Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 I 207



129 I 207

20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. X. und Y. gegen Schulkommission der Kantonsschule Z.,
Schulrekurskommission und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde)

    2P.210/2002 / 2P.211/2002 vom 31. März 2003

Regeste

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK; neue Kriterien für die Anwendbarkeit von Art. 6
EMRK auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst; Stellung der Lehrkräfte.

    Entscheidend für die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
auf öffentliche Bedienstete ist primär die Natur der von diesen
ausgeübten Funktion (hoheitlich oder nicht hoheitlich). Aus der
Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der von
diesem herangezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften zum Begriff der "öffentlichen Verwaltung" ergibt sich,
dass Mittelschullehrer für Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur aus
ihrem Dienstverhältnis den Schutz von Art. 6 EMRK geniessen (E. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- Der Kanton Zürich hat den Beamtenstatus mit Inkrafttreten seines
neuen Personalgesetzes am 1. Juli 1999 abgeschafft und beschäftigt
seine öffentlichen Bediensteten heute grundsätzlich nur noch im
Rahmen von befristeten oder unbefristeten öffentlichrechtlichen
Angestelltenverhältnissen (vgl. §§ 3, 7 und 13 des Zürcher Gesetzes
vom 27. September 1998 über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals
[Personalgesetz, PG/ZH]). Demzufolge war auch die Anstellung der
verschiedenen Kategorien von Lehrkräften neu zu regeln, für welche
das Personalgesetz ausdrücklich den Vorrang besonderer Bestimmungen
vorsieht (§ 1 Abs. 2 PG/ZH). Das bisherige Recht unterschied für
Mittelschullehrer zwischen Hauptlehrern, die auf eine Amtsdauer von
sechs Jahren gewählt waren (§ 2 der Verordnung vom 7. Dezember 1988 über
das Dienstverhältnis der Lehrer an Mittelschulen, an Seminaren und am
Technikum Winterthur Ingenieurschule [Mittelschullehrerverordnung, MSLV]),
und vier verschiedenen Kategorien von teils befristet angestellten und
teils auf Amtsdauer ernannten Lehrbeauftragten (vgl. § 6 MSLV). Die vom
Regierungsrat des Kantons Zürich am 7. April 1999 beschlossene Mittel- und
Berufsschullehrerverordnung (Verordnung über das Anstellungsverhältnis
der Lehrpersonen an Mittel- und Berufsschulen [MBVO]) unterscheidet
neu zwischen befristet angestellten "Lehrbeauftragten" einerseits und
unbefristet angestellten "Mittel- und Berufsschulpersonen" - mit oder
ohne besonderen Aufgaben - andererseits (§ 3 MBVO; vgl. auch § 10 Abs. 1
des Zürcher Mittelschulgesetzes vom 13. Juni 1999). Die "Überführung" der
Hauptlehrer und Lehrbeauftragten gemäss alter Mittelschullehrerverordnung
in die neuen Kategorien von Lehrkräften erfolgte auf Beginn des Schuljahres
2000/2001 (vgl. § 15 MBVO).

    B.- X. arbeitet seit 1976 als Lehrerin an der Kantonsschule Z., wo
sie Französisch und Italienisch unterrichtet, zuletzt mit einem Pensum
von durchschnittlich 70 Prozent.

    C.- Y. arbeitet - mit Unterbrüchen - seit 1970 als Lehrerin an der
Kantonsschule Z., wo sie Französisch unterrichtet, zuletzt mit einem
Pensum von durchschnittlich gut 80 Prozent.

    Nachdem die beiden als "Lehrbeauftragte I" unter der Geltung der
Mittelschullehrerverordnung jeweilen nur auf ein Semester befristet
angestellt waren (§ 6 Abs. 1 lit. a MSLV), wurden sie per 1. September
2000 als "Mittelschullehrpersonen" im Sinne von § 3 Abs. 1 lit. b MBVO
mit einem (garantierten) Beschäftigungsgrad von 33,33 Prozent unbefristet
angestellt; eingereiht wurden sie in die Lohnklasse 21 (Verfügung vom
22./23. August 2000).

    Hiergegen beschwerten sie sich bei der Schulrekurskommission, wo sie
die Anstellung mit einem Beschäftigungsgrad von mindestens 70 Prozent
und die Einreihung in die Lohnklasse 22 verlangten. Mit Entscheid vom
16. April 2002 wies diese den Rekurs ab, was das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich auf Beschwerde hin schützte. Dabei trat es auf das
Rechtsmittel weitgehend nicht ein und beschränkte sich darauf, für
"vertretbar" zu erklären, dass die ehemaligen Hauptlehrer im Rahmen
der Überführung ihren Beschäftigungsgrad behalten, während dieser bei
den vormals nur für jeweilen ein Semester ernannten Lehrbeauftragten I
gekürzt werde (Entscheid vom 14. August 2002).

    D.- Am 18. September 2002 haben X. und Y. je staatsrechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerden wegen Verletzung von Art. 9
BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK gut und hebt die angefochtenen Entscheide auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.  Vorliegend sind, wie die kantonale Verwaltung anerkannt
hat, Ansprüche aus einem bestehenden öffentlichen Dienstverhältnis
streitig. Die Beschwerdeführerinnen rügen, bei der Überführung nach
§ 15 MBVO von einer befristeten in eine unbefristete Anstellung im
Vergleich zu den Hauptlehrern in gesetz- und verfassungswidriger Weise
benachteiligt worden zu sein. Dabei machen sie vor Bundesgericht primär
geltend, die Entscheide des Verwaltungsgerichts verletzten Art. 6 Ziff. 1
EMRK. Die angerufene Konventionsbestimmung gewährt in Streitigkeiten über
zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen ("civil rights") jedermann
Anspruch darauf, dass seine Sache im mehrinstanzlichen Verfahren mindestens
einmal öffentlich von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz
beruhenden Gericht mit voller Kognition gehört wird (BGE 127 II 306 E. 5
S. 309; MARK VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention,
2. Aufl., Zürich 1999, N. 412). Der Begriff der zivilrechtlichen
Ansprüche und Verpflichtungen ist dabei nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichts entsprechend der Praxis der Strassburger Organe und
unabhängig vom Landesrecht auszulegen (BGE 125 I 209 E. 7a S. 215 f.).

    3.1  Gemäss § 41 des Zürcher Gesetzes vom 24. Mai 1959 über
den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRG) beurteilt das kantonale
Verwaltungsgericht Beschwerden gegen letztinstanzliche Anordnungen von
Verwaltungsbehörden und gegen Anordnungen der Baurekurskommissionen,
soweit gesetzlich keine abweichende Zuständigkeit vorgesehen
und die Anordnung nicht endgültig ist. Diese Regel wird durch
Ausnahmebestimmungen eingeschränkt: So erklärt § 43 Abs. 1 lit. b
VRG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für grundsätzlich unzulässig
gegen Anordnungen auf dem Gebiet des Personalwesens. Allerdings können
gestützt auf § 74 VRG personalrechtliche Anordnungen des Regierungsrats,
der obersten kantonalen Gerichte, des Bildungsrats, des Kirchenrats
und der römisch-katholischen Zentralkommission, der Ombudsperson, des
Leiters der Finanzkontrolle sowie erstinstanzliche Rekursentscheide über
personalrechtliche Anordnungen anderer Organe beim Verwaltungsgericht
angefochten werden (Abs. 1); ausgeschlossen ist die Beschwerde jedoch in
Disziplinarsachen sowie gegen Anordnungen und Rekursentscheide über die
Begründung von Dienstverhältnissen und die Einreihung und Beförderung in
Besoldungsklassen und -stufen (Abs. 2). Auf diese letzte Bestimmung hat
sich das Verwaltungsgericht in seinen Entscheiden primär berufen, soweit
es auf die Rechtsmittel der Beschwerdeführerinnen nicht eingetreten ist.

    3.2  Nun erklärt aber § 43 Abs. 2 VRG die (kantonale)
Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ungeachtet der Ausnahmen gemäss
Abs. 1 der gleichen Bestimmung - dann für zulässig, wenn die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen steht oder wenn
es sich um "Angelegenheiten gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK" handelt. Mit
dieser Regelung hat der Kanton Zürich die Anforderungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention in das einschlägige Verfahrensrecht überführt:
Praxisgemäss gebietet der sich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergebende Anspruch
auf gerichtlichen Rechtsschutz, dass die Kantone eine richterliche
Überprüfung auch in jenen von der Konventionsbestimmung erfassten Fällen
vorsehen, wo nach ihrer Gesetzgebung kein Gericht angerufen werden kann;
die richterliche Kontrolle ist für solche Streitigkeiten direkt gestützt
auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu ermöglichen (BGE 125 I 313 E. 3b S. 318
mit Hinweisen). Deshalb kann das Verwaltungsgericht gestützt auf §
43 Abs. 2 VRG in jenen Fällen, welche nach Massgabe der Europäischen
Menschenrechtskonvention einer gerichtlichen Beurteilung bedürfen,
auch dann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angerufen werden, wenn eine
(ausdrückliche) gesetzliche Grundlage für seine Zuständigkeit fehlt oder
es gemäss den einschlägigen Vorschriften zur Behandlung von entsprechenden
Streitsachen gar unzuständig wäre.

    3.3  Bevor die Anwendung der übrigen Zuständigkeitsregeln zu prüfen
ist, fragt sich somit zuerst, ob hier - wie die Beschwerdeführerinnen
geltend machen - eine Zivilsache im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorliegt
und (bereits) deshalb der Rechtsweg an den (kantonