Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 193



130 III 193

24. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. gegen Y. AG
(Berufung)

    4C.224/2003 vom 23. Dezember 2003

Regeste

    Verkehrssicherungspflicht; Haftung der Sportbahnunternehmen für die
Sicherheit der Skipisten.

    Natur, Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht (E. 2.2-2.3).

    Räumlicher Geltungsbereich der Verkehrssicherungspflicht gemäss den
einschlägigen Richtlinien (E. 2.4.1-2.4.2).

    Räumliche Ausdehnung der Verkehrssicherungspflicht bei atypischen
oder besonders grossen Gefahren und einer durch die Geländeverhältnisse
indizierten Möglichkeit, dass auch vorsichtige Pistenbenützer ungewollt
in den Einzugsbereich von ausserhalb der Piste und des Pistenrandbereichs
gelegenen Gefahrenstellen geraten können (E. 2.4.3).

    Vorliegend keine Ermessensüberschreitung des Sachgerichts mit Bezug
auf die Frage, ob die örtlichen Verhältnisse erhöhte Sicherheitsvorkehren
erfordert hätten (E. 2.5).

Sachverhalt

    A.- Im Januar 1997 verbrachte X.  (Kläger) im Skigebiet des Kantons
Glarus seine Ferien. Zur Benützung der Skilifte und Skipisten besass er
eine Wochenkarte der Y. AG (Beklagte). Am 8. Januar 1997 stürzte er im
untersten, relativ steilen Teil einer der Pisten und verlor mit aller
Wahrscheinlichkeit beim Aufprall auf der hart gefrorenen Unterlage
das Bewusstsein. In der Folge rutschte er unkontrolliert rund 75
Meter weit die Piste hinunter und rund zwölf Meter über den Pistenrand
hinaus und glitt dann über eine Böschung in einen sechzehn Meter tiefen
Geländeeinschnitt (Runse), wo er auf ein dort angebrachtes Rohr aufschlug
und sich einen offenen Schädelbruch zuzog. Der Unfall machte einen längeren
Spitalaufenthalt erforderlich und hat zu einer voraussichtlich bleibenden
Gehbehinderung geführt.

    B.- Nach erfolglosem Sühneverfahren beantragte der Kläger im
November 2000 beim Kantonsgericht des Kantons Glarus, die Beklagte sei
zur Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von DM 475'000.- nebst Zins zu
verpflichten. Das Kantonsgericht wies die Klage mit Urteil vom 28. Januar
2002 ab. Dagegen legte der Kläger beim Obergericht des Kantons Glarus
Berufung ein, wobei er das Begehren auf umgerechnet EUR 192'931.- nebst
Zins reduzierte. Mit Urteil vom 21. März 2003 wies das Obergericht die
Berufung ab.

    C.- Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil des
Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung, insbesondere
zur Bemessung des Schadenersatzes, ans Obergericht zurückzuweisen. Die
Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Die Vorinstanz nimmt an, die Beklagte habe ihre Sicherungspflicht
nicht verletzt. Nach ihrer Auffassung würde es zu weit führen, von der
Beklagten zu verlangen, bei einer zwölf Meter abseits der Piste gelegenen
Gefahrenstelle Sicherungsvorkehren anzubringen. Dies ergebe sich auch aus
den einschlägigen Richtlinien, wonach bei Absturzgefahr nur der Pistenrand
und der Randbereich im Umfang von zwei Metern Breite zu sichern sei. Der
vorliegende Unfall habe auf einer Verkettung unglücklicher Umstände
beruht. Der Kläger macht demgegenüber geltend, die Sicherung der
Unfallstelle sei erforderlich und zumutbar gewesen.

    2.2  Wie die Vorinstanz bereits zutreffend ausführte, sind Bergbahn-
und Skiliftunternehmen, welche Pisten erstellen und diese für den
Skilauf öffnen, grundsätzlich verpflichtet, die zur Gefahrenabwehr
zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen vorzukehren. Diese so
genannte Verkehrssicherungspflicht ist vertraglicher Natur. Bergbahn- und
Skiliftunternehmen sind im Sinne einer Nebenpflicht des mit Pistenbenützern
(Skifahrern, Snowboardern) abgeschlossenen Transportvertrages verpflichtet,
auch für die Pistensicherheit und den Rettungsdienst zu sorgen. Der Aufwand
für diese Dienste ist im Preis der zur Benützung der Skipisten angebotenen
Tages- und Wochenkarten, wie der Kläger eine besass, jeweils inbegriffen
(BGE 113 II 246 E. 3-10 S. 247 ff.; 126 III 113 E. 2a/bb S. 115).

