Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 V 1



129 V 1

1. Auszug aus dem Urteil i.S. H. und E. F. gegen Schweizerische
Ausgleichskasse und Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die
im Ausland wohnenden Personen H 167/01 vom 10. Januar 2003

Regeste

    Art. 22bis Abs. 1 AHVG (in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung)
in Verbindung mit Ziff. 1 lit. e Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur
10. AHV-Revision; Art. 22bis Abs. 1 AHVG (in der ab 1. Januar 1997 in
Kraft stehenden Fassung) in Verbindung mit Art. 34 IVG: Verzicht auf
Versicherungsleistungen.

    An der bisherigen Rechtsprechung, wonach auf Leistungen der Alters- und
Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung nur ausnahmsweise verzichtet
werden kann, sofern ein schutzwürdiges Interesse der leistungsberechtigten
Person vorliegt und der Verzicht keine Interessen anderer Beteiligter
(inklusive der Alters- und Hinterlassenen- und der Invalidenversicherung)
beeinträchtigt, ist auch unter Geltung der per 1. Januar 1997 in Kraft
getretenen Bestimmungen der 10. AHV-Revision festzuhalten.

    In casu wird ein schutzwürdiges Interesse einer seit dem 1. Dezember
1997 eine Altersrente beziehenden Ehefrau an einem Verzicht auf ihre
Rente zu Gunsten einer per 1. Februar 2000 auszurichtenden Vollrente des
Ehemannes samt Zusatzrente verneint.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Die streitigen Verwaltungsverfügungen wurden am 9.  sowie 27. März
2000 und damit vor Inkrafttreten (1. Juni 2002) des Abkommens vom 21. Juni
1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit erlassen. Dieses Abkommen, insbesondere dessen Anhang II, der
die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt, muss demnach
im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben (BGE 128 V 316 Erw. 1).

    1.2  Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft
getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Bereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich
auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügungen (hier:
vom 9. und 27. März 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121
V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002
geltenden Bestimmungen anwendbar.

    1.3  Für die Beschwerdeführer als deutsche Staatsangehörige mit
Wohnsitz in Deutschland massgebend sind im hier zu beurteilenden Fall die
Vorschriften des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar
1964. Die vorliegend anwendbaren Bestimmungen dieses Staatsvertrages
(Art. 3 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Ziff. 2 lit. a) sind im
angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegeben. Richtig dargelegt hat
die Vorinstanz ferner die einschlägigen innerstaatlichen, für nach dem
31. Dezember 1996 entstandene Rentenansprüche anzuwendenden Vorschriften
der 10. AHV-Revision (vgl. Ziff. 1 lit. c Abs. 1 der Übergangsbestimmungen
zur 10. AHV-Revision [ÜbBest. AHV 10]), worunter in übergangsrechtlicher
Hinsicht namentlich alt Art. 22bis Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Ziff. 1
lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10 fällt, welche Norm den - grundsätzlich mit
der 10. AHV-Revision aufgehobenen und nun stufenweise abgebauten - Anspruch
eines Ehemannes, der erst nach dem 1. Januar 1997 AHV-rentenberechtigt
wird und dessen nicht rentenberechtigte Ehefrau 1941 oder früher geboren
ist, auf Zusatzrente zur eigenen Altersrente regelt. Darauf wird verwiesen.

