Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 235



130 III 235

30. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Bank Z. gegen Y. und
X. (Berufung)

    5C.176/2003 vom 5. Februar 2004

Regeste

    Art. 285 ff. SchKG; Anfechtung.

    Anfechtbarkeit eines Kaufvertrages, mit welchem der Schuldner eine
Liegenschaft veräussert und sich als Gegenleistung ein Wohnrecht daran
einräumen lässt (E. 2).

    Nichtberücksichtigung dieses Wohnrechts bei der Zwangsverwertung der
Liegenschaft (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 1. Juli 1994
veräusserte X. seine Liegenschaft GB x, Gemeinde A., an seine
Ehefrau Y. Diese erhielt zudem den auf der Liegenschaft im 3. Rang
lastenden Schuldbrief von nom. Fr. 1,1 Mio. unbelastet zu Eigentum. Der
Kaufpreis wurde durch Übernahme der Grundpfandschulden von Fr. 400'000.-
getilgt. Darüber hinaus wurde X. ein lebenslängliches Wohnrecht an der
4 1/2-Zimmerwohnung im 1. Obergeschoss der Liegenschaft eingeräumt. Der
Grundbucheintrag erfolgte gleichentags.

    Mit Verfügung vom 5. Juli 1995 eröffnete der Einzelrichter
des Bezirks Schwyz über X. den Konkurs ohne vorgängige Betreibung
im Sinne von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG wegen betrügerischen
Handlungen zum Nachteil der Gläubiger. Am 1. April 1996 machte die
Konkursverwaltung namens der Konkursmasse X. beim Bezirksgericht Schwyz
gegen Y. (Beklagte 1) und X. (Beklagter 2) eine Anfechtungsklage
nach Art. 285 ff. SchKG rechtshängig. Am 18. Juli 1997 wurde die
Anfechtungsklage zuständigkeitshalber ins beschleunigte Verfahren vor dem
Einzelrichter des Bezirks Schwyz überwiesen. Am 3. Dezember 1997 trat die
Konkursverwaltung ihre Rechtsansprüche gemäss Art. 260 SchKG ab, so dass
das Verfahren in der Folge von der Bank Z. (Klägerin) fortgeführt wurde.

    B.- Mit Urteil vom 16. September 1999 hiess der Einzelrichter
des Bezirks Schwyz die Anfechtungsklage gut. Er verpflichtete Y. zur
Duldung der Verwertung der Liegenschaft sowie des darauf lastenden
Inhaberschuldbriefes im Konkursverfahren gegen X. Zusätzlich wurde
sie verpflichtet, der Bank Z. einen Betrag von Fr. 121'500.-
(Liegenschaftsertrag) zu bezahlen. X. wurde seinerseits zur Duldung
der Verwertung der Liegenschaft ohne die Berücksichtigung des zu seinen
Gunsten eingetragenen Wohnrechts verpflichtet.

    C.- Gegen dieses Urteil gelangten die Parteien mit Berufung
bzw. Anschlussberufung an das Kantonsgericht des Kantons Schwyz. Dieses
verpflichtete mit Urteil vom 13. Mai 2003 (auszugsweise publ. in: SJZ
99/2003 S. 507 ff.) Y. zur Zahlung von Fr. 305'000.- an die Bank Z., Zug um
Zug gegen Löschung des Wohnrechts zu Gunsten von X. durch das Konkursamt
Goldau. Die Klage gegen X. wies es wegen fehlender Passivlegitimation ab.

    D.- Die Bank Z. gelangt mit eidgenössischer Berufung an das
Bundesgericht. Strittig sind insbesondere die Beschränkung der
Anfechtbarkeit auf die Wohnrechtseinräumung, der Umfang der Rückgabepflicht
sowie die Passivlegitimation von X. in Bezug auf die Wohnrechtseinräumung.

    Y. und X. sowie das Kantonsgericht des Kantons Schwyz beantragen die
Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Der Anfechtungsprozess nach Art. 285 ff.  SchKG wird praxisgemäss
wie eine Zivilrechtsstreitigkeit behandelt (BGE 81 II 82 E. 1 S. 83 f.;
93 II 436 E. 1 S. 437). Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden und
richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts
(Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG). Der erforderliche Streitwert für
das Berufungsverfahren ist ebenfalls gegeben (Art. 46 OG), so dass auf
die Berufung einzutreten ist.

