Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 182



130 III 182

23. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. (Berufung)

    4C.233/2003 vom 26. November 2003

Regeste

    Art. 14 f. Pauschalreisegesetz; Art. 44 OR; Haftung für den Verlust
eines anvertrauten Koffers.

    Rechtsnatur der Haftung des Reiseveranstalters (E. 4).

    Der Konsument, der den Reiseveranstalter nicht über den besonders
hohen Wert eines anvertrauten Reisegepäckstücks orientiert, muss sich
ein Versäumnis im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz
vorwerfen lassen. Die Haftungsregelung von Art. 14 f. Pauschalreisegesetz
steht der Berücksichtigung eines blossen, den Kausalzusammenhang nicht
unterbrechenden Mitverschuldens des Konsumenten als Reduktionsgrund nicht
entgegen. Bemessung der Ersatzpflicht (E. 5).

Sachverhalt

    A.- A. (Klägerin) buchte im August 1999 bei der Einzelfirma X. (Inhaber
B. [Beklagter]) eine viertägige "Musik-Kreuzfahrt auf der Mosel". Die
Reisegruppe, die vom Beklagten als Reiseleiter begleitet wurde, fuhr am
21. Oktober 1999 mit der Eisenbahn nach Koblenz. Dort wurde das Gepäck
auf einen Handwagen geladen. Die Reisenden begleiteten diesen Wagen bis
zum wartenden Bus, wo das Gepäck eingeladen wurde, und führten mit dem
Bus eine kurze Stadtrundfahrt durch. Anschliessend unternahmen sie zu
Fuss einen Stadtrundgang. In der Zwischenzeit fuhr der Beklagte mit dem
Bus direkt zur Anlegestelle des Schiffes, wo das Gepäck von Angestellten
des Schifffahrtsbetriebs in die Kabinen der Reisenden gebracht werden
sollte. Das im Passagierraum des Busses zurückgelassene Handgepäck nahm
der Beklagte persönlich mit aufs Schiff.

    Rund zehn Minuten nach dem Bezug der Kabinen teilte der Begleiter
der Klägerin dem Beklagten mit, der Koffer der Klägerin, in dem sich
nach deren Angaben Kleider und Schmuck im Wert von mehr als Fr. 100'000.-
befunden hätten, sei gestohlen worden. Eine sofort eingeleitete Suche nach
dem vermissten Gepäckstück blieb erfolglos. Auch die Polizei konnte den
Täter nach der am gleichen Abend erhobenen Strafanzeige gegen Unbekannt
wegen Diebstahls nicht ermitteln. Die Klägerin setzte die Reise wie
geplant fort. Ihre Reisegepäckversicherung zahlte ihr Fr. 8'000.-.

    B.- Am 31. Januar 2001 belangte die Klägerin den Beklagten beim
Kantonsgericht Schaffhausen auf Bezahlung von Fr. 153'190.15 nebst
Zins. Das Gericht wies die Klage am 3. September 2001 ab.

    Auf Berufung der Klägerin hin bestätigte das Obergericht des Kantons
Schaffhausen diesen Entscheid mit Urteil vom 20. Juni 2003. Es verneinte
eine Haftung des Beklagten für den behaupteten Schaden der Klägerin,
weil diese ihn nicht über den unüblich hohen Wert des ihm anvertrauten
Gepäcks informiert hatte.

    C.- Die Klägerin beantragt mit eidgenössischer Berufung vom 22. August
2003, dieses Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Fr.
153'190.15 nebst Zins zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.  Die Vorinstanz hat zutreffend und unangefochten erkannt, dass
der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag dem schweizerischen
Recht untersteht (Art. 120 IPRG) und als Pauschalreisevertrag im Sinne
von Art. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen
(Pauschalreisegesetz; SR 944.3) zu qualifizieren ist. Im vorliegenden
Verfahren ist auch nicht mehr strittig, dass dieser Vertrag als
Nebenpflicht den Transport des Reisegepäcks vom Bahnhof Koblenz (zumindest)
bis auf das Schiff mitumfasste und dass der Beklagte als Reiseveranstalter
nach Art. 14 Pauschalreisegesetz grundsätzlich für die gehörige Erfüllung
dieser vertraglichen Nebenpflicht haftet (vgl. dazu ALESSANDRO MARTINELLI,
Die Haftung für Pauschalreisen, Diss. Basel 1997, S. 183).

