Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 I 392



129 I 392

35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. A. und Mitb. sowie G. gegen Gemeinderat von Zürich, Bezirksrat
Zürich sowie Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.665/2002 / 1P.27/2003 vom 21. November 2003

Regeste

    Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 34 Abs. 1 BV; stadtzürcherische Initiative
"SchweizerInnen zuerst!"; Rechtsgleichheit, Diskriminierungsverbot.

    Die Initiative bezweckt die Bevorzugung der Schweizer und damit
die Benachteiligung der Ausländer auch ohne sachliche Gründe, die
eine Ungleichbehandlung erlauben würden. Sie verletzt das Gebot der
Rechtsgleichheit und das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung
(E. 3).

Sachverhalt

    Am 4. Dezember 1998 reichten die Schweizer Demokraten (SD) der Stadt
Zürich eine Volksinitiative mit dem Titel "SchweizerInnen zuerst!" ein.
Die Initiative hat folgenden Wortlaut:

      "Die Gemeindeordnung der Stadt Zürich wird wie folgt ergänzt:

       Art. 2 Abs. 2 (neu) Die Gemeindebehörden wachen darüber, dass Zürich

       eine schweizerisch geprägte Stadt bleibt. Sie räumen im Rahmen

       des übergeordneten Rechts den Bedürfnissen der Schweizerinnen und

       Schweizer den Vorrang ein."

    Der Initiative ist folgende Begründung beigegeben:

      "Der Ausländeranteil nimmt in Zürich seit vielen Jahren unablässig zu

       und beträgt jetzt fast 30 Prozent. Bei der jungen Generation sind

       es schon wesentlich mehr. In vielen Schulen sind unsere Schweizer

       Kinder längst in der Minderheit. Die ungebremste Zuwanderung von

       kaum assimilierbaren Ausländern aus völlig fremden Kulturkreisen

       belastet unser soziales Netz aufs Äusserste. Gleichzeitig nimmt

       die Kriminalität beängstigend zu. Zürich ist im Begriff, seinen

       Charakter als schweizerische Stadt zu verlieren. Die Stadtbehörden

       schauen dieser Entwicklung tatenlos zu, ja begrüssen sie zum Teil

       sogar. Stoppen wir ihre multikulturelle Träumerei! Überall in

       der Welt ist es Brauch, dass die Bedürfnisse der Einheimischen

       vorrangig sind. Das soll auch bei uns in Zürich wieder so werden."

    Am 27. Januar 1999 stellte der Gemeinderat von Zürich fest, dass die
Volksinitiative zustande gekommen sei und dem obligatorischen Referendum
unterstehe. Er überwies die Initiative dem Stadtrat von Zürich zu
Berichterstattung und Antragstellung.

    Am 5. Juli 2000 beantragte der Stadtrat dem Gemeinderat, die Initiative
für ungültig zu erklären; eventuell sei sie der Gemeinde mit dem Antrag
auf Ablehnung zu unterbreiten.

    Am 30. Mai 2001 erklärte der Gemeinderat die Initiative mit der
erforderlichen Zweidrittelmehrheit für ungültig.

    Dagegen erhoben A. und Mitbeteiligte einerseits sowie G. anderseits
Beschwerde beim Bezirksrat Zürich. Dieser vereinigte mit Beschluss vom
29. November 2001 die Beschwerden und hiess sie gut. Er wies den Stadt-
und Gemeinderat an, die Initiative der Gemeindeabstimmung zu unterbreiten.

    Dagegen reichte der Gemeinderat, vertreten durch den Stadtrat,
Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zürich ein. Dieser hiess die
Beschwerde am 27. November 2002 gut. Er hob den Beschluss des Bezirksrates
auf und bestätigte jenen des Gemeinderates vom 30. Mai 2001.

    A. und Mitbeteiligte führen Stimmrechtsbeschwerde mit dem Antrag,
den Beschluss des Regierungsrates aufzuheben; die Initiative sei gültig
zu erklären; eventuell sei die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der
bundesgerichtlichen Erwägungen an den Regierungsrat zurückzuweisen.

