Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 I 91



129 I 91

10. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. X. gegen Evangelisch-Reformierte Kirchgemeinde A. sowie
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)

    2P.118/2002 vom 29. November 2002

Regeste

    Art. 9, 29, 30 und 72 BV; Art. 58 Abs. 2 aBV; § 114 KV/AG; Verbot der
geistlichen Gerichtsbarkeit; Autonomie der Landeskirche; Zuständigkeit
kircheninterner oder staatlicher Justizorgane zur Beurteilung der
vermögensrechtlichen Nebenfolgen bei Nichtwiederwahl eines Pfarrers?

    Massgebliche Bestimmungen betreffend den Rechtsschutz in
kirchlichen Angelegenheiten im kantonalen Recht und in den Satzungen der
Evangelisch-Reformierten Landeskirche im Kanton Aargau (E. 3).

    Es obliegt den staatlichen Instanzen, festzulegen, welche Bereiche
vom landeskirchlichen Rechtsschutzauftrag gemäss § 114 KV/AG erfasst
werden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beurteilung
vermögensrechtlicher Streitigkeiten aus kirchlichem Dienstrecht habe
auf dem Wege des kircheninternen Beschwerde- und nicht des staatlichen
Klageverfahrens zu erfolgen, hält vor dem Verbot der geistlichen
Gerichtsbarkeit stand (E. 4.2) und verletzt weder die landeskirchliche
Autonomie (E. 4.3) noch das Willkürverbot (E. 4.4).

    Die landeskirchliche Rekurskommission vermag als gerichtsähnliches
Organ trotz gewisser Mängel einen genügenden Rechtsschutz zu gewährleisten
(E. 4.5).

Sachverhalt

    X. war von 1979 bis 1999 Pfarrer in der Evangelisch-Reformierten
Kirchgemeinde A. (im Folgenden auch: die Kirchgemeinde). Anlässlich der
Volkswahl im April 1999 wurde er nicht wiedergewählt.

    Mit Schreiben vom 14. Juni 1999 machte X. gegenüber der Kirchgemeinde
Ansprüche auf Abgangsentschädigung, Abgeltung von nicht bezogenem
Weiterbildungsurlaub, Dienstalterszulagen und Genugtuung geltend. Am
18. September 1999 wies das Kuratorium der Kirchgemeinde die Forderung
als ungerechtfertigt zurück.

    Nach erneuter Ablehnung seiner Forderung im Rahmen des Vorverfahrens
nach § 63 des aargauischen Gesetzes vom 9. Juli 1968 über die
Verwaltungsrechtspflege (VRPG/AG) erhob X. am 12. Juli 2000 gegen die
Evangelisch-Reformierte Kirchgemeinde A. beim Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau verwaltungsgerichtliche Klage (§ 60 Ziff. 3 VRPG/AG) mit
dem Begehren, die Kirchgemeinde zu verpflichten, ihm nach richterlichem
Ermessen eine Entschädigung zu leisten. Begründet wurde die Forderung mit
Entschädigungsansprüchen für nicht bezogenen Weiterbildungsurlaub und mit
Ansprüchen auf (seit 1993 nicht mehr ausgerichtete) Dienstalterszulagen.

    Mit Urteil vom 11. März 2002 trat das Verwaltungsgericht - nachdem
es das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit beschränkt hatte - auf
die Klage nicht ein. Das Gericht hielt dafür, dass vermögensrechtliche
Ansprüche aus kirchlichem Dienstrecht nicht auf dem Wege des staatlichen
Klage-, sondern des kircheninternen Beschwerdeverfahrens zu beurteilen
seien.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. Mai 2002 stellt X. beim
Bundesgericht die Anträge, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau vom 11. März 2002 sei aufzuheben und das Gericht sei
anzuweisen, auf die verwaltungsgerichtliche Klage vom 12. Juli 2000
einzutreten.

    Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit
es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Der Beschwerdeführer nimmt den Standpunkt ein, das
Verwaltungsgericht sei zu Unrecht nicht auf die verwaltungsgerichtliche
Klage eingetreten. Entgegen der vom Gericht vertretenen Auffassung falle
die Beurteilung der gegenüber der Beschwerdegegnerin geltend gemachten
vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem aufgelösten pfarramtlichen
Dienstverhältnis nicht in die Zuständigkeit der kircheninternen
Justizorgane. Ein derartiger "reiner Vermögensstreit" betreffe nicht
den innerkirchlichen, sondern den weltlichen Rechtskreis, weshalb er
vor staatlichen Gerichten auszutragen sei; zuständig sei gemäss §
60 Ziff. 3 VRPG/AG das Verwaltungsgericht im Klageverfahren. Auch
bestehe innerkirchlich kein genügender Rechtsschutz: Zum einen fehle
es an einem (für den Rechtsuchenden im Vergleich zur nachträglichen
Verwaltungsrechtspflege günstigeren) Klageverfahren und vorliegend
zudem an einem Anfechtungsobjekt für das Beschwerdeverfahren, welches
im Übrigen bei dem mit der Streitsache vorbefassten Kirchenrat anhängig
gemacht werden müsste. Zum anderen verneine die oberste innerkirchliche
Beschwerdeinstanz - die Rekurskommission der Evangelisch-Reformierten
Landeskirche - in ständiger Praxis ihre Zuständigkeit zur Beurteilung
vermögensrechtlicher Streitigkeiten aus Arbeits- und Dienstverhältnissen,
womit die Landeskirche auf die Gerichtsbarkeit in diesem Bereich verzichte
und der Justizgewährleistungsanspruch gegenüber dem Staat zum Tragen
komme. Abgesehen von ausreichenden personellen und finanziellen Mitteln
fehle es der Rekurskommission auch an der für die Durchführung eines
genügenden Beweisverfahrens nötigen Amtsgewalt; sodann könne nicht mit
Sicherheit von der Vollstreckbarkeit ihrer Entscheide ausgegangen werden.

    2.2  Im angefochtenen Urteil kommt das Verwaltungsgericht zum
Schluss, zwar schliesse § 60 Ziff. 3 VRPG/AG die Zuständigkeit des
Verwaltungsgerichts im Klageverfahren im kirchlichen Bereich nicht von
vornherein aus, doch könne aus dem Umstand, dass das landeskirchliche
Rechtsschutzsystem lediglich ein Beschwerde- und kein Klageverfahren
vorsehe, in Bezug auf vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem
kirchlichen Dienstverhältnis nicht auf eine Rechtsschutzlücke geschlossen
werden. Weder das Organisationsstatut der Evangelisch-Reformierten
Landeskirche des Kantons Aargau vom 25. November 1981/26. März 1985
(im Folgenden: Organisationsstatut bzw. OS) noch die Kirchenordnung
der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau vom 22.
November 1976 (im Folgenden: Kirchenordnung bzw. KO) enthielten einen
Vorbehalt zugunsten des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens,
und die Landeskirchen seien gemäss § 114 Abs. 1 der Verfassung des
Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 (KV/AG) verpflichtet, selbst für
einen genügenden Rechtsschutz zu sorgen, weshalb die innerkirchlichen
Institutionen auch zuständig seien, über vermögensrechtliche Ansprüche
aus öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen Verfügungen zu erlassen
und damit den (innerkirchlichen) Rechtsweg zu öffnen. Ein rechtsgültiger
Verzicht der Evangelisch-Reformierten Landeskirche auf die Jurisdiktion
in diesem Bereich liege - entgegen der anders lautenden Praxis der
landeskirchlichen Rekurskommission - nicht vor. Auch würde die Beurteilung
vermögensrechtlicher Ansprüche durch staatliche Instanzen regelmässig
eine problematische vorfrageweise Prüfung von nicht vermögensrechtlichen
dienstrechtlichen Aspekten voraussetzen, welche unbestrittenermassen in den
autonomen innerkirchlichen Zuständigkeitsbereich fielen. Ein einfacher und
effektiver Rechtsschutz setze eine einheitliche Rechtsmittelinstanz für
alle dienstrechtlichen Streitigkeiten voraus. Weder die Schwierigkeiten
bei der Beweiserhebung (fehlende Amtsgewalt) noch die fragliche
Vollstreckbarkeit der Urteile vermöchten etwas an der Zuständigkeit der
landeskirchlichen Behörden zu ändern.

