Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 I 281



129 I 281

25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft sowie Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.326/2003 vom 9. September 2003

Regeste

    Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 90 Abs. 1 lit. b
OG; Art. 87 Abs. 2 OG; §§ 14 f. StPO/BS. Zwischenentscheid, notwendige
Verteidigung.

    Ablehnung der unentgeltlichen Verteidigung im Appellationsverfahren
als anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG (E. 1.1).

    Lässt der angefochtene Entscheid jede Auseinandersetzung mit den
einschlägigen Rechtsgrundlagen vermissen, so kann von einem Laien unter
dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht verlangt
werden, dies zur Begründung einer Willkürrüge in der staatsrechtlichen
Beschwerde erstmals zu tun (E. 2).

    Bundesrechtliche (E. 3.1) und kantonalrechtliche (E. 3.2) Garantie des
Anspruchs auf einen Rechtsbeistand im Sinne der notwendigen Verteidigung.

    Unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf notwendige Verteidigung
sind die zu erwartende Freiheitsstrafe und die zum Widerruf anstehenden
bedingt ausgesprochenen Strafen jedenfalls dann zusammenzuzählen, wenn
der Widerruf nach der Gerichtspraxis zwingend ist (E. 4.1).

    Der Anspruch auf notwendige Verteidigung besteht mindestens bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens und darf nicht von
Erfolgsaussichten abhängig gemacht werden; bei anerkannter Prozessarmut
hat der Verurteilte auch im Rechtsmittelverfahren einen grundsätzlich
unbedingten Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung (E. 4.2-4.6).

Sachverhalt

    Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte X. am 20. Januar 2003 wegen
mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind und weiterer Delikte zu
einer unbedingten Gefängnisstrafe von 12 Monaten. Ausserdem erklärte es
drei gegen X. ausgesprochene Freiheitsstrafen von insgesamt 21 Monaten
und drei Tagen für vollziehbar. X. appellierte gegen dieses Urteil und
ersuchte um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung.

    Am 1. April 2003 wies die Statthalterin des Appellationsgerichtes
Basel-Stadt das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung
ab und setzte X. Frist bis zum 23. April 2003 an, um einen Kostenvorschuss
von 500.- Franken zu leisten mit der Androhung, dass sonst auf das
Rechtsmittel nicht eingetreten werde. Zur Begründung führte sie an,
das eingelegte Rechtsmittel habe wenig Aussicht auf Erfolg.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbotes
und des rechtlichen Gehörs vom 19. April 2003 beantragt X., diesen
Entscheid der Statthalterin aufzuheben und ihr die Sache zur Neubeurteilung
zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten
ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren gegen
den Beschwerdeführer nicht ab, es handelt sich um einen selbständig
eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG, gegen
den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist, wenn er einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann.

    Das Bundesgericht hat entschieden, dass dies bei einem Entscheid,
mit welchem die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung in einem
erstinstanzlichen Strafverfahren verweigert wird, regelmässig der Fall
ist. Die Nachteile, die einem nicht verbeiständeten Angeschuldigten in
einem Strafverfahren entstehen können, sind durch eine Wiederholung
des Verfahrens nach einem erfolgreichen Rechtsmittelverfahren wegen
der Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung kaum je gänzlich
zu beheben. Entscheidend für den Verfahrensausgang ist häufig das
erstinstanzliche Beweisverfahren. Wurde dieses fehlerhaft, d.h. ohne
Mitwirkung eines Rechtsvertreters, durchgeführt, so lässt sich dieser
Mangel in der Regel nicht mehr ganz beheben, weil es z.B. für die
Abnahme wichtiger Beweismittel wie Zeugenaussagen von entscheidender
Bedeutung ist, was diese Zeugen zuerst und möglichst rasch nach dem
umstrittenen Ereignis aussagen; die Anwesenheit eines Verteidigers
ist hier deshalb wichtig. Stellt sich die Frage der unentgeltlichen
Verbeiständung bereits am Anfang des Verfahrens - was die Regel bildet -,
gebieten auch prozessökonomische Gesichtspunkte, die Anforderungen an
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil weniger streng zu handhaben,
damit die Wiederholung umfangreicher Verfahren gegebenenfalls vermieden
werden kann (BGE 126 I 207 E. 2a).

