Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 V 425



129 V 425

65. Auszug aus dem Urteil i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen
Einwohnergemeinde X. und Obergericht des Kantons Schaffhausen

    H 335/02 vom 10. September 2003

Regeste

    Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV: Begriff der soldähnlichen Vergütungen in
öffentlichen Feuerwehren.

    Rz 2116 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über den
massgebenden Lohn (WML) ist insoweit nicht mit Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV
vereinbar, als sie Sold-Zuschläge für den Ernstfall als massgebenden Lohn
bezeichnet. Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV lässt eine Unterscheidung zwischen
Übungs- und Ernstfallsold nicht zu.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Gemäss Art. 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung (AHVG) wird vom Einkommen aus unselbstständiger
Erwerbstätigkeit (massgebender Lohn) ein Beitrag erhoben. Als massgebender
Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte
oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 AHVG). Nicht
zum Erwerbseinkommen gehören u.a. der Militärsold, die Funktionsvergütung
des Zivilschutzes sowie die soldähnlichen Vergütungen in öffentlichen
Feuerwehren, Jungschützenleiterkursen und Leiterkursen von "Jugend
und Sport" (Art. 6 Abs. 2 lit. a der Verordnung über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung [AHVV] in der seit 1. Januar 1988 geltenden
Fassung).

    Rz 2116 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV)
über den massgebenden Lohn (WML) bestimmt, dass Sonderentschädigungen,
wie die Pauschale für den Kommandanten oder Zuschläge für den Ernstfall,
im Gegensatz zum Feuerwehrsold massgebenden Lohn darstellen.

Erwägung 3

    3.  Streitig und zu prüfen ist, inwieweit die Entschädigungen an die
Angehörigen des Wehrdienstes der Einwohnergemeinde X. in den Jahren 1999
und 2000 als beitragspflichtiger massgebender Lohn zu qualifizieren sind.

    3.1  Gemäss dem während des interessierenden Zeitraums geltenden
Stadtratsbeschluss vom 28. August 1990 werden den Angehörigen der Feuerwehr
ein Übungssold, der sich abhängig vom Grad auf Fr. 15.- bis Fr. 25.-
beläuft, ein Brandsold, der für die erste Stunde Fr. 30.- und für jede
weitere Stunde Fr. 25.- beträgt, sowie ein Retablierungssold von Fr. 20.-
ausgerichtet. Die Ausgleichskasse ging bei Erlass der Verfügungen vom 19.
Juli 2001 davon aus, der Übungssold stelle eine soldähnliche Vergütung
im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV dar und sei dementsprechend nicht
beitragspflichtig. Demgegenüber unterliege der Brandsold als "Zuschlag
für den Ernstfall" im Sinne von Rz 2116 WML der Beitragspflicht.

    3.2  Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, das Eidgenössische
Versicherungsgericht habe schon früh entschieden, der Gradsold für den
Feuerwehrdienst sei kein Erwerbseinkommen im Sinne des Gesetzes und daher
beitragsfrei. Das einem Versicherten für die Erfüllung einer öffentlichen
Bürgerpflicht ausgerichtete Entgelt sei kein Erwerbseinkommen. Dies
gelte auch für Sold, welchen Feuerwehrmänner für die Leistung von
Verkehrsordnungsdienst in der Gemeinde erhielten, und überdies auch für
Soldleistungen an Angehörige des Materialdienstes. Für die Qualifikation
einer Entschädigung als beitragsfreier Feuerwehrsold sei lediglich
massgebend, ob die entschädigte Tätigkeit im Rahmen der nebenamtlichen
Feuerwehrdienstpflicht im öffentlichen Interesse ausgeübt werde und
insoweit nicht auf Erwerb ausgerichtet sei. Auf die Art des Einsatzes
komme es nicht an. Ebenso unwesentlich sei, ob die Entschädigung nach dem
Funktionsgrad oder nach Stunden berechnet oder allenfalls als Pauschale
ausgerichtet werde. Der Begriff "soldähnlich" (Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV)
lasse vielmehr ohne weiteres darauf schliessen, dass im Feuerwehrbereich
weiterhin nicht nur der Sold im engeren Sinn, sondern generell die nach
allgemeinen Ansätzen ausgerichteten Entschädigungen für die Aufgaben der
Wehrdienste beitragsfrei seien. Inwiefern Ernsteinsätze anders behandelt
werden sollten als die Ansätze für Übungen, sei unerfindlich.

    3.3  Demgegenüber macht das BSV geltend, die von der Stadt
X. ausgerichteten Entschädigungen erfüllten die Anforderungen an
Erwerbseinkommen. Nach neuerer Auffassung könne nicht massgebend sein,
dass die Angehörigen der Wehrdienste eine Bürgerpflicht erfüllten und
mit ihrem Einsatz zu Gunsten des Gemeinwesens und von Unglücksfällen
Betroffener nicht in erster Linie Erwerbsmotive verfolgten. Die fraglichen
Entschädigungen erhöhten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der Feuerwehrleute offensichtlich. Im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. a
AHVV vom Erwerbseinkommen ausgeschlossen werden könnten nur gerade dem
Militärsold gleichgestellte Entschädigungen, das heisst rein symbolische
Abgeltungen. In casu hätten die von der Stadt X. an die Angehörigen
der Feuerdienste ausgerichteten Entschädigungen dieses übliche Mass
überschritten. Seit der Revision von Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV auf
den 1. Januar 1988 könne die vom kantonalen Gericht dargelegte frühere
Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht mehr
unverändert weiter gelten.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Die beitragsrechtliche Erfassung des Brandsoldes durch
die Verfügung vom 19. Juli 2001 erfolgte gestützt auf Rz 2116
WML, wonach u.a. "Zuschläge für den Ernstfall" im Gegensatz zum
Feuerwehrsold beitragspflichtiges Erwerbseinkommen darstellen. Derartige
Verwaltungsweisungen sind für das Sozialversicherungsgericht nicht
verbindlich. Es soll sie bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen,
sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung
der anwendbaren Bestimmungen zulassen. Es weicht andererseits insoweit
von den Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren Bestimmungen nicht
vereinbar sind (BGE 127 V 61 Erw. 3a, 126 V 68 Erw. 4b, 427 Erw. 5a).

    4.2  In den bis Ende 1987 gültig gewesenen Fassungen von Art. 6 Abs. 2
lit. a AHVV waren Vergütungen an Dienstleistende der Feuerwehr nicht
erwähnt. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat jedoch bereits
in einem frühen Urteil erkannt, Erwerbseinkommen seien nur solche
Einkünfte, die durch Ausübung einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit
erzielt würden. Das einem Versicherten für Erfüllung einer öffentlichen
Bürgerpflicht ausgerichtete Entgelt sei kein Erwerbseinkommen. Der
Dienst in einem öffentlichen Feuerwehrkorps oder einer anerkannten
Werksfeuerwehr werde im öffentlichen Interesse geleistet und sei keine
Erwerbstätigkeit. Der dafür bezogene Gradsold von Fr. 2.- bis Fr. 6.-
pro Stunde sei deshalb beitragsfrei (ZAK 1950 S. 316 f.; vgl. ZAK 1969
S. 184 Erw. 2). In einem späteren Urteil wurde diese Rechtsprechung
bestätigt (ZAK 1969 S. 184 Erw. 2) und gleichzeitig präzisiert,
dieselben Grundsätze gälten auch für den Gradsold, der bei Erfüllung der
Feuerwehr behördlich übertragener, nicht zu deren Kernaufgaben gehörender
Obliegenheiten (im konkreten Fall: Verkehrsordnungsdienst) ausgerichtet
wird (ZAK 1969 S. 184 f. Erw. 3). In ZAK 1972 S. 50 Erw. 1 wiederholte das
Gericht den Grundsatz, dass der Feuerwehrsold nicht (beitragspflichtiges)
Erwerbseinkommen darstelle, weil der Feuerwehrdienst wie der Militärdienst
als allgemeine Bürgerpflicht nicht eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit
sei. Eine Pauschalvergütung an den Materialoffizier der Feuerwehr für
Verwaltungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Materialdienst (von 1'200
Franken jährlich), welche auf Grund der zeitlichen Beanspruchung nach
allgemeinen Soldansätzen festgesetzt worden war, wurde ebenfalls dem
Feuerwehrsold und nicht dem massgebenden Lohn zugerechnet (ZAK 1972
S. 50 f. Erw. 2 und 3). Mit Bezug auf die bis Ende 1987 in Art. 6 Abs. 2
lit. a AHVV ebenfalls nicht erwähnten Bezüge Zivilschutzleistender
hielt das Gericht demgegenüber fest, es erscheine als angezeigt, die
tägliche Vergütung für Zivilschutzpflichtige, welche sich nach den
rechtlichen Grundlagen im Rahmen der Soldansätze der Armee bewege,
sozialversicherungsrechtlich dem Militärsold, der beitragsfrei sei,
weil er blossen Spesenersatz darstelle, gleichzustellen (BGE 101 V
93 Erw. 2a). Dagegen hätten das Taggeld und die freie Verpflegung für
Zivilschutz-Instruktoren Lohncharakter, weil ihnen erwerbswirtschaftliche
Bedeutung zukomme (BGE 101 V 93 Erw. 2b).

