Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 I 265



129 I 265

24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. X. gegen Ausgleichskasse und Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg
(staatsrechtliche Beschwerde)

    2P.131/2002 vom 11. Juli 2003

Regeste

    Art. 8 Abs. 3 und Art. 116 Abs. 2 BV; Art. 73 und 76 der Verordnung
(EWG) Nr. 1408/71; Art. 12 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 5 GlG; Gleichstellung
von Mann und Frau; Familien-/Kinderzulage; interkantonale Kollisionsregel;
Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren.

    Verfassungswidrigkeit einer Regelung, die den Anspruch auf Auszahlung
von Familien-/Kinderzulagen bei Anspruchskonkurrenz zwischen erwerbstätigen
Eheleuten dem "Vater" zuweist (E. 2-4).

    Befugnis zur Schaffung einer interkantonalen Kollisionsregel
(E. 4.2-5.2).

    Abstellen auf die für das Verhältnis zwischen der Schweiz und der
EU aufgrund des Freizügigkeitsabkommens (FZA) geltenden Kollisionsregeln
der Art. 73 und 76 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (E. 5.3).

    Keine Kostenfreiheit des Verfahrens vor dem Bundesgericht (E. 6.2).

Sachverhalt

    X. ist mit Y. verheiratet und Mutter von drei Kindern (geb. 1982,
1984 und 1986). Die Ehegatten wohnen zusammen mit ihren Kindern im Kanton
Freiburg. X. ist seit dem 1. September 1999 als Operationssaal-Schwester
mit einem Beschäftigungsgrad von 70% in einer Klinik im Kanton Freiburg
tätig. Ihr Ehemann arbeitet als Fachlehrer an einer Schule im Kanton
Solothurn mit einem Wochenpensum von 23 bis 25 Stunden, was einem
Beschäftigungsgrad von 88.8% entspricht.

    Im September 1999 beantragte X. bei der Ausgleichskasse des
Kantons Freiburg Familienzulagen für ihre drei Kinder. Mit Verfügung
vom 28. September 1999 lehnte die Ausgleichskasse des Kantons Freiburg
das Gesuch ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass gemäss
Art. 8 Abs. 1 und 2 des Freiburger Gesetzes vom 26. September 1990 über
die Familienzulagen (FZG/FR) bei verheirateten Eltern die Kinderzulagen
primär dem Vater zustünden. Da der Vater über seinen Arbeitgeber im Kanton
Solothurn die vollen Familienzulagen geltend machen könne, entfalle der
Anspruch auf Familienzulagen der Mutter.

    Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel wiesen die Ausgleichskasse des
Kantons Freiburg mit Einspracheentscheid vom 22. Dezember 1999 und das
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof
(im Folgenden: Verwaltungsgericht), mit Entscheid vom 2. Mai 2002 ab.

    X. hat beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht
mit dem Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2002
aufzuheben. Sie rügt Willkür und eine Verletzung von Art. 8 BV.

    Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Im Kanton Freiburg umfassen die Familienzulagen die Kinderzulage,
die Ausbildungszulage sowie die Geburts- oder Aufnahmezulage (Art. 5
FZG/FR; zur Unterscheidung der verschiedenen Zulagen vgl. Art. 16-18
FZG/FR). Sie werden einmal oder periodisch in Form von sozialen
Geldleistungen ausgerichtet, um die finanzielle Belastung durch ein oder
mehrere Kinder teilweise auszugleichen, und sind ausschliesslich für den
Unterhalt der Kinder zu verwenden (Art. 4 FZG/FR). Einen Anspruch auf
Familienzulagen haben gemäss Art. 6 lit. a FZG/FR entlöhnte Personen,
deren Arbeitgeber dem Freiburger Gesetz über die Familienzulagen
unterstellt sind. Ihm sind prinzipiell alle Arbeitgeber unterstellt, die
im Kanton Freiburg einen "Wohnort" (französischsprachiger Gesetzestext:
"domicile"), einen Sitz, eine Zweigstelle oder eine Niederlassung haben
(vgl. Art. 2 und 3 FZG/FR). Diese Arbeitgeber gewährleisten auch die
Finanzierung der Familienzulagen für die entlöhnten Personen; ihre
Beiträge werden in Prozenten der AHV-pflichtigen Löhne festgesetzt
(Art. 23 FZG/FR). Laut Art. 8 Abs. 1 FZG/FR besteht für jedes Kind
"höchstens ein Anspruch auf eine ganze Zulage derselben Art". Können
mehrere Personen je eine ganze Zulage derselben Art nach dem erwähnten
Gesetz oder nach anderen Gesetzen beanspruchen, werden gemäss Art. 8
Abs. 2 FZG/FR die Zulagen in der folgenden Rangordnung zugesprochen:

      "a) dem Vater, wenn die Eltern verheiratet sind;

       b) der Person, die das Kind betreut, wenn die Eltern

          nicht verheiratet sind oder wenn sie getrennt oder geschieden

          sind;

       c) der Person, der die elterliche Gewalt zusteht; d) der Person,

       die in überwiegendem Mass für das Kind

          aufkommt."

    2.2  Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, es gebe
keine sachlichen und vernünftigen Gründe dafür, dass zur Vermeidung
von Doppelbezügen der Anspruch auf Familienzulagen gemäss Art. 8 Abs. 2
lit. a FZG/FR dem Vater zugesprochen werde und dass der Kanton Freiburg
auch im interkantonalen Verhältnis davon ausgehe, dass die erwähnten
Zulagen prinzipiell nur in dem Kanton gefordert werden könnten, in dem
der Ehemann selber die Anspruchsvoraussetzungen erfülle. Dies verstosse
gegen Art. 8 BV und sei willkürlich (vgl. Art. 9 BV und Art. 4 aBV).

