Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 V 32



129 V 32

5. Auszug aus dem Urteil i.S. Eidgenössisches Departement des Innern gegen
Pfizer AG und Eidgenössische Rekurskommission für die Spezialitätenliste

    K 68/01 vom 14. Januar 2003

Regeste

    Art. 2 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 6
KVG; Art. 65 Abs. 6 KVV; Art. 16 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG;
Art. 2 und 15 AWV; Art. 3 Ziff. 1 der Richtlinie 92/28/EG: Aufnahme von
Arzneimitteln in die Spezialitätenliste (Viagra).

    Gesichtspunkte für die Beurteilung der Rechtsfrage, inwiefern der
erektilen Dysfunktion Krankheitswert beizumessen ist.

    Begriff der Publikumswerbung im Sinne von Art. 65 Abs. 6 KVV;
gesetzliche Grundlage dieser Verordnungsbestimmung; massgebende Kriterien
für die Beurteilung der Frage, wann (unzulässige) Publikumswerbung gegeben
ist, sowie daran anknüpfende verwaltungsrechtliche Massnahmen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.

    3.1  Gemäss Art. 25 KVG übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose
oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese
Leistungen umfassen unter anderem die ärztlich oder unter den vom Bundesrat
bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen
verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b).

    Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen laut Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam,
zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1). Die Wirksamkeit muss nach
wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Satz 2).

    Die Vergütung der Leistungen erfolgt nach Tarifen oder Preisen. Diese
werden in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde
festgesetzt, welche darauf achtet, dass eine qualitativ hoch stehende und
zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Preisen
erreicht wird (vgl. Art. 43 Abs. 1, 4 und 6 KVG).

    3.2  Nach Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG (in Verbindung mit Art. 34 KVV
und Art. 37e Abs. 1 KVV) erstellt das Bundesamt nach Anhören der EAK und
unter Berücksichtigung der Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1 sowie 43 Abs. 6
KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten
Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste; Satz 1). Diese hat auch die
mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu
enthalten (Satz 2). Dabei ist es Aufgabe der Eidgenössischen Kommission
für Grundsatzfragen der Krankenversicherung, gemeinsame Grundsätze für
die Festsetzung und Anpassung der Preise zu formulieren (Art. 37c Abs. 1
lit. c KVV).

    3.2.1  Der Bundesrat hat in den Art. 64 ff. KVV, das Eidgenössische
Departement des Innern in den Art. 30 ff. KLV gestützt auf Art. 96
KVG (vgl. BGE 126 III 39 oben) resp. Art. 65 Abs. 3 und Art. 75 KVV
(formelle und materielle) Ausführungsbestimmungen im Zusammenhang mit
der Spezialitätenliste erlassen. Zu erwähnen ist insbesondere Art. 65
Abs. 2 KVV. Danach ist Bedingung für die Aufnahme eines Arzneimittels
in die Liste, dass es wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist. Die
Zweckmässigkeit des Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung und
Zusammensetzung im Besonderen wird nach Art. 33 Abs. 1 KLV u.a. nach
unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung
beurteilt. Im Weitern kann gemäss Art. 73 KVV die Aufnahme in die Liste
unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen (Satz 1). Die Limitierung
kann sich insbesondere auf die Menge oder die medizinischen Indikationen
beziehen (Satz 2). Nicht in die Spezialitätenliste aufgenommen werden
laut Art. 65 Abs. 6 KVV pharmazeutische Spezialitäten, für welche
Publikumswerbung betrieben wird. In der seit 1. Juli 2002 geltenden Fassung
wird in Art. 65 Abs. 2 und 6 KVV von verwendungsfertigen Arzneimitteln
gesprochen (AS 2002 2129 f.).

    3.2.2  Die EAK als zuständige Kommission im Sinne von Art. 52 Abs. 1
KVG ist nach Zusammensetzung und Arbeitsweise eine verwaltungsunabhängige,
der Funktion nach aber eine verwaltungsinterne beratende Fachkommission
des Bundesrates bzw. des Bundesamtes (BGE 119 V 464 Erw. 4a mit
Hinweisen). Ihre Meinungsäusserungen und Empfehlungen, denen nicht
die Qualität von Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 lit. e
VwVG und Art. 57 ff. BZP zukommt (BGE 108 V 130), sind für das BSV zwar
nicht verbindlich (RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 164 f. Erw. 3c/aa). Wenn und
soweit indessen die Streitpunkte medizinische und pharmazeutische Fragen
betreffen, deren Beantwortung besondere Fachkenntnis und Erfahrung
verlangt, was vorliegend in Bezug auf die in erster Linie umstrittene
Zweckmässigkeit von Viagra unter allfälligen Limitierungen zutrifft,
ist bei der gerichtlichen Überprüfung der darauf beruhenden Entscheide
praxisgemäss eine gewisse Zurückhaltung am Platze. Dies gilt, solange
nicht ernsthafte Gründe ein Abweichen von der Expertenmeinung rechtfertigen
(BGE 118 V 57 Erw. 5b mit Hinweis).

    3.3  Im konkreten Fall hat sich der schulmedizinische Ausschuss
der EAK zusammengefasst in folgendem Sinne zum Gesuch um Aufnahme
von Viagra in die Spezialitätenliste geäussert: Auszugehen sei davon,
dass gemäss Eidgenössischer Kommission für allgemeine Leistungen die
erektile Dysfunktion Krankheitswert habe. Das Bundesamt habe deshalb
für diese Indikation das Arzneimittel Caverject in Ampullenform in die
Spezialitätenliste aufgenommen. Da Viagra im Vergleich zu den schmerzhaften
und komplizierteren Injektionen eine angenehmere und damit verbesserte
Darreichungsform in Tabletten bringe, wäre die Nichtaufnahme in die
Spezialitätenliste fragwürdig. Der Ausschuss habe indessen bereits in
einem früheren Zeitpunkt die Zulassung zur Kassenpraxis lediglich unter
Einschränkungen in Bezug auf Indikation und Menge befürwortet. Danach setze
die Abgabe zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung voraus,
dass die erektile Dysfunktion seit mindestens sechs Monaten bestehe,
auf eine Rückenmarksverletzung, eine multiple Sklerose, Radiotherapie
oder auch Verletzungen oder Operationen im kleinen Becken oder im
Genitalbereich zurückzuführen oder bedingt sei durch Diabetes mellitus
oder Depression als chronische, behandlungsbedürftige Grunderkrankung
mit der dafür erforderlichen medikamentösen Therapie mit Antidepressiva
oder Neuroleptika. Vergütet würden im Übrigen maximal vier Tabletten pro
Monat. Was die bei Viagra befürchteten Missbräuche anbelange, habe eine
Umfrage unter der Ärzteschaft, ob die betreffenden Limitationen geeignet
seien, das Arzneimittel vom Life-Style-Mittel wirksam abzugrenzen, kein
klares Bild ergeben. Während die Allgemeinmediziner die Aufnahme dieses
Präparates in die Spezialitätenliste ablehnten, nicht zuletzt wegen des
Druckes der Patienten, der auf sie ausgeübt werden könnte, hätten sich
Psychiater, Internisten, Kardiologen, Chirurgen und Endokrinologen bei
einer mengenmässigen Beschränkung auf vier Tabletten im Monat in positivem
Sinne geäussert. Die Ärzteschaft sollte sich dazu äussern, ob sie sich
die Diagnosestellung, welche nicht an den Facharzt gebunden werden
sollte, zutraue. Der schulmedizinische Ausschuss empfahl schliesslich
mehrheitlich die Aufnahme von Viagra in die Spezialitätenliste unter den
angegebenen Limitationen. Allerdings wurde der angemeldete Preis als nicht
wirtschaftlich betrachtet und allein die Packungsgrösse (4 Tabl. pro Monat)
als richtig bezeichnet.

    Bereits am 22. Oktober 1998 hatte sich die Eidgenössische Kommission
für Grundsatzfragen der Krankenversicherung zur "Admission de médicaments
tel que le viagra dans l'assurance-maladie" geäussert. Diskussionspunkte
bildeten u.a. die Frage, ob die erektile Dysfunktion eine Krankheit
darstelle, sowie die Kontrollierbarkeit allfälliger Einschränkungen
hinsichtlich der Indikation. Die Kommission gelangte mit Bezug auf Viagra
zum Schluss, es befinde sich (mit Caverject) bereits ein Medikament
auf der Spezialitätenliste. Viagra führe zu keinem entscheidenden
Fortschritt, weshalb sich dessen Übernahme durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung nicht aufdränge. Dies gelte umso mehr, als
die Kriterien für eine strikte Einschränkung in diesem Fall nur schwer
messbar seien. Die einzige anwendbare Limitation scheine das Alter zu sein.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Der Entscheid der Rekurskommission vom 26. März 2001 ist im
Rückweisungspunkt (Wirtschaftlichkeit von Viagra zu den beantragten
Preisen unter dem Gesichtspunkt des Preisvergleichs mit dem Ausland
[Art. 67 Abs. 1 KVV in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung
und Art. 65 Abs. 3bis KVV, in Kraft seit 1. Januar 2001, sowie Art. 34
Abs. 2 lit. d und Art. 35 KLV]) nicht angefochten worden. Auf diese
Frage ist hier nicht weiter einzugehen, zumal die Sache insofern nicht
liquid ist. Nicht mehr näher zu prüfen ist sodann die Wirksamkeit von
Viagra. Soweit bei dessen Einnahme Nebenwirkungen auftreten, kann damit
allein die Aufnahmebedingung der Zweckmässigkeit des Arzneimittels nicht
verneint werden. Davon scheint auch das Bundesamt auszugehen, welches seine
diesbezüglichen Einwendungen in der Verfügung und der vorinstanzlichen
Vernehmlassung in diesem Verfahren nicht mehr erhebt.

    Streitig und zu prüfen sind die Zweckmässigkeit von Viagra unter dem
Gesichtspunkt der Gefahr missbräuchlicher Verwendung (Art. 33 Abs. 1
KLV; Erw. 5) sowie die Frage, ob die Aufnahme dieses Präparates in
die Spezialitätenliste wegen unzulässiger Publikumswerbung im Sinne von
Art. 65 Abs. 6 KVV zu verweigern ist (Erw. 6).

    4.2  Die Vorinstanz hat sich nicht explizit mit der Frage auseinander
gesetzt, inwiefern der erektilen Dysfunktion Krankheitswert im
Rechtssinne beizumessen ist (vgl. dazu BGE 124 V 120 Erw. 3b, 121 V 293
Erw. 2b in Verbindung mit RKUV 2000 Nr. KV 138 S. 360 Erw. 3b). Für das
Bundesamt stellt die erektile Dysfunktion offenbar dann eine Krankheit
im Rechtssinne dar, wenn die Störung auf ganz bestimmte Erkrankungen
(Rückenmarksverletzung, multiple Sklerose, Radiotherapie) oder auch
Verletzungen oder Operationen im kleinen Becken oder im Genitalbereich
zurückzuführen oder bedingt ist durch Diabetes mellitus oder Depression
als chronische, behandlungsbedürftige Grunderkrankung mit der dafür
erforderlichen medikamentösen Therapie mit Antidepressiva oder Neuroleptika
(Erw. 3.3). In der Verfügung vom 21. Juni 1999 führte das BSV u.a. aus,
die EAK habe an ihrer Sitzung vom 17. März 1999 die Patientengruppen,
die einer Behandlung bedürften, durch genau umschriebene Indikationen
beschränkt, bei denen die erektile Dysfunktion Krankheitswert
habe. Im Zusammenhang mit der Aufnahmebedingung der Zweckmässigkeit
des Arzneimittels hielt es sodann fest, das bereits kassenzulässige
Caverject und Viagra hätten vergleichbare Indikationen, wobei diejenigen
für Viagra gemäss EAK strenger seien. Mit Caverject würden schon jetzt
Patienten, die an erektiler Dysfunktion mit Krankheitswert litten,
zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung behandelt. In
der vorinstanzlichen Vernehmlassung führte das Bundesamt wiederum bei
der Prüfung der Zweckmässigkeit sinngemäss aus, Viagra könnte von der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung, wenn überhaupt, nur bei
denjenigen Männern bezahlt werden, welche unter erektiler Dysfunktion
als Krankheitsbild im Sinne der von der EAK festgelegten Limitationen
litten. Und in der Duplik hielt das BSV fest, Erektionsstörungen könnten
zwar in ganz bestimmten Fällen Krankheitswert haben, seien jedoch
keineswegs als lebensbedrohend und besonders gefährlich für die weitere
Lebensgestaltung der Betroffenen anzusehen.