Erwägung 2

    2.  Die nachfolgenden Erwägungen sind vor dem Hintergrund
des Werdeganges und der Zielsetzungen der 10. AHV-Revision zu
sehen. Neben den Massnahmen zur Verwirklichung der Gleichstellung von
Mann und Frau (Anrechnung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften;
Übergang vom Ehepaarrenten- zum Individualrentenkonzept; Einführung des
Splitting-Systems für die Ehejahre), den sozialpolitischen Verbesserungen
(Einführung einer Hilflosenentschädigung mittleren Grades in der AHV)
sowie der Ermöglichung des Rentenvorbezugs bzw. der Flexibilisierung des
Rentenalters bildeten vor allem auch die mit der Revision beabsichtigten
Einsparungen Schwerpunkt der neuen Ordnung. Letzterem sollte u.a. die
Aufhebung der Zusatzrente in der AHV dienen (vgl. die bundesrätliche
Botschaft über die 10. AHV-Revision vom 5. März 1990, BBl 1990 II 6 f.;
zu den parlamentarischen Beratungen: Amtl.Bull. 1991 S 269, 1993 N 207
f., 210, 217, 252, 296 f., 1994 S 591, 595). Im Rahmen des beabsichtigten
Systemwechsels wurde die Gewährung einer Zusatzrente in der AHV auf jene
Fälle beschränkt, in denen aus Überlegungen der Besitzstandsgarantie eine
Zusatzrente aus der Invalidenversicherung bis zur Rentenberechtigung beider
Ehegatten auch in der AHV weiterhin ausgerichtet wird (Art. 22bis Abs.
1 AHVG) und in denen infolge der Übergangsregelung eine Zusatzrente
nach alt Art. 22bis Abs. 1 AHVG nach wie vor zur Ausrichtung gelangt
(vgl. Ziff. 1 lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10). Der Ehemann, der im Zeitpunkt
des Inkrafttretens der 10. AHV-Revision bereits eine Zusatzrente im
letztgenannten Sinne bezieht, behält diesen Anspruch, bis seine Ehefrau
einen eigenen Rentenanspruch erwirkt. Männer, die am 1. Januar 1997 noch
keine Altersrente haben, werden später bei Erreichen des Rentenalters eine
Zusatzrente erhalten, wenn ihre Ehegattin am 1. Januar 1997 mindestens 56
Jahre alt war (Jahrgang 1941) und selber keinen eigenen Rentenanspruch
hat. Das Grenzalter für die Zusatzrente wird mit jedem Jahr nach dem
Inkrafttreten der 10. AHV-Revision um ein Jahr angehoben, bis es mit
dem Rentenalter der Frauen zusammenfällt. Im Jahre 2003 werden letztmals
"neue" Zusatzrenten gemäss alt Art. 22bis Abs. 1 AHVG in Verbindung mit
Ziff. 1 lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10 gewährt werden (vgl. BBl 1990 II 43
ff., 87; JÜRG BRECHBÜHL, Die Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision,
ein wichtiger Teil der Gesetzesänderungen, in: Soziale Sicherheit [CHSS]
1995 S. 75).

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Beschwerdeführerin bezieht seit dem 1. Dezember 1997
eine Altersrente, ihr Ehegatte seit 1. Juni 1998 eine Invalidenrente.
Letztere wurde zufolge Erreichens des AHV-Alters per 1. Februar 2000 durch
eine Altersrente abgelöst. Aus dieser Sachlage erhellt, dass weder ein
Anspruch auf eine Zusatzrente auf Grund der Übergangsregelung gemäss
alt Art. 22bis Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Ziff. 1 lit. e Abs. 1
ÜbBest. AHV 10 noch ein solcher mit Blick auf die Weitergewährung einer
Zusatzrente aus der Invalidenversicherung bei Entstehen des Anspruchs auf
eine Altersrente für den invaliden Ehegatten nach Art. 22bis Abs. 1 AHVG
(in Verbindung mit Art. 34 IVG) entstanden ist.

    3.2  Fraglich ist, ob die Versicherte auf den Zeitpunkt der
Entstehung des Altersrentenanspruchs ihres Ehemannes, per 1. Februar 2000,
rechtswirksam auf ihren eigenen, seit 1. Dezember 1997 bestehenden Anspruch
auf eine Altersrente zugunsten einer Zusatzrente zur Altersrente des
Ehegatten im Sinne von alt Art. 22bis Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Ziff. 1
lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10 verzichten konnte. Dies im Hinblick darauf,
dass es im seit der 10. AHV-Revision geltenden Individualrentensystem
Konstellationen gibt, bei denen die Altersrente (Teilrente) - wie im
vorliegenden Fall - oder die Invalidenrente (halbe oder Viertelsrente)
der Ehefrau kleiner ausfällt als die Zusatzrente, die der rentenberechtigte
Ehemann zu seiner Alters- oder Invalidenrente für seine Ehegattin erhielte,
wenn sie keine eigene Rente beziehen würde.

Erwägung 4

    4.  Während das BSV diese Frage im Wesentlichen unter Verweis auf EVGE
1969 S. 211 ff. (= ZAK 1970 S. 471 ff.) und die seitherige Rechtsprechung
bejaht, verneinen Vorinstanz und Verwaltung - letztere unter Bezugnahme
auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid - eine Verzichtsmöglichkeit
der Beschwerdeführerin.

    4.1  Die gesetzlichen Vorschriften enthalten - von der Nachzahlung
nicht bezogener Leistungen abgesehen (Art. 46 AHVG) - keinen Hinweis
auf die Möglichkeit eines Verzichts, seine Rechte geltend zu machen,
bzw. auf die Folgen einer derartigen Rechtshandlung (vgl. auch MAURER,
Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 311 mit Hinweisen;
anders nun Art. 23 ATSG, welcher einen Verzicht auf Versicherungsleistungen
unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich normiert).