Erwägung 3

    3.  Gemäss § 110 Abs. 1 KV/AG organisieren sich die Landeskirchen im
Rahmen der Kantonsverfassung nach demokratischen Grundsätzen selber. Sie
sind für einen "genügenden Rechtsschutz" der Konfessionsangehörigen
und der Kirchgemeinden besorgt (§ 114 Abs. 1 KV/AG). Letztinstanzliche
Entscheide der landeskirchlichen Behörden sind nach Massgabe der
Gesetzgebung an staatliche Organe weiterziehbar; diesen steht die Kontrolle
hinsichtlich der Übereinstimmung der Entscheide mit der Verfassung und
dem Organisationsstatut zu (§ 114 Abs. 2 KV/AG). Als hiefür zuständige
Beschwerdeinstanz bestimmt § 59b Abs. 1 VRPG/AG (Fassung vom 26. März 1985)
den Regierungsrat.

    Für den kircheninternen Rechtsschutz der Evangelisch-Reformierten
Landeskirche bestimmt Art. 14 des (gemäss § 110 Abs. 2 KV/AG der
Genehmigung des Grossen Rats unterliegenden) Organisationsstatuts:

      Aufsicht und Beschwerde 1 Beschlüsse, Verfügungen und Entscheide

      kirchlicher Behörden können

        nach Massgabe der Kirchenordnung durch Beschwerde weitergezogen

        werden.

      2 Für das Verfahren gelten sinngemäss die Vorschriften des

        Verwaltungsrechtspflegegesetzes, soweit in der Kirchenordnung

        nicht etwas anderes bestimmt ist.

      3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Kantonsverfassung, des

        Verwaltungsrechtspflegegesetzes und anderer staatlicher Erlasse

        über den Weiterzug landeskirchlicher Verfügungen und Entscheide

        an den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht.

    Gemäss § 140 Abs. 1 der Kirchenordnung können Verfügungen und
Entscheide der Organe der Landeskirche und der Kirchgemeinden mit
Verwaltungsbeschwerde angefochten werden. Vom Kirchenrat werden
Beschwerden (u.a.) gegen Beschlüsse, Verfügungen und Entscheide der
Kirchgemeindeversammlung und der Kirchenpflege beurteilt (§ 142 Abs. 1
KO). Beschlüsse, Verfügungen und Entscheide der Synode und des Kirchenrates
unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission (§ 142 Abs. 2, 1. Satz
KO), welche die oberste Beschwerdeinstanz der Landeskirche bildet (Art.
9 OS). Entscheide der Rekurskommission können (nach Massgabe von § 114
Abs. 2 KV/AG sowie § 59b VRPG/AG) an den Regierungsrat weitergezogen
werden (§ 142 Abs. 2, 2. Satz KO). Für das Verfahren vor den Organen der
Kirchgemeinden und der Landeskirchen sieht § 143 KO die (grundsätzliche)
Kostenlosigkeit vor (Abs. 1); im Übrigen gelten die Bestimmungen des
kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Abs. 2).

Erwägung 4

    4.

    4.1  Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Verbots der
geistlichen Gerichtsbarkeit "im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV und § 114
KV/AG": Ob ein weltlicher oder kirchlicher Streitgegenstand vorliege,
beurteile sich nach staatlichem Recht. Aus § 112 Abs. 2 KV/AG ergebe
sich, dass die Wahl (u.a.) der Pfarrer dem kirchlichen bzw. geistlichen
Bereich zuzuordnen sei, was jedoch nicht bedeute, dass das gesamte
kirchliche Dienstrecht und insbesondere auch dessen vermögensrechtliche
Aspekte innerkirchliche Angelegenheiten darstellten. Die kirchliche
Urteilskompetenz in Fragen des Dienstrechts reiche nur so weit, als sich
die Zuständigkeit kirchlicher Instanzen durch das Selbstbestimmungsrecht
der Kirche rechtfertigen lasse. Dies gelte etwa für die Nicht(wieder)wahl,
Entlassung, Versetzung oder die Anordnung anderer disziplinarischer
Massnahmen, würde doch bei der Beurteilung solcher Statusfragen durch den
Staat das Selbstbestimmungsrecht der Kirche verletzt. Eine Zuständigkeit
der kirchlichen Instanzen lasse sich dann nicht rechtfertigen, wenn
eine vermögensrechtliche Streitigkeit zu beurteilen sei, die erst
nach Beendigung des kirchlichen Dienstverhältnisses entstanden sei und
sich deshalb auf den Status des Geistlichen gar nicht mehr auswirken
könne. Diesfalls liege ein reiner Vermögensstreit vor, welcher durch
staatliche Gerichte zu entscheiden sei. Derselben Auffassung sei auch
die landeskirchliche Rekurskommission des Kantons Aargau. Auch im Kanton
Zürich seien im Übrigen personalrechtliche Anordnungen des Kirchenrates
unmittelbar beim Verwaltungsgericht anfechtbar, womit die Zuständigkeit
der kirchlichen Rekurskommission entfalle. Auch stelle sich vorliegend das
Problem nicht, dass vorfrageweise über Statusfragen zu entscheiden sei, da
ausschliesslich vermögensrechtliche Fragen umstritten seien; gegebenenfalls
könnten aber die staatlichen Gerichte das Verfahren bis zum Entscheid
der kirchlichen Behörden in der Statusfrage aussetzen. Die streitigen
Ansprüche seien weltlicher Natur, weshalb darüber ausschliesslich
die staatlichen Gerichte zu entscheiden hätten. Eine Delegation von
vermögensrechtlichen Streitigkeiten an innerkirchliche Organe sei
daher verfassungsrechtlich unzulässig. Der Nichteintretensentscheid
des Verwaltungsgerichts verstosse gegen das Verbot der geistlichen
Gerichtsbarkeit, welches sich heute aus Art. 30 Abs. 1 BV herleiten lasse
und sich auch aus dem kantonalen Verfassungsrecht (§ 114 KV/AG) ergebe.