    4.2.1  Nach Art. 2 Abs. 1 KVG ist Krankheit jede Beeinträchtigung der
körperlichen oder geistigen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles
ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert
oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Wesentliche Begriffsmerkmale
einer Krankheit sind demnach die Beeinträchtigung der körperlichen
oder geistigen Gesundheit, verstanden als ein von der Norm abweichender
Körper- oder Geisteszustand (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit,
Rz 76) sowie das Erfordernis einer medizinischen Untersuchung oder
Behandlung. Gemäss Art. 25 Abs. 1 KVG übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose
oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Auch bei der
Kostenübernahme für die Folgen einer Krankheit wird vorausgesetzt, dass
es sich bei diesen um eine gesundheitliche Beeinträchtigung, also um ein
Geschehen mit Krankheitswert, handelt.

    4.2.2  Aus den Ausführungen der vorberatenden Kommissionen,
des Bundesamtes und der Vorinstanz ergibt sich nicht mit genügender
Deutlichkeit, ob der erektilen Dysfunktion als solcher Krankheitswert
beigemessen wird oder ob die Behandlung dieser Störung kassenzulässig sein
soll, weil sie Folge einer Krankheit ist. Trifft Letzteres zu, bestimmt
die medizinische Limitation den Krankheitswert der erektilen Dysfunktion
an sich. Wird die erektile Dysfunktion selbst als Krankheit bezeichnet,
dienen die medizinischen Limitationen einzig der Sicherstellung einer
zweckmässigen Behandlung, d.h. der Verhinderung von Missbräuchen.

    Dass mit den medizinischen Limitierungen die Verhinderung von
Missbräuchen bezweckt wird, ist für die Frage des Krankheitswertes der
erektilen Dysfunktion grundsätzlich nicht von Bedeutung. In diesem
Zusammenhang fällt auf, dass bei Caverject keine vergleichbaren
Limitierungen vorgenommen worden sind. Vielmehr wurden einzig drei
organische Ursachen (Defizite arterieller Versorgung, Störungen des
Gefäss-Systems, Schädigung des versorgenden Nervensystems) männlicher
Impotenz umschrieben. Diese dienen offensichtlich nicht in erster Linie
der Missbrauchsbekämpfung, da eine solche mit Blick auf die komplizierte
und auch schmerzhafte Anwendung von Caverject mittels Injektion nicht
notwendig erscheint. Demgegenüber besteht diese Gefahr bei Viagra, welches
oral in Tablettenform eingenommen und daher leicht angewendet werden kann.

    Während somit die Indikationen für Caverject bei Vorliegen der
umschriebenen Symptome offen sind, werden für die Kassenpflicht von
Viagra Grunderkrankungen vorausgesetzt, welche in einer abschliessenden
Liste enthalten sind. Bei der Zulassung der beiden Medikamente wurden
demnach unterschiedliche Krankheitsbegriffe verwendet. Die Beurteilung
des Krankheitswertes der erektilen Dysfunktion hat jedoch nach einem
einheitlichen Bergriff zu erfolgen.

    4.2.3  Im Weiteren ist allgemein bekannt, dass die sexuelle Aktivität
und insbesondere die Erektionsfähigkeit mit zunehmendem Alter auch bei
gesunden Männern abnehmen, weil es sich dabei um eine von Natur gegebene
degenerative Erscheinung handelt. Die Frage, ob der erektilen Dysfunktion
Krankheitswert zukommt, dürfte daher auch vom Alter abhängig sein. So ist
wohl auch der Hinweis der Kommission für Grundsatzfragen, wonach das Alter
eine anwendbare Limitation darstellt, zu verstehen. Dieser Gesichtspunkt
ist indessen weder von der Verwaltung noch von der Vorinstanz näher geprüft
worden. Geht aber die erektile Dysfunktion bei allen - also auch gesunden -
Männern mit dem natürlichen Alterungsprozess einher und muss er als solcher
akzeptiert werden, lässt es sich kaum rechtfertigen, die Behandlung der
Störung als Krankheit oder als Folge einer solchen über dieses Alter
hinaus zu Lasten der sozialen Krankenversicherung zu gestatten. Dies
stellte eine nicht begründbare Privilegierung einer bestimmten Gruppe
von Versicherten dar.

    4.2.4  Schliesslich gebietet die heikle Abgrenzung zwischen Heilmitteln
und so genannten Life-Style-Medikamenten eine vertiefte, zunächst auf
Stufe Verwaltung zu führende Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern
die erektile Dysfunktion eine Krankheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 KVG
darstellt. Dies gilt umso mehr, als damit zu rechnen ist, dass in nächster
Zeit vermehrt Substanzen auf den Markt kommen, deren Verwendung sowohl
als Heil- wie auch als Life-Style-Mittel denkbar ist.

    4.2.5  Nach dem Gesagten ist die Sache an das BSV zurückzuweisen. Es
wird dabei den Krankheitsbegriff der erektilen Dysfunktion unter dem
Gesichtspunkt des Krankheitswertes und der Behandlungsbedürftigkeit
einheitlich zu definieren haben. Zudem wird es sich in diesem Zusammenhang
auch über den Einfluss des Alters auf den Krankheitswert sowie zur
Abgrenzung von Heilmitteln zu Life-Style-Medikamenten zu äussern haben.

Erwägung 5

    5.

    5.1

    5.1.1  Das Bundesamt sieht die Gefahr des Missbrauchs von Viagra
zulasten der sozialen Krankenversicherung darin, dass viele Menschen sich
durch dieses Mittel nicht nur die Heilung ihrer gesundheitlichen Probleme,
sondern auch eine Verbesserung ihrer Lebensqualität erhofften. Es sei
zu befürchten, was im Übrigen die Umsatzzahlen der Firma bestätigten,
dass die Verbesserung der individuellen Lebensführung im Sinne der
sicheren Erzielung der Erektion und nicht der heilende Effekt für die
Anwendung von Viagra ausschlaggebend sei. Die von der EAK vorgeschlagenen
Limitationen seien nicht geeignet, die Missbrauchsgefahr entscheidend
einzuschränken. Weil keine objektiv messbare Grenze für den Einsatz von
Viagra gesetzt werden könne, sei eine ärztliche Diagnose notwendig. Diese
beruhe indessen in den meisten Fällen auf Angaben der Patienten, da
die erektile Dysfunktion oft nicht organischen, sondern psychogenen
Ursprungs sei und somit nicht aufgrund objektiver Kriterien bewiesen werden
könne. Gemäss Aussage der Experten sei erfahrungsgemäss jedoch gerade in
diesen Fällen fehlender objektiver Beweisbarkeit der Druck der Patienten
auf die Ärzte sehr gross, sodass ihrem Wunsch entsprechend verschrieben
werde. Die praktischen Schwierigkeiten, die von der EAK gesetzte Limitation
in Bezug auf die Indikation durchzusetzen, liessen sich im Übrigen nicht
durch das zusätzliche Erfordernis, die Zustimmung des Vertrauensarztes
einzuholen, beheben. Die fehlende Durchsetzbarkeit der Limitation schlage
entsprechend auf die Kontrollierbarkeit der Apotheker-Rechnungen für Viagra
durch die Krankenversicherer durch. Lediglich dort, wo kein Zweifel
am Vorliegen der erektilen Dysfunktion bestehe, wie beispielsweise
nach einer radikalen Prostatektomie oder bei Paraplegikern sei die
Kontrolle gegeben. Im Übrigen habe auch die Eidgenössische Kommission
für Grundsatzfragen der Krankenversicherung die Missbrauchsgefahr als
beträchtlich erachtet, da die Abgabe von Viagra selbst im Falle einer
Limitation schwierig zu kontrollieren sei und im schulmedizinischen
Ausschuss der EAK sei darauf hingewiesen worden, dass eine klare Antwort
von Seiten der Ärzteschaft betreffend die Durchsetzbarkeit der von der
Kommission vorgeschlagenen Indikationen für die Abgabe von Viagra nicht
habe gegeben werden können.

    5.1.2  Die Rekurskommission teilt in grundsätzlicher Hinsicht
die Bedenken des Bundesamtes. Insbesondere sei nicht zu verkennen,
dass breitere Kreise innerhalb der Ärzteschaft die Meinung verträten,
die Durchsetzung der von der EAK vorgeschlagenen Einschränkungen in
Bezug auf die Indikation "erektile Dysfunktion" im Sinne einer klaren
Diagnosestellung sei kaum möglich. Diese praktischen Schwierigkeiten
könnten indessen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht zum
gänzlichen Ausschluss von Viagra von der Spezialitätenliste führen. Denn
mit dem Erfordernis der vorgängigen Zustimmung des Vertrauensarztes
oder der Vertrauensärztin als weiterer Limitation könne die effektive
Umsetzung der (auch vom Bundesamt in der Verfügung vom 21. Juni 1999
als sachgerecht bezeichneten) indikativen Einschränkungen für die Abgabe
dieses Arzneimittels gemäss Vorschlag der EAK sichergestellt werden.

    5.2  Wird, was unter den Verfahrensbeteiligten zwar unbestritten ist,
es indessen noch zu prüfen gilt (Erw. 4.2), die erektile Dysfunktion
grundsätzlich als behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne von Art. 2
Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 KVG betrachtet, widerspräche es dem ebenfalls
von der Rekurskommission herangezogenen Grundsatz der Verhältnismässigkeit,
die Aufnahme von Viagra in die Spezialitätenliste bloss deswegen zu
verweigern, weil das Arzneimittel neben der heilenden Wirkung im Sinne der
Herstellung der Erektionsfähigkeit auch der Verbesserung der Lebensqualität
dient und insofern ein bestimmtes Missbrauchspotenzial besteht. Dies
muss umso mehr gelten, als es sich bei der Befindlichkeit in sexueller
Hinsicht um eine stark subjektive Frage handelt und mit der Ermöglichung
des Geschlechtsverkehrs als Zweck der Behandlung mit Viagra sexuelle
Befriedigung einhergeht. Vielmehr ist mittels geeigneter Einschränkungen,
u.a. Limitierungen im Sinne von Art. 73 KVV in mengenmässiger Hinsicht
und in Bezug auf die medizinische Indikation, die Möglichkeit der
missbräuchlichen Verwendung auszuschliessen oder zu minimieren.

    5.3

    5.3.1  Vorliegend sind die von der EAK vorgeschlagenen und
von der Rekurskommission übernommenen Limitationen, unter denen
Viagra in die Spezialitätenliste aufgenommen werden kann, von der
Sache her unbestritten. Die vom Bundesamt geäusserten Zweifel an
der Überprüfbarkeit einer geklagten psychisch bedingten erektilen
Dysfunktion sind insofern unbegründet, als die Diagnose einer Depression
als chronische, behandlungsbedürftige Grunderkrankung allein nicht
ausreicht. Vielmehr ist eine medikamentöse Therapie dieser psychischen
Störung erforderlich, welche ihrerseits erst die erektile Dysfunktion
(mit)verursacht. Ganz allgemein kann im Übrigen aus der Tatsache einer in
die Indikation fallenden Grunderkrankung (vgl. Erw. 3.3) allein nicht,
und zwar auch nicht im Sinne einer widerlegbaren Vermutung, auf eine
erektile Dysfunktion geschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist nicht
zu verkennen, dass die Abklärung, ob ein solcher Defekt tatsächlich besteht
und seit mindestens sechs Monaten andauert, insofern heikel ist, als sie
die Intimsphäre berührt. Den Angaben der betreffenden Person kommt daher
für die Diagnosestellung und gegebenenfalls die Ermittlung der Ursachen
der Störung zwangsläufig ein erhöhtes Gewicht zu. Vor diesem Hintergrund
stellt sich die Frage, ob als weitere Limitation eine Sexualanamnese
unter Einbezug beider Sexualpartner zu verlangen ist.