    Die Verkehrssicherungspflicht hat aber auch eine Grundlage im
Deliktsrecht und ergibt sich aus der allgemeinen Schutzpflicht dessen,
der einen Zustand schafft, woraus angesichts der erkennbaren konkreten
Umstände ein Schaden entstehen könnte (BGE 126 III 113 E. 2a/aa S. 115 mit
Hinweisen). Von der Rechtsprechung noch nicht abschliessend geklärt und
in der Lehre umstritten ist die Frage, ob Skipisten Werkcharakter haben
und Bergbahn- und Skiliftunternehmen neben der allgemeinen Deliktshaftung
(Art. 41 OR) auch aus der Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR) belangt
werden können (vgl. BREHM, Berner Kommentar, N. 31 ff. zu Art. 58 OR;
SCHNYDER, Basler Kommentar, 3. Aufl., N. 12 zu Art. 58 OR; OFTINGER/STARK,
Schweizerisches Haftpflichtrecht - Besonderer Teil, Bd. II/1, § 19
N. 86). Sie kann auch hier offen bleiben.

    Auf welche Grundlage sich die vorliegende Klage auch immer
stützt, interessiert einzig, ob die Skipiste, auf welcher der Kläger
verunfallte, den massgebenden Sicherheitsanforderungen entsprach. Bei der
Werkeigentümerhaftung handelt es sich zwar, im Gegensatz zur Haftung aus
Vertrag und aus allgemeinem Deliktsrecht, nicht um eine Verschuldens-,
sondern um eine Kausalhaftung. Doch wird die Sicherung von Verkehrsanlagen
gegenüber natürlichen Gefahrenherden in der Werkeigentümerhaftung
praxisgemäss an den Kriterien der Verhältnismässigkeit und Zumutbarkeit
gemessen (BGE 129 III 65 E. 1.1 S. 67; 126 III 113 E. 2b S. 116), was
die Kausalhaftung zumindest mit einem Verschuldenselement kombiniert.

    2.3  Zum einen verlangt die Verkehrssicherungspflicht, dass
Pistenbenützer vor nicht ohne weiteres erkennbaren, sich als eigentliche
Fallen erweisenden Gefahren geschützt werden (BGE 121 III 358 E. 4a
S. 360; 115 IV 189 E. 3c S. 194). Zum andern ist dafür zu sorgen, dass
Pistenbenützer vor Gefahren bewahrt werden, die selbst bei vorsichtigem
Fahrverhalten nicht vermieden werden können (BGE 121 III 358 E. 4a S. 361;
111 IV 15 E. 2 S. 16). Die Grenze der Verkehrssicherungspflicht bildet
die Zumutbarkeit. Schutzmassnahmen können nur im Rahmen des nach der
Verkehrsübung Erforderlichen und Möglichen verlangt werden, wenn auch
ein Mindestmass an Schutz immer gewährleistet sein muss (BGE 121 III
358 E. 4a S. 361; 115 IV 189 E. 3c S. 193). Eine weitere Schranke
der Verkehrssicherungspflicht liegt in der Selbstverantwortung des
einzelnen Pistenbenützers. Gefahren, die dem Schneesport inhärent
sind, soll derjenige tragen, der sich zur Ausübung des Schneesports
entschliesst (BGE 111 IV 15 E. 2 S. 16 f.). Auch das Fehlverhalten eines
Pistenbenützers, der in Verkennung seines Könnens und der vorgegebenen
Pisten- und Wetterverhältnisse oder in Missachtung von Signalisationen
fährt, stürzt und dabei verunfallt, ist der Selbstverantwortung zuzurechnen
(BGE 117 IV 415 E. 5a S. 416).

    Wie weit die Verkehrssicherungspflicht im Einzelnen reicht, hängt von
den Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Als Massstab zieht das Bundesgericht
jeweils die von der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf
Schneesportabfahrten ausgearbeiteten Richtlinien für Anlage, Betrieb und
Unterhalt von Schneesportabfahrten (SKUS-Richtlinien) und die von der
Kommission Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten der Seilbahnen Schweiz
herausgegebenen Richtlinien bei (SBS-Richtlinien, ehemals SVS-Richtlinien;
BGE 126 III 113 E. 2b S. 116; 121 III 358 E. 4a S. 361). Obwohl diese
Richtlinien kein objektives Recht darstellen, erfüllen sie eine wichtige
Konkretisierungsfunktion im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung der
Verkehrssicherungspflicht (BGE 126 III 113 E. 2b S. 116; 117 IV 415 E. 5b
S. 417). Beide Richtlinien wurden letztmals im Jahr 2002 herausgegeben. Da
sich der Skiunfall des Klägers im Jahr 1997 ereignete, sind die damals
geltenden Ausgaben der Richtlinien aus dem Jahr 1995 massgebend.

    Allerdings können die örtlichen Verhältnisse einen höheren
Sicherheitsstandard erfordern, als es die genannten Richtlinien vorsehen
(vgl. BGE 87 II 301 E. 5a S. 313). Das Bundesgericht ist an die Richtlinien
nicht gebunden, sondern entscheidet selbst, welche Sorgfalt im Einzelfall
geboten war, wobei das Sorgfaltsmass eine flexible, sich stets nach den
tatsächlichen Gegebenheiten zu richtende Grösse bildet (OFTINGER/STARK,
Schweizerisches Haftpflichtrecht - Allgemeiner Teil, Bd. I, § 5 N. 98
ff.). Dabei ist im Wesentlichen aber eine Frage des sachgerichtlichen
Ermessens, ob die in einem bestimmten Zeitpunkt zu beurteilende örtliche
Situation erhöhte Sicherheitsvorkehren erfordert hätte. In diesen
Beurteilungsspielraum greift das auf eine reine Rechtskontrolle beschränkte
Bundesgericht nur mit Zurückhaltung dann ein, wenn die Auffassung der
Vorinstanz als unvertretbar erscheint (BGE 129 III 380 E. 2 S. 382;
127 III 153 E. 1a S. 155, mit Hinweisen).

    2.4  Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz lag die Stelle,
wo der Kläger abstürzte, nicht unmittelbar neben, sondern rund zwölf
Meter weit entfernt von der Piste. Streitig ist, wie weit der räumliche
Geltungsbereich der Verkehrssicherungspflicht reicht. Dabei ist davon
auszugehen, dass die Verkehrssicherungspflicht zunächst die Pistenfläche
und den Pistenrandbereich beschlägt (BGE 122 IV 193 E. 2a S. 194).

    2.4.1  Gemäss den SKUS-Richtlinien (Ausgabe 1995, Ziff. 21; Ausgabe
2002, Ziff. 27) muss im Falle von Hindernissen oder Absturzgefahr
der Pistenrand gekennzeichnet und gesichert werden. Die Pflicht
zur Sicherung des Pistenrandes bei Absturzgefahr oder Hindernissen
fliesst auch aus den SVS- resp. SBS-Richtlinien (Ausgabe 1995, Ziff. 19;
Ausgabe 2002, Ziff. 20). Der Pistenrand ergibt sich aus den natürlichen
Geländeverhältnissen (Waldränder, Einschnitte etc.), aus künstlich
angebrachten Markierungen oder aus den Schneespuren, wenn die präparierte
Piste durch häufiges Befahren ausgeweitet worden ist (vgl. BGE 109 IV
99 E. 1a S. 100). Haben die Verantwortlichen den Pistenrand nicht mit
Markierungen gekennzeichnet, so gilt auch der um die Fahrspuren erweiterte
Bereich als Skipiste. Entsprechend verlagert sich der Pistenrand und dehnt
sich die Verkehrssicherungspflicht auf den ausgefahrenen Pistenbereich
aus (SVS- resp. SBS-Richtlinien: Ausgabe 1995, Ziff. 20; Ausgabe 2002,
Ziff. 21; HANS-KASPAR STIFFLER, Schweizerisches Schneesportrecht [im
Folgenden: Schneesportrecht], 3. Aufl., Bern 2002, N. 571).