    Die Klägerin begründet ihre Schadenersatzforderung im Wesentlichen
damit, dass der Beklagte den Vertrag hinsichtlich der Nebenpflicht, für den
Transport des Koffers zu sorgen, nicht gehörig erfüllt habe. Der Koffer
habe Kleider und Schmuck im Wert von rund Fr. 150'000.- enthalten und
sei gestohlen worden, als er sich im Verantwortungsbereich des Beklagten
befunden habe. Die Vorinstanz liess - entgegen den Vorbringen der Klägerin
- offen, wie es sich mit diesen tatsächlichen Behauptungen verhält, da
die Klage aus rechtlichen Gründen auch dann abzuweisen wäre, wenn vom
behaupteten Sachverhalt ausgegangen würde. Im Folgenden ist daher einzig
zu prüfen, ob die Vorinstanz die Schadenersatzforderung der Klägerin auf
dieser Grundlage bundesrechtskonform abgewiesen hat. Sollte dies nicht der
Fall sein, wäre die Sache zur Vornahme von verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen hinsichtlich der behaupteten, einen Ersatzanspruch in
bestimmter Höhe begründenden Sachverhaltselemente an die Vorinstanz
zurückzuweisen (Art. 64 OG).

Erwägung 4

    4.  Die Haftung des Reiseveranstalters ist in Art. 13
ff. Pauschalreisegesetz spezialrechtlich geregelt. Nach Art. 14
Pauschalreisegesetz haftet der Veranstalter oder der Vermittler, der
Vertragspartei ist, dem Konsumenten für die gehörige Vertragserfüllung,
unabhängig davon, ob er selbst oder andere Dienstleistungsträger die
vertraglichen Leistungen zu erbringen haben. Im Gegensatz zur allgemeinen
Bestimmung über die vertragliche Haftung in Art. 97 OR sieht diese
Norm keinen Wegfall der Haftung vor, wenn der Veranstalter beweist,
dass ihm kein Verschulden zur Last fällt. Allerdings sieht Art. 15
Pauschalreisegesetz verschiedene Entlastungsgründe vor, in deren Bereich
dem Reiseveranstalter der Sorgfaltsbeweis offen steht. Die Haftung des
Reiseveranstalters kann damit als einfache Kausalhaftung bezeichnet werden,
welche die Verletzung einer Sorgfaltspflicht präsumiert (vgl. dazu REY,
Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 880/894;
so auch FRANK, Kurzkommentar zum Bundesgesetz über Pauschalreisen,
Zürich 1994, N. 23 f. zu Art. 14 Pauschalreisegesetz; MARTINELLI,
aaO, S. 99 ff., 292; SANDRO HANGARTNER, Das neue Bundesgesetz über
Pauschalreisen, Diss. Zürich 1997, S. 147; vgl. dagegen ROBERTO, Basler
Kommentar, N. 4 f. zu Art. 14/15 Pauschalreisegesetz; derselbe, Das neue
Pauschalreisegesetz, recht 12/1994 S. 6 ff., 11 f. [nachfolgend zitiert
als ROBERTO, Pauschalreisegesetz]; MARCHAND, De l'helvético-compatibilité
de la loi fédérale du 18 juin 1993 sur les voyages à forfait, AJP 1994
S. 721 ff., 735 f.).

Erwägung 5

    5.  Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz sieht als
Entlastungsgrund vor, dass der Veranstalter dem Konsumenten dann nicht
haftet, wenn die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung des
Vertrages auf Versäumnisse des Konsumenten zurückzuführen ist (Art. 15
Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz).