    Die Appellation nach §§ 173 ff. der Strafprozessordnung des Kantons
Basel-Stadt vom 8. Januar 1997 (StPO) ist ein ordentliches Rechtsmittel,
auf Grund dessen das erstinstanzliche Urteil sowohl in tatsächlicher
als auch rechtlicher Hinsicht ohne Einschränkung zu überprüfen ist. Das
Appellationsverfahren richtet sich im Wesentlichen nach den Vorschriften
über das Verfahren vor erster Instanz (§ 180 Abs. 2 StPO), und es wird eine
Hauptverhandlung durchgeführt, an welcher Beweisanträge eingebracht werden
können (§ 181 Abs. 1 StPO). Die im zitierten Bundesgerichtsentscheid für
die Bejahung des nicht wiedergutzumachenden Nachteils angeführten Gründen
können demnach sinngemäss auch für die Verweigerung der unentgeltlichen
Verbeiständung im Appellationsverfahren Geltung beanspruchen. Es
kommt hinzu, dass bei mangelhafter Begründung des Rechtsmittels der
Prozessverlust droht (vgl. auch BGE 129 I 129 E. 1.1 betreffend das
Wiederaufnahmeverfahren).

    Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter
Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c;
121 I 334 E. 1c), einzutreten ist.

    1.2  (Da der Kostenvorschuss in der Zwischenzeit rechtzeitig
geleistet wurde, befasst sich das Bundesgericht im Folgenden einzig mit
der Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung.)

Erwägung 2

    2.  Die Statthalterin hält im angefochtenen Entscheid dafür,
der Beschwerdeführer habe im Appellationsverfahren keinen Anspruch auf
unentgeltliche Verteidigung, weil sein Rechtsmittel "wenig" Aussicht auf
Erfolg habe. In ihrer Vernehmlassung bekräftigt sie, die Verlustgefahren
seien wesentlich grösser als die Gewinnaussichten, weshalb der angefochtene
Entscheid "im Einklang mit der Strafprozessordnung" stehe. Wie schon
im angefochtenen Entscheid legt sie allerdings nicht dar, auf welche
Bestimmungen der Strafprozessordnung sie sich dabei stützt.

    Der Beschwerdeführer hält diesen Entscheid für willkürlich. Er vertritt
die Auffassung, er habe einen Anspruch auf einen unentgeltlichen
Verteidiger, da ihm die Verbüssung von insgesamt 33 Monaten
Freiheitsstrafe drohe und er anerkanntermassen mittellos sei. Damit
erhebt er eine Willkürrüge, die den gesetzlichen Begründungsanforderungen
namentlich darum genügt, weil auch der angefochtene Entscheid selber jede
Auseinandersetzung mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen vermissen lässt
und man vom Beschwerdeführer als Laien daher nicht verlangen kann, dies
in der Beschwerdeschrift erstmals zu tun. Die Gehörsverweigerungsrüge
hingegen begründet der Beschwerdeführer mit keinem Wort, sodass darauf
nicht eingetreten werden kann.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Nach Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK und Art. 29 Abs. 3 BV hat ein
Angeschuldigter, der nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um
einen privaten Verteidiger beizuziehen, Anspruch auf einen unentgeltlichen
Rechtsbeistand, wenn dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist und
sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Greift das Verfahren
besonders stark in die Rechtspositionen des Betroffenen ein, ist die
Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes grundsätzlich geboten;
dies ist nach der Rechtsprechung im Strafverfahren insbesondere dann der
Fall, wenn eine schwerwiegende freiheitsentziehende Massnahme oder eine
Freiheitsstrafe droht, deren Dauer den bedingten Vollzug ausschliesst
(BGE 128 I 225 E. 2.5.2; 120 Ia 43 E. 2a).