    4.1.1  Eine Lücke des Gesetzes liegt vor, wenn sich eine gesetzliche
Regelung als unvollständig erweist, weil sie auf eine bestimmte Frage
keine (befriedigende) Antwort gibt. Bevor eine ausfüllungsbedürftige Lücke
angenommen werden darf, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Fehlen
einer Anordnung nicht eine bewusst negative Antwort des Gesetzgebers,
ein sogenannt qualifiziertes Schweigen darstellt. Erst nach Verneinung
dieser Frage kann von einer Lücke gesprochen werden (vgl. HÄFELIN/MÜLLER,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, S. 47 Rz 233 ff.).
Herrschende Lehre und bundesgerichtliche Rechtsprechung unterscheiden
echte und unechte Lücken (vgl. HÄFELIN/MÜLLER, aaO, S. 48 Rz 237 ff.;
BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl., Basel 1991, S.
93 Nr. 441; ULRICH HÄFELIN, Zur Lückenfüllung im öffentlichen Recht, in:
Festschrift zum 70. Geburtstag von HANS NEF, Zürich 1981, S. 91 ff., alle
mit Hinweisen). Während bei einer echten Lücke eine sich unvermeidlich
stellende Rechtsfrage nicht beantwortet wird und das Gericht diese unter
Rückgriff auf die ratio legis zu schliessen hat, liegt bei einer unechten
Lücke eine sachlich unbefriedigende Antwort vor, deren Korrektur den
rechtsanwendenden Organen grundsätzlich nicht bzw. nur unter strengen
Voraussetzungen erlaubt ist (BGE 127 V 41 Erw. 4b/cc mit Hinweisen).

    4.1.2  Das - bis Ende 2002 andauernde - Fehlen einer Regelung
hinsichtlich des Verzichts auf Versicherungsleistungen im Bereich der
seit 1. Januar 1997 geltenden Grundsätze der AHV stellt offenkundig kein
qualifiziertes Schweigen, sondern eine planwidrige Unvollständigkeit dar.
Mangels Beantwortung der sich in Fällen wie dem vorliegenden stellenden
Frage nach der Zulässigkeit sowie den Wirkungen eines Verzichts liegt eine
echte Lücke vor (MAURER, aaO, S. 311 mit Hinweisen). Diese hat das Gericht
nach jener Regel zu schliessen, die es als Gesetzgeber aufstellen würde
(BGE 127 V 41 Erw. 4b/dd mit Hinweisen).

    4.2  Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte Gelegenheit,
sich in EVGE 1969 S. 211 ff. in Nachachtung der Urteile EVGE 1961 S. 62
ff. und 1962 S. 298 ff. - unter Geltung der bis zum Inkrafttreten der
8. AHV-Revision per 1. Januar 1973 gültig gewesenen AHV-Rechtsordnung -
zur Frage zu äussern, ob ein Ehemann auf die Ehepaar-Altersrente zugunsten
der höheren einfachen Altersrente der Ehefrau verzichten konnte. Es hielt
dabei in Erw. 1 in grundsätzlicher Hinsicht fest, es bestehe kein Zweifel,
dass ein Versicherter auf seinen Rentenanspruch als solchen ("au droit
à la rente") nicht verzichten und dass ein Verzicht sich nur auf die
Auszahlung der Rente ("le versement des annuités de rente") beziehen
könne. In Ausnahmefällen sei dem Versicherten jedoch ein schützenswertes
Interesse zuzugestehen, seinen Rentenanspruch nicht geltend oder ein
eingereichtes Leistungsgesuch rückgängig zu machen; ein solcher Verzicht
lasse sich hinsichtlich seiner Wirkungen dem Nichtbestehen eines Anspruchs
auf Versicherungsleistungen gleichsetzen. In Anwendung dieser Rechtslage
ging das Eidgenössische Versicherungsgericht sodann in Erw. 2 - ohne
indessen nochmals ausdrücklich auf den Ausnahmecharakter des Verzichts auf
den Leistungsanspruch als solchen Bezug zu nehmen - vom Vorliegen eines
Ausnahmefalles aus. Die besonderen konkreten Verhältnisse - es handelte
sich um eine Rückforderung im für die damalige Zeit ansehnlichen Betrag
von Fr. 3505.- gegenüber zwei rechtsunkundigen italienischen Ehegatten -
lassen jedoch erkennen, dass das Gericht von seiner zuvor dargelegten
Erkenntnis, wonach nur in Ausnahmefällen auf den Anspruch verzichtet
werden könne, nicht abgewichen ist. Bereits die in EVGE 1962 S. 301 Erw. 2
enthaltene Formulierung ("les circonstances exceptionnelles") lässt im
Übrigen darauf schliessen, dass der Verzicht auf den Leistungsanspruch nur
in Ausnahmefällen statthaft sein sollte. So wurde in jenem Urteil darauf
hingewiesen, dass der Ehemann ein schutzwürdiges Interesse daran habe,
seiner Ehegattin den Genuss ihrer höheren Rente, "qu'elle s'est acquise
par ses propres cotisations", nicht durch die Geltendmachung seines
Anspruchs auf eine Ehepaar-Altersrente zu zerstören. In BGE 101 V 261
ff. hat das Eidgenössische Versicherungsgericht den Verzicht ebenfalls
bejaht, weil das Ergebnis ansonsten, wie es in Erw. 2 (S. 264) festhält,
"si choquant" gewesen wäre. Die Verzichtslösung ist in diesem Fall noch
durch den Umstand begünstigt worden, dass nach dem Wortlaut der damals
anwendbaren Bestimmung des Art. 49 Abs. 2 AHVV nicht auf den Rentenanspruch
als solchen, sondern lediglich auf den Bezug der Rente ( ... "l'enfant
qui ne bénéficie pas déjà d'une rente ordinaire" ...) verzichtet werden
musste. Auf seine derart begründete Judikatur zur Verzichtsproblematik hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht auch in neuerer Zeit mehrmals in
grundsätzlicher Hinsicht Bezug genommen, so etwa in BGE 124 V 176 Erw. 3a
und im nicht publizierten Urteil P. vom 22. August 1995, I 32/95, Erw. 4c
(vgl. zum Ganzen auch MAURER, aaO, S. 312 f. mit Hinweisen).