    4.2  Die vom Beschwerdeführer gemachte begriffliche Unterscheidung
zwischen "weltlichen" und "kirchlichen" Streitgegenständen wird der
Sache nicht gerecht: Die durch die Regelung von § 114 KV/AG anvisierten
Streitgegenstände können, auch wenn hierüber eigene Satzungen der
Landeskirche oder der Kirchgemeinde bestehen, durchaus "weltlicher Natur"
sein, wie dies zum Beispiel für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis
(Arbeitszeit, Ferien, Besoldung) zutreffen kann (vgl. dazu insbesondere den
Hinweis bei KURT EICHENBERGER, Verfassung des Kantons Aargau, Aarau 1986,
N. 2 zu § 114 KV/AG, S. 384, wonach sich § 114 KV/AG durchwegs auf "Normen,
welche die äusseren Angelegenheiten der Kirche betreffen", beziehe; ferner
MICHAEL MERKER, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach
dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Zürich 1998,
§ 59b Rz. 2 und 6). Richtig ist, dass es letztendlich den staatlichen
Instanzen obliegt, festzulegen, welche Bereiche durch den der Landeskirche
in § 114 KV/AG erteilten Rechtsschutzauftrag erfasst werden bzw. wie die
diesbezügliche Abgrenzung zu ziehen ist. Das hat das Verwaltungsgericht
mit dem angefochtenen Nichteintretensentscheid denn auch getan. Im
Übrigen lässt sich das Verbot der geistlichen Gerichtsbarkeit nicht
aus § 114 KV/AG herleiten, welcher keine Abwehrnorm in dieser Richtung
enthält, sondern im Gegenteil den Entscheid über Streitigkeiten aus
der Anwendung landeskirchlicher Satzungen den Organen der Landeskirche
zuweist. In der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 fand sich das
Verbot der geistlichen Gerichtsbarkeit in Abs. 2 des die Garantie des
verfassungsmässigen Richters statuierenden Art. 58 aBV. Demgegenüber
verzichtet die Bundesverfassung vom 18. April 1999 sowohl in Art. 30 BV,
welcher die erwähnte Garantie mitumfasst, als auch in Art. 72 BV, der
Kompetenznorm zum Verhältnis Kirche und Staat, auf die (ausdrückliche)
Aufnahme einer Art. 58 Abs. 2 aBV entsprechenden Regelung. Eine solche
wurde vom Verfassungsgeber als im heutigen Zeitpunkt obsolet betrachtet
(vgl. dazu die Botschaft in BBl 1997 I 183; ferner ANDREAS KLEY, in: René
Pahud de Mortanges [Hrsg.], Das Religionsrecht der neuen Bundesverfassung,
Freiburg 2001, S. 29 f.). Das Verbot der geistlichen Gerichtsbarkeit
ist aber vorliegend so oder so nicht verletzt, wird doch dadurch die
Rechtsprechung kirchlicher Organe in Anwendung eigener kirchlicher
Satzungen in die Kirche und ihre Mitglieder betreffenden Angelegenheiten
nicht untersagt (ALFRED KÖLZ, Kommentar aBV, Rz. 79 zu Art. 58 aBV;
GIOVANNI BIAGGINI, in: Daniel Thürer/Jean-François Aubert/Jörg Paul
Müller [Hrsg.], Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 73 N. 32;
WALTER BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3.
Aufl., Bern 1931, S. 537). Während demzufolge den öffentlichrechtlich
anerkannten Religionsgemeinschaften von Bundesverfassungs wegen unbenommen
bleibt, im Rahmen ihrer Autonomie bzw. ihres Selbstbestimmungsrechts
eine derartige Gerichtsbarkeit einzurichten (BIAGGINI, aaO; DIETER KRAUS,
Schweizerisches Staatskirchenrecht, Tübingen 1993, S. 140), werden die
Landeskirchen im Kanton Aargau sogar verfassungsrechtlich (§ 114 Abs. 1
KV/AG) dazu angehalten. Wird das pfarramtliche Dienstverhältnis durch
kircheneigenes Dienstrecht ausgestaltet, was der Beschwerdeführer in Bezug
auf die streitigen vermögensrechtlichen Nebenfolgen seiner Nichtwiederwahl
nicht in Abrede stellt, so hält es nach dem Gesagten vor dem Verbot der
geistlichen Gerichtsbarkeit stand, wenn die Beurteilung entsprechender
Streitigkeiten als in die Zuständigkeit kircheninterner Justizorgane
fallend betrachtet wird. Die beanstandete Rechtsschutzregelung, wie
sie sich nach der Interpretation des Verwaltungsgerichts ergibt, wird
jedoch unter dem Titel des genügenden Rechtsschutzes noch zu prüfen sein.
Schliesslich bleibt anzufügen, dass für die Regelung des Verhältnisses
zwischen Kirche und Staat die Kantone zuständig sind (explizit: Art. 72
Abs. 1 BV), weshalb rechtsvergleichende Überlegungen zum Rechtsschutzsystem
im Staatskirchenrecht anderer Kantone - insbesondere angesichts der
föderalistischen Vielfalt an Regelungen in diesem Bereich (vgl. dazu KRAUS,
aaO, S. 408 f.) - kein taugliches Auslegungskriterium bilden können.