    2.3  Die Beschwerdeführerin rügt damit nicht einen Verstoss gegen
kantonale Vorschriften, was nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür
zu prüfen wäre. Sie beanstandet vielmehr, dass die Verweigerung der
ihr im Grundsatz im Kanton Freiburg zustehenden Familienzulage auf
einer diskriminierenden, gegen die Gleichbehandlung von Mann und Frau
verstossenden Regelung und Rechtsanwendung beruhe. Sie verlangt insofern
eine vorfrageweise Überprüfung der Verfassungsmässigkeit von Art. 8 Abs. 2
FZG/FR. Das ist im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig,
selbst wenn die Frist zur Anfechtung des Gesetzes längst verstrichen ist:
Die Rüge, eine kantonale Norm widerspreche der Bundesverfassung, kann
auch noch bei der Anfechtung eines diese Norm anwendenden Entscheides
vorgebracht werden. Die allfällige vorfrageweise Feststellung der
Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm führt aber nicht zu deren
Aufhebung, sondern hat lediglich zur Folge, dass die Vorschrift auf den
Beschwerdeführer nicht angewendet und der gestützt auf sie ergangene
Entscheid aufgehoben wird (inzidente Normenkontrolle; BGE 121 I 102 E. 4
S. 104; 117 Ia 97 E. 1 S. 99 f.; 114 Ia 50 E. 2a S. 52). Sodann geht es
auch darum, wieweit ein Kanton seine internen Konkurrenzvorschriften im
interkantonalen Verhältnis überhaupt zur Anwendung bringen kann.

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Kantone können auf dem Gebiete der Familienzulagen
autonom legiferieren, solange und soweit der Bund von seiner
diesbezüglichen Kompetenz gemäss Art. 116 Abs. 2 BV (Art. 34quinquies
Abs. 2 aBV) nicht Gebrauch macht (vgl. BGE 117 Ia 97 E. 2a S. 100;
Urteil 2P.77/2000 vom 30. November 2000, E. 3b). Der Bund hat sich
bis heute darauf beschränkt, eine Familienzulagenordnung für die
Landwirtschaft aufzustellen (vgl. Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die
Familienzulagen in der Landwirtschaft [FLG; SR 836.1], und die dazugehörige
Ausführungsgesetzgebung). Die Kantone sind von Verfassungs wegen nicht
nur frei, den Arbeitgebern den Anschluss an Familienausgleichskassen
und die Ausrichtung von Familienzulagen vorzuschreiben; auch bei der
Ausgestaltung ihrer Familienzulagenordnung steht ihnen weitgehende
Freiheit zu, so unter anderem was die Bestimmung der zulagenberechtigten
Arbeitnehmer sowie der Kinder betrifft, für die Zulagen gewährt werden
(vgl. BGE 114 Ia 1 E. 4 S. 3 f.; Urteil 2P.77/2000 vom 30. November 2000,
E. 3b; zu interkantonalen Regelungen vgl. aber nachfolgend E. 4.2).

    3.2  Auch wenn dem Gesetzgeber bei der Verfolgung
gesetzgebungspolitischer Ziele und der dazu eingesetzten Mittel ein
weiter Gestaltungsspielraum zusteht (BGE 124 I 297 E. 3b S. 299; 121
I 102 E. 4a S. 104; 110 Ia 7 E. 2b S. 13 f.), verletzt ein Erlass das
Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die
ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich
ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse
aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit
gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich
behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich die ungerechtfertigte
Gleich- bzw. Ungleichbehandlung auf eine wesentliche Tatsache bezieht
(BGE 129 I 1 E. 3 Ingress S. 3; 124 I 297 E. 3b S. 299; 123 II 16 E. 6a
S. 26). Sodann verlangt die Gleichstellung der Geschlechter gemäss Art. 8
Abs. 3 BV bzw. Art. 4 Abs. 2 aBV, dass Mann und Frau ohne Rücksicht auf
gesellschaftliche Verhältnisse und Vorstellungen in allen Bereichen gleich
zu behandeln sind. Die Verfassung schliesst die Geschlechtszugehörigkeit
als taugliches Kriterium für rechtliche Differenzierungen grundsätzlich
aus. Eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau ist nur noch
zulässig, wenn auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale
Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschliessen (BGE 126 I 1
E. 2a S. 2 f. mit Hinweisen).

    3.3  Das Verwaltungsgericht führt als Grund für den Vorrang
des Ehemannes gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. a FZG/FR an, es entspreche
einer historischen und bis heute geltenden soziologischen Realität,
dass in der Mehrzahl der Familien eher der Vater als die Mutter einer
Vollzeitbeschäftigung nachgehe. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 3 BV (bzw. Art. 4
Abs. 2 aBV) darf ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung jedoch
nicht schon in der traditionellen Rollenverteilung der Geschlechter
erblickt werden, würde dadurch doch versucht, eine Ordnung zu
rechtfertigen, die mit den erwähnten Verfassungsbestimmungen gerade
beseitigt werden sollte (vgl. BGE 123 I 56 E. 2b S. 58; 116 V 198
E. II/2a/cc S. 211; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl.,
1999, S. 432). Fehl geht auch das Argument des Verwaltungsgerichts, Art. 8
Abs. 2 lit. a FZG/FR führe im Ergebnis nicht zu einer unterschiedlichen
Behandlung des einen oder anderen Geschlechts, sondern von Ehepaaren,
indem es im interkantonalen Verhältnis für gewisse Ehepaare günstige
und für andere ungünstige Resultate zeitige. Art. 8 Abs. 3 BV verbietet
nicht nur die Benachteiligung von Frauen, sondern jede nicht durch
zwingende biologische oder funktionale Unterschiede gerechtfertigte
geschlechtsbezogene Regelung, unabhängig davon, ob dadurch Frauen oder
Männer benachteiligt werden; das Recht muss geschlechtsneutral sein
(BGE 126 I 1 E. 2b/c S. 3 mit Hinweisen).