    5.3.2  Was sodann das von der Rekurskommission zusätzlich
aufgestellte, vom Bundesamt unter dem Gesichtspunkt der Überprüfbarkeit
und Kontrollierbarkeit der indikativen Einschränkungen für die Abgabe
von Viagra als unnötig bezeichnete Erfordernis der vorgängigen Zustimmung
durch den Vertrauensarzt oder die Vertrauensärztin des Krankenversicherers
anbelangt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine derartige
Limitation schon unter altem Recht grundsätzlich als zulässig
betrachtet (RKUV 1984 Nr. K 566 S. 26). Dabei handelt es sich nicht
um eine Limitierung im Sinne von Art. 73 KVV. Vielmehr geht es um die
Beachtung und Durchsetzung der allgemeinen Grundsätze der medizinischen
Indikation und der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der den Vertrauensärzten
und Vertrauensärztinnen in Art. 57 Abs. 4 KVG eingeräumten Kompetenz
zur Überprüfung der Voraussetzungen der Leistungspflicht der Versicherer
(vgl. RKUV 1984 Nr. K 566 S. 30 Erw. 2c).

    5.3.3  Die von der Rekurskommission festgelegten Limitationen, unter
denen Viagra in die Spezialitätenliste aufzunehmen ist, stellen somit
auch unter dem Gesichtspunkt der Überprüfbarkeit und Kontrollierbarkeit
geeignete Kriterien dar, um der Gefahr missbräuchlicher Verwendung des
Präparates wirksam zu begegnen. Ob eine Sexualanamnese unter Einbezug
beider Sexualpartner diesen Schutz entscheidend zu verbessern vermag und
daher als weitere Voraussetzung für die ärztlich verordnete Abgabe des
Präparates zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu
gelten hat, wird das Bundesamt noch zu prüfen haben und je nachdem eine
entsprechende Limitation formulieren.

    5.4  Im Sinne des Vorstehenden ist in Bezug auf Viagra die einzig unter
dem Gesichtspunkt der Gefahr missbräuchlicher Verwendung des Arzneimittels
streitige Aufnahmebedingung der Zweckmässigkeit, welche sich allgemein nach
dem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen der Anwendung im Einzelfall
unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken beurteilt (vgl. BGE
127 V 146 Erw. 5), unter den erwähnten Limitationen zu bejahen. In diesem
Zusammenhang ist im Übrigen auf Art. 68 Abs. 1 lit. a KVV hinzuweisen,
wonach ein in der Spezialitätenliste aufgeführtes Arzneimittel gestrichen
wird, wenn es nicht mehr alle Aufnahmebedingungen erfüllt. Sollte sich
also die Annahme als unzutreffend erweisen, aufgrund der mehrfachen
Einschränkungen könnten Missbräuche weitestgehend vermieden werden,
stände einer gänzlichen Streichung von Viagra von der Liste nichts im Wege.

Erwägung 6

    6.

    6.1

    6.1.1  In Bezug auf den zweiten hier umstrittenen Ausschlussgrund der
unzulässigen Publikumswerbung für Viagra im Sinne von Art. 65 Abs. 6 KVV
stellt sich vorab die Frage, was unter diesem in Gesetz und Verordnung
nicht näher umschriebenen Begriff zu verstehen ist. Dabei ist vom
Normzweck auszugehen. Das Verbot von Publikumswerbung für Arzneimittel
in der Spezialitätenliste ist in erster Linie im Zusammenhang mit
der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen als einem der vorrangigen
Ziele der Gesetzesnovelle vom 18. März 1994 (Botschaft des Bundesrates
über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 [BBl
1992 I 93 ff.] S. 121 und 126 f., Amtl.Bull. 1992 S 1272 [Huber,
Berichterstatter], 1285 [Bundesrat Cotti], 1993 N 1737 [Segmüller,
Berichterstatterin]; vgl. auch BGE 123 V 322 Erw. 5b/aa sowie RKUV 2000
Nr. KV 120 S. 163 Erw. 2b am Ende, 1997 Nr. KV 4 S. 28 Erw. 7a; ferner
BGE 127 V 419 Erw. 3b/bb) zu sehen. Dieser im Gesetz nicht ausdrücklich
genannte Zweck wird in zahlreichen Vorschriften konkret umgesetzt. Zu
denken ist hier an erster Stelle an das Gebot der Wirtschaftlichkeit
der Leistung nach Art. 32 Abs. 1 KVG als eine Voraussetzung für die
Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung im
Rahmen von Gesetz und Verordnungen (vgl. EUGSTER, a.a.O, Rz 126; vgl. auch
Art. 56 Abs. 1 und 2 KVG, wonach die Vergütung für Leistungen, die über
das im Interesse der Versicherten liegende und für den Behandlungszweck
erforderliche Mass hinausgehen, verweigert werden kann). Von Bedeutung
ist sodann Art. 43 Abs. 6 KVG, welcher für den Bereich der Tarifierung das
allgemein gültige Ziel einer qualitativ hoch stehenden und zweckmässigen
gesundheitlichen Versorgung zu möglichst günstigen Kosten postuliert
(vgl. BGE 127 V 87 Erw. 3c/bb in fine, 123 V 286 f. Erw. 6a und b). Diese
Gesetzesbestimmungen werden in Art. 52 Abs. 1 Ingress KVG ausdrücklich
erwähnt, gelten somit auch im Bereich der Spezialitätenliste (vgl. Art. 65
Abs. 2 und Art. 67 Abs. 1 KVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden
Fassung, ferner zum Begriff der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittel der
Spezialitätenliste in BGE 127 V 149 nicht veröffentlichte Erw. 4 und 5
[= SVR 2002 KV Nr. 7 S. 23 ff. Erw. 4 und 5]).

    6.1.2  Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 65 Abs. 6
KVV über eine genügende gesetzliche Grundlage verfügt. Davon ging
im Übrigen auch der Gesetzgeber vom 18. März 1994 aus, welcher eine
Verankerung auf Gesetzesstufe des unter altem Recht in Art. 4 Abs. 4
der Verordnung VIII vom 30. Oktober 1968 über die Krankenversicherung
betreffend die Auswahl von Arzneimitteln und Analysen (SR 832.141.2)
enthaltenen Verbotes von Publikumsreklame für in die Spezialitätenliste
aufzunehmende Arzneimittel nicht für notwendig erachtete. Der Antrag einer
Minderheit der vorberatenden nationalrätlichen Kommission, in Art. 44 des
bundesrätlichen Gesetzesentwurfes und späteren Art. 52 KVG einen Abs. 4
einzufügen des Inhaltes, dass Werbung für Arznei- und Heilmittel ausserhalb
der betroffenen Fachkreise untersagt ist, wurde von der Ratsmehrheit
nach einem Hinweis des Kommissionssprechers auf die Verordnung abgelehnt
(Amtl.Bull. 1993 N 1862 f.).