    4.3  Die Ergänzung von Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV im Sinne
der ausdrücklichen Nennung bestimmter Bezüge von Zivilschutz- und
Feuerwehrdienstleistenden erfolgte im Rahmen der Änderung der Verordnung
zur Erwerbsersatzordnung (EOV) vom Oktober 1987, welche am 1. Januar 1988
in Kraft trat. Die damaligen amtlichen Erläuterungen enthalten folgende
Ausführungen (ZAK 1987 S. 468): "Weiterhin nicht zum Erwerbseinkommen
gehören soll der Militärsold und die ihm nach der bisherigen Praxis
und Rechtsprechung gleichgestellten soldähnlichen Vergütungen im
Zivilschutz und in den öffentlichen Feuerwehren. Wie bisher werden auch
die Entschädigungen in Jungschützenkursen und in Leiterkursen von 'Jugend
und Sport', die auf der anderen Seite eine EO-Entschädigung auslösen, vom
Beitrag ausgenommen. Nicht ausgenommen sind dagegen andere Vergütungen,
wenn ihnen der soldähnliche Charakter fehlt." Daraus wird deutlich, dass
eine Änderung der Rechtslage gegenüber der früheren Praxis im Sinne einer
Einschränkung der beitragsfreien Bezüge zum damaligen Zeitpunkt nicht
beabsichtigt war. Vielmehr sollte diese Praxis durch die Neufassung auf
Verordnungsstufe festgehalten werden.

    4.4  Gemäss dem seit 1. Januar 1988 geltenden Wortlaut von Art. 6
Abs. 2 lit. a AHVV gelten u.a. "die soldähnlichen Vergütungen in
öffentlichen Feuerwehren" (französischer Text: "les indemnités analogues
à la solde dans les services publics du feu"; italienischer Text: "le
indennità analoghe al soldo dei servizi pubblici antincendio") nicht
als beitragspflichtiges Erwerbseinkommen. Daneben werden namentlich "der
Militärsold" und "die Funktionsvergütung des Zivilschutzes" erwähnt. Die
vergleichsweise offene Formulierung hinsichtlich der Feuerwehr spricht
ebenfalls gegen die Annahme, die beitragsfreien Bezüge hätten gegenüber der
früheren Rechtslage eingeschränkt werden sollen. Der Wortlaut bietet daher
keine Grundlage für die in Rz 2116 WML enthaltene Unterscheidung zwischen
Feuerwehrsold einerseits und Zuschlägen für den Ernstfall andererseits.

    4.5  Das BSV macht geltend, nach Sinn und Zweck der Bestimmung könnten
gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV vom Erwerbseinkommen nur gerade
dem Militärsold gleichgestellte Entschädigungen vom Erwerbseinkommen
ausgeschlossen werden, das heisst rein symbolische Abgeltungen, die sich
auch betragsmässig innerhalb der Militärsoldansätze bewegten.

    4.5.1  Geringfügige Entgelte aus Nebenerwerb können gemäss Art. 5
Abs. 5 AHVG in Verbindung mit Art. 8bis AHVV von der Beitragspflicht
ausgenommen werden, sofern sie Fr. 2'000.- pro Kalenderjahr nicht
übersteigen und sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer
zustimmen. Der Feststellung, bestimmte Vergütungen gehörten gemäss Art. 6
Abs. 2 lit. a AHVV nicht zum (beitragspflichtigen) Erwerbseinkommen,
kommt jedoch in jedem Fall selbstständige Bedeutung zu, tritt die
Beitragsbefreiung doch unabhängig von der Zustimmung der Beteiligten ein.