    G. erhebt ebenfalls Stimmrechtsbeschwerde mit dem gleichen Antrag.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Art. 34 Abs. 1 BV gewährleistet die politischen Rechte sowohl
auf der Ebene des Bundes wie auch der Kantone und Gemeinden (Urteil
1P.69/2001 / 1P.205/2001 vom 28. Juni 2001, publ. in: ZBl 103/2002 S. 206
ff., E. 3a; GEROLD STEINMANN, Die Gewährleistung der politischen Rechte
durch die neue Bundesverfassung [Artikel 34 BV], ZBJV 139/2003 S. 485
ff.). Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die
Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern
auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des
Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang
stehen (BGE 129 I 185 E. 2 S. 190 mit Hinweisen). In ausgesprochenen
Zweifelsfällen schliesst es sich jedoch der von der obersten kantonalen
Behörde vertretenen Auffassung an; als oberste kantonale Organe anerkennt
es Volk und Parlament. Die Anwendung anderer kantonaler Vorschriften und
die Feststellung des Sachverhaltes prüft das Bundesgericht nur unter dem
Gesichtswinkel des Willkürverbotes (BGE 123 I 175 E. 2d/aa mit Hinweisen).

    2.2  Gemäss § 4 des Initiativgesetzes des Kantons Zürich vom
1. Juni 1969 (IG) ist eine Initiative unter anderem dann ungültig, wenn
sie dem Bundesrecht widerspricht (Ziff. 1). Allgemein gilt, dass eine
Volksinitiative keine Bestimmungen enthalten darf, die dem übergeordneten
Recht widersprechen (BGE 129 I 232 E. 2; 128 I 190 E. 4 mit Hinweisen).

    Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit einer Initiative
ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsgrundsätzen
auszulegen. Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen
und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Eine
allfällige Begründung des Volksbegehrens und Meinungsäusserungen
der Initianten dürfen allerdings mitberücksichtigt werden. Es ist
von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten jene zu wählen, welche
einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und
zu einem vernünftigen Ergebnis führt und welche anderseits im Sinne der
verfassungskonformen Auslegung mit dem übergeordneten Recht von Bund und
Kanton vereinbar erscheint. Kann der Initiative ein Sinn beigemessen
werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist
sie als gültig zu erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen (BGE
129 I 232 E. 2.3; 111 Ia 303 E. 4 mit Hinweisen).

    Der Text einer Initiative muss genügend bestimmt sein. Es muss
hinreichend klar sein, worauf die Initiative gerichtet ist, so dass
eine Volksabstimmung durchgeführt werden kann, ohne dass sich die
Stimmberechtigten der Gefahr eines Irrtums über wesentliche Punkte
ausgesetzt sehen. Das Erfordernis der hinlänglichen Klarheit gilt
sowohl bei einem ausgearbeiteten Entwurf als auch bei einer allgemeinen
Anregung. Bei letzterer sind an die Formulierung allerdings keine hohen
Ansprüche zu stellen, da gewisse Unklarheiten, ja vielleicht sogar
Widersprüche, bei der Ausarbeitung des Gesetzes- oder Beschlusstextes im
Parlament noch behoben werden können (BGE 111 Ia 115 E. 3a S. 118/119,
303 E. 7b S. 315 mit Hinweisen; LUZIAN ODERMATT, Ungültigerklärung von
Volksinitiativen, AJP 1996 S. 717; H.R. THALMANN, Kommentar zum Zürcher
Gemeindegesetz, 3. Aufl., Wädenswil 2000, S. 147 § 50 N. 3.6).

    2.3  Gemäss Art. 15 Abs. 1 der Gemeindeordnung der Stadt Zürich
vom 26. April 1970 (GO) kann mit einer Volksinitiative der Erlass,
die Änderung oder die Aufhebung eines Beschlusses verlangt werden,
der dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum untersteht.
Die Initiative ist in Form der einfachen Anregung oder des ausgearbeiteten
Entwurfs möglich (Art. 17 GO und § 98 Abs. 1 des Gemeindegesetzes des
Kantons Zürich vom 6. Juni 1926 [GG] in Verbindung mit § 2 IG).