    2.4.2  Gemäss den SKUS-Richtlinien (Ausgabe 1995, Ziff. 21;
Ausgabe 2002, Ziff. 27) sowie den SVS- resp. SBS-Richtlinien
(Ausgabe 1995, Ziff. 21; Ausgabe 2002, Ziff. 22) erstreckt sich die
Verkehrssicherungspflicht auch auf den unmittelbaren Grenzbereich der
Piste, wobei ein Randstreifen von zwei Metern Breite gemeint ist. Zweck
der Sicherung dieses zusätzlichen Randbereichs ist es, den Pistenbenützern
ein gefahrloses Abschwingen und Stehenbleiben unmittelbar am Pistenrand
zu ermöglichen. Zudem sollen Pistenbenützer, die infolge eines Sturzes
in der Nähe des Pistenrandes geringfügig über die Piste hinausgeraten,
vor Gefahrenstellen geschützt werden, die nicht erkennbar oder selbst für
verantwortungsbewusste Pistenbenützer schwer vermeidbar sind (STIFFLER,
Schneesportrecht, aaO, N. 574).

    Eigentliche Sturzräume, d.h. abgesicherte Geländeteile ausserhalb
der präparierten Piste zur Reduktion der Sturzdynamik eines gestürzten
Pistenbenützers bis zum Stillstand, müssen nicht geschaffen werden
(so ausdrücklich die SKUS-Richtlinien, Ausgabe 2002, Ziff. 27; SVS-
resp. SBS-Richtlinien, Ausgabe 1995, Ziff. 21; Ausgabe 2002, Ziff.
22). Pistenbenützer, die zu schnell fahren, dadurch unkontrolliert über
den Pistenrand hinausgeraten und stürzen, haben die Folgen eines solchen
Risikoverhaltens selber zu tragen. Das Vermeiden einer Überschreitung des
Pistenrandes ist den Pistenbenützern grundsätzlich möglich und zumutbar,
vor allem durch die Einhaltung einer entsprechenden Fahrweise (STIFFLER,
Schneesportrecht, aaO, N. 575; WILLY PADRUTT, Grenzen der Sicherungspflicht
für Skipisten, in: ZStrR 103/1986 S. 397). Aus dieser eingeschränkten
Funktion der Pistenrandsicherung erklärt sich auch die verhältnismässig
geringe, gemäss SKUS-Richtlinien maximal zwei Meter betragende Breite des
Randstreifens, auf den sich die erweiterte Sicherungspflicht erstreckt. Die
Breite dieses Streifens reicht zur Gewährleistung der Sicherheit von
verantwortungsbewussten Pistenbenützern in der Regel aus (vgl. PETER
REINDL/JOHANNES STABENTHEINER, Neues zum Pistenrand - Randnetze, Fangzäune
und Schneezäune - Sturz eines Pistenbenützers - Windenpräparierung, in:
Zeitschrift für Verkehrsrecht 2000 S. 405).

    2.4.3  Indessen können die konkreten Umstände im Einzelfall
einen höheren als den in den genannten Richtlinien vorgesehenen
Sicherheitsstandard erfordern und den Schutz der Pistenbenützer nicht
nur vor unmittelbar neben dem Pistenrand, sondern vor weiter entfernt
liegenden Absturzgefahren bedingen.