    Die Gesetzmässigkeit von Art. 65 Abs. 6 KVV wird im Grundsatz auch
von der Pfizer AG nicht in Frage gestellt. Entgegen der Firma betrifft
das Verbot der Publikumswerbung indes nicht bloss Arzneimittel, die
bereits in der Spezialitätenliste figurieren. Vielmehr gilt es auch -
und gemäss Wortlaut in erster Linie - für Arzneimittel, die in die Liste
aufgenommen werden wollen. Die gegenteilige Auffassung widerspräche
den Art. 32 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 6 KVG zugrunde liegenden Zwecken,
insbesondere dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Leistung, an denen sich
im Einzelfall die Verhältnismässigkeit einer gestützt auf Art. 65 Abs. 6
KVV getroffenen Anordnung beurteilt. Es kann mit Blick darauf, dass Werbung
in aller Regel zukunftsorientiert ist und auch langfristig erfolgreich
sein will, klarerweise keinen Unterschied machen, ob ein Arzneimittel,
für das Publikumswerbung betrieben wird oder wurde mit dem einzigen Ziel,
die Nachfrage zu fördern, bereits in der Spezialitätenliste figuriert oder
in diese aufgenommen werden will. Die Aufnahme eines in unzulässiger Weise
beworbenen Arzneimittels ist unter dem Kostengesichtspunkt nicht anders
zu würdigen, als wenn ein in der Liste aufgeführtes trotz Verstosses
gegen das Werbeverbot darin belassen würde.

    6.2

    6.2.1  Eine prägnante und praktikable Umschreibung des Begriffs der
(unzulässigen) Publikumswerbung im Sinne von Art. 65 Abs. 6 KVV hat sich in
erster Linie an entsprechenden Regelungen in verwandten oder benachbarten
Rechtsgebieten zu orientieren (vgl. BGE 119 V 299 Erw. 2). Dies sind hier
das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 15. Dezember
2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG [AS
2001 2790 ff.]) und die auf denselben Zeitpunkt vom Bundesrat gestützt
auf die Art. 31-33 HMG erlassene Verordnung vom 17. Oktober 2001 über
die Arzneimittelwerbung (Arzneimittel-Werbeverordnung, AWV [AS 2001 3477
ff.]). Vorab fallen auch Arzneimittel der Spezialitätenliste unter die
Heilmittelgesetzgebung. Die Zulassung durch das Heilmittelinstitut (Art. 9
ff. HMG; früher: Registrierung durch die Interkantonale Kontrollstelle
für Heilmittel [IKS]) ist Aufnahmebedingung für die Spezialitätenliste
(vgl. Art. 65 Abs. 1 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. b KLV sowie BBl 1999
IV 3494). Sodann enthält Art. 2 AWV eine Umschreibung des Begriffs der
Publikumswerbung (vgl. nachstehend Erw. 6.3) und erklärt Art. 32 Abs. 2
lit. a HMG Publikumswerbung für Arzneimittel, die nur auf ärztliche
Verschreibung abgegeben werden dürfen, als unzulässig. Darunter fällt
auch Viagra, da es gemäss Registrierungsurkunde der IKS vom 22. Juni
1998 von den Apotheken nur gegen ärztliches Rezept abgegeben werden
darf. Ein Verbot von Werbung, welche sich an das Publikum richtet, für
verschreibungspflichtige Arzneimittel kennt im Übrigen auch das Recht
der Europäischen Union (vgl. Art. 3 Ziff. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie
92/28/EG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel
[ABl. L 113 vom 30. April 1992 S. 0013 ff.]).

    6.2.2  Das Verbot von Publikumswerbung für rezeptpflichtige
Arzneimittel nach Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG wirft die Frage nach dem
Verhältnis dieser Gesetzesbestimmung zu Art. 65 Abs. 6 KVV auf. Dazu
ist festzustellen, dass sowohl in der Botschaft zum Heilmittelgesetz
vom 1. März 1999 (BBl 1999 IV 3453 ff.) als auch bei der Beratung
des bundesrätlichen Entwurfes im National- und im Ständerat auf
die krankenversicherungsrechtliche Regelung Bezug genommen wird
resp. wurde (vgl. BBl 1999 IV 3518 sowie Amtl.Bull. 2000 N 116
ff., S 609 ff.). Dabei ging es aber nicht etwa darum, ob Art. 65
Abs. 6 KVV zu streichen und allenfalls eine auf die einschlägigen
Bestimmungen der Heilmittelgesetzgebung verweisende Norm in der
Krankenversicherungsverordnung oder sogar im Krankenversicherungsgesetz
einzufügen sei. Diese Frage wurde nicht einmal aufgeworfen, stand somit
ausser Diskussion. Daraus ist zu folgern, dass Art. 65 Abs. 6 KVV nach wie
vor auch in dem mit Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG gemeinsamen Anwendungsbereich
selbstständige Bedeutung zukommt.

    In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Hauptzweck der
Heilmittelgesetzgebung der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier ist
(Art. 1 Abs. 1 HMG). Demgegenüber kommt dem im Rahmen von Art. 65 Abs. 6
KVV zentralen Gesichtspunkt der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen kein
besonderes Gewicht zu. Immerhin und für die vorliegenden Belange nicht
unbedeutend ist, dass der im National- und im Ständerat gestellte Antrag,
in Abweichung vom bundesrätlichen Gesetzesentwurf die Publikumswerbung
auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel als grundsätzlich zulässig
zu erklären, u.a. mit dem Hinweis auf die Folgekosten abgelehnt worden
war (vgl. BBl 1999 IV 3629 sowie Amtl.Bull. 2000 N 116 ff., S 609 ff.,
insbesondere 611 [Bundesrätin Dreifuss]). Für die Anwendung von Art.
65 Abs. 6 KVV grundsätzlich nicht von Bedeutung sind im Übrigen die
weiteren im Heilmittelgesetz und in der Arzneimittel-Werbeverordnung
genannten, teils lauterkeitsrechtlich, teils konsumentenschutzrechtlich
motivierten Tatbestände unzulässiger Werbung (vgl. BBl 1999 IV 3517
f. sowie BRATSCHI/EGGENBERGER STÖCKLI, Bundesgesetz über Arzneimittel
und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz], Gesetzestext mit Erläuterungen,
Bern 2002, S. 16 f.).