    3.2  Nach § 14 Abs. 2 StPO hat ein Angeschuldigter einen unbedingten
Anspruch auf einen Rechtsbeistand im Sinne einer notwendigen Verteidigung
gemäss dem Titel dieser Bestimmung, wenn eine Freiheitsstrafe von
mehr als 18 Monaten zu erwarten ist (notwendige Verteidigung). Nach §
15 Abs. 1 StPO hat ein Angeschuldigter, der nicht über die finanziellen
Mittel verfügt, um für seine Verteidigung aufzukommen, Anspruch auf einen
unentgeltlichen Verteidiger, wenn die Voraussetzungen der notwendigen
Verteidigung erfüllt sind (lit. a), die Untersuchungshaft länger als
14 Tage dauert (lit. b), eine Strafe oder Massnahme zu erwarten ist,
die die Kompetenz des Einzelrichters übersteigt (lit. c) oder eine
Verbeiständung aus anderen Gründen geboten erscheint (lit. d). Für das
Appellationsverfahren bestehen keine besonderen Regeln über die notwendige
und die unentgeltliche Verteidigung. Nach § 180 Abs. 2 StPO gelten die
Vorschriften über das Verfahren vor erster Instanz sinngemäss. Diese
kantonale Regelung entspricht der verfassungsrechtlichen Minimalgarantie
ohne weiteres.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Der Beschwerdeführer wurde erstinstanzlich zu 12 Monaten Gefängnis
unbedingt verurteilt, was - nach der Praxis des Bundesgerichts zwingend
(BGE 122 IV 156 E. 3c) - auch zum Widerruf der bedingt ausgesprochenen
Freiheitsstrafen von gut 21 Monaten führt. Dem Beschwerdeführer droht
somit - unter Berücksichtigung des Widerrufs - ein Freiheitsentzug
von über 33 Monaten, was nach der dargelegten Rechtsprechung und der
kantonalrechtlichen Regelung einen Anspruch auf notwendige Verteidigung
begründet. In BGE 117 Ia 277 E. 5b S. 282 hat das Bundesgericht zwar offen
gelassen, ob der Widerruf des bedingten Vollzugs von Freiheitsstrafen
mit der Verhängung einer neuen Strafe gleichzusetzen sei und sie
dementsprechend für die Beurteilung der Notwendigkeit der Verteidigung
zusammenzuzählen seien. Die Frage ist indessen, wie z.B. die Zürcher
Gerichte bereits entschieden haben (NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht,
2. Aufl., Zürich 1993, Fn. 51 zu Rz. 484), zu bejahen. Die Gewährung
der notwendigen Verteidigung rechtfertigt sich durch die schwerwiegenden
Konsequenzen, die der Ausgang des Verfahrens für den Betroffenen haben
kann. Für diesen entscheidend ist im Ergebnis die gesamte Dauer der
vollziehbaren Strafe; ob und wie sie sich zusammensetzt, ist hingegen
von bloss untergeordneter Bedeutung, wenn die einzelnen Strafen zwingend
zusammenhängen. In verfassungskonformer Anwendung von § 14 Abs. 2 StPO
ist daher für die Beurteilung der Notwendigkeit der Verteidigung von der
gesamten vollstreckbaren Strafdauer auszugehen.

    4.2  Die Statthalterin äussert sich im angefochtenen Entscheid nicht
explizit zur Frage, ob ein Fall notwendiger Verteidigung vorliege. Sie
brauchte dies auch nicht zu tun, da dem Beschwerdeführer nach § 15
Abs. 1 lit. b StPO wegen der länger als 14 Tage dauernden Untersuchungs-
bzw. Sicherheitshaft ohnehin ein Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung
zustand. Sie will deren Gewährung indessen davon abhängig machen, ob die
Appellation gute Erfolgsaussichten habe oder nicht. Dieses Kriterium wird
vom kantonalen Prozessrecht nicht vorgesehen. Da es besser auf Zivil-
als auf Strafverfahren zugeschnitten ist, erscheint es durchaus möglich,
dass der Gesetzgeber dieses Kriterium für letztere bewusst wegliess. Der
Kanton Genf beispielsweise geht noch weiter, indem er in Art. 143 seines
Gerichtsorganisationsgesetzes vom 11. November 1941 ausschliesst, dass
einem Angeschuldigten die unentgeltliche Verbeiständung wegen schlechter
Erfolgsaussichten verweigert wird. Es erscheint allerdings fraglich,
ob es geradezu willkürlich ist, § 15 StPO dahingehend auszulegen,
dass die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von intakten
Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abhängig gemacht wird, wie dies auch
Art. 29 Abs. 3 BV allgemein vorsieht. Das Bundesgericht hat denn auch
schon in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 aBV für die unmittelbar auf
diese Verfassungsbestimmung abgestützte Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege auch im Strafverfahren verlangt, die Prozessführung dürfe
nicht aussichtslos sein (BGE 123 I 145 E. 2b/aa; 117 Ia 277 E. 5b/dd; 109
Ia 12 E. 3b; vgl. die Darstellung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
in: ANDREAS KLEY-STRULLER, Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege,
AJP 1995 S. 179 ff.).

    4.3  Dies kann indessen für die Fälle notwendiger Verteidigung nicht
gelten. Dieses Institut soll sicherstellen, dass in Verfahren, in denen
dies Voraussetzung für einen fairen Prozess bildet, der Angeschuldigte über
einen Vertreter verfügt, der der Anklagebehörde Paroli bieten kann. Das
ist namentlich dann der Fall, wenn für den Angeschuldigten ein jahrelanger
Freiheitsentzug auf dem Spiel steht, seine Verteidigungsfähigkeit durch
Krankheit oder Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft eingeschränkt ist oder
die Sache zu komplex ist, um sich ohne Anwalt angemessen verteidigen zu
können. Das Institut liegt damit zwar in erster Linie im wohlverstandenen
Interesse des Angeschuldigten, darüber hinaus indessen auch im Interesse
der Rechtspflege an der Gewährleistung eines fairen Strafprozesses (dazu
ARTHUR HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN, Die EMRK und die Schweiz, 2. Aufl.,
Bern 1999, S. 230). Aus diesem Zweck der notwendigen Verteidigung
ergibt sich ohne weiteres, dass sie im Prinzip bis zum ordentlichen
Abschluss des Strafverfahrens durch ein rechtskräftiges Urteil bestehen
muss, gewähren doch Art. 32 Abs. 3 Satz 1 BV sowie Art. 2 des Siebten
Zusatzprotokolls zur EMRK (SR 0.101.07) und Art. 15 Ziff. 5 UNO-Pakt
II (SR 0.103.2) jedem Verurteilten das Recht, seine Verurteilung von
einem höheren Gericht überprüfen zu lassen (wobei der Anspruch bereits
erfüllt wird, wenn dieses eine reine Rechtskontrolle ausübt: Botschaft
des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung,
BBl 1997 I 187 f.; BGE 124 I 92 zu den zitierten Bestimmungen der EMRK
und des UNO-Paktes II). Diese Rechtsmittel-Garantie würde in unzulässiger
Weise ausgehöhlt und Art. 32 Abs. 2 BV verletzt, wenn die notwendige
Verteidigung auf das Verfahren vor erster Instanz beschränkt würde
und der prozessarme Verurteilte das Rechtsmittelverfahren allein führen
müsste, obwohl seine anwaltliche Vertretung für die effektive Wahrnehmung
seiner Verteidigungsrechte erforderlich wäre. Dass die Ergreifung eines
Rechtsmittels für den Angeschuldigten oder Verurteilten freiwillig ist,
ändert grundsätzlich nichts an der Notwendigkeit seiner Verbeiständung,
ist sie doch die einzige Möglichkeit, die von ihm als ungerecht empfundene
empfindliche (erstinstanzliche) Verurteilung aus der Welt zu schaffen;
von Freiwilligkeit im Sinne einer echten Wahlfreiheit kann daher keine
Rede sein.