    Voraussetzung für eine ausnahmsweise und punktuelle Erweiterung
der Verkehrssicherungspflicht über den engeren Pistenrandbereich
hinaus ist erstens das Vorliegen einer atypischen oder besonders
grossen Gefahr für Leib und Leben, wie dies die bundesgerichtliche
Rechtsprechung auch mit Bezug auf die Pflicht zur klaren Kennzeichnung
des Pistenrandes bei aussergewöhnlichen oder besonders grossen Gefahren
auf Pistennebenflächen verlangt (vgl. BGE 122 IV 193 E. 2b S. 195; 117
IV 415 E. 5a S. 416; 115 IV 189 E. 3b S. 192). Zweite Voraussetzung
ist eine durch die Geländeverhältnisse indizierte Möglichkeit, dass
auch vorsichtige Pistenbenützer ungewollt in den Einzugsbereich dieser
ausserhalb der Piste gelegenen Gefahrenstelle geraten können. In
einem solchen Fall sind wirksame Sicherungsmassnahmen zu ergreifen,
damit vorsichtige Pistenbenützer nicht ungewollt in den Gefahrenbereich
geraten. Diese unter den genannten Voraussetzungen ausnahmsweise erweiterte
Verkehrssicherungspflicht entspricht im Grunde dem Sorgfaltsmassstab, auf
welchem auch die SKUS- und die SVS- resp. SBS-Richtlinien basieren. Die
Richtlinien beabsichtigen den Schutz des eigenverantwortlichen
Pistenbenützers vor Absturzgefahren. Kann die Gefahrenstelle aber
selbst von einem vorsichtigen Pistenbenützer bei einem allfälligen Sturz
auf der Pistenfläche nicht vermieden werden, darf es in Bezug auf die
Verkehrssicherungspflicht keinen Unterschied machen, ob die Absturzgefahr
unmittelbar im Pistenrandbereich oder im näheren Umfeld von Skipisten
liegt (in diese Richtung HANS-KASPAR STIFFLER, Sportunfall, insbesondere
Skiunfall, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Schaden - Haftung - Versicherung,
Basel u.a. 1999, N. 13.29). Eine Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht
über den engeren Pistenrandbereich hinaus wird bei besonderen, nicht
vermeidbaren Gefahren auch in Österreich und Deutschland befürwortet
(vgl. für Österreich: die am Rechtssymposium des Fachverbandes der
Seilbahnen geäusserten Thesen, besprochen bei REINDL/STABENTHEINER, aaO,
S. 405; PATRICK SCHENNER, Skiunfall! Wer haftet?, Frankfurt a.M. 2003, S.
57 ff.; für Deutschland: GERHARD DAMBECK, Piste und Recht, 3. Aufl.,
DSV-Schriftenreihe, Bd. 6/1996, N. 213; KARL-HEINZ HAGENBUCHER,
Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten als Ursache von Ski-
und Bergunfällen, München 1984, S. 91). Bei dem zwei Meter breiten
Randstreifen, in dem die Pistenbenützer vor Gefahren geschützt werden
müssen, handelt es sich nach dort vertretener Auffassung ebenfalls
nur um eine Richtgrösse im Rahmen des beweglichen Systems, welches die
für die Sicherungspflicht massgebenden tatsächlichen Umstände bilden.
In Ausnahmesituationen kann der von der Verkehrssicherungspflicht
erfasste Randbereich somit möglicherweise breiter als zwei Meter sein
(vgl. insbesondere REINDL/STABENTHEINER, aaO, S. 406; SCHENNER, aaO,
S. 57).

    2.5  Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
befand sich die Stelle, an welcher der Kläger abstürzte, zum Zeitpunkt
des Unfalls ungefähr zwölf Meter entfernt vom Pistenrand, wobei die
Piste ausgefahren und der Pistenrand daher nicht präzis auszumachen
war. Die Absturzgefahr lag somit nicht weit entfernt, aber jedenfalls
ausserhalb des gemäss den SKUS- und SVS-Richtlinien zu sichernden,
zwei Meter breiten Randbereichs. Gemäss der Vorinstanz lagen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die Skipiste, auf der sich der
Unfall ereignete, unvorsichtig, d.h. mit einer dem persönlichen Können
und den Gelände- und Schneeverhältnissen am Unfalltag nicht angepassten
Fahrweise, befahren hätte. Ein Selbstverschulden des Klägers muss daher
ausgeschlossen werden. Zu prüfen ist, ob besondere Umstände vorlagen,
welche die Beklagte zum Ergreifen von Schutzmassnahmen über den engeren
Pistenrandbereich hinaus verpflichtete.