    4.3  Ebenfalls unbegründet erscheint die Rüge, die Argumentation
des Verwaltungsgerichts setze sich über den Umstand hinweg, dass
die Evangelisch-Reformierte Landeskirche auf die Inanspruchnahme
der Rechtsschutzkompetenz für vermögensrechtliche Streitigkeiten
verzichtet habe, und verletze dadurch das Willkürverbot und die
Autonomie der Landeskirche. Massgebend für die Beurteilung der
streitigen Kompetenzfrage ist die in den geltenden Erlassen zum
Ausdruck kommende Rechtsordnung, insbesondere § 114 KV/AG (oben
E. 4.2). Ein gültiger Verzicht auf die Ausübung der Rechtspflege für
gewisse potentiell der landeskirchlichen Jurisdiktion unterstellte
Materien könnte allenfalls darin liegen, dass das Organisationsstatut der
Landeskirche die betreffenden Materien mit Genehmigung des Grossen Rates
(§ 110 Abs. 2 KV/AG) von der landeskirchlichen Rechtspflegekompetenz
ausnimmt. Wieweit ein Verzicht auch ohne entsprechenden Niederschlag in
der Rechtsordnung bzw. ohne Genehmigung durch den Grossen Rat angenommen
werden könnte, braucht nicht weiter abgeklärt zu werden. Seitens des -
aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Stellung (§ 110 Abs. 3 KV/AG)
und der ihm zukommenden Rechtsetzungskompetenz (Art. 7 Abs. 4 OS)
- hiefür primär zuständigen Organs der Landeskirche, der Synode,
liegt keine dahingehende Erklärung vor; ebenso wenig findet sich eine
entsprechende Verlautbarung seitens des landeskirchlichen Exekutivorgans,
des Kirchenrates (Art. 8 OS). Zwar ist die Rekurskommission zuständig zur
Auslegung des geltenden landeskirchlichen Rechts und kann sie durch ihre
Praxis zu dessen Weiterentwicklung beitragen. Die verbindliche Abgrenzung
zwischen staatlichen und landeskirchlichen Zuständigkeiten nach der
geltenden Rechtsordnung obliegt jedoch im Streitfall den staatlichen
Organen. Im Urteil des Verwaltungsgerichts kann keine Verletzung der
landeskirchlichen Autonomie erblickt werden, sei es, weil der Entscheid
des Gerichts den Auffassungen der zuständigen landeskirchlichen Organe
gar nicht widerspricht oder weil jedenfalls nicht von einer willkürlichen
Missachtung der landeskirchlichen Rechtsordnung gesprochen werden kann,
zumal es letztlich die Kantonsverfassung ist, welche den Rahmen des
landeskirchlichen Selbstbestimmungsrechts umschreibt.

    4.4  Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Auslegung von §
60 Ziff. 3 VRPG/AG. Nach der im angefochtenen Entscheid massgeblichen
(vor dem 1. November 2000 gültigen) Fassung dieser Bestimmung urteilte
das Verwaltungsgericht (im Klageverfahren) als einzige Instanz über:

      "vermögensrechtliche Streitigkeiten, an denen der Kanton, eine

    Gemeinde, oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt des

    kantonalen oder kommunalen Rechts beteiligt ist, sofern nicht die

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben oder der Zivilrichter zuständig

    ist. Ausgenommen sind die Staatsbeiträge und jene Streitigkeiten, auf

    welche die Bestimmungen über die Rechtspflege in
Sozialversicherungssachen

    zur Anwendung kommen."

    Der Beschwerdeführer scheint auf die seit 1. November 2000 gültige
neue Formulierung der Bestimmung Bezug zu nehmen, welche - bei ansonsten
gleichem ersten Satz - die verwaltungsgerichtliche Klage ausschliesst,
"sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben oder ein
Zivilgericht oder ein Spezialrekursgericht zuständig ist". Er macht
geltend, da die Kirche ihre Entscheidkompetenz vom Staat ableite, müsse
sich ihre Zuständigkeit zur Beurteilung vermögensrechtlicher Streitigkeiten
auf einen gültigen Vorbehalt im staatlichen Recht abstützen. Einen
solchen Vorbehalt zugunsten der landeskirchlichen Justizorgane, welche
insbesondere nicht unter den Begriff "Spezialrekursgericht" fielen,
enthalte § 60 Ziff. 3 VRPG/AG gerade nicht. Wenn das Verwaltungsgericht
in seinem Urteil zum Schluss komme, ein Verzicht auf die Gerichtsbarkeit
in vermögensrechtlichen Angelegenheiten würde eine ausdrückliche
Regelung im Organisationsstatut voraussetzen, lege es § 60 Ziff. 3
VRPG/AG offensichtlich unrichtig aus. Soweit die Kirche in den Grauzonen
zwischen staatlicher und innerkirchlicher Angelegenheit nicht ausdrücklich
eine eigene Gerichtsbarkeit beanspruche, bleibe es bei der staatlichen
Grundordnung, der staatlichen Gerichtsbarkeit. Da sich dieser Einwand
in gleicher Weise auch unter Bezugnahme auf die im vorliegenden Verfahren
massgebende, bis 31. Oktober 2000 gültige Fassung von § 60 Ziff. 3 VRPG/AG
ins Feld führen liesse, ist die Rüge zu behandeln, wiewohl Zweifel daran
bestehen, ob sie in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
entsprechenden Weise erhoben wurde.