    3.4  Wohl hat das Bundesgericht in einem unveröffentlichten Urteil
vom 31. Oktober 1985 (P.1850/1984; zitiert bei RAINER J. SCHWEIZER,
Probleme der Gleichbehandlung der Geschlechter bei der Ausrichtung
von Haushaltszulagen, ZBl 93/1992 S. 2 f.) ausgeführt, es sei unter
dem Blickwinkel von Art. 4 aBV nicht zu beanstanden, wenn eine Regelung
verheirateten Beamten Familienzulagen voraussetzungslos gewähre, während
von den verheirateten Beamtinnen ein Nachweis dafür verlangt werde,
dass sie überwiegend für die Haushaltungskosten aufkommen (kritisch:
Schlussbericht der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement
eingesetzten Arbeitsgruppe "Lohngleichheit", 1988, S. 16; BEATRICE
WEBER-DÜRLER, Aktuelle Aspekte der Gleichstellung von Mann und Frau, ZBJV
128/1992 S. 359; CHARLES-ALBERT MORAND, L'érosion jurisprudentielle du
droit fondamental à l'égalité entre hommes et femmes, in: ders. [Hrsg.],
L'égalité entre hommes et femmes, 1988, S. 105). Diese Auffassung konnte
sich auf die damals (und noch bis zum 31. Dezember 1987) geltende Fassung
von Art. 160 Abs. 2 und Art. 161 Abs. 3 ZGB stützen, wonach der Ehemann
für den Unterhalt der Familie zu sorgen hatte; demnach war der Ehemann
stets verpflichtet, sein Einkommen für den Familienunterhalt zu verwenden,
während der Arbeitserwerb der Ehefrau grundsätzlich Sondergut darstellte,
das sie nur soweit erforderlich für den Haushalt zu verwenden hatte;
nach damaliger Rechtslage hatte sie ihren Beitrag an den Unterhalt der
Familie prinzipiell allein durch die Führung des Haushaltes zu erbringen
(E. 5 des Urteils P.1850/1984; vgl. auch BGE 117 V 194 E. 4b S. 196
f.). Seit dem am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen neuen Eherecht
sorgen die Ehegatten "gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften" für
den Familienunterhalt; die Rollenverteilung sowie Art und Umfang der
Beiträge an den Unterhalt der Familie ist den Ehegatten überlassen
(vgl. Art. 163 ZGB). Aus dem geltenden Eherecht lässt sich also kein
Rechtfertigungsgrund mehr für die beanstandete Priorität des Vaters
ableiten. Das Verwaltungsgericht beruft sich darauf, das Bundesgericht
habe in dem in SZS 1990 S. 40 publizierten Entscheid vom 17. Juni 1988
(P.1686/1987) implizit festgehalten, der (Genfer) Gesetzgeber habe mit
einer dem Vater den Vorrang einräumenden Regelung nicht gegen Art. 4
aBV verstossen. Insoweit verkennt es allerdings, dass das Bundesgericht
nicht von Amtes wegen Verfassungsverletzungen untersucht (s. E. 1.2)
und damals auf andere Fragen bezogene Rügen zu behandeln hatte. Es kann
daher nichts daraus abgeleitet werden, dass die betreffende kantonale
Regelung nicht wegen Art. 4 Abs. 2 aBV in Zweifel gezogen worden war.
Im Übrigen hat das Bundesgericht in einem nicht publizierten Urteil vom
23. Dezember 1988 (2P.119/1988; zitiert bei RAINER J. SCHWEIZER, aaO, S. 4)
befunden, eine Regelung, die Ehefrauen einen Anspruch auf (anteilmässige)
Familienzulagen nur für den Fall zugesteht, dass diese zur Hauptsache für
die Haushaltungskosten aufkommen, verletze die Rechtsgleichheit mangels
haltbarer Gründe.