    4.4  Das Bundesgericht hat denn auch in BGE 124 I 185 E. 4b implizit
in diesem Sinn entschieden, und im Kanton Zürich, der die notwendige
Verteidigung in § 11 Abs. 2 seiner Strafprozessordnung vom 4. Mai
1919 ähnlich geregelt hat wie der Kanton Basel-Stadt, geht die Praxis
ebenfalls davon aus, dass die notwendige Verteidigung jedenfalls bis
zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens und in beschränktem
Ausmass auch für den Vollzug gilt (GUIDO VON CASTELBERG, Zum Bereich
der notwendigen Verteidigung im Zürcher Strafprozess, in: Strafrecht und
Öffentlichkeit, Festschrift für Jörg Rehberg, Zürich 1996, S. 85 ff., 88;
TITUS GRAF, Effiziente Verteidigung im Rechtsmittelverfahren, Diss. Zürich
2000, S. 68; ders., Zum Anspruch auf Verteidigerbeistand, Plädoyer 1997
5 S. 21 ff., 30; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 2. Aufl., Zürich
1993, Rz. 484, je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Auch nach der
Rechtsprechung der Organe der Europäischen Menschenrechtskommission ist
anerkannt, dass Strafmass, Komplexität des Falles und Ermessensbereich
der Berufungsinstanz die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
selbst bei prima facie aussichtslosen Fällen bedingen können (MARK
VILLIGER, Handbuch der EMRK, 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 520 zu Art. 6
EMRK). Diese Rechtsprechung beschränkt sich allerdings auf Verfahren
vor der rechtskräftigen Verurteilung und kann nicht ohne weiteres auf
allfällige Wiederaufnahme- oder Revisionsverfahren übertragen werden
(BGE 129 I 129 E. 2.2.2).

    4.5  Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass im Bereich
der notwendigen Verteidigung der Angeschuldigte bzw. Verurteilte
bei anerkannter Mittellosigkeit einen grundsätzlich unbedingten
verfassungsrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung auch
im von ihm angehobenen Rechtsmittelverfahren hat. Die unentgeltliche
Verbeiständung darf somit im Bereich der notwendigen Verteidigung
nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Erfolgsaussichten die
Verlustgefahren überwiegen. Seine Schranke findet dieser Anspruch wie jeder
andere auch im allgemein geltenden Rechtsmissbrauchsverbot: für mutwillige
und trölerische Prozessführung kann er ohne Verfassungsverletzung
eingeschränkt bzw. verweigert werden.

    4.6  Steht somit fest, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf
notwendige Verteidigung hat, hat er damit auch im Appellationsverfahren
ungeachtet der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege, da unbestritten blieb, dass er nicht über die
notwendigen Mittel verfügt, um einen privaten Verteidiger zu bestellen
und zu entlöhnen (§ 14 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 lit. a StPO). Dass
das Rechtsmittel rechtsmissbräuchlich eingelegt worden sei, macht die
Statthalterin nicht geltend, und das ist auch nicht ersichtlich.

    Die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind im Übrigen vor dem Eingang
der Appellationsbegründung, welche gerade deshalb noch aussteht, weil die
Statthalterin die unentgeltliche Rechtspflege verweigerte, gestützt allein
auf die Appellationsanträge des den Beschwerdeführer vor erster Instanz
vertretenden Verteidigers und dessen eigener Eingabe vom 21. April 2003,
welche den Anforderungen an eine fachgerechte Rechtsmittelschrift in
keiner Weise genügt, gar nicht sachgemäss zu beurteilen. Eine derartige
inhaltliche Beurteilung der Prozessaussichten auf Grund unzureichender
Entscheidgrundlagen erscheint im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt
von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht unproblematisch
(vgl. BGE 126 I 68).