    5.1  Die Vorinstanz hielt dafür, der Klägerin sei ein Versäumnis im
Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz vorzuwerfen, weil
sie den Beklagten nicht über den besonders hohen Wert ihres Reisegepäcks
informiert habe. Die Unterlassung dieser Information sei der Klägerin
analog zu Art. 447 OR als grobes Selbstverschulden anzurechnen und bilde
eine für den Schaden adäquate Ursache, die den adäquaten Kausalzusammenhang
zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem Schaden unterbreche. Da
der Klägerin der übliche Wert eines Gepäckstücks für eine entsprechende
viertägige Reise von ihrer Versicherung ersetzt worden sei, würde es am
Ergebnis auch nichts ändern, wenn bloss eine Reduktion der Haftung auf
den entsprechenden Umfang angenommen würde.

    5.2  Die Klägerin bestreitet, dass ihr ein Versäumnis im Sinne von
Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz vorzuwerfen sei. Sie habe,
im Gegensatz zum Absender beim Frachtvertrag, keine gesetzliche Pflicht
gehabt, den Beklagten über den Inhalt und den Wert des Koffers zu
orientieren. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Koffer
wegen seines hohen Wertes gestohlen worden sei. Das Versäumnis des
Reiseteilnehmers müsse nach Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz
der einzige Grund dafür sein, dass der Veranstalter seine vertraglichen
Pflichten nicht erfüllen konnte. Der Beklagte hätte indessen seine
vertraglichen Überwachungs- und Sorgfaltspflichten beim Transport des
Koffers unabhängig davon erfüllen können und müssen, ob er über den
wertvollen Inhalt informiert war.

    5.3  Der angefochtene Entscheid ist insoweit nicht zu beanstanden,
als die Vorinstanz im Umstand, dass die Klägerin den Beklagten nicht
über den ausserordentlich hohen Wert ihres Koffers informierte, ein
(schuldhaftes) Versäumnis der Klägerin sah. Wie die Klägerin geltend
macht, trifft es zwar zu, dass sich im Pauschalreisegesetz keine dem
Art. 441 OR entsprechende Vorschrift findet, die den Reisenden, wie den
Absender im Frachtvertragsrecht, ausdrücklich verpflichten würde, seinen
Vertragspartner über den besonders hohen Wert von anvertrauten Gegenständen
zu informieren. Indessen gehört es zu den generellen Pflichten des
Gläubigers, seinen Vertragspartner auf den mit Blick auf das konkrete
Vertragsverhältnis ausserordentlich hohen, jedoch für den Vertragspartner
nicht erkennbaren Wert einer anvertrauten Sache aufmerksam zu machen, mit
dem die Gefahr des Eintritts eines ungewöhnlich hohen Schadens verbunden
ist und der daher eine erhöhte Sorgfalt im Umgang mit ihr als angebracht
erscheinen lässt. Dieses Prinzip hat in Art. 441 OR in die gesetzliche
Regelung des Frachtvertragsrechts Eingang gefunden und wird in § 254 Abs. 2
BGB auch für das deutsche Recht ausdrücklich ausgesprochen (vgl. BGE 109
II 234 E. 2c; 46 II 116 E. 5; 33 II 420 E. 5; BREHM, Berner Kommentar,
N. 21 zu Art. 44 OR; BECKER, Berner Kommentar, N. 46 zu Art. 99 OR;
WEBER, Berner Kommentar, N. 258 und 261 zu Art. 99 OR; VON TUHR/PETER,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, Zürich 1979,
S. 112; VON STAUDINGER/SCHIEMANN, Kommentar, Berlin 1998, N. 74 ff. zu
§ 254 BGB). Nach den eigenen Angaben der Klägerin war es ihrem Koffer
nicht anzusehen, dass er besondere Werte enthielt. Der Beklagte musste
auch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis nicht
darauf schliessen, dass der Koffer Wertsachen in der geltend gemachten
Höhe enthielt, hatte er doch den Koffer als Nebenpflicht im Rahmen eines
Vertrages über eine bloss viertägige Reise zu transportieren. Es oblag
daher der Klägerin, dafür Sorge zu tragen, dass der Koffer nicht wie ein
gewöhnliches Reisegepäckstück behandelt werde, indem sie den Beklagten
auf dessen besonders wertvollen Inhalt aufmerksam machte. Dass sie dies
unterliess, durfte die Vorinstanz bundesrechtskonform als Versäumnis
im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz qualifizieren.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, der Beklagte
habe besondere Zusicherungen hinsichtlich der lückenlosen Überwachung
oder Einschliessung des zu transportierenden Gepäcks abgegeben, nach
welchen sie ihm ihr Gepäck ohne besondere Hinweise auf dessen Wert
habe anvertrauen dürfen, finden ihre Vorbringen in den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze. Da sie insoweit keine
substanziierte Sachverhaltsrüge im Sinne von Art. 63 Abs. 2 und Art. 55
Abs. 1 lit. c OG erhebt, ist sie damit nicht zu hören.

    5.4  Die Bestimmung von Art. 15 Abs. 1 lit.  a Pauschalreisegesetz
sieht eine Haftungsbefreiung des Veranstalters wegen Versäumnissen
des Konsumenten nur für den Fall vor, dass die Nichterfüllung
oder die nicht gehörige Erfüllung des Vertrages (allein) auf diese
Versäumnisse zurückzuführen ist. Mit anderen Worten muss das Versäumnis
der einzige Grund für die Nichterfüllung des Vertrages sein (MARCHAND,
aaO, S. 736). Diese Regelung entspricht weitgehend den Anforderungen an
eine Haftungsbefreiung wegen Unterbrechung des Kausalzusammenhangs nach
den allgemeinen Grundsätzen des Haftpflichtrechts (vgl. MARTINELLI, aaO,
S. 259). Danach unterbricht eine vom Geschädigten gesetzte Ursache den
adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der vom Schädiger gesetzten Ursache
und dem Schaden nur, wenn sie einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist,
dass die vom Schädiger gesetzte Ursache nach wertender Betrachtungsweise
als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint (BGE 116 II 519 E. 4b
S. 524; BREHM, aaO, N. 132 zu Art. 41 OR; REY, aaO, Rz. 552, je mit
Hinweisen). Entscheidend ist die Intensität der beiden Ursachen. Erscheint
die eine bei wertender Betrachtung als derart intensiv, dass sie die
andere gleichsam verdrängt und als unbedeutend erscheinen lässt, wird
eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs angenommen (BGE 116 II 519
E. 4b S. 524; vgl. auch BGE 127 III 453 E. 5d S. 457; 123 III 306 E. 5b
S. 314; 121 III 358 E. 5).

    Die Vorinstanz stellte im Rahmen ihrer Hauptbegründung aufgrund
der konkreten Umstände fest (Art. 63 Abs. 2 OG), dass der Beklagte
den Koffer der Klägerin speziell überwacht hätte, wenn er über dessen
wertvollen Inhalt informiert worden wäre. Es sei daher mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Koffer diesfalls unversehrt
ins Schiff gelangt wäre. Daraus schloss sie, die der Klägerin als grobes
Verschulden anzurechnende Unterlassung der Information habe den adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem Schaden
unterbrochen.

    Es erscheint allerdings fraglich, ob in der Unterlassung der Klägerin
schon deshalb die einzige rechtserhebliche Schadensursache gesehen werden
kann, weil das Gepäck mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unversehrt
aufs Schiff gelangt wäre, wenn die Klägerin den Beklagten über dessen Wert
informiert hätte. Mit der Klägerin ist zu bedenken, dass es dem Beklagten
grundsätzlich unabhängig davon, ob er um den wertvollen Inhalt des Koffers
gewusst hat, möglich gewesen wäre, den Vertrag gehörig zu erfüllen.
Eine Haftungsbefreiung nach Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz
setzt voraus, dass der Veranstalter seinen gesetzlichen bzw. vertraglichen
Pflichten einwandfrei nachgekommen ist (FRANK, aaO, N. 2 zu Art. 15
Pauschalreisegesetz; MARTINELLI, aaO, S. 255; MARCHAND, aaO, S. 736). Die
Frage kann hier allerdings mangels Entscheiderheblichkeit offen bleiben,
da die Vorinstanz die Klage mit einer weiteren Begründung abgewiesen hat,
die vor Bundesrecht standhält:

    5.5  Die Vorinstanz hat das Versäumnis der Klägerin im Rahmen
ihrer Eventualbegründung als Reduktionsgrund im Sinne von Art. 44 OR
berücksichtigt und die Haftung auf den üblichen Wert eines Reisekoffers
für die konkrete Reise reduziert. Auch in diesem Umfang wies sie die
Klage ab, da die Klägerin insoweit von ihrer Reisegepäckversicherung
entschädigt worden sei. Die Klägerin macht dagegen hauptsächlich geltend,
das Pauschalreisegesetz kenne keine Haftungsreduktion, sondern nur eine
volle oder keine Haftung. Im vorliegenden Fall hafte daher der Beklagte
für den vollen Schaden. Jedenfalls liege darin, dass die Klägerin den
Beklagten nicht auf den Wert des Koffers aufmerksam gemacht habe, kein
grobes Verschulden.

    5.5.1  Art. 15 Pauschalreisegesetz sieht lediglich den Wegfall der
Haftung des Reiseveranstalters aus abschliessend aufgezählten Gründen
vor, die der Veranstalter nicht zu vertreten hat (vgl. MARTINELLI,
aaO, S. 255). Er enthält indessen keine Regelung über die Bemessung des
Schadenersatzes für den hier gegebenen Fall, dass die nicht gehörige
Vertragserfüllung auch, aber nicht ausschliesslich auf einen Umstand
zurückzuführen ist, den der Veranstalter nicht zu vertreten hat,
wie namentlich ein Versäumnis des Konsumenten. Daraus darf aber nicht
geschlossen werden, dass ein verschuldetes Versäumnis des Konsumenten,
das nicht alleinige Ursache des Schadens ist, bei der Bemessung des
Schadenersatzes nicht zu berücksichtigen wäre (vgl. TERCIER, Les
contrats spéciaux, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 5733; HANGARTNER, aaO,
S. 154; vgl. auch MARCHAND, aaO, S. 736 sowie allgemein dazu REY, aaO,
Rz. 561 und 401 ff.). Es widerspräche einem allgemeinen Grundsatz
des Schadenersatzrechts, das Selbstverschulden des Geschädigten als
Reduktionsgrund nicht zu berücksichtigen (OFTINGER/STARK, Schweizerisches
Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, Zürich 1995, S. 385 Fn. 28
mit Hinweis auf BGE 42 II 389 E. 3 S. 397). Die Bestimmung über die
Herabsetzung der Haftung in Art. 44 OR ist, weil auf Billigkeitserwägungen
beruhend, nicht singulärer Natur und daher der analogen Anwendung fähig
(BECKER, aaO, N. 12 zu Art. 44 OR). Ein "alles oder nichts-Prinzip"
bei der Bemessung des Schadenersatzes ist dem schweizerischen Recht
fremd und kann vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein, indem er
sich über die Möglichkeit einer blossen Reduktion der Haftung des
Reiseveranstalters ausschwieg; dabei ist zu berücksichtigen, dass das
Pauschalreisegesetz unter erheblichem Zeitdruck verabschiedet werden
musste, woraus sich gewisse Unklarheiten und Systemwidrigkeiten in den
Bestimmungen erklären lassen (vgl. FRANK, aaO, Vorbemerkungen N. 19;
ROBERTO, Pauschalreisegesetz, aaO, S. 7).

    Das Pauschalreisegesetz wurde in Umsetzung der Richtlinie Nr. 90/314
des EWG Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158 vom
23. Juni 1990, S. 59 ff.) im Rahmen des "Swisslex-Programms" erlassen und
enthält autonom nachvollzogenes europäisches Recht (Botschaft I über die
Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht vom 27. Mai 1992 ["Eurolex"],
BBl 1992 V 1, S. 756 ff.; Botschaft über das Folgeprogramm nach der
Ablehnung des EWR-Abkommens vom 24. Februar 1993 ["Swisslex"], BBl 1993
I 805 ff. und II 999 ff.; vgl. dazu auch ROBERTO, Basler Kommentar,
N. 1 zu Art. 1 Pauschalreisegesetz; MARTINELLI, aaO, S. 15). Es ist
daher in Zweifelsfällen europarechtskonform auszulegen (vgl. BGE 129
III 335 E. 5.1 und 6 S. 350). Auch eine entsprechende Auslegung spricht
nicht gegen eine Berücksichtigung des Mitverschuldens des Konsumenten
als Herabsetzungsgrund: Aus Art. 5 der Richtlinie, der einen Auftrag an
die Mitgliedstaaten zum Erlass einer minimalen Haftungsregelung enthält
(vgl. FRANK, aaO, Vorbemerkungen, N. 14; ROBERTO, Pauschalreisegesetz,
aaO, S. 7), ergibt sich, dass es dem europäischen Gesetzgeber aus Gründen
des Verbraucherschutzes bzw. dessen Angleichung in den Mitgliedstaaten
in erster Linie ein Anliegen war, dass der Veranstalter dem Konsumenten
gegenüber die Haftung für die ordnungsgemässe Erfüllung der vertraglichen
Verpflichtungen unabhängig davon übernehmen muss, ob er selbst oder
andere Dienstleistungsträger diese Verpflichtungen zu erfüllen haben
(MARTINELLI, aaO, S. 61). Er behielt dabei einen Ausschluss der Haftung
aus Gründen vor, die der Veranstalter nicht zu vertreten hat, wie sie
in Art. 15 Abs. 1 Pauschalreisegesetz sinngemäss Eingang gefunden haben
(vgl. auch § 651f des deutschen BGB). Dafür, dass die Mitgliedstaaten
daran gehindert wären, eine vom Konsumenten gesetzte blosse Mitursache
des Schadens als Haftungsreduktionsgrund zu berücksichtigen, enthält die
Richtlinie keine Anhaltspunkte. Auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung
schliessen dementsprechend die Berücksichtigung eines Mitverschuldens
des Reisenden am Mangel der Reise nicht aus (vgl. VON STAUDINGER/ECKERT,
Kommentar, Berlin 2003, N. 15/19 zu § 651f BGB; ECKHART PICK, Reiserecht,
Kommentar zu den §§ 651a - §§ 6511 BGB, München 1995, N. 131 ff. zu § 651f
BGB). Es ist somit davon auszugehen, dass der Schweizer Gesetzgeber eine
Berücksichtigung von blossem Mitverschulden nicht ausgeschlossen hat, zumal
er nur das von der Richtlinie minimal Geforderte ins Pauschalreisegesetz
übernahm (HANGARTNER, aaO, S. 3; MARTINELLI, aaO, S. 17; vgl. auch BBl
1992 V 10 f., S. 761)

    5.5.2  Damit bleibt zu prüfen, ob die von der Vorinstanz vorgenommene
Herabsetzung der Ersatzpflicht auf den üblichen Wert eines Koffers für
die konkrete Reise bzw. auf Fr. 8'000.- vor Bundesrecht standhält. Die
Bemessung der Herabsetzung beruht weitgehend auf der Ausübung gerichtlichen
Ermessens im Sinne von Art. 4 ZGB. Bei solchen Entscheiden steht
dem kantonalen Gericht ein weiter Ermessensspielraum zu, in den das
Bundesgericht gemäss ständiger Praxis nur mit Zurückhaltung eingreift
(BGE 123 III 10 E. 4c/aa S. 13 und 306 E. 5b S. 314; vgl. auch BGE 129 III
380 E. 2 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall besteht dafür kein Anlass.

    Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, indem sie in der
Unterlassung der Klägerin, den Beklagten über den Wert des Kofferinhalts
zu informieren, ein grobes Selbstverschulden sah (vgl. zum Begriff des
groben Verschuldens REY, aaO, Rz. 857). Die Klägerin sorgte nicht dafür,
dass ihr Koffer anders als ein gewöhnliches Reisegepäckstück behandelt
werde, indem sie es unterliess, den Beklagten auf den besonders hohen,
für diesen nicht erkennbaren Wert seines Inhalts aufmerksam zu machen
(vgl. dazu die vorstehende Erwägung 5.3). Damit hat sie die Ergreifung
einer Vorsichtsmassnahme unterlassen, die sich jedem vernünftigen
Menschen in der gleichen Lage aufdrängen muss. Es ist namentlich auch
nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanz bei der Qualifikation des
Verschuldens an Art. 447 OR orientierte, nach dem eine entsprechende
Unterlassung des Absenders als ein Verschulden gewertet wird, das die
Haftung des Frachtführers entfallen lässt. Soweit die Klägerin auf der
anderen Seite geltend macht, den Beklagten treffe am Verlust des Koffers
ein grobes Verschulden, das über die in Art. 14 Pauschalreisegesetz
präsumierte Sorgfaltspflichtverletzung hinausgeht, finden ihre Ausführungen
in den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils keine Stütze
und ist sie nicht zu hören (vgl. die Erwägung 5.3 vorne). Die Vorinstanz
hat ihr Ermessen in keiner Weise unrichtig ausgeübt, indem sie die Haftung
des Beklagten auf den Betrag reduzierte, der dem üblichen Wert eines
Koffers für die konkrete Reise entspricht. Damit wird dem Gedanken Rechnung
getragen, dass der Beklagte nach Treu und Glauben nicht zu erwarten hatte,
im Rahmen der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen Gepäckstücke
von höherem Wert transportieren und dafür das Verlustrisiko übernehmen
zu müssen.

    Die Klägerin beanstandet allerdings, dass die Vorinstanz den
üblichen Wert des Koffers für eine entsprechende Musikreise mit drei
Übernachtungen und Vollpension zum Preis von Fr. 1'720.- auf maximal
Fr. 8'000.- festgesetzt hat. Zu Unrecht. Soweit in der Festlegung des
üblichen Wertes des Koffers nicht ohnehin eine tatsächliche Feststellung
liegt, an die das Bundesgericht gebunden wäre, sondern ein Schluss aus
der allgemeinen Lebenserfahrung, den das Bundesgericht im Rahmen der
Berufung frei überprüfen kann (BGE 126 III 10 E. 2b S. 12; 117 II 256
E. 2b, je mit Hinweisen), ist der vorinstanzliche Entscheid insoweit
jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin macht geltend, ein einziges
Schmuckstück koste schnell zwischen Fr. 5'000.- und Fr. 30'000.-, und
auch Kleidungsstücke in der Preisklasse zwischen Fr. 500.- und Fr. 3'000.-
seien keine Seltenheit. Damit vermag sie keine Bundesrechtsverletzung
nachzuweisen. Sie verkennt, dass es zum Allgemeinwissen jedes Reisenden
gehört, dass wertvoller Schmuck oder andere Wertsachen auf einer
Reise nicht im Koffer, sondern im Handgepäck mitgeführt werden sollten
(vgl. entsprechend VON STAUDINGER/ECKERT, aaO, N. 15 zu § 651f BGB).
Entsprechende Werte sind daher bei der Bestimmung des üblichen Wertes
eines Koffers nicht zu berücksichtigen.

    5.5.3  Dass die Vorinstanz die Klage auch im Umfang von Fr. 8'000.-
abgewiesen hat, da die Klägerin insoweit von ihrer Versicherung entschädigt
worden sei, beanstandet die Klägerin zu Recht nicht als bundesrechtswidrig
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; vgl. dazu PETER BECK, in: Münch/Geiser [Hrsg.],
Schaden - Haftung - Versicherung, Basel 1999, S. 269 Rz. 6.81).