    6.3  Trotz des Charakters von Art. 65 Abs. 6 KVV als lex specialis im
Verhältnis zu Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG und den aufgezeigten Unterschieden
in Bezug auf die Zielsetzungen liegt es nahe und erscheint auch sinnvoll,
im Anwendungsbereich beider Regelungen vom selben heilmittelrechtlichen
Begriff der Publikumswerbung auszugehen. Dem steht vorliegend nicht
entgegen, dass Heilmittelgesetz und Arzneimittel-Werbeverordnung im
Zeitpunkt der Verfügung über die (Nicht-)Aufnahme von Viagra unter
bestimmten Limitationen in die Spezialitätenliste am 21. Juni 1999 noch
nicht erlassen worden waren.

    Art. 2 AWV umschreibt Publikumswerbung als Arzneimittelwerbung,
welche sich an das Publikum richtet (lit. b). Arzneimittelwerbung
umfasst alle Massnahmen zur Information, Marktbearbeitung und Schaffung
von Anreizen, welche zum Ziel haben, die Verschreibung, die Abgabe, den
Verkauf, den Verbrauch oder die Anwendung von Arzneimitteln zu fördern
(lit. a). Davon zu unterscheiden ist die nach Art. 31 Abs. 1 lit. a HMG
auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich zulässige
Fachwerbung. Darunter ist Arzneimittelwerbung zu verstehen, die sich an
zur Verschreibung, Abgabe oder zur eigenverantwortlichen beruflichen
Anwendung von Arzneimitteln berechtigte Fachpersonen richtet (lit.
c). Überhaupt nicht als Werbung im Sinne der Heilmittelgesetzgebung
gelten laut Art. 1 Abs. 2 lit. c AWV Informationen allgemeiner Art über
die Gesundheit oder über Krankheiten, sofern sich diese weder direkt noch
indirekt auf bestimmte Arzneimittel beziehen (ebenso Art. 1 Abs. 2 lit. c
der Richtlinien der IKS vom 23. November 1995 über die Heilmittelwerbung;
vgl. auch Art. 1 Ziff. 3 und 4 der Richtlinie 92/28). Im Weitern zählt
Art. 15 AWV die Arten von Publikumswerbung auf. Es sind dies u.a. Anzeigen
in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, Prospekte, Plakate, Rundbriefe
usw. (lit. a) sowie Anpreisungen mittels audiovisueller Mittel und
anderer Bild-, Ton- und Datenträger und Datenübermittlungssysteme, wie
zum Beispiel im Internet (lit. c).

    6.4

    6.4.1  Eine Verletzung des Verbotes von Publikumswerbung gemäss
Art. 65 Abs. 6 KVV hat die Nichtaufnahme in oder die Streichung des
Arzneimittels von der Spezialitätenliste zur Folge. Andere, mildere
Massnahmen sind nicht vorgesehen. Im Unterschied dazu kann unzulässige
Werbung im heilmittelrechtlichen Kontext verschiedene verwaltungsrechtliche
Sanktionen nach sich ziehen, u.a. Beanstandung, vorübergehendes oder
dauerndes Werbeverbot, Widerruf der Zulassung (vgl. Art. 66 Abs. 2 lit. a,
b und g HMG). In dieser Ordnung kommt das verfassungsrechtliche Prinzip zum
Ausdruck, wonach auf Gesetz beruhende und durch das öffentliche Interesse
gerechtfertigte Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit verhältnismässig
sein müssen (Art. 27 und 36 BV; in BGE 128 I 94 f. Erw. 2a und b [am
Anfang]). Es besteht kein Grund, im Anwendungsbereich des Art. 65 Abs. 6
KVV nicht ebenfalls weniger weit gehende Massnahmen als die Nichtaufnahme
in oder die Streichung des Arzneimittels von der Spezialitätenliste
zuzulassen. Im Gegenteil erscheint eine Abstufung der Sanktionen
nach Schwere, Dauer und Intensität der Verletzung des Verbotes von
Publikumswerbung namentlich unter normzweckorientiertem Gesichtswinkel
als angezeigt. Art. 65 Abs. 6 KVV will die Förderung der Nachfrage nach
Arzneimitteln über das krankenversicherungsrechtlich notwendige Mass
hinaus verhindern. Demgegenüber geht es beim heilmittelrechtlichen Verbot
von Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Art. 32
Abs. 2 lit. a HMG) in erster Linie um den Schutz der Gesundheit. In
diesem Zusammenhang darf im Übrigen nicht übersehen werden, dass
von der Nichtaufnahme in oder der Streichung eines Arzneimittels von
der Spezialitätenliste immer auch kranke Versicherte betroffen sind
(vgl. EUGSTER, aaO, S. 100 Fn 425).

    6.4.2  Nach dem Vorstehenden kann grundsätzlich der Tatbestand des
Art. 65 Abs. 6 KVV nicht schon als gegeben gelten und die Nichtaufnahme
in oder die Streichung eines Arzneimittels von der Spezialitätenliste
rechtfertigen, wenn für das betreffende Präparat lediglich einmal an das
Publikum gerichtete Werbung betrieben wurde. Anders verhält es sich bei
mehrmaliger öffentlicher Anpreisung des Medikamentes, zumal wenn dieses
Verhalten bereits durch das Heilmittelinstitut beanstandet oder sogar
vorübergehend oder dauernd verboten worden ist. Neben der Häufigkeit
und allenfalls dem zeitlichen Rhythmus, mit welchem für das in Frage
stehende Arzneimittel geworben wird oder worden ist, sowie der Art des
oder der Werbeträger ist dessen oder deren geografische Reichweite von
Bedeutung. Es macht einen Unterschied, ob beispielsweise Printmedien
und Radio- oder Fernsehsender bloss lokalen oder regionalen Charakter
haben, oder ob es sich dabei um landesweit oder sogar über die Grenzen
hinaus bekannte und genutzte Einrichtungen handelt. Hingegen ist für die
Unzulässigkeit von Publikumswerbung im Sinne von Art. 65 Abs. 6 KVV nicht
erforderlich, dass die fraglichen Massnahmen auf einem eigentlichen
Werbekonzept beruhen. Entscheidend ist nicht, welche Überlegungen
hinter dem Publikumsauftritt der Hersteller- oder Vertriebsfirma stehen,
sondern dieser selber. Umgekehrt kann es beweisrechtlich nicht genügen,
einzig aufgrund von ein paar mehr oder weniger zufällig gefundenen
oder ausgewählten Zeitungsinseraten einen Verstoss gegen das Verbot von
Publikumswerbung zu bejahen.

