Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 130 III 168



130 III 168

21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. gegen Y. AG
(Berufung)

    4C.117/2003 vom 5. September 2003

Regeste

    Urheberrechtsschutz für eine Fotografie (Art. 2 URG).

    Urheberrechtlicher Werkbegriff: Merkmale des individuellen Charakters
und der geistigen Schöpfung (E. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- Der am 6. Februar 1945 in Jamaika geborene und am 11. Mai
1981 in Miami verstorbene Bob Marley war ein weltweit bekannter Sänger
von Reggae-Musik. Im Jahre 1978 gab er zusammen mit seiner Gruppe ein
Open-Air-Konzert in Santa Barbara in Kalifornien. Der Schweizer Fotograf X.
besuchte dieses Konzert und machte mehrere fotografische Aufnahmen. Eines
dieser Schwarzweissfotos zeigt Bob Marley von der linken Seite vor
unscharfem Hintergrund. Sichtbar ist der Oberkörper des Sängers, der in der
linken Hand ein Mikrofon nahe vor den geöffneten Mund hält. Auffallend ist
die Frisur von Bob Marley, dessen Haare ungefähr einen Viertel des ganzen
Fotos ausfüllen. Die schwarzen langen Haare sind in zahlreiche Strähnen
(Rasta-Locken) gedreht, die - aufgrund einer schnellen Kopfbewegung -
konzentrisch vom Kopf abstehen und so an die Umrisse des Wurzelstocks eines
Baumes erinnern. Eine dieser Strähnen befindet sich etwa auf Augenhöhe in
horizontaler Lage und wirft einen vom Ohr bis zur Nasenspitze reichenden,
relativ breiten schwarzen Schatten auf das sonst hellfarbige Gesicht
des Sängers.

    Das beschriebene Foto wurde von X. unter Umständen, die zwischen den
Parteien streitig sind, der Keystone Press AG übergeben und bei deren
Niederlassung in London archiviert. Nachdem die Londoner Niederlassung von
"The Hulton-Deutsch Collection" übernommen worden war, überliess diese
das Foto der Y. AG mit Sitz im Kanton Zürich zur Herstellung von Postern.

    B.- Im September 2000 erhob X. beim Obergericht des Kantons Zürich
Klage gegen die Y. AG mit verschiedenen auf das Urheberrecht abgestützten
Begehren.

    Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie erhob verschiedene
rechtliche und tatsächliche Einwände sowie die Einrede der Verjährung. Mit
Urteil vom 13. März 2003 wies das Obergericht die Klage ab. In der
Urteilsbegründung erklärte es die Einrede der Verjährung für unbegründet
und nahm zu den rechtlichen Einwänden der Beklagten insoweit Stellung,
als es sich deren Auffassung anschloss, dass dem Foto des Klägers keine
Werkqualität im Sinne von Art. 2 URG (SR 231.1) zukomme.

    C.- Mit Berufung beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil
des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung und zur
Behandlung der gestellten Rechtsbegehren an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das
angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.  Gemäss Art. 2 URG sind Werke geistige Schöpfungen der
Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben, wobei es auf
deren Wert und Zweck nicht ankommt (Abs. 1). Zu diesen Werken gehören
gemäss Gesetz insbesondere auch fotografische, filmische und andere
visuelle oder audiovisuelle Werke (Abs. 2 lit. g). In der Botschaft des
Bundesrates vom 19. Juni 1989 zum Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober
1992 (BBl 1989 III 477 ff., S. 520 f.) wird darauf hingewiesen, dass der
Werkbegriff im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten über die literarischen und
künstlerischen Ausdrucksformen hinaus auf sämtliche geistige Schöpfungen
mit individuellem Charakter ausgedehnt, dann aber aufgrund von in der
Vernehmlassung erhobener Kritik auf Schöpfungen im Gebiet von Literatur
und Kunst eingeschränkt worden sei. Es wird zudem festgehalten, dass
die Definition auf den von der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung
entwickelten Abgrenzungskriterien aufbaue und somit im Vergleich zum
alten Urheberrechtsgesetz nichts am Anwendungsbereich des Urheberrechts
geändert worden sei (ebenso Urteil des Bundesgerichts 4C.448/1997 vom
25. August 1998, E. 3, publ. in: sic! 2/1999 S. 119 ff.; BARRELET/EGLOFF,
Das neue Urheberrecht, 2. Aufl., Bern 2000, N. 1 und 2 zu Art. 2 URG).

    4.1  In der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum früheren
Urheberrechtsgesetz wurde das urheberrechtlich geschützte Werk als
"eigenartige Geistesschöpfung von individuellem Gepräge" definiert,
wobei die Gestaltung des Werkes "der Ausdruck einer neuen, originellen
geistigen Idee oder die Verkörperung eines Gedankens ist, für die es
einer individuellen geistigen Idee bedurfte" (BGE 106 II 71 E. 2a; 75 II
355 E. 2a S. 359 f., je mit Hinweisen). Wiederholt wurde festgehalten,
dass der ästhetische Wert und die Bedeutung des Werkes weder zu beurteilen
noch zu berücksichtigen seien (BGE 110 IV 102 E. 2; 106 II 71 E. 2a; 75
II 355 E. 2a S. 360). Neuere Entscheide wiesen schliesslich darauf hin,
dass an das Mass der geistigen Leistung, an den Grad der Individualität
oder Originalität nicht stets gleich hohe Anforderungen zu stellen seien;
das verlangte individuelle Gepräge hänge vielmehr vom Spielraum des
Schöpfers ab; wo ihm von vornherein der Sache nach wenig Raum bleibe,
werde der urheberrechtliche Schutz schon gewährt, wenn bloss ein geringer
Grad selbständiger Tätigkeit vorliege (BGE 113 II 190 E. 2a S. 196 mit
Hinweisen; 117 II 466 E. 2a S. 468).

    4.2  In der Lehre bildete das Aufkommen der modernen Kunst Anlass,
die in der Rechtsprechung und in der damaligen schweizerischen Literatur
verwendete Definition des urheberrechtlich geschützten Werkes in
bestimmten Teilen in Frage zu stellen. Kritisiert wurde vor allem
die Voraussetzung der "eigenartigen Schöpfung" bzw. der "persönlichen
Prägung" und die Berücksichtigung der Umstände bei der Entstehung des
Werkes. Die Diskussion über den urheberrechtlichen Werkbegriff wurde
massgebend angeregt von MAX KUMMER, der in seiner im Jahre 1968 erschienen
Monografie "Das urheberrechtlich schützbare Werk" die Auffassung vertrat,
dass der urheberrechtliche Schutz in Bezug auf den erforderlichen Abstand
zu bereits Bestehendem allein von einer bestimmt verstandenen, als
"statistische Einmaligkeit" bezeichneten (S. 38 und S. 80) Individualität
des Werkes selbst abhängig zu machen sei. Dieser Auffassung hat sich die
schweizerische und zum Teil auch die ausländische Lehre angeschlossen
(vgl. ALOIS TROLLER, Die Bedeutung der statistischen Einmaligkeit im
urheberrechtlichen Denken, in: Recht und Wirtschaft heute, Festschrift
Kummer, Bern 1980, S. 268 ff.; ELMAR HEIM, Die statistische Einmaligkeit im
Urheberrecht de lege lata und de lege ferenda, Diss. Freiburg 1971, S. 28
ff.; KARSTEN SCHMIDT, Urheberrechtlicher Werkbegriff und Gegenwartskunst -
Krise oder Bewährung eines gesetzlichen Konzepts? -, Archiv für Urheber-
Film- Funk- und Theaterrecht [UFITA] 77/1976 S. 1 ff., 22 ff.).

    4.3  Der Begriff der statistischen Einmaligkeit hat auch Eingang
in die Rechtsprechung kantonaler Gerichte gefunden; insbesondere
bei der Beurteilung der Werkqualität von Fotografien. So verweigerte
das Obergericht des Kantons Zürich im Jahre 1983 der fotografischen
Abbildung eines leicht nach vorne gebeugten und sich auf einen
Tisch stützenden Mannes, der ein Aktenstück in der Hand hält,
den Urheberrechtsschutz. Dieser Aufnahme fehle die statistische
Einmaligkeit. Weder im Gesicht des Mannes noch in seiner Haltung komme
etwas Besonderes zum Ausdruck. Bildausschnitt und Proportionen seien
alltäglich, der Aufnahmewinkel normal; ebenso bestünden keine besonderen
Lichteffekte oder Farbzusammensetzungen (Urteil des Obergerichts Zürich
vom 30. Juni 1983, publ. in: SMI 1985 S. 221 ff.).

    Demgegenüber wurde, ebenfalls unter Bezugnahme auf das Kriterium der
statistischen Einmaligkeit, in einem St. Galler Entscheid die Werkqualität
einer Porträtfotografie bejaht. Nach diesem Urteil ist die statistische
Einmaligkeit bei einer Fotografie anhand der gestalterischen Elemente wie
spezifische Beleuchtung, Kontraste, Tiefenschärfe, Motivwahl, Lichtführung,
Wahl des Ausschnittes oder der Perspektive, Wahl oder Zusammenstellung
einzelner abgebildeter Objekte oder Verhältnis zwischen Lichtkontrasten zu
bestimmen. Bei der beurteilten Porträtaufnahme bejahte das Kantonsgericht
die Werkqualität mit der Begründung, die Lichtverhältnisse und die
Lichtkontraste, insbesondere die Tiefenschärfe, liessen - abgesehen vom
Eindruck, den das Objekt selbst erwecke - deutlich erkennen, dass nicht
einfach ein Schnappschuss, ein banales mechanisches Knipsen zur Diskussion
stehe, sondern ein entsprechender Gestaltungswille der Fotografin zum
Ausdruck komme (Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 24. November
1999, publ. in: sic! 3/2000 S. 188 ff.).

    4.4  Der Begriff der statistischen Einmaligkeit wurde auch in Urteilen
des Bundesgerichts aus den Jahren 1987 und 1993 verwendet. Darin wurde
festgehalten, dass Originalität und Individualität oder statistische
Einmaligkeit als Wesensmerkmale des geschützten Werkes zu betrachten
seien (Urteil C.273/1986 vom 26. Januar 1987, E. 2, publ. in: SMI 1989
S. 68 ff.; Urteil 6S.694/1992 vom 2. März 1993, E. 3b, in französischer
Übersetzung abgedruckt in JdT 1996 I 242 ff.). Ähnliche Formulierungen -
allerdings ohne Erwähnung der "statistischen Einmaligkeit" - finden sich
in anderen Urteilen des Bundesgerichts, und zwar auch in solchen, die in
Anwendung des revidierten Urheberrechtsgesetzes ergangen sind (vgl. BGE
125 III 328 E. 4b S. 331; Urteil 4C.86/2000 vom 13. Juni 2000, E. 3c/bb,
publ. in: sic! 8/2001 S. 729). Soweit in den beiden zuletzt zitierten
Urteilen der Begriff der Originalität verwendet wird, ist indessen zu
beachten, dass die Legaldefinition des revidierten Gesetzes den Schutz
ausschliesslich vom individuellen Charakter des Werkes abhängig macht und
sich insoweit an die Auffassung KUMMERS anlehnt. Originalität im Sinne
einer persönlichen Prägung durch den Urheber ist nach dem revidierten
Gesetz nicht erforderlich. Zudem wird vorausgesetzt, dass der individuelle
Charakter im Werk selbst zum Ausdruck kommt (BBl 1989 III 521). Massgebend
ist die Werk-Individualität und nicht die Urheber-Individualität (SCHMIDT,
aaO, S. 10 und 22). In diesem Sinne ist die bereits zitierte Äusserung
in der Botschaft (oben E. 4) zu relativieren, dass das revidierte Gesetz
hinsichtlich der Umschreibung des Werkbegriffs auf den Abgrenzungskriterien
der damaligen Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichts aufbaue.