    4.3  Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ein gleichsam systematischer
Verzicht, wie ihn das BSV in seiner letztinstanzlichen Vernehmlassung
zu vertreten scheint, nicht dem Sinn der Rechtsprechung entspricht. Der
Auffassung, den Verzicht mehr oder weniger voraussetzungslos zuzulassen
und ihn so gewissermassen zum Regelfall machen zu wollen, steht denn
auch die in Rz 1306 der Wegleitung des BSV über die Renten (RWL; in
der ab 1. Januar 1997 gültigen Fassung) statuierte, den Kerngehalt der
Praxis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts wiedergebende Regelung
entgegen, wonach ein Verzicht auf Leistungen der AHV und der IV nicht
grundsätzlich, sondern nur in Ausnahmefällen zulässig ist, sofern ein
schutzwürdiges Interesse der leistungsberechtigten Person vorliegt und
keine Interessen anderer Beteiligter (inklusive der AHV und der IV)
dadurch beeinträchtigt werden. Der Begriff "ausnahmsweise" kann aber
nicht bedeuten, dass eine gesetzgeberisch beabsichtigte Konzeption,
nämlich die prinzipielle Abschaffung der Zusatzrente in der AHV durch
die 10. AHV-Revision, in zahlreichen Fällen durchkreuzt wird. Dies gilt
umso mehr, als durch die neue Rechtsordnung - und hierbei insbesondere
auch durch den sukzessiven Abbau der Zusatzrenten - Einsparungen erzielt
werden sollten (vgl. Erw. 2 hievor). Rechnung zu tragen ist in diesem
Zusammenhang auch dem Umstand, dass in der Sozialversicherung zahlreiche
Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Leistungsarten innerhalb einzelner
Versicherungszweige wie auch zwischen diesen bestehen, sei es dass ein
Leistungsanspruch vom Bestand oder Nichtbestand eines Anspruchs auf eine
andere Leistung abhängt, sei es dass in koordinationsrechtlicher Hinsicht
zwar verschiedene Ansprüche vorhanden sind, diese aber je nach Verhältnis
zueinander der Kürzung unterliegen. Bevor der Gesetzgeber Änderungen
vornimmt - so auch im Hinblick auf die 10. AHV-Revision -, hat er sich
die zu regelnden Sachverhalte zu vergegenwärtigen. Würde der Verzicht
auf Leistungen mit den dargelegten Wirkungen auf breiter Basis zugelassen
werden, wie dies das BSV vertritt, träten in vielen Fällen nicht die vom
Gesetzgeber vorgestellten und beabsichtigten, sondern unvorhergesehene
Rechtsfolgen ein, je nachdem ob und auf welche Leistungen verzichtet würde.
Zusammenfassend ändert sich somit auch unter der Geltung der auf den 1.
Januar 1997 in Kraft getretenen Bestimmungen der 10. AHV-Revision nichts an
der Rechtsprechung, die einen Verzicht nur in Ausnahmefällen als zulässig
erklärt. Wie bereits in Erw. 4.1 in fine hievor dargelegt, entspricht
diese Lösung im Übrigen auch dem in Art. 23 ATSG normierten Grundsatz,
wonach die berechtigte Person auf Versicherungsleistungen verzichten
kann (Abs. 1), sofern damit nicht schutzwürdige Interessen von anderen
Personen, von Versicherungen oder Fürsorgestellen beeinträchtigt werden
oder eine Umgehung gesetzlicher Vorschriften bezweckt wird (Abs. 2). Obwohl
diese Regelung erst auf den 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist und
ihr mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung keine Vorwirkung
zukommt (RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 17 S. 50), können nach der Rechtsprechung
Vorarbeiten zu Erlassen, die noch nicht in Kraft getreten sind, bei der
Auslegung einer Norm berücksichtigt werden (BGE 128 I 76 f. Erw. 4.4 mit
Hinweis). Dies vor allem dann, wenn - wie vorliegend - das geltende System
nicht grundsätzlich geändert werden soll, sondern nur eine Konkretisierung
des bereits bestehenden Rechtszustandes oder eine Lückenfüllung des
geltenden Rechts angestrebt wird (vgl. auch BGE 122 IV 297 Erw. 2d, 117
II 475 Erw. 5a; allgemein zu Art. 23 ATSG: GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, De
la renonciation aux prestations d'assurance sociale [art. 23 LPGA/ATSG],
in: Haftung und Versicherung [HAVE] 2002 S. 335 ff.).