    3.5  Es ist somit kein zulässiger Grund in den zu regelnden
Verhältnissen ersichtlich, um die nach Art. 8 Abs. 2 lit. a
FZG/FR vorgesehene unterschiedliche Behandlung der Ehegatten bei
Anspruchskonkurrenz zu rechtfertigen. Die beanstandete Bestimmung verstösst
demnach gegen Art. 8 Abs. 3 BV. Das Verwaltungsgericht irrt im Übrigen,
wenn es annimmt, die Doktrin teile seine Ansicht. Diese steht dem Vorrang
des Vaters vielmehr überwiegend ablehnend gegenüber (so PASCAL MAHON, Les
allocations familiales, in: Heinrich Koller/Georg Müller/René Rhinow/Ulrich
Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. 3, 1998 ff.,
S. 141 Rz. 53; ders., in: Jean-François Aubert et al. [Hrsg.], Kommentar
zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, N. 66 zu
Art. 34quinquies aBV; AUDREY LEUBA, La répartition traditionnelle des
tâches entre les conjoints, au regard du principe de l'égalité entre homme
et femme, Diss. Neuenburg 1997, S. 192; UELI KIESER, Streifzug durch das
Familienzulagenrecht, SZS 1995 S. 279 und 286; BARBARA LISCHETTI-GREBER,
Familienzulagen, in: Monique Aeschbacher/Margareta Lauterburg/Barbara
Lischetti-Greber, Durchs Netz gefallen, 2. Aufl., 1994, S. 419; RAINER
J. SCHWEIZER, aaO, insbes. S. 6 f.; BEATRICE WEBER-DÜRLER, aaO, S. 359;
CHARLES-ALBERT MORAND, aaO, S. 105; PIERRE-YVES GREBER, L'égalité de
droits entre hommes et femmes dans le domaine de la sécurité sociale, in:
Charles-Albert Morand [Hrsg.], L'égalité entre hommes et femmes, 1988,
S. 197; erwähnter Schlussbericht der Arbeitsgruppe "Lohngleichheit",
S. 16; a.A. wohl GERMAIN BOUVERAT, Les allocations familiales, in:
Les cahiers genevois de sécurité sociale 1990 S. 112; und unter altem
ZGB-Recht RANDOLPH ANDREA KOLLER, Die kantonalen Familienzulagengesetze,
Diss. Zürich 1984, S. 153 f.). Ob auch Art. 8 Abs. 2 BV verletzt wird,
kann hier offen bleiben.

Erwägung 4

    4.  Unter Bezugnahme auf die Botschaft des Freiburger Staatsrates
vom 22. August 1989 zum Gesetzentwurf über die Familienzulagen macht das
Verwaltungsgericht geltend, der Vorrang des Vaters dränge sich auf, um
Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Kantonen vorzubeugen; alle anderen
Kantone hätten an einer solchen Priorität des Ehemannes festgehalten.

    4.1  Ungeachtet der sich aus vorstehenden Ausführungen ergebenden
Fragwürdigkeit dieses Arguments, ist die Annahme des Verwaltungsgerichts
heute bereits unzutreffend (vgl. Übersicht in: Bundesamt für
Sozialversicherung [Hrsg.], Kantonale Gesetze über Familienzulagen,
Grundzüge der kantonalen Familienzulagenordnungen, Stand 1. Januar 2002,
S. 19 ff. Ziff. 123). Zwar haben neben dem Kanton Freiburg noch einige
andere Kantone eine mit der interessierenden Freiburger Bestimmung
vergleichbare Regelung für verheiratete erwerbstätige Eltern (Kantone
Appenzell-Innerrhoden und -Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Solothurn und
Zug). Etliche Kantone praktizieren aber eine andere Prioritätenordnung:
Im Kanton Aargau geht der Anspruch des Ehemannes vor, sofern nicht
die Ehefrau einen höheren Anspruch hat. Im Kanton Jura ist im Prinzip
eine hälftige Teilung vorgesehen. Ebenso im Kanton Luzern bei gleicher
Beschäftigungsdauer, wenn die beiden Anspruchsberechtigten zusammen die
Voraussetzungen für mehr als eine volle Zulage erfüllen; bei ungleich
hohem Anspruch wird die ungekürzte Zulage der Person mit dem höheren
Anspruch ausgerichtet; erfüllen beide zusammen nicht die Voraussetzungen
für eine volle Zulage, werden ihnen jeweils Teilzulagen nach Massgabe der
Arbeitszeit gewährt; nach anderen Zulagenordnungen beziehbare Leistungen
sollen vorgehen. In den Kantonen Nidwalden, Obwalden, Thurgau und Zürich
geht prinzipiell die Person mit dem höheren Anspruch vor. Im Kanton Schwyz
soll diejenige Person die Zulage bekommen, die in überwiegendem Masse für
den Unterhalt des Kindes aufkommt. Im Kanton Tessin ist grundsätzlich
die Mutter anspruchsberechtigt, es sei denn der Ehegatte hat Anspruch
auf eine höhere Zulage. Im Kanton Uri ist der vollerwerbende Ehepartner
anspruchsberechtigt. Im Kanton Waadt ist zunächst der Elternteil mit dem
höheren Beschäftigungsgrad anspruchsberechtigt; den Rest bis zum Erreichen
einer vollen Zulage kann gegebenenfalls der andere Elternteil verlangen;
wenn beide vollerwerbend sind, wird die Auszahlung auf Verlangen hälftig
geteilt, sonst an den Vater vorgenommen. Im Kanton Wallis wird die Zulage
im Prinzip an den Vater ausgezahlt, wobei aber eine Aufstockung bezüglich
der Tätigkeit der Mutter im Kanton vorgenommen wird, wenn der Vater
ausserkantonal tätig ist oder selber keinen Anspruch hat. In den Kantonen
Bern, Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, St. Gallen und Schaffhausen wird
die Zulage an den von den Ehegatten bestimmten Elternteil ausgezahlt. Der
Kanton Basel-Landschaft praktiziert dieses Wahlrecht der Eltern ebenfalls,
nachdem das kantonale Versicherungsgericht in einem Urteil vom 22. April
1992 eine mit der Freiburger Regelung vergleichbare Bestimmung für
verfassungswidrig erklärt hatte. Können die Eheleute im Kanton St. Gallen
insgesamt weniger als eine volle Zulage beanspruchen, werden Teilzulagen
nach Massgabe der geleisteten Arbeitszeit ausgerichtet. Schliesslich hat
der Bundesgesetzgeber - im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau
- eine Anspruchskonkurrenz bei den Kinderzulagen im landwirtschaftlichen
Bereich für im gleichen Haushalt lebende Ehegatten im Wege hälftiger
Teilung des Anspruchs geregelt (Art. 9 Abs. 5 FLG; Berichterstatter
Gerber in AB 1983 S 596). Die Regelungen über die Anspruchskonkurrenz
werden sodann je nach Kanton nur innerkantonal angewandt; einige Kantone
nehmen damit offenbar in Kauf, dass Kinderzulagen unter Umständen in zwei
Kantonen bezogen werden (vgl. Urteil des Sozialversicherungsgerichts des
Kantons Zürich vom 4. Mai 1999, Leitsatz publiziert in Bundesamt für
Sozialversicherung [Hrsg.], Kantonale Gesetze über Familienzulagen,
Die Rechtsprechung der kantonalen Rekursbehörden 1999, Bern 2001,
S. 58; Bundesamt für Sozialversicherung, Grundzüge der kantonalen
Familienzulagenordnungen, Stand 1. Januar 2002, S. 21 Ziff. 123;
GERHARD HAUSER-SCHÖNBÄCHLER, Kinder- und Familienzulagen in der Schweiz,
Untersuchung im Auftrage der Eidgenössischen Koordinationskommission für
Familienfragen, 2002, S. 4).