    Mit der Initiative "SchweizerInnen zuerst!" wird die Einfügung
eines Absatzes 2 in Art. 2 GO verlangt. Die Initiative stellt einen
ausgearbeiteten Entwurf dar. Art. 2 GO lautet in der heutigen Fassung:

      Die Gemeinde fördert die Wohlfahrt und das harmonische Zusammenleben

    ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Sie wahrt das Ansehen und die

    Interessen des Gemeinwesens.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Nach Satz 1 der Volksinitiative "SchweizerInnen zuerst!" wachen
die Gemeindebehörden darüber, dass Zürich eine schweizerisch geprägte Stadt
bleibt. Der Regierungsrat nimmt an, der Initiative fehle es insoweit an
der nötigen Bestimmtheit.

    Satz 1 steht in engem Zusammenhang mit Satz 2 der Initiative, der das
Mittel zum Erreichen des Zweckes von Satz 1 nennt: Die Gemeindebehörden
sollen im Rahmen des übergeordneten Rechts den Bedürfnissen der
Schweizerinnen und Schweizer den Vorrang einräumen, damit Zürich eine
schweizerisch geprägte Stadt bleibe. Die Kehrseite dieses Vorrangs ist
die Benachteiligung der Ausländer. Dadurch sollen diese davon abgehalten
werden, nach Zürich zu kommen. Dass darin der Zweck der Initiative
liegt, zeigt auch ihre Begründung. Dort wird insbesondere gesagt,
der Ausländeranteil nehme in Zürich seit vielen Jahren unablässig zu;
in vielen Schulen seien die Schweizer Kinder längst in der Minderheit;
die ungebremste Zuwanderung von kaum assimilierbaren Ausländern aus
völlig fremden Kulturkreisen belaste das soziale Netz aufs Äusserste. Das
Kernanliegen der Initianten ist in Satz 2 enthalten; dies ergibt sich
auch aus dem Titel der Initiative ("SchweizerInnen zuerst!"). Da mit
dem Wegfall von Satz 2 die Initiative ihres wesentlichen Gehalts beraubt
würde, kommt die Annahme der Teilgültigkeit von Satz 1 nicht in Betracht
(vgl. BGE 125 I 21 E. 7b S. 44 mit Hinweisen; YVO HANGARTNER/ANDREAS
KLEY, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft, Zürich 2000, S. 847 N. 2143). Es kann daher offen
bleiben, wie es sich verhielte, wenn Satz 1 für sich allein zu beurteilen
wäre. Der Text der Initiative muss als Ganzes betrachtet werden.

    Es stellt sich die Frage, ob der von der Initiative geforderte Vorrang
der Schweizer mit dem Bundesrecht in Einklang steht.

    3.2

    3.2.1  Die in Satz 2 der Initiative enthaltene Forderung, den
Bedürfnissen der Schweizerinnen und Schweizer den Vorrang einzuräumen,
richtet sich an alle Gemeindebehörden und umfasst sämtliche kommunalen
Zuständigkeiten in Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Verwaltung. Es handelt
sich um eine Entscheidungs- und Handlungsmaxime: Den Schweizerinnen und
Schweizern ist der Vorrang einzuräumen gegenüber den Ausländerinnen und
Ausländern, die in der Stadt Zürich wohnen oder sich dort aufhalten. In
dieser generellen Bevorzugung der Schweizerinnen und Schweizer erblickt der
Regierungsrat einen Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot. Demgegenüber
weisen die Beschwerdeführer u.a. darauf hin, dass die Initiative unter
dem Vorbehalt des übergeordneten Rechts steht.

    3.2.2  Gemäss Art. 8 Abs. 1 BV sind alle Menschen vor dem Gesetz
gleich. Die Rechtsgleichheit gilt nach dem klaren Wortlaut dieser
Bestimmung für alle Menschen, also auch für Ausländer (Botschaft über
eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 142). Art. 4
Abs. 1 aBV sagte noch: Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Schon
unter der Herrschaft der alten Bundesverfassung konnten sich jedoch auch
die Ausländer auf die Rechtsgleichheit berufen (BGE 125 IV 1 E. 5b;
GEORG MÜLLER, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, N. 26 zu Art. 4 aBV).

    Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden,
namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts,
des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform,
der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder
wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Nach
der Rechtsprechung liegt eine Diskriminierung vor, wenn eine Person
rechtsungleich behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu
einer bestimmten Gruppe, welche historisch und in der gegenwärtigen
sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig
behandelt wurde. Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte Art
der Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen
dar, indem sie eine Benachteiligung eines Menschen bewirkt, die als
Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an ein
Unterscheidungsmerkmal anknüpft, das einen wesentlichen und nicht
oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betreffenden
Person ausmacht. Insofern beschlägt die Diskriminierung auch Aspekte der
Menschenwürde (Art. 7 BV). Das Diskriminierungsverbot des schweizerischen
Verfassungsrechts macht aber die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal -
wie Herkunft, Rasse, Geschlecht, Sprache und weitere in Art. 8 Abs. 2 BV
(in nicht abschliessender Weise) aufgezählte Kriterien - nicht absolut
unzulässig. Vielmehr begründet dieser Umstand zunächst den blossen
Verdacht einer unzulässigen Differenzierung, der nur durch eine genügende
Rechtfertigung umgestossen werden kann. Das Diskriminierungsverbot hat
also rechtlich die Bedeutung, dass ungleiche Behandlungen einer besonders
qualifizierten Begründungspflicht unterstehen (BGE 129 I 232 E. 3.4.1
mit Hinweisen).

    In Art. 8 Abs. 2 BV hat der schweizerische Verfassungsgeber in den
Grundzügen die internationalen Grundrechtsgarantien aufgenommen, wie sie
insbesondere in Art. 14 EMRK und verschiedenen Bestimmungen des UNO-Paktes
II (SR 0.103.2) enthalten sind (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der
Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 417; YVO HANGARTNER, Diskriminierung
- ein neuer verfassungsrechtlicher Begriff, ZSR 122/2003 I S. 98/99;
BERNHARD PULVER, L'interdiction de la discrimination, Diss. Neuenburg 2003,
S. 25 ff.).

    "Herkunft" im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV zielt vor allem auf
Menschen, die unter anderem wegen ihrer nationalen Herkunft von
Diskriminierung bedroht sind (JÖRG PAUL MÜLLER, aaO, S. 420; derselbe, Die
Diskriminierungsverbote nach Art. 8 Abs. 2 der neuen Bundesverfassung, in:
Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Die neue Bundesverfassung, Bern 2000, S. 118;
AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Bern
2000, S. 507 N. 1038; PULVER, aaO, S. 190 N. 263). Ausländer sollen
gegenüber Schweizern oder auch unter sich nicht diskriminiert werden
(HANGARTNER, aaO, S. 100). Das Gebot der Rechtsgleichheit und das Verbot
der Diskriminierung untersagen es dem Staat, Menschen einfach deshalb
unterschiedlich zu behandeln und damit zu benachteiligen, weil sie
fremder Herkunft sind oder einer anderen Kultur oder Religion angehören
(WALTER KÄLIN, Grundrechte im Kulturkonflikt, Zürich 2000, S. 97; WALTER
KÄLIN/MARTINA CARONI, Das verfassungsrechtliche Verbot der Diskriminierung
wegen der ethnisch-kulturellen Herkunft, in: Walter Kälin [Hrsg.], Das
Verbot ethnisch-kultureller Diskriminierung, Beiheft 29 zur Zeitschrift
für Schweizerisches Recht, Basel 1999, S. 68).

    Die Diskriminierung muss sich nicht gezielt und direkt gegen Angehörige
bestimmter Personengruppen richten. Sie kann sich auch daraus ergeben,
dass andere wegen einer persönlichen Eigenschaft bevorzugt werden. Durch
eine Privilegierung in Anknüpfung an ein verpöntes persönliches Merkmal
wird unmittelbar diskriminiert, nämlich durch direkte Benachteiligung
der Nichtprivilegierten (HANGARTNER, aaO, S. 106).

    3.2.3  Eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern und Schweizern
ist nicht von vornherein rechtsungleich oder diskriminierend. Sie ist
vielmehr nach der Rechtsprechung und der einhelligen Lehre zulässig,
soweit dafür sachliche Gründe bestehen (BGE 125 IV 1 E. 5b; 114 Ia 8
E. 3; DANIEL THÜRER, Einleitung: Gerechtigkeit im Ausländerrecht?, in:
Uebersax/Münch/Geiser/Arnold [Hrsg.], Ausländerrecht, Basel 2002, S. 30
N. 1.64; WALTER KÄLIN, aaO, S. 101 ff.; derselbe, Ausländerdiskriminierung,
Festschrift für Yvo Hangartner, St. Gallen 1998, S. 565/566 und 574;
KÄLIN/CARONI, aaO, S. 72; HANGARTNER, aaO, S. 117; PULVER, aaO, S. 204
ff. N. 280 ff.).

    Zu beachten sind dabei allerdings Einschränkungen, die sich für die
Schweiz gegebenenfalls aus den von ihr eingegangenen völkerrechtlichen
Verpflichtungen ergeben. So haben nach dem Abkommen vom 21. Juni 1999
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten anderseits über
die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) Personen, deren Aufenthalt
bewilligt wurde, Ansprüche auf Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung
mit den Inländern. Zentraler Grundsatz des Abkommens ist das Verbot,
die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im
Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung
dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III auf Grund ihrer
Staatsangehörigkeit zu diskriminieren (Art. 2 FZA). Damit werden das
allgemeine Diskriminierungsverbot von Art. 12 des Vertrags zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft (EGV) und das Gebot der "Abschaffung jeder
auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der
Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung
und sonstige Arbeitsbedingungen" gemäss Art. 39 EGV für den Bereich des
freien Personenverkehrs mit der Schweiz übernommen (WALTER KÄLIN, Die
Bedeutung des Freizügigkeitsabkommens für das Ausländerrecht, in: Thomas
Cottier/Matthias Oesch [Hrsg.], Die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG,
Bern 2002, S. 30 ff.; vgl. auch DIETER GROSSEN, Sonderregelungen für
Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold
[Hrsg.], Ausländerrecht, Basel 2002, S. 113 N. 4.2 f.).

    3.3  Die von der Initiative geforderte Vorrangstellung der
Schweizerinnen und Schweizer kann von vornherein nur im Rahmen kommunaler
Zuständigkeiten Wirkung entfalten. Damit fällt der ganze Bereich des
Ausländerrechts (Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlassung sowie
Asyl) ausser Betracht.

    Gemäss Art. 121 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung über die Ein- und
Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und
Ausländern sowie über die Gewährung von Asyl Sache des Bundes. Die
Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ist insoweit umfassend (ULRICH
CAVELTI, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.],
Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2002, N. 4 zu Art. 121
BV). Der Bund hat davon einen weiten Gebrauch gemacht, so dass kein Raum
mehr bleibt für kantonale Regelungen (JEAN-FRANÇOIS AUBERT/PASCAL MAHON,
Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse,
Zürich 2003, N. 11 zu Art. 121 BV). Die Kantone haben im Wesentlichen
lediglich Vollzugsaufgaben (PETER UEBERSAX, Einreise und Anwesenheit,
in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold [Hrsg.], Ausländerrecht, Basel 2002,
S. 134 N. 5.1). Die kantonale Fremdenpolizeibehörde, im Kanton Zürich
das Migrationsamt, entscheidet im Rahmen der gesetzlichen Kriterien
nach freiem Ermessen über Erteilung und Fortbestand der Aufenthalts- und
Niederlassungsbewilligungen (Art. 15 ANAG [SR 142.20]; Art. 8 Abs. 1 und 2
ANAV [SR 142.201]). Die Gemeinden sind nicht befugt, die Zahl der Ausländer
zu begrenzen. Die Beschwerdeführer 1-6 anerkennen das. Die Initiative
kann somit nicht dahin ausgelegt werden, dass die Gemeindebehörden den
Anteil der Ausländer in Zürich zu beschränken hätten.