    Die Zuständigkeitsnorm von § 60 Ziff. 3 VRPG/AG kann in vertretbarer
Weise verschieden ausgelegt werden. Bei Berücksichtigung der Regelung
von § 114 KV/AG, wonach die Landeskirchen selber zur Sicherstellung eines
genügenden Rechtsschutzes verpflichtet sind, erscheint die im angefochtenen
Urteil vorgenommene Auslegung dieser Bestimmung jedenfalls nicht als
willkürlich. Von Gewicht ist insbesondere das Argument, dass die Kompetenz
zur Beurteilung von Sachanordnungen und vermögensrechtlichen Folgen
des landeskirchlichen Dienstrechts nicht aufgespaltet werden sollte, da
ansonsten staatliche Gerichte unter Umständen vorfrageweise auch über nicht
vermögensrechtliche und damit der kirchlichen Jurisdiktion vorbehaltene
Aspekte zu befinden hätten und das Auseinanderfallen der Rechtswege dem
Anliegen eines einfachen und effizienten Rechtsschutzes zuwider liefe,
woran auch die vom Beschwerdeführer erwähnte Möglichkeit der Sistierung
des staatlichen Verfahrens bis zum Entscheid des kirchlichen Justizorgans
nichts zu ändern vermag. Wenn die landeskirchliche Rechtspflegekompetenz
die Handhabung des Dienstrechts mitumfasst (so EICHENBERGER, aaO, N. 2
zu § 114 KV/AG), lässt sich zulässigerweise die Auffassung vertreten,
dass auch vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Dienstrecht unter
den Rechtsschutzauftrag von § 114 KV/AG fallen. Der Entscheid über
solche Streitigkeiten braucht nicht notwendigerweise im Klageverfahren
zu ergehen. Ein genügender Rechtsschutz kann, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend angenommen hat, auch im Beschwerdeverfahren gewährt werden,
indem über vermögensrechtliche Forderungen durch eine Verfügung
der beteiligten Verwaltungsbehörde entschieden wird, die alsdann an
eine unabhängige Rechtspflegeinstanz weitergezogen werden kann. Eine
entsprechende Regelung findet sich heute sowohl im Bund (vgl. Art.
34 ff. des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 [BPG; SR 172.220.1])
als auch in einigen Kantonen (vgl. dazu PETER HÄNNI, Rechtsschutz
gegen kantonale Entscheide, in: Peter Helbling/Tomas Poledna [Hrsg.],
Personalrecht des öffentlichen Dienstes, Bern 1999, S. 568 ff.). Dass das
neue aargauische Personalgesetz vom 16. Mai 2000 für vermögensrechtliche
Streitigkeiten aus staatlichen Dienstverhältnissen offenbar ein
Klageverfahren vorsieht (§§ 37 ff.), steht dem nicht entgegen. Es kann
auch nicht von einer unzulässigen Vorbefassung gesprochen werden, wenn
die (erstinstanzliche) Verfügung, mit der über den Geldanspruch befunden
wird, von der gleichen Verwaltungsbehörde ausgeht, welche bereits die
dem Streitfall zugrunde liegenden dienstrechtlichen Sachanordnungen
(z.B. Auflösung des Dienstverhältnisses) verfügt hat. Massgebend ist,
dass die Verfügung an eine unabhängige Rechtspflegeinstanz weitergezogen
werden kann, welche den Streitfall sachverhaltsmässig und rechtlich frei
überprüft (vgl. EICHENBERGER, aaO, N. 3 zu § 114 KV/AG).