    4.2  Die in den kantonalen Kinderzulagengesetzen enthaltenen
Regelungen über die Anspruchskonkurrenz können nur im innerkantonalen
Verhältnis Geltung beanspruchen. Ein Kanton ist nicht befugt, in den
Kompetenzbereich eines anderen Kantons einzugreifen, indem er mittels
Konkurrenznormen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der andere Kanton
Familienzulagen zu leisten oder welche Prioritätenordnung er für den Fall
einer Anspruchskonkurrenz vorzusehen hat (vgl. Territorialitätsprinzip;
UELI KIESER, aaO, S. 287; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des
Allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Aufl., 2002, S. 73 f. N. 355 ff.).
Demnach kann der Kanton Freiburg dem anderen beteiligten Kanton weder
vorschreiben noch davon ausgehen, die Zulagen müssten in dem Kanton,
in dem der Vater arbeitet, geleistet werden.

    4.3  Die Anwendung der in Art. 8 Abs. 2 lit.  a FZG/FR vorgesehenen
Regelung mag zwar bisweilen im interkantonalen Verhältnis, je nach
konkreter Situation und Ausgestaltung der Gesetzgebung des anderen
Kantons, zu vertretbaren Ergebnissen führen. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 3
BV darf das Geschlecht der potentiell Anspruchsberechtigten indessen
nicht als Differenzierungsmerkmal dienen (vgl. E. 3.2-3.5). Es
gibt keinen zulässigen Grund, die Freiburger Familienzulagen bei
Zweiverdiener-Ehepaaren bloss zu gewähren, wenn der Ehemann im Kanton
arbeitet, nicht aber, wenn nur die Ehefrau diese Voraussetzung erfüllt. Die
Regelung interkantonaler Anspruchskonkurrenzen nach der in Art. 8 Abs. 2
lit. a FZG/FR vorgesehenen Prioritätenordnung führt zu zufallsbedingten,
willkürlichen Ungleichheiten, weil der Bezug der höheren oder tieferen
kantonalen oder ausserkantonalen Zulage davon abhängig wird, ob der
Ehemann oder die Ehefrau ausserhalb des Wohnsitzkantons arbeitet.

    Das Verwaltungsgericht bringt vor, die Einräumung einer Wahlmöglichkeit
für die Ehepaare - statt der beanstandeten Regelung mit dem Vorrang
des Vaters - hätte zur Folge, dass die Zulagen jeweils im Kanton mit
den höheren Leistungen beansprucht würden. Das träfe regelmässig den
Kanton Freiburg, weil dieser höhere Familienzulagen gewähre als die
meisten anderen Kantone. Diese Bedenken gegen die Einräumung eines freien
Wahlrechtes sind verständlich; eine solche Lösung würde Kantone mit hohen
Familienzulagen bzw. die zahlungspflichtigen Arbeitgeber dieser Kantone
benachteiligen (vgl. Stellungnahme des Bundesrats zur Parlamentarischen
Initiative Fankhauser, BBl 2000 S. 4786; GERHARD HAUSER-SCHÖNBÄCHLER,
aaO, S. 5 f.; zu den Ansätzen der kantonalen Familienzulagen und der
Arbeitgeberbeiträge vgl. jährlich in der Zeitschrift des Bundesamtes für
Sozialversicherung "Soziale Sicherheit" erscheinende Tabellen). Dies allein
rechtfertigt aber nicht, für die interkantonale Anspruchskonkurrenz das
Geschlecht als Unterscheidungsmerkmal heranzuziehen. Es gibt, wie zu zeigen
sein wird, andere taugliche Kriterien zur Vermeidung von sachwidrigen
Ergebnissen (E. 5). Die vom Verwaltungsgericht vertretene Lösung ist in
praktischer Hinsicht keineswegs zwingend.

    4.4  Auch wenn die Anwendung der in den Kantonen Freiburg und Solothurn
vorgesehenen Prioritätenordnung vorliegend nicht zu widersprüchlichen
Ergebnissen führen würde, da beide Kantone den Vorrang des Vaters
vorsehen (vgl. § 7 Satz 2 lit. a des Solothurner Kinderzulagengesetzes
vom 20. Mai 1979), verstösst eine derartige Lösung der interkantonalen
Anspruchskonkurrenz nach dem Gesagten gegen die Verfassung. Der
angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.