Erwägung 5

    5.

    5.1  Die Vorinstanz hat mit ausführlicher und sorgfältiger Begründung
zutreffend erkannt, dass im vorliegenden Fall ein schützenswertes
Interesse der Beschwerdeführerin auf Verzicht ihres eigenen Rentenanspruchs
zugunsten einer Vollrente ihres Ehemannes mit Zusatzrente zu verneinen
und damit kein Ausnahmefall im Sinne der dargelegten Rechtsprechung zur
Verzichtsproblematik gegeben ist. So würden damit nicht nur die Eckpfeiler
des Systemwechsels (individueller Rentenanspruch, Rentenberechnung auf
Grund der eigenen Beiträge und der während der Ehejahre hinzugesplitteten
Einkommen; Anrechnung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften,
Plafonierung) untergraben, sondern auch die Interessen der AHV auf
Grund der dadurch verursachten Mehrleistung beeinträchtigt und das mit
der Revision angestrebte Sparziel unterlaufen. Auf die in allen Teilen
überzeugenden Erwägungen des angefochtenen Entscheides kann verwiesen
werden.

    5.2  Entgegen den Vorbringen des BSV widerspricht die bisherige
Judikatur (vgl. Erw. 4.2 hievor) diesem Ergebnis nicht, ist diese doch
nicht unter den seit 1. Januar 1997 geltenden neuen AHV-Bestimmungen
ergangen, mit welchen gerade durch die Abschaffung der Zusatzrenten
Einsparungen angestrebt worden sind. Ein solcherart ausdrücklich
formuliertes Sparziel kann durchaus als schutzwürdiges Interesse
im Sinne der Verzichtsrechtsprechung definiert werden. Wie das
BSV ferner selber betont, dient der Abbau der Zusatzrenten auch
der Aufhebung der zivilstandsbedingten Privilegierung und damit den
Gleichstellungsbestrebungen der 10. AHV-Revision. Würde ein Verzicht,
wie er vorliegend zu beurteilen ist, als allgemein zulässig erklärt
werden, liefe dies auf eine ungerechtfertigte - über die mit der
übergangsrechtlichen Zusprechung von Zusatzrenten gemäss alt Art. 22bis
Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Ziff. 1 lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10
bis längstens 2003 andauernde - Ungleichbehandlung der Geschlechter
hinaus. Hieran zu ändern vermag insbesondere auch die vom BSV angerufene
Gleichbehandlung der Jahrgänge nichts, liegt doch dem vergleichsweise
erwähnten Fall von gleichaltrigen Ehefrauen, welche zu keiner Zeit einen
eigenen Rentenanspruch erworben haben, nicht der hier gegebene Sachverhalt
zu Grunde.