    4.5  Zu prüfen bleibt, ob die landeskirchliche Rekurskommission, welche
als Rechtsmittelinstanz angerufen werden kann, in diesem Sinne einen
genügenden Rechtsschutz gewährleistet. Der Beschwerdeführer erblickt
in gewissen Mängeln, welche dem Verfahren vor der Rekurskommission
anhaften sollen, eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruches
und beruft sich in diesem Zusammenhang auf § 114 in Verbindung mit §
68 KV/AG. So beanstandet er unter anderem, dass die landeskirchlichen
Rechtspflegeorgane weder förmliche Zeugeneinvernahmen noch formelle
Parteibefragungen durchführen könnten und generell nicht die für
die Durchsetzung ihrer Beweisanordnungen erforderliche Amtsgewalt
besässen. Bei der Rekurskommission handelt es sich - wie in BGE 127 I 128
E. 4 festgestellt - um ein gerichtsähnliches Organ, dem ausschliesslich
rechtsprechende Funktionen obliegen und das von seiner organisatorischen
Stellung her einem unabhängigen Gericht gleichgestellt werden kann. Dass
ihr allenfalls nur die den Verwaltungsbehörden zustehenden, in § 22 Abs. 1
VRPG/AG genannten Instrumente zur Beweiserhebung (Befragung von Beteiligten
und Auskunftspersonen, Beizug von Urkunden, Durchführung von Augenscheinen,
Anordnung von Expertisen) zur Verfügung stehen und nicht ohne weiteres auch
die Kompetenz zur Einvernahme von Zeugen (§ 22 Abs. 2 VRPG/AG), stellt die
grundsätzliche Tauglichkeit der Rekurskommission als Rechtspflegeorgan
nicht in Frage. Wenn die Zwangsmittel der Rekurskommission ausreichen,
um streitige Sachanordnungen des Dienstrechts wirksam zu überprüfen,
darf dies grundsätzlich auch bejaht werden für Verfahren, in denen es
um die Beurteilung der vermögensrechtlichen Folgen solcher Anordnungen
geht. Sollten sich die behaupteten instrumentalen Mängel auf das Ergebnis
eines Verfahrens vor der Rekurskommission tatsächlich in unzulässiger
Weise auswirken, könnte hierin eine Verletzung des Rechtsschutzauftrages
von § 114 KV/AG oder - bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten - auch
ein Verstoss gegen die (vorliegend nicht angerufene) Garantie von Art. 6
Ziff. 1 EMRK liegen, was mittels Beschwerde an die nach § 114 Abs. 2 KV
zuständige staatliche Rechtsmittelinstanz (Beschwerde an den Regierungsrat
gemäss § 59b VRPG/AG), allenfalls mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
das Verwaltungsgericht (§ 52 Ziff. 20 VRPG/AG) sowie mit staatsrechtlicher
Beschwerde an das Bundesgericht geltend gemacht werden könnte. Schliesslich
erscheinen auch die Befürchtungen, dass die Entscheide der Rekurskommission
nicht vollstreckbar sein könnten, aufgrund der diesbezüglichen Ausführungen
im angefochtenen Urteil wenig überzeugend. Die Kompetenzzuweisung
von § 114 KV/AG impliziert, dass auch vermögensrechtliche Entscheide
landeskirchlicher Rechtspflegeinstanzen unter die Regelung von § 75
VRPG/AG fallen müssen, wonach auf Geld- oder Sicherheitsleistung lautende
Verfügungen oder Entscheide nach den Vorschriften des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Konkurs vollstreckbar sind. Im angefochtenen
Entscheid kann nach dem Gesagten auch kein Verstoss gegen das Verbot der
formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) erblickt werden.