    4.5.2  Laut Beschluss des Stadtrates von X. vom 28. August 1990 beträgt
der Übungssold Fr. 15.- bis Fr. 25.- pro Einsatz. Der Brandsold beläuft
sich auf Fr. 30.- für die erste und Fr. 25.- für jede weitere Stunde. Bei
Letzterem handelt es sich, wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, nicht
um einen Zuschlag für den Ernstfall im Sinne von Rz 2116 WML, wird doch
der Brandsold nicht zusätzlich zum Übungssold, sondern anstelle dieses
Soldes ausbezahlt. Richtig ist indessen, dass der Brandsold auch bei
einem bloss einstündigen Einsatz stets über dem Übungssold liegt. Bei
mehrstündigem Einsatz kann er den Übungssold erheblich übersteigen. Für die
höhere Entschädigung bei Ernstfalleinsätzen lassen sich sachliche Gründe
anführen: Einmal können die Feuerwehrpflichtigen den Einsatz im Ernstfall
nicht vorausplanen und dieser kann, im Gegensatz zu Übungen, jederzeit,
also auch nachts oder an Wochenenden, stattfinden. Im Weiteren werden an
das Engagement des oder der Pflichtigen bei Ernstfalleinsätzen besonders
hohe Ansprüche gestellt. Verlangt wird ein besonders hoher Einsatz. Mit
diesem Einsatz setzen sich Pflichtige unter Umständen auch einer erhöhten
Gefahr aus. Mit andern Worten kommt dem öffentlichen Interesse an der
Dienstleistung der Feuerwehrleute im Ernstfall ein besonderes Gewicht zu,
was eine höhere Entschädigung rechtfertigt.

    4.5.3  Den Akten lässt sich entnehmen, dass im Jahr 2000 an rund
170 Wehrpflichtige Vergütungen für Übungen in Höhe von Fr. 143'083.-
ausgerichtet wurden. Dies entspricht einem durchschnittlichen Sold von
Fr. 840.-. Demgegenüber beliefen sich die Auslagen für Brandfälle und
Umweltentschädigungen auf Fr. 88'075.-. Die Ernsteinsatzentschädigungen
lagen demnach unter denjenigen für Übungen und machten durchschnittlich
rund Fr. 500.- pro Wehrpflichtigen aus. Es kann daher nicht gesagt
werden, die Abgeltung für Ernstfalleinsätze überschreite das übliche
Mass für Soldleistungen bei weitem. Vielmehr ergibt sich, dass sich die
durchschnittlichen Werte vergleichen lassen.

    4.5.4  Der Militärsold beträgt derzeit zwischen Fr. 4.- und Fr. 30.-
pro Tag (Art. 11 Abs. 3 des Bundesbeschlusses über die Verwaltung
der Armee [BVA, SR 510.30] in Verbindung mit Art. 38 der Verordnung
über die Verwaltung der Armee [VVA, SR 510.301]). Die Soldzulagen bei
Beförderungsdiensten belaufen sich auf Fr. 20.- bis Fr. 50.- pro Tag
(Art. 17 Abs. 1 BVA in Verbindung mit Art. 40 VVA). Bei längeren
Dienstleistungen kann daher auch der in einer Beitragsperiode bezogene
Militärsold einen nicht unerheblichen Umfang annehmen. Die Aussage,
er habe bloss symbolischen Charakter, ist nur teilweise stichhaltig.

    4.5.5  Der Auffassung des BSV, Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV erfasse
nur rein symbolische Abgeltungen, kann im Lichte dieser Feststellungen
nicht beigepflichtet werden. Einerseits kann auch der Militärsold
diesen Rahmen übersteigen. Andererseits zählen gemäss dem Wortlaut von
Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV die soldähnlichen Vergütungen in öffentlichen
Feuerwehren nicht zum massgebenden Lohn. Damit wäre es nicht vereinbar,
sämtliche Bezüge als Erwerbseinkommen zu bezeichnen und eine vollständige
beitragsrechtliche Erfassung sowohl des Übungs- und Retablierungs- als
auch des Brandsoldes vorzunehmen. Die von der Ausgleichskasse gestützt
auf Rz 2116 WML vorgenommene Unterscheidung zwischen Übungssold, der kein
Erwerbseinkommen darstelle, und beitragspflichtigem Brandsold lässt sich
jedoch nicht mit der unterschiedlichen Relevanz der beiden Soldarten
für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers begründen,
liegt doch der während einer Beitragsperiode bezogene Brandsold nicht
notwendigerweise wesentlich über dem ausgerichteten Sold für Übungen.
Nicht nur der Brand-, sondern auch der Übungssold kann über eine
symbolische Abgeltung hinausgehen. Dieses Kriterium ist daher für die
Auslegung von Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV nicht tauglich.