Erwägung 5

    5.  Es fragt sich, ob und wieweit das Bundesgericht zur Vermeidung
von sachwidrigen Doppelausschlüssen oder Doppelbezügen, die sich im
interkantonalen Verhältnis aufgrund nicht aufeinander abgestimmter
kantonaler Gesetze ergeben können, selber verbindliche Kollisionsregeln
aufstellen kann und soll.

    5.1  Eine derartige Kompetenz und Aufgabe hat der Bund mit
Blick auf Art. 127 Abs. 3 BV im Bereich des Steuerrechts (Verbot
der Doppelbesteuerung). Für Familienzulagen besteht allerdings nur
beschränkt eine Parallelität zur Problematik der Doppelbesteuerung. Die
alte Bundesverfassung von 1874 sah in Art. 46 Abs. 2 den Erlass eines
Bundesgesetzes "gegen Doppelbesteuerung" vor, woraus sich ableiten
liess, dass ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Vermeidung von
Doppelbesteuerungen besteht (vgl. ERNST HÖHN, in: Jean-François Aubert
et al. [Hrsg.], Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft, N. 15-18 zu Art. 46 Abs. 2 aBV). Die heutige
Bundesverfassung enthält in Art. 127 Abs. 3 ein ausdrückliches Verbot der
Doppelbesteuerung. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Einzelne in
Steuersachen vor Übergriffen eines nichtberechtigten Kantons geschützt
werden soll. Aus dem Bundesverfassungsrecht bzw. dem Bundesrecht ergibt
sich dagegen kein allgemeiner Anspruch auf Familienzulagen. Auch der
allfällige Doppelbezug einer Familienzulage verstösst an sich nicht gegen
Verfassungsrecht. Zwar besitzt der Bund im Bereich der Familienzulagen
eine Gesetzgebungskompetenz (Art. 116 Abs. 2 BV bzw. Art. 34quinquies
Abs. 2 aBV); es handelt sich dabei sogar um eine konkurrierende, nicht auf
den Erlass von Grundsätzen beschränkte Kompetenz. Damit könnte der Bund
gestützt auf die erwähnten Verfassungsbestimmung auch Vorschriften zur
Verhinderung interkantonaler Kollisionen bei den kantonalen Familienzulagen
erlassen. Von dieser Kompetenz hat der Bund bislang nur für den Bereich
der Landwirtschaft Gebrauch gemacht (s. E. 3.1); weitere Vorstösse für die
Schaffung einer gesamtschweizerisch harmonisierten Kinderzulage blieben
bislang erfolglos. Nach dem Wortlaut des Art. 116 BV bzw. Art. 34quinquies
aBV hat der Bund jedoch nicht einen "Auftrag", Vorschriften über
Familienzulagen zu erlassen (PASCAL MAHON, in: Jean-François Aubert
et al., aaO, N. 54 zu Art. 34quinquies aBV; PIERRE-YVES GREBER,
Droit suisse de la sécurité sociale, 1982, S. 508; LUZIUS MADER, in:
Bernhard Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/Rainer J. Schweizer/Klaus
A. Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, 2002, N. 2
zu Art. 116 BV). Im Gegensatz zum Doppelbesteuerungsverbot geht es bei
Art. 116 Abs. 2 BV bzw. Art. 34quinquies Abs. 2 aBV zudem nicht darum, den
Einzelnen vor Übergriffen eines nichtberechtigten Kantons zu schützen. Es
besteht insoweit, anders als bei der Doppelbesteuerung, jedenfalls keine
explizite verfassungsrechtliche Verpflichtung des Bundes, im Bereich
der kantonalen Familienzulagen Doppelbezüge bzw. Doppelausschlüsse zu
verhindern oder sonstige Leistungsbedingungen zu regeln. Im Übrigen
umfasst der Begriff "Bund" in der Verfassung normalerweise nicht das
Bundesgericht (vgl. Botschaft zum Entwurf einer neuen Bundesverfassung,
BBl 1997 I 346 Fn. 15). Ob sich aus Art. 116 BV bzw. Art. 34quinquies aBV
eine Grundlage ergibt, auf welche sich das Bundesgericht für die Schaffung
von verbindlichen interkantonalen Konkurrenzregeln unmittelbar stützen
könnte, kann hier aber letzlich offen bleiben. Kantonale Entscheide über
die Gewährung oder Verweigerung von Familienzulagen sind vorab daran zu
messen, ob sie mit den berührten Grundrechten, d.h. insbesondere mit den
Garantien von Art. 8 und 9 BV, vereinbar sind.

    5.2  Sind mehrere Möglichkeiten zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung
gegeben, ist es grundsätzlich nicht Sache des Bundesgerichts, den
Kantonen eine hiervon vorzuschreiben (vgl. BGE 109 Ib 81 E. 4e S. 88 f.;
PIERRE-YVES GREBER, in: Charles-Albert Morand, aaO, S. 199; BERNHARD
RÜTSCHE, Rechtsfolgen von Grundrechtsverletzungen, Diss. Bern 2002,
S. 90; MADELEINE CAMPRUBI, Kassation und positive Anordnungen bei der
staatsrechtlichen Beschwerde, Diss. Zürich 1999, S. 345 ff.; PHILIPPE
GERBER, La nature cassatoire du recours de droit public, Diss. Genf 1997,
S. 306-309; WALTER KÄLIN, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie,
1987, S. 168 ff.). Im vorliegenden Regelungsbereich können sich
allerdings besondere Schwierigkeiten daraus ergeben, dass die jeweiligen
Bestimmungen der betroffenen Kantone nicht miteinander harmonieren,
was zu grundrechtswidrigen Ergebnissen führen kann, und es letztlich
um eine auf höherer Ebene zu füllende Regelungslücke geht. Mangels
bundesrechtlicher Kollisionsnormen muss der angerufene Richter, wenn die
Anwendung der kantonalen Gesetzgebung im interkantonalen Verhältnis zu
einem verfassungswidrigen Ergebnis führt, nach einer sachgerechten Lösung
suchen, die sich vom kantonalen Gesetz nicht unnötig weit entfernt und
deren Befolgung zugleich auch von anderen Kantonen erwartet werden kann.