Erwägung 2

    2.  Als Erstes ist die Frage der Anfechtbarkeit des Kaufvertrages vom
1. Juli 1994 zu prüfen: Das Kantonsgericht hat ausgeführt, angesichts der
übernommenen Grundpfandschulden von Fr. 400'000.-, dem Kapitalwert des
Wohnrechts von Fr. 305'000.- und dem Verkehrswert der Liegenschaft von
Fr. 751'000.- könne nicht die Rede davon sein, dass die Beklagte 1 die
Liegenschaft zu günstig erhalten habe. Daher könne beim Kaufgeschäft von
keinem Missverhältnis der Leistungen ausgegangen werden. Anfechtbar sei
nur die Einräumung des Wohnrechts zu Gunsten des Beklagten 2.

    2.1  Das Kantonsgericht verkennt bei seiner Argumentation,
dass ein fehlendes Missverhältnis der Leistungen die Anfechtung nicht
ausschliesst. Trotz objektiver Gleichwertigkeit der Leistungen kann eine
Rechtshandlung sowohl nach Art. 286 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG wie auch nach
Art. 288 SchKG anfechtbar sein.

    2.1.1  Gemäss Art. 286 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG sind unter anderem
Rechtsgeschäfte anfechtbar, durch die der Schuldner für sich eine
Leibrente, eine Pfrund, eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht erworben
hat. Die Anfechtbarkeit besteht unabhängig des Verhältnisses von Leistung
und Gegenleistung und selbst bei gutem Glauben der Beteiligten (BGE 45
III 151 E. 4 S. 170; 64 III 183 E. 1 S. 186; CARL JAEGER, Bundesgesetz
betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 1911, N. 9 zu Art. 286 SchKG).
Die Benachteiligung der Gläubiger liegt darin, dass der Schuldner
durch ein solches Rechtsgeschäft pfändbares Vermögen in unpfändbares
umwandelt (ADRIAN STAEHELIN, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 19 zu Art. 286
SchKG; HANS PETER BERZ, Der paulianische Rückerstattungsanspruch,
Diss. Zürich 1960, S. 126; ERNST BRAND, Die Anfechtungsklage, 1943,
S. 191). Im vorliegenden Fall ist dieser Tatbestand insoweit erfüllt,
als der Beklagte 2 durch den angefochtenen Kaufvertrag entgeltlich
(gegen Hingabe der Liegenschaft) für sich ein unpfändbares, nicht in die
Konkursmasse fallendes Wohnrecht erworben und gleichzeitig die Liegenschaft
dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen hat.

    Infolge Zeitablaufs seit dem Abschluss des anfechtbaren Rechtsgeschäfts
kann sich die Anfechtungsklage im vorliegenden Fall nicht mehr auf Art. 286
SchKG stützen. Dem Kantonsgericht ist aber insoweit zuzustimmen, dass alle
unter diesem Artikel für anfechtbar erklärten Rechtsgeschäfte auch durch
Art. 288 SchKG erfasst sein können, sofern die weiteren Voraussetzungen
der letzteren Bestimmung erfüllt sind (ADRIAN STAEHELIN, aaO, N. 5 zu Art.
288 SchKG; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la
poursuite pour dettes et la faillite, 2003, N. 9 zu Art. 288 SchKG). Dies
ist hier gegeben: Das Kantonsgericht hat sowohl die Schädigungsabsicht
des Beklagten 2 wie auch deren Erkennbarkeit für die Beklagte 1 bejaht.

    2.1.2  Auch ohne Umweg über Art. 286 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG lässt sich
die Anfechtbarkeit des Kaufvertrages vom 1. Juli 1994 begründen: Nach
Art. 288 SchKG sind insbesondere alle Rechtshandlungen anfechtbar, welche
der Schuldner in der dem andern Teil erkennbaren Absicht vorgenommen hat,
seine Gläubiger zu benachteiligen. Eine Schädigung der Gläubiger tritt in
der Regel nicht ein, wenn die angefochtene Rechtshandlung im Austausch
gleichwertiger Leistungen besteht, es sei denn, der Schuldner habe mit
dem Geschäft den Zweck verfolgt, über seine letzten Aktiven zum Schaden
der Gläubiger verfügen zu können, und sein Geschäftspartner habe das
erkannt oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennen müssen (BGE 99
III 27 E. 4 S. 34 mit Hinweisen; 101 III 92 E. 4a S. 94). Im vorliegenden
Fall hat der Beklagte 2 sich als Gegenleistung für die Liegenschaft ein
(unpfändbares) Wohnrecht einräumen lassen, mit der Absicht, die Gläubiger
dadurch zu schädigen. Auch insofern erscheint das strittige Rechtsgeschäft
als Ganzes als anfechtbar.

    2.2  Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Kaufvertrag vom 1. Juli
1994 insgesamt gemäss Art. 288 SchKG anfechtbar ist. Eine Beschränkung
der Anfechtbarkeit auf die Wohnrechtseinräumung ist nicht angebracht,
da diese nicht unabhängig vom Kaufvertrag beurteilt werden kann (siehe
auch E. 6.1.2 nachfolgend). (...)

Erwägung 6

    6.  Strittig sind schliesslich die Auswirkungen der Anfechtbarkeit
des Kaufvertrages vom 1. Juli 1994 auf das darin eingeräumte Wohnrecht
zu Gunsten des Beklagten 2. Damit zusammenhängend stellt sich die Frage
nach dessen Passivlegitimation.

    6.1  Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, die Eintragung des
Wohnrechts sei nach dem Eintrag des Eigentumübergangs erfolgt. Daher
sei der Beklagte 2 in Bezug auf das Wohnrecht Singularsukzessor der
Beklagten 1 bzw. bösgläubiger Dritter im Sinne von Art. 290 SchKG. In
dieser Eigenschaft sei er passivlegitimiert.

    6.1.1  Gemäss Art. 290 SchKG richtet sich die Anfechtungsklage
gegen die Personen, die mit dem Schuldner die anfechtbaren
Rechtsgeschäfte abgeschlossen haben oder von ihm in anfechtbarer
Weise begünstigt worden sind, sowie gegen ihre Erben oder andere
Gesamtnachfolger und gegen bösgläubige Dritte. Der Schuldner selber ist
im Anfechtungsprozess grundsätzlich nicht Partei (DANIEL STAEHELIN, in:
Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, N. 3 zu Art. 290 SchKG; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, aaO, N. 11 zu
Art. 290 SchKG). Unter dem bösgläubigen Dritten wird der Rechtsnachfolger
(Singularsukzessor) des Anfechtungsbeklagten (Vertragspartner des
Schuldners) verstanden, der vom Bestand der Anfechtungsschuld wusste
(BGE 51 III 204 E. 2 S. 207).

    6.1.2  Es mag nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass in
Ausnahmefällen der bösgläubige Dritte wiederum der Schuldner sein
kann. Dies bedingt aber zumindest eine klare Trennung zwischen dem
anfechtbaren Rechtsgeschäft (hier: Kaufvertrag) und der späteren
(partiellen) Singularsukzession (hier: Wohnrechtseinräumung). Im
vorliegenden Fall liegen aber nicht zwei getrennte Verträge, sondern ein
einheitliches Rechtsgeschäft vor, was im Übrigen auch die Klägerin in ihrer
Berufungsschrift mehrfach betont. Nach dem Wortlaut des Kaufvertrages vom
1. Juli 1994 übernimmt die Bestellung des Wohnrechts in erster Linie den
Zweck einer Teilzahlung. Die Trennung in ein selbstständiges Kaufgeschäft
und eine davon unabhängige, selbstständige Wohnrechtseinräumung ist nicht
möglich. Unter diesen Umständen kann der Beklagte 2 nicht als bösgläubiger
Dritter im Sinne von Art. 290 SchKG angesehen werden. Die Berufung ist
demzufolge in diesem Punkt abzuweisen.

    6.2  Die fehlende Passivlegitimation des Beklagten 2 führt jedoch
nicht dazu, dass die Verwertung der Liegenschaft unter Berücksichtigung
des Wohnrechts zu erfolgen hat. Wie erwähnt, richtet sich die
Anfechtungsklage - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen -
ausschliesslich gegen die Person, die mit dem Schuldner das anfechtbare
Rechtsgeschäft abgeschlossen hat (Art. 290 SchKG). Durch die Gutheissung
der Anfechtungsklage wird der Anfechtungsbeklagte verpflichtet, die
Konkursmasse so zu stellen, wie wenn die anfechtbare Handlung nicht
vorgenommen worden wäre (BGE 98 III 44 E. 3 S. 46; THOMAS BAUER, in:
Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, N. 2 zu Art. 291 SchKG). Die anfechtbare Handlung besteht
im vorliegenden Fall im Abschluss des Kaufvertrages als Ganzes und
erstreckt sich neben der Eigentumsübertragung auch auf die Einräumung
des Wohnrechts (siehe E. 2.2 vorangehend). Dies führt dazu, dass das
anfechtbare Wohnrecht in betreibungsrechtlicher Hinsicht unbeachtlich
ist. Die Liegenschaft ist im Konkursverfahren des Beklagten 2 ohne das zu
seinen Gunsten bestehende Wohnrecht zu verwerten. Diese Unbeachtlichkeit
kann ohne weiteres im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte 1 als
Anfechtungsgegnerin festgestellt werden. Diese ist dementsprechend zu
verpflichten, die Verwertung der Liegenschaft ohne das Wohnrecht zu dulden.