    Die kantonalen Gerichte gehen in der Beurteilung der örtlichen
Verhältnisse übereinstimmend davon aus, dass im Zeitpunkt des
Unfallgeschehens keine besonders grosse oder atypische Gefahrenlage
bestand. Dem angefochtenen Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass
durch die Anlage der Piste in der näheren Umgebung der Unfallstelle ein
Absturzrisiko nicht ausgeschlossen war, da die Piste am Fuss des Zielhangs
gegen aussen geneigt war und der angrenzende Pistenrand keine Erhöhung
aufwies, welche einen in der Falllinie abrutschenden Pistenbenützer
vor dem Abgleiten über die Böschungskante in den Geländeeinschnitt
aufgehalten hätte. Nach Auffassung der Vorinstanz genügte die Piste den
Sicherheitsanforderungen, die unter den lokalen Gegebenheiten erwartet
werden konnten. Steile Abhänge und Böschungen seien für das alpine Gelände
charakteristisch. Deshalb führe es zu weit, von den Sportbahnunternehmen
zu verlangen, überall Abschrankungen anzubringen, wo das Gelände etwas
abseits der Piste steil abfällt. Es habe einer für die Beklagte nicht
vorhersehbaren Ausnahmesituation bedurft, dass der Kläger nach dem
Sturz auf der Piste direkt in den Geländeeinschnitt abgetrieben worden
sei. In diese Beurteilung der Vorinstanz greift das Bundesgericht nur
mit Zurückhaltung ein.

    Der Standpunkt der Vorinstanz, dass im alpinen Gelände überall mit
Absturzgefahren gerechnet werden muss und der zwölf Meter vom Pistenrand
entfernt liegende Geländeeinschnitt von daher keine besonders grosse oder
aussergewöhnliche Gefahr darstellte, ist vertretbar. Bei jeder Piste,
die nicht in der Falllinie einen Hang hinunterführt, sondern quer zum
Hang verläuft, fällt das Gelände jenseits des talseitigen Pistenrandes
ab. Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Piste im
Unfallbereich spezielle Tücken aufwies, welche die Wahrscheinlichkeit
eines Sturzes erhöht hätten. Lag aber keine besonders grosse oder
atypische Gefahr vor, war die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche
Sicherungsvorkehren zu treffen. Die Pistensicherungspflicht besteht nur
im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren. Es wäre unverhältnismässig
und nicht zumutbar, wenn bei quer zum Tal verlaufenden Pisten talseitig
durchgehende Sicherungen selbst gegen mehr als zwei Meter vom Pistenrand
entfernt liegende Absturzgefahren angebracht werden müssten. Der
Sicherungspflichtige haftet nicht für ein ganzes Schneesportgebiet
schlechthin (vgl. BGE 121 III 358 E. 4a S. 361; STIFFLER, Schneesportrecht,
aaO, N. 570). Gefahren, die einer Skiabfahrt als solcher eigen sind,
trägt der Pistenbenützer selbst. Dies gilt selbst dann, wenn er nicht
mit exzessiver Geschwindigkeit fährt oder sich auf eine vereiste Piste
begibt. Zu den dem Schneesport inhärenten Gefahren gehört auch das Risiko,
bei vereisten Pistenabschnitten die Kontrolle über die eigenen Skier zu
verlieren. Dass Pisten aufgrund der Witterungsverhältnisse vereisen, ist
nicht aussergewöhnlich und darf grundsätzlich nicht zu einer Verschärfung
der Haftung führen. Im vorliegenden Fall wies die Bezeichnung "FIS-Strecke"
den Kläger überdies unmissverständlich darauf hin, dass es sich bei
der betreffenden Piste um eine Wettkampfstrecke handelte, die erhöhte
Anforderungen an die Geschicklichkeit der Pistenbenützer stellte. Die
Vorinstanz hat ihr Sachverhaltsermessen somit nicht überschritten,
wenn sie davon ausgeht, der Unfall habe sich aufgrund einer Verkettung
unglücklicher Umstände zugetragen.

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz das Bundesrecht
nicht verletzte, indem sie es aufgrund der örtlichen Verhältnisse als
nicht erforderlich und als unzumutbar erachtete, Sicherheitsvorkehren zum
Schutz gegen die zwölf Meter vom Pistenrand entfernt liegende Absturzgefahr
zu ergreifen, und die Haftung der Beklagten aus Vertrag und aus Delikt
demzufolge verneinte.