    5.3  Für Konkurrenzsituationen, wie sie hier gegeben sind, kann
sinnvollerweise auf die Kollisionsregelung verwiesen werden, die seit dem
1. Juni 2002 zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen
Gemeinschaft gilt. In Abschnitt A Ziff. 1 und 2 des Anhangs II zum Abkommen
vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits
und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits
über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681)
wird Bezug genommen auf die Verordnungen des Rates der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige
sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und
abwandern (ABl. L 149 vom 5. Juli 1971, S. 2, und konsolidierte Fassung
in ABl. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1) und Nr. 574/72 vom 21. März 1972
über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 74 vom
27. März 1972, S. 1).

    5.3.1  Gemäss Art. 73 der Verordnung Nr.  1408/71 hat ein Arbeitnehmer
oder ein Selbständiger, "der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
unterliegt", grundsätzlich "für seine Familienangehörigen, die im Gebiet
eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen
nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese
Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten". Eine Person
unterliegt den Rechtsvorschriften desjenigen Staates, in dessen Gebiet
sie abhängig beschäftigt ist bzw. ihre selbständige Tätigkeit ausübt,
auch wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt oder ihr
Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz
oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat (Art. 13
Abs. 2 lit. a und b der Verordnung Nr. 1408/71).

    Für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen
gemäss den Rechtsvorschriften des nach Art. 73 der Verordnung
Nr. 1408/71 zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates,
in dem die Familienangehörigen wohnen, sieht Art. 76 der Verordnung Nr.
1408/71 in der für das Freizügigkeitsabkommen geltenden Fassung folgende
Prioritätsregeln vor:

      (1) Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben

          Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des

          Mitgliedstaates, in dessen Gebiet die Familienangehörigen

          wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer

          Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die

          nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates

          gegebenenfalls gemäss Art. 73 bzw. 74 geschuldeten

          Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des

          ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag.

      (2) Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die

          Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung

          gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen

          Mitgliedstaates Absatz 1 anwenden, als ob Leistungen in dem

          ersten Mitgliedstaat gewährt würden.

    5.3.2  Das bedeutet, dass Familienleistungen (vgl. dazu Art. 1 lit. u
und Art. 4 Abs. 1 lit. h der Verordnung Nr. 1408/71) grundsätzlich in
demjenigen Staat zu entrichten sind, in dem der Erwerbstätige beschäftigt
ist (Beschäftigungsland; sog. Erwerbsortsprinzip, vgl. Botschaft
zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und
der EG, BBl 1999 S. 6321 Ziff. 273.222.2). Besteht aber aufgrund
der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (z.B. des anderen Elternteils)
auch ein Anspruch im Land, in welchem die Kinder wohnen (Wohnland), so
geht dieser Anspruch vor; wäre die Leistung im Beschäftigungsland höher
(z.B. wegen höherer Leistungssätze oder weil im Wohnland wegen einer
Teilzeitbeschäftigung nur eine Teilleistung ausgezahlt wird), so kann dort
noch der Unterschiedsbetrag zwischen der im Wohnland geschuldeten und
der im Beschäftigungsland vorgesehenen höheren Leistung verlangt werden
(vgl. BBl 1999 S. 6327 Ziff. 273.222.36 und S. 6357 Ziff. 274.45).

    5.3.3  Eine vergleichbare Prioritätsregel gilt bei Anspruchskollisionen
auch für den Fall, dass ein Staat Leistungen für Kinder erbringt,
die nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen
Tätigkeit abhängig sind. Wird im Land, in dem das Kind wohnhaft ist, eine
Berufstätigkeit ausgeübt, sind die Leistungen primär dort geschuldet. Im
anderen Beschäftigungsland ist nur ein Unterschiedsbetrag auszuzahlen, der
sich nach Abzug der im Wohnland zu entrichtenden Leistungen ergibt. Wird im
Wohnland der Kinder keine Berufstätigkeit ausgeübt, sind die Leistungen
primär im Beschäftigungsland geschuldet, im Wohnland allenfalls ein
höherer Differenzbetrag (Art. 10 der Verordnung [EWG] Nr. 574/72).