    4.6

    4.6.1  Das BSV argumentiert ferner, die Erfüllung einer Bürgerpflicht
stelle kein geeignetes Kriterium zur Bestimmung des massgebenden Lohnes
mehr dar. Die fraglichen Entschädigungen erhöhten offensichtlich die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Feuerwehrleute.

    Nach der vor 1988 ergangenen Rechtsprechung (Erw. 4.2 hievor) beruhte
jedoch die Aussage, der Feuerwehrsold stelle kein Erwerbseinkommen dar,
in erster Linie auf der Überlegung, es handle sich um ein Entgelt für
die Erfüllung einer Bürgerpflicht. Diese Rechtsprechung sollte anlässlich
der per 1. Januar 1988 erfolgten Änderung von Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV
beibehalten werden (Erw. 4.3 hievor am Ende). Im Rahmen einer an den
damaligen Intentionen des Verordnungsgebers orientierten Auslegung kann
daher der Auffassung des BSV nicht gefolgt werden.

    4.6.2  Die bei Erlass einer Norm verfolgten Absichten bleiben für
die Rechtsanwendung nicht unter allen Umständen verbindlich. So kann nach
der Rechtsprechung in objektiv-zeitgemässer Auslegung einer Gesetzesnorm
ein Sinn gegeben werden, der für den historischen Gesetzgeber infolge
eines Wandels der tatsächlichen Verhältnisse nicht voraussehbar war
und in der bisherigen Anwendung auch nicht zum Ausdruck gekommen ist,
wenn er noch mit dem Sinn des Gesetzes vereinbar ist (BGE 125 II 213
Erw. 4c/bb mit Hinweis). Das BSV erblickt den erforderlichen Wandel
der tatsächlichen Verhältnisse in einer Änderung der allgemeinen
Anschauungen. Nach neuerer Auffassung sei nicht mehr massgebend, ob die
Angehörigen der Wehrdienste eine Bürgerpflicht erfüllten und mit ihrem
Einsatz zu Gunsten des Gemeinwesens und von Unglücksfällen Betroffener
nicht in erster Linie Erwerbsmotive verfolgten. Dass sich die allgemeine
Anschauung in diesem Sinne gewandelt hätte, ist jedoch nicht derart
evident, dass eine hinreichende Grundlage bestünde, um von den bei Erlass
von Art. 6 Abs. 2 lit. a AHVV geäusserten Intentionen abzuweichen. Auch
anderweitige Entwicklungen, die in jüngerer Zeit stattgefunden haben, wie
insbesondere die vielerorts erfolgte Erhöhung der Entschädigungen sowie
die teilweise Abschaffung oder Einschränkung der Feuerwehrpflicht, bilden
zwar denkbare Argumente für eine Änderung der geltenden Regelung. Ob die
Beitragsfreiheit der Entschädigungen für Feuerwehrleute in Abhängigkeit von
der Art des Dienstes sowie Art und Höhe der Vergütungen Einschränkungen
erfahren oder allenfalls ganz wegfallen soll, ist jedoch eine Frage der
Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen (Allgemeinheit der
Beitragspflicht einerseits, öffentliches Interesse an der Tätigkeit einer
Milizfeuerwehr andererseits). Deren allfällige Neugewichtung mit Blick
auf zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen ist grundsätzlich nicht
Sache des Gerichts (vgl. BGE 127 II 83 Erw. 4a/aa, 84 Erw. 4a/cc). Es läge
vielmehr am Verordnungsgeber, die geltende Regelung, welche soldähnliche
Vergütungen in öffentlichen Feuerwehren generell von der Beitragspflicht
ausnimmt, allenfalls zu ändern, wenn sie den aktuellen Verhältnissen
nicht mehr gerecht werden sollte.

    4.7  Nach dem Gesagten ist Rz 2116 WML insoweit nicht mit Art. 6
Abs. 2 lit. a AHVV vereinbar, als Zuschläge für den Ernstfall als
beitragspflichtiges Erwerbseinkommen erklärt werden. Die Vorinstanz
hat daher die Verwaltungsweisung insoweit zu Recht nicht zur Anwendung
gebracht und die Beitragspflicht für die entsprechenden Bezüge verneint.