Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 V 394



129 V 394

60. Auszug aus dem Urteil i.S. Krankenkasse Turbenthal gegen 1. L., 2. M.,
3. N., 4. A., 5. O., und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich

    K 86/01 vom 17. Juli 2003

Regeste

    Art. 4 Abs. 2, Art. 7 Abs. 5 KVG: Schadenersatzpflicht zufolge
Nichtaufnahme in die obligatorische Krankenpflegeversicherung.

    Art. 7 Abs. 5 Satz 2 KVG ist in dem Sinne auszulegen, dass als
neuer Versicherer derjenige gilt, bei dem die Aufnahme anbegehrt wurde,
und die Schadenersatzpflicht unabhängig davon eintritt, welche Gründe
(Säumnis oder Verweigerung der Aufnahme) zur Unterlassung der Meldung an
den bisherigen Versicherer führten.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.  (Rechtsweg für die Geltendmachung einer Forderung auf Ersatz
des durch Nichtaufnahme in die obligatorische Krankenpflegeversicherung
entstandenen Schadens: Die Frage, ob und inwieweit ein Versicherer,
der einer beitrittswilligen Person die Aufnahme in die obligatorische
Krankenpflegeversicherung verweigert, Schadenersatz zu leisten hat, wird
durch das KVG geregelt; das Verantwortlichkeitsgesetz ist daneben nicht
anwendbar; dementsprechend ist das Eidgenössische Versicherungsgericht
zur Beurteilung der Sache zuständig [vgl. nunmehr Art. 78 ATSG]).

Erwägung 5

    5.

    5.1  Art. 7 Abs. 5 Satz 2 KVG bezieht sich nach seinem Wortlaut
zunächst auf die Konstellation, dass ein Versicherer zwar bereit ist,
die beitrittswillige versicherte Person aufzunehmen, die entsprechende
Meldung an den bisherigen Versicherer jedoch mit Verspätung erlässt.
Diesfalls bleibt die Versicherung beim bisherigen Versicherer bis zum
Ende des Monats bestehen, in welchem die Meldung schliesslich bei ihm
eintrifft (BGE 127 V 42). Der neue Versicherer hat der versicherten
Person für diesen Zeitraum den entstandenen Schaden, insbesondere die
Prämiendifferenz, zu erstatten. Indessen legen weder Wortlaut noch Sinn
der Norm eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs in Abhängigkeit von
den Gründen nahe, welche zur Unterlassung der Meldung führten. Art. 7
Abs. 5 Satz 2 KVG ist deshalb in dem Sinne auszulegen, dass als neuer
Versicherer derjenige gilt, bei welchem die Aufnahme anbegehrt wurde -
wobei keine Rolle spielt, ob er dem Beitrittsgesuch entsprechen will -,
und die Schadenersatzpflicht unabhängig davon eintritt, welche Gründe
zur Unterlassung der Meldung an den bisherigen Versicherer führten. Die
Haftung für den entstandenen Schaden besteht demnach sowohl bei Säumnis
bezüglich der Meldung als auch bei Verweigerung der Aufnahme.

    5.2  Der Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin umfasste bis
30. Juni 1999 das gesamte Gebiet des Kantons C. Daher war sie gemäss Art.
4 Abs. 2 KVG verpflichtet, die in der Stadt B. wohnhaften Beschwerdegegner
aufzunehmen. Diese Pflicht bestand von Gesetzes wegen und entstand nicht
erst durch das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 21. April 1999. Auf Grund des Aufnahmegesuchs vom 24. Dezember 1998,
welches bei der Kasse gemäss Eingangsvermerk am 28. Dezember 1998 eintraf,
hatte sie dem bisherigen Versicherer mitzuteilen, die Beschwerdegegner
seien bei ihr ohne Unterbruch versichert. Da der 31. Dezember einen
gesetzlichen Kündigungstermin darstellt, war es der Kasse zuzumuten, sich
in einer Weise einzurichten, welche es ermöglicht hätte, diese Mitteilung
umgehend vorzunehmen, sodass das bisherige Versicherungsverhältnis Ende
Dezember 1998 erloschen wäre. Als Folge der Unterlassung der Meldung hat
die Kasse den Beschwerdegegnern den entstandenen Schaden, insbesondere
die Prämiendifferenz, zu ersetzen.