    5.3.4  Diese Regelungen finden seit dem 1.  Juni 2002 unmittelbar
Anwendung im Verhältnis zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union (EU). Durch sie werden früher mit Mitgliedstaaten der
EU abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen grundsätzlich suspendiert,
soweit sie die gleichen Tatbestände regeln (Art. 20 FZA; BBl 1999
S. 6318 Ziff. 273.221). An den Verhandlungen zum Freizügigkeitsabkommen
waren die Kantone seit 1995 direkt beteiligt (vgl. RUDOLF TUOR,
Das Freizügigkeitsabkommen aus der Sicht der Kantone, in: Freiburger
Sozialrechtstag 2000, Das Personenverkehrsabkommen mit der EU und seine
Auswirkungen auf die soziale Sicherheit der Schweiz, 2001, S. 229). Dies
geschah auch mit Blick darauf, dass etliche im Abkommen geregelte Fragen
direkt Einfluss auf die Kantone haben würden. Gerade in Bezug auf die
kantonal geregelten Familienzulagen haben die gemeinschaftsrechtlichen
Koordinationsgrundsätze fortan unmittelbare Wirkung (vgl. BBl 1999 S. 6346
f. Ziff. 273.236, mit Hinweis auf die Besonderheit für die Geburts- und
Adoptionszulagen, vgl. dazu auch Anhang II zum FZA Abschnitt A Ziff. 1
lit. f). Im Übrigen dürfen Staatsangehörige der EU in diesem Bereich nicht
aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden (vgl. Art. 2 FZA,
Art. 3 und 73 der Verordnung Nr. 1408/71). Dies legt nahe, dass die im
Freizügigkeitsabkommen enthaltenen Prioritätsregeln nicht nur im Verhältnis
zu EU-Mitgliedstaaten und ihren Angehörigen, sondern prinzipiell auch
interkantonal sowie auf Schweizer Bürger bezogen angewandt werden. Denn
dadurch wird nicht nur eine weitgehend einheitliche und praktikable
Handhabung gewährleistet. Es werden insbesondere (nach Art. 2 FZA, Art. 3
und 73 der Verordnung Nr. 1408/71 unzulässige) Benachteiligungen von
EU-Bürgern einerseits, aber auch von Schweizern anderseits von vornherein
vermieden. Demnach wird sich das Freiburger Verwaltungsgericht bei der
Neubeurteilung des Falles an diesen Regelungen zu orientieren haben.

    Bei analoger Anwendung der erwähnten Konkurrenzregeln ist die
Familienzulage im Wohnsitzkanton des Ehepaares und der Kinder zu beziehen,
wenn einer der Ehegatten dort eine anspruchsauslösende Berufstätigkeit
ausübt. Soweit im anderen Kanton, wo der andere Ehepartner arbeitet,
höhere Leistungen vorgesehen sind, kann dort der insoweit fehlende
Differenzbetrag gefordert werden. Wenn im Wohnsitzkanton keine
anspruchsauslösende Berufstätigkeit ausgeübt wird, schuldet der
Beschäftigungskanton primär die Familienzulage. Damit richten sich die
Ansprüche bei erwerbstätigen Ehepaaren nach den Sätzen jener Kantone,
in denen die anspruchsauslösenden Erwerbstätigkeiten ausgeübt werden, und
nicht zufallsbedingt nach den Sätzen des einen oder anderen Kantons. Zwar
können Eheleute mit Beschäftigungsort in verschiedenen Kantonen damit
unter Umständen höhere Leistungen erhalten als ein Ehepaar, bei dem beide
im gleichen Kanton berufstätig sind; ein sachlicher Unterschied besteht
insoweit aber gerade darin, dass die Ersteren im Gegensatz zu den Letzteren
durch die Besonderheiten (z.B. Lohnniveau) zweier Kantone betroffen
sind. Schliesslich erscheint die erwähnte Prioritätsregel auch unter dem
Gesichtspunkt der Kostenlast als sachgerecht: Bei Anspruchskonkurrenz
aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in zwei Kantonen rechtfertigt
es sich, primär den Träger im Wohnsitzkanton der Familienangehörigen, für
deren Unterhalt die Zulagen bestimmt sind, leistungspflichtig zu erklären,
da sich dort der Lebensmittelpunkt dieser Familienangehörigen befindet
und damit dort auch regelmässig die Ausgaben für sie getätigt werden.

    5.3.5  Auf den vorliegenden Fall umgesetzt, würde das heissen, dass
wenn die Mutter aufgrund ihrer Beschäftigung eine ganze Zulage pro Kind
im Kanton Freiburg verlangen kann und diese höher ist als die Zulagen
im Kanton Solothurn, die Zulagen lediglich im Kanton Freiburg zu zahlen
sind. Sollte die Mutter aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung nur einen
Teil der Familienzulagen beanspruchen können, der betragsmässig nicht
an den im Kanton Solothurn nach den dortigen Vorschriften zustehenden
Anspruch heranreicht, so kann im Kanton Solothurn zusätzlich die Differenz
zwischen den beiden Ansprüchen verlangt werden.

Erwägung 6

    6.

    6.1  Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen
und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Das Verwaltungsgericht
wird auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen über die bei ihm
eingelegte Beschwerde neu zu befinden haben. Dabei wird es vorab die von
ihm bislang offen gelassene Frage zu prüfen haben, in welchem Umfang der
Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung ein Anspruch nach
den innerkantonalen Bestimmungen zusteht (vgl. Art. 20 FZG/FR).

    6.2  Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die Ausgleichskasse
Freiburg, um deren Vermögensinteressen es vorliegend geht, kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 und 2 OG in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Eine
Kostenfreiheit des Verfahrens nach Art. 12 Abs. 2 bzw. Art. 13 Abs. 5 des
Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann
(GlG; SR 151.1) besteht nicht, da es sich nicht um eine Streitigkeit
unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis handelt; der Beschwerdeführerin
steht im vorliegenden Verfahren denn auch nicht der Arbeitgeber,
sondern die kantonale Ausgleichskasse gegenüber, zu deren Lasten die
Familienzulagen ausgezahlt werden. Der obsiegenden Beschwerdeführerin ist
keine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie im bundesgerichtlichen
Verfahren nicht anwaltlich vertreten ist. Über die Kostenregelung für
das kantonale Verfahren, in welchem sie anwaltlich vertreten war, wird
das Verwaltungsgericht neu zu befinden haben.