiner Unterhaltspflicht während des
Scheidungsverfahrens verlangt hatte. Bei dieser Verfahrenslage erscheint
es als offensichtlich treuwidrig, von der Beklagten zu verlangen, sie hätte
sich bereits ab Mai 1995 um ein eigenes Erwerbseinkommen bemühen können und
müssen, wenn der Kläger dergleichen erstmals im Dezember 2000 gefordert
hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hat für die Beklagte weder ein Anlass noch
die Pflicht bestanden, eine Teilzeitarbeit zu suchen und aufzunehmen.

    3.4  Zu prüfen bleibt, ob es der Beklagten ab Dezember 2000 zumutbar
gewesen wäre, eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Beurteilung
kann anhand der in Art. 125 Abs. 2 ZGB genannten Kriterien (Ziff. 1-8)
erfolgen, die insbesondere zu berücksichtigen sind beim Entscheid, ob
ein Beitrag zu leisten ist und gegebenenfalls in welcher Höhe und für wie
lange. Für die Zumutbarkeit, wenigstens eine Teilzeitarbeit aufzunehmen,
sprechen die eher kurze Dauer des ehelichen Zusammenlebens von rund fünf
Jahren (Ziff. 2) und die Tatsache, dass keine Kinder (mehr) zu betreuen
sind (Ziff. 6). Gegen die Zumutbarkeit sprechen indessen alle weiteren
Kriterien. Die Ehegatten haben eine traditionelle Aufgabenteilung
gewählt, wonach die Beklagte während der Ehe keiner Erwerbstätigkeit
nachgehen musste und finanziell ausreichend vom Kläger unterhalten wurde
(Ziff. 1 und 3). Die Beklagte ist heute beinahe sechzig Jahre alt, stand
bereits im Dezember 2000 im fünfundfünfzigsten Altersjahr und ist seit
Dezember 1999 psychisch angeschlagen, invalid mit einem Grad von 73 %
und mindestens teilweise erwerbsunfähig (Ziff. 4). Die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse sind auf Seiten des Klägers offenbar eher gut,
auf Seiten der Beklagten hingegen eher schlecht (Ziff. 5). Schliesslich
hat die Beklagte seit rund elf Jahren nicht mehr in ihren angestammten
Bereichen "Informatik" und "Banken" gearbeitet, wo nach allgemeiner
Lebenserfahrung laufend Stellen abgebaut und ältere Mitarbeiter regelmässig
frühpensioniert werden und trotz guter Grundschulung ohne ständige Fort-
und Weiterbildung kein Auskommen mehr zu finden ist (Ziff. 7). Mit Bezug
auf die Altersvorsorge kann die Beklagte lediglich mit einer kleinen
Rente aus dem zu teilenden BVG-Guthaben des Klägers im Betrag von rund
Fr. 45'000.- rechnen und wird voraussichtlich auch nicht viel mehr als eine
einfache AHV-Rente erhalten (Ziff. 8). Die Abwägung all dieser Kriterien
führt zum Schluss, dass der Beklagten eine Teilzeitarbeit nicht zugemutet
und deshalb auch kein eigenes Erwerbseinkommen mit Wirkung ab Dezember
2000 angerechnet werden kann.

    3.5  Aus den dargelegten Gründen muss die Berufung der Beklagten
gutgeheissen werden, soweit sie sich gegen die Abweisung ihrer
Unterhaltsbegehren richtet. Die Sache ist an das Obergericht zur
Bestimmung des "angemessenen Beitrags" im Sinne von Art. 125 Abs. 1
ZGB zurückzuweisen. Auf die in diesem Zusammenhang vor Bundesgericht
erhobenen Sachverhaltsrügen der Beklagten einzugehen, erübrigt sich bei
diesem Ergebnis.

Erwägung 4

    4.  Unter Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils
macht die Beklagte geltend, die güterrechtliche Auseinandersetzung
hätte nicht "ad separatum" verwiesen werden dürfen. Da sie Anspruch auf
nachehelichen Unterhalt habe, hätte nach diesem Grundsatz über Güterrecht
und Unterhalt im gleichen Urteil entschieden werden müssen.

    Gemäss Art. 125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB sind beim Entscheid, "ob ein Beitrag
zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange", Einkommen
und Vermögen der Ehegatten zu berücksichtigen. Zum Vermögen zählt das
Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung (vgl. SCHWENZER, aaO,
N. 57, und

SUTTER/ FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999,
N. 88, je zu Art. 125 ZGB). Auf Grund der Gesetzessystematik hat das
Bundesgericht denn auch festgehalten, das Scheidungsgericht habe zuerst die
güterrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen (Art. 120 Abs. 1 ZGB),
dann die Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge zu regeln (Art. 122-124
ZGB) und erst zuletzt über den nachehelichen Unterhalt zu entscheiden
(Art. 125 ZGB), damit sämtliche Kriterien gemäss Art. 125 Abs. 2 ZGB -
insbesondere die Ziff. 5 und 8 - berücksichtigt werden können (vgl. BGE
129 III 7 E. 3.1.2 S. 9).

    Da die Beklagte mangels ausreichender Eigenversorgungskapazität auf
nachehelichen Unterhalt Anspruch erheben kann (E. 3 hiervor), missachtet
die obergerichtliche Verweisung der güterrechtlichen Auseinandersetzung
in ein separates Verfahren Art. 125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB. Der angerufene
Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils spielt im Verhältnis von
Güterrecht und Unterhalt insoweit keine selbstständige Rolle mehr bzw. ist
mit der ZGB-Revision von 1998/2000 gesetzlich verankert worden. Die
Sache ist in Gutheissung der Berufung an das Obergericht zurückzuweisen,
damit es vor dem Entscheid über den nachehelichen Unterhalt die Parteien
güterrechtlich auseinandersetzt.

Erwägung 5

    5.  Nach Auffassung der Beklagten gebietet der Grundsatz der Einheit
des Scheidungsurteils, dass das Gericht im gleichen Urteil über die
Scheidung und die Scheidungsfolgen entscheidet. Das Obergericht hat an
der Richtigkeit dieser Auffassung gezweifelt, dann aber die Scheidung
dennoch neu ausgesprochen. Vor Bundesgericht wiederholt die Beklagte ihren
Eventualantrag, das obergerichtliche Urteil gesamthaft aufzuheben und
die Sache zur gemeinsamen Entscheidung von Scheidungspunkt und sämtlichen
Nebenfolgen bis in die erste Instanz zurückzuweisen.

    5.1  Nach bisherigem Recht besagt der Grundsatz der Einheit des
Scheidungsurteils, dass das mit der Scheidungsklage befasste Gericht auch
für die Regelung aller sich aus der Scheidung ergebenden Nebenfolgen
ausschliesslich zuständig ist und hierüber im gleichen Verfahren zu
entscheiden hat. Es soll damit sichergestellt werden, dass alle im
Zusammenhang mit einer Scheidung zu lösenden Fragen in einheitlicher
Weise beurteilt werden und die bei getrennten Verfahren bestehende
Gefahr widersprechender Entscheide vermieden wird - insbesondere was
die Berücksichtigung eines Verschuldens im Scheidungspunkt (aArt. 142
Abs. 2 ZGB) einerseits und bei der Beurteilung der Leistungen bei
Scheidung (aArt. 151 f. ZGB) andererseits betrifft (LÜCHINGER/GEISER,
Basler Kommentar, 1996, N. 3 der Vorbem. zu aArt. 137 ff. ZGB, mit
Hinweisen; BGE 123 III 433 E. 4b S. 437). In ständiger Rechtsprechung
hat das Bundesgericht deshalb kantonale Urteile aufgehoben, mit denen
das Rechtsmittelgericht die Scheidung aussprach, die Regelung der
Nebenfolgen hingegen an seine Vorinstanz und damit (stillschweigend)
in ein separates Verfahren verwies (BGE 113 II 97 E. 2 S. 99). In einem
gewissen Spannungsverhältnis hat dazu die ständige Praxis gestanden, wonach
es ausschliesslich Sache des kantonalen Rechts ist, ob für den Weiterzug
erstinstanzlicher Urteile der Grundsatz der Teilrechtskraft gelten soll
(BGE 128 III 121 E. 3a S. 122). Denn die Anerkennung der Teilrechtskraft
bedeutet eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils
und konnte die - unerwünschte - Folge haben, dass das Rechtsmittelgericht
das Verschulden im Zusammenhang mit den vermögensrechtlichen Nebenfolgen
der Scheidung abweichend von seiner Vorinstanz beurteilt, die über den
Scheidungspunkt und die damit verbundene Schuldfrage zuvor rechtskräftig
entschieden hat (vgl. LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern,
3. Aufl., Bern 1956/1985, N. 1 Abs. 4 zu Art. 333 ZPO/BE, S. 313, mit
Hinweisen auf nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts).

    5.2  Der schon bisher kraft ungeschriebenen Bundesrechts geltende
Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils ist auch nach der ZGB-Revision
von 1998/2000 zu beachten (STECK, Basler Kommentar, 2002, N. 7 zu Art. 120
ZGB, mit Hinweisen; aus der Rechtsprechung: Urteil 5C.136/2002 vom 24.
Oktober 2002, E. 3 nicht publ. in BGE 129 III 1; Urteil 5C.221/2001 vom 20.
Februar 2002, E. 3a, publ. in: Pra 91/2002 Nr. 86 S. 495 f. und SJ 2002
I S. 276 f.). Seine Tragweite hat sich allerdings verändert. Das geltende
Scheidungsrecht hat den Grundsatz der Teilrechtskraft in Art. 148 Abs. 1
ZGB verankert. Es ist weitgehend verschuldensunabhängig ausgestaltet
(vgl. BGE 127 III 65 E. 2a S. 66/67 mit Hinweisen), so dass ein
Koordinationsbedarf zwischen Scheidung einerseits und Scheidungsfolgen
andererseits praktisch vollständig entfallen ist. Eine Gefahr sich
widersprechender Urteile wäre höchstens noch in den seltenen Ausnahmefällen
denkbar, wo die Ehe aus schwerwiegenden Gründen im Sinne von Art. 115
ZGB geschieden und der Unterhalt aus denselben Gründen gemäss Art. 125
Abs. 3 ZGB versagt oder gekürzt wird. Diesbezüglich bleibt ein gewisser
Koordinationsbedarf bestehen (vgl. FANKHAUSER, in: Schwenzer [Hrsg.],
Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 7 a.E. zu Art. 115 ZGB;
SUTTER/FREIBURGHAUS, aaO, N. 104 zu Art. 125 ZGB). Bei der vorliegenden
Scheidung der Ehe nach Ablauf der vierjährigen Trennungsfrist (Art. 114
ZGB) ist hingegen nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse
noch daran bestehen könnte, in Anwendung des Grundsatzes der Einheit des
Scheidungsurteils auch das Urteil im Scheidungspunkt aufzuheben, wenn über
die Unterhaltsfrage in einer unteren Instanz neu entschieden werden muss.

    5.3  Aus den dargelegten Gründen kann auf die Berufung nicht
eingetreten werden, soweit damit unter blossem Hinweis auf den Grundsatz
der Einheit des Scheidungsurteils die Aufhebung des obergerichtlichen
Urteils im Scheidungspunkt verlangt wird.