    Wie dargelegt (E. 3.2.3), gestattet die Verfassung eine
unterschiedliche Behandlung von Schweizern und Ausländern, soweit
dafür sachliche Gründe bestehen. Dies ist insbesondere der Fall
bei den politischen Rechten und dem Zugang zu gewissen öffentlichen
Ämtern. Soweit hier das kommunale Recht an das Bürgerrecht anknüpft,
ist nicht ersichtlich, inwiefern der Initiative normative Bedeutung
zukommen könnte; denn in all diesen Fällen sind Ausländerinnen und
Ausländer ausgeschlossen und die Frage des Vorrangs der Schweizerinnen
und Schweizer stellt sich nicht.

    Satz 2 der Initiative zielt auf Sachbereiche, in denen
eine unterschiedliche Behandlung von Schweizern und Ausländern
ausgeschlossen ist. Sie bezweckt eine Bevorzugung der Schweizerinnen
und Schweizer gegenüber Ausländerinnen und Ausländern in vom Gebot
der Rechtsgleichheit beherrschten Bereichen. Vernünftigerweise kann
der Bestimmung kein anderer Sinn beigemessen werden. Eine Deutung des
Textes als Kompetenznorm für Massnahmen zur Förderung einheimischer
Kulturangebote in der Stadt Zürich etwa würde die Schranken sprengen, die
durch die Interpretationsgrundsätze gesetzt sind. Hätten die Initianten
eine solche Kompetenznorm schaffen wollen, hätten sie dies hinreichend
deutlich zum Ausdruck bringen und den Text der Initiative anders und
wesentlich enger fassen müssen. Der vorliegende Text der Initiative
lässt sich ebenso wenig auf eine blosse Programmaussage reduzieren,
welche einerseits als Gegenposition zum Leitbild des Stadtrates, das
auf dem Konzept der so genannten "multikulturellen Gesellschaft" beruhen
soll, zu verstehen und anderseits bei der Rechtsetzung zu beachten wäre,
soweit eine unterschiedliche Behandlung von Schweizern und Ausländern -
wie z.B. im Bereich der politischen Rechte - zulässig ist.

    Die Initiative kann nur so verstanden werden, dass sie auch ohne
sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung erlauben würden, die
Schweizer gegenüber den Ausländern bevorzugen und damit die Letzteren
gegenüber den Ersteren benachteiligen will, damit Zürich - gemäss dem
Ziel der Initiative - eine schweizerisch geprägte Stadt bleibe. Das
verstösst gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung und gegen das
Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 1 und 2). Zwischen
dem Sinn und Zweck der Initiative und diesen Geboten des übergeordneten
Rechts besteht ein unauflösbarer Widerspruch. Sie verlangt letztlich
Rechtsungleichheit im Rahmen der Rechtsgleichheit, was sich gegenseitig
ausschliesst. Daran vermag der Vorbehalt "im Rahmen des übergeordneten
Rechts" nichts zu ändern.

    Dass ein allgemeiner Vorbehalt zugunsten des Bundesrechts für sich
allein nicht genügt, um die Übereinstimmung einer Initiative mit dem
höherrangigen Recht zu gewährleisten, hat das Bundesgericht bereits
entschieden (BGE 125 I 227 E. 4; 117 Ia 147 E. 6b S. 156 f.). Wäre es
anders, könnte jede noch so klar bundesrechtswidrige Initiative mit
einer entsprechenden Klausel vor der Ungültigerklärung bewahrt werden
und die Stimmberechtigten würden aufgerufen, sich zu einer Initiative
zu äussern, deren Ziel gar nicht verwirklicht werden kann, was mit
der Garantie der politischen Rechte unvereinbar ist (vgl. ALFRED KÖLZ,
Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts,
ZBl 83/1982 S. 46).

    3.4  Der angefochtene Beschluss, mit dem der Regierungsrat - gleich wie
der Gemeinderat auf Antrag des Stadtrates - die Initiative als ungültig
beurteilte, verletzt daher die Garantie der politischen Rechte gemäss
Art. 34 BV nicht.