    6.4.3  Die Situation ist dort eine besondere, wo der Name eines
Arzneimittels, welches in die Spezialitätenliste aufgenommen werden
will, vor Einreichung des Gesuchs, allenfalls sogar schon vor der
(Markt-)Zulassung durch das Heilmittelinstitut in weiten Teilen der
Bevölkerung bekannt ist. Dies muss nicht allein auf Publikumswerbung
seitens der Hersteller- oder Vertriebsfirma zurückzuführen sein. Es
ist ohne weiteres denkbar, dass die Medien aufgrund von Artikeln in
Fachzeitschriften oder allgemeinen Informationen, denen der Charakter von
(zulässiger) Fachwerbung zukommt, auf ein Arzneimittel aufmerksam werden,
weil es beispielsweise einen entscheidenden Fortschritt in der Behandlung
einer von der Art oder Schwere her besonderen Krankheit darstellt oder
eine solche erst ermöglicht, und in einer Form darüber berichten, welche
objektiv betrachtet als Publikumswerbung zu bezeichnen ist. Es müssen
diesfalls aus Gründen der Gleichbehandlung strengere Anforderungen an
die Aktivitäten der Firma im Zusammenhang mit dem in Frage stehenden
Arzneimittel gestellt werden. So sind unter Umständen Berichte oder
Inserate, welche über eine Krankheit informieren und bloss die Indikation
bewerben, ohne den Namen des Heilmittels zu erwähnen, als Publikumswerbung
zu qualifizieren (Art. 1 Abs. 2 lit. c AWV e contrario). Das ist der Fall,
wenn Krankheit und Arzneimittel in dem Sinne untrennbar miteinander
verbunden sind, dass der eine Begriff unweigerlich mit dem andern
assoziiert wird.

    6.4.4  Im Lichte der vorstehenden Erwägungen kann die Aufnahme von
Viagra in die Spezialitätenliste unter dem Gesichtspunkt der verbotenen
Publikumswerbung im Sinne von Art. 65 Abs. 6 KVV nicht in zuverlässiger
Weise beurteilt werden. Das Bundesamt hat bei der Rekurskommission drei
Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften, davon zwei in Inserateform,
eingereicht, welche eine derartige Publikumswerbung belegen sollen. Der
erste Artikel erschien im "Blick" vom 25. Juni 1998. Inhalt ist ein
mit "Kistenweise Sex-Pillen. Viagra-Chef S. Der begehrteste Mann der
Schweiz." übertiteltes Interview mit dem Chef der Schweizer Niederlassung
der Firma, welcher darin u.a. die Meinung vertritt, es handle sich bei
Viagra nicht um eine Modepille, sondern um ein Medikament, das Patienten
von ihren Erektionsstörungen befreie. Die Krankenkassen müssten daher
unter bestimmten Bedingungen die Potenz-Pille bezahlen. Das eine der
beiden Inserate stammt aus dem "Brückenbauer" Nr. 48 vom 30. November
1999. Es zeigt oben rechts das Signet der Firma Pfizer. Darunter ist ein
jüngeres Paar abgebildet. Der daran anschliessende Text ist mit "Störungen
der Sexualität. Ihr Arzt kennt die Lösung" überschrieben. In diesem wird
u.a. die Wichtigkeit einer natürlichen Sexualität sowie die weit gehende
Tabuisierung sexueller Schwierigkeiten wie Erektionsstörungen erwähnt
und darauf hingewiesen, dass der Arzt oder die Ärztin die verschiedenen
Behandlungsmethoden kenne und einen entscheidenden Teil zur Bewältigung
der Störungen beitragen könne. Am Schluss wird für weitere Informationen
zur Krankheit und zur Behandlung von Erektionsstörungen u.a. eine
Internetadresse ('www.erektionsstoerung.ch') angegeben. Von Gestaltung
und Inhalt her ganz ähnlich präsentiert sich das zweite Inserat, dessen
Erscheinungsort und -datum allerdings nicht bekannt sind. Es zeigt ein
älteres Ehepaar und trägt den Titel "Erektionsstörungen belasten auch
ältere Paare. Das muss nicht sein." Im Text wird u.a. gesagt, es bestehe
Anrecht auf ein glückliches, erfülltes Sexualleben auch im Alter, sexuelle
Beeinträchtigungen, insbesondere Erektionsstörungen, würden tabuisiert und
das Gespräch zwischen Mann und Frau könne nützlich sein, vielleicht helfen,
den Gang zum Arzt endlich anzutreten. Ebenfalls wird für weitere Auskünfte
auf eine Internetseite ('www.erektile-dysfunktion.ch') hingewiesen.

    Das Bundesamt wird somit (weitere) Abklärungen vorzunehmen haben. Dabei
wird es insbesondere die Internet-Auftritte der Pfizer AG im Zusammenhang
mit Erektionsstörungen einer genaueren Prüfung zu unterziehen und
allenfalls beim Heilmittelinstitut Auskünfte über das Werbeverhalten
der Firma aus Sicht der Heilmittelgesetzgebung einzuholen haben. Im
Weitern wird das BSV zu prüfen haben, ob eine mildere Massnahme als die
Nichtaufnahme in die Spezialitätenliste anzuordnen ist (Mahnung, befristete
Nichtaufnahme). Dabei wird es den unbestritten hohen Bekanntheitsgrad
von Viagra zu berücksichtigen und, soweit Tatsache, der eigendynamischen
Thematisierung der sexuellen Potenz bzw. Potenzstörung durch die Medien
Rechnung zu tragen haben.

    6.5  Der angefochtene Entscheid verletzt somit in Bezug auf den
Ausschlussgrund der unzulässigen Publikumswerbung nach Art. 65 Abs. 6
KVV Bundesrecht.