    4.5  Wesensmerkmal des urheberrechtlich geschützten Werkes ist
neben dem individuellen Charakter das Vorliegen einer geistigen
Schöpfung der Literatur oder Kunst. Als geistige Schöpfung muss
das Werk auf menschlichem Willen beruhen; es muss Ausdruck einer
Gedankenäusserung sein (BBl 1989 III 521). Bei der Fotografie ist diese
Anforderung problematisch, weil der mechanische, durch den Fotoapparat
geleistete Anteil an der Erzeugung und Individualisierung des Werkes den
menschlichen Anteil überwiegen kann. Die Fotografie wird deswegen in der
Literatur als Sorgenkind des Urheberrechts bezeichnet. MAX KUMMER hat
erfolglos die Schaffung eines Sonderrechtes für die Fotografie gefordert
(aaO, S. 210 f.; ebenso HAENNI, Le photographe et ses droits d'auteur,
S. 10). Andere Autoren vertreten dagegen die Auffassung, die Eigenheit
der Fotografie, mechanisches Abbild der Wirklichkeit zu sein (so die
Formulierung von KUMMER, aaO, S. 208), stehe der Anwendung der Regeln
des Urheberrechtsgesetzes, das die Fotografie in Art. 2 Abs. 2 lit. g
ausdrücklich unter den geschützten Werken erwähnt, nicht entgegen. Nach
ALOIS TROLLER bestehen bei der Fotografie Gestaltungsmöglichkeiten,
welche zu einer individuellen, geschützten Abbildung führen können.
Entscheidend ist nach seiner Auffassung die statistische Einmaligkeit
der Bildgestaltung und nicht jene des Vorhandenseins eines Ereignisses
oder einer Sache. Gemäss schweizerischem Recht seien, was oft übersehen
werde, nur die individuellen Werke der Fotografie geschützt, nicht aber
blosse Lichtbilder, die auch andere in gleicher Weise zustande brächten
(Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., Basel 1983, S. 387). Ähnliche
Äusserungen finden sich bei anderen Autoren und Autorinnen. Es besteht
in der Literatur insoweit Einigkeit, als einerseits banale Knipsbilder
vom Schutz ausgeschlossen werden und andererseits die Möglichkeit, der
Fotografie individuellen Charakter zu verleihen, in deren Gestaltung
gesehen wird, zum Beispiel durch die Wahl des abgebildeten Objekts,
des Bildausschnitts und des Zeitpunkts des Auslösens, durch den
Einsatz eines bestimmten Objektivs, von Filtern oder eines besonderen
Films, durch die Einstellung von Schärfe und Belichtung sowie durch
die Bearbeitung des Negativs (BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht,
2. Aufl., Bern 2000, N. 19 zu Art. 2 URG; VON BÜREN, in: Schweizerisches
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, Basel 1995, S. 109 f.;
REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl., Bern 2000, S. 98
f.; ACKERMANN/BURI, Der Fotografenvertrag als Konsumentengeschäft,
in: recht 16/1998 S. 144 ff., 152 f.; HUG KETTMEIR, Urheberrecht an der
Fotografie nach schweizerischem Recht, UFITA 136/1998 S. 151 ff., 161 f.;
MACCIACCHINI, Urheberrecht vs. Meinungsfreiheit am Beispiel der Fotografie,
in: Medialex 2002 S. 24 ff., 27; KAMEN TROLLER, Manuel du droit suisse
des biens immatériels, Bd. I, 2. Aufl., Basel 1996, S. 293). Im Übrigen
wird in der Lehre zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung
einer Fotografie als Schnappschuss, soweit sie als Beschreibung eines
fototechnischen Vorgangs gemeint ist, nichts über deren urheberrechtliche
Schützbarkeit aussagt (VON BÜREN, aaO, S. 110). Das leuchtet bereits
darum ein, weil andernfalls jede fotografische Abbildung eines sich
schnell bewegenden Objektes vom Urheberrechtsschutz ausgenommen wäre.
Überdies kann auch die gedankliche Vorbereitung eines Schnappschusses im
Sinne einer Zurechtlegung vor dem geistigen Auge oder die reflektierte
Auswahl einer Fotografie aus einer Reihe von Schnappschüssen eine
geistige Leistung darstellen und, sofern sich diese im Werk niederschlägt,
urheberrechtlichen Schutz begründen.

Erwägung 5

    5.

    5.1  Wie bereits festgehalten wurde, ist die Vorinstanz zum Ergebnis
gekommen, dass der Kläger die an sich bestehenden fotografischen
Gestaltungsmittel nicht in einmaliger Weise eingesetzt hat. Nach ihrer
Auffassung ist für die Erzielung eines guten Ergebnisses nicht mehr als
die Fertigkeit eines geübten Fotografen erforderlich gewesen. Damit hat
die Vorinstanz indessen nur eine von mehreren nach der vorangehenden
Erwägung gegebenen Möglichkeiten in Betracht gezogen, der Fotografie
individuellen Charakter zu verleihen. Welche fototechnischen Mittel
zur Gestaltung der Fotografie eingesetzt worden sind, kann nicht
allein entscheidend sein. Massgebend ist das erzielte Ergebnis, das
für sich selbst der Anforderung gerecht werden muss, Ausdruck einer
Gedankenäusserung mit individuellem Charakter zu sein. Soweit in
der Lehre die Gestaltungsmöglichkeiten anhand der fototechnischen
Mittel exemplifiziert werden (oben E. 4.5), ist das nicht anders
zu verstehen. Die Benutzung einer bestimmten Technik führt nicht
automatisch zum Urheberrechtsschutz. Andererseits gilt aber auch, dass
eine Fotografie nicht grundsätzlich vom Schutz ausgenommen werden darf,
weil keine besonderen fototechnischen Mittel verwendet worden sind,
wie am Beispiel des Schnappschusses bereits erörtert worden ist. Dass
es dem Kläger als gewöhnlichem Zuschauer und Zuhörer des Konzertes
von Bob Marley nicht möglich war, die fotografischen Aufnahmen mit
diesem zu inszenieren, kann sich deshalb nicht zu Ungunsten des Klägers
auswirken. Übertriebene Anforderungen stellt die Vorinstanz schliesslich
auch, wenn sie verlangt, dass der Kläger den Schnappschuss auf eine
so besondere Art hätte planen müssen, dass er wegen dieser Planung als
geistige Schöpfung mit individuellem Charakter erscheinen würde. Diese
Auffassung widerspricht dem Prinzip, dass die Fotografie für sich allein,
unabhängig von den Umständen ihrer Entstehung zu beurteilen ist (BBl 1989
III 521). Das Vorliegen einer solchen Planung wird im Übrigen selten
aus der Fotografie selbst ersichtlich sein. Zusammenfassend ist somit
festzuhalten, dass das Obergericht bei der Beurteilung der Werkqualität
auf Grundsätze abgestellt hat, die dem Bundesrecht widersprechen.

    5.2  In anderer Hinsicht ist dem Obergericht dagegen zuzustimmen. Es
hält fest, dass die Fotografie von Bob Marley ansprechend und
interessant sei, und bezeichnet als Grund dafür die besondere Mimik
und Haltung des Abgebildeten, vor allem die fliegenden Rasta-Locken
und ihre an eine Skulptur gemahnenden Formen, wobei ein besonderer
Akzent durch den Schatten gesetzt werde, den eine horizontal fliegende
Locke auf das Gesicht werfe. Damit hat das Obergericht selbst gerade
die wesentlichen Merkmale herausgearbeitet, welche der Fotografie des
Klägers individuellen Charakter verleihen. Anzufügen ist noch, dass auch
die Anordnung der einzelnen Bildkomponenten und der jeweilige Raum,
den sie im Verhältnis zueinander ausfüllen, ebenso wie die Verteilung
von Licht und Schatten zur individuellen Gestaltung der Fotografie
beitragen. Dazu kommt schliesslich, dass auch die Schutzvoraussetzung
des Wirkens eines menschlichen Gestaltungswillens erkennbar ist. Dieser
manifestiert sich in der Wahl des Bildausschnittes und dem Zeitpunkt des
Auslösens der Bildaufnahme während eines bestimmten Bewegungsablaufs des
Sängers. Aus diesen Gründen ist die vom Kläger aufgenommene Fotografie
als urheberrechtlich geschütztes Werk, als geistige Schöpfung der Kunst
mit individuellem Charakter im Sinne von Art. 2 URG zu beurteilen. Das
angefochtene Urteil, das zum gegenteiligen Ergebnis kam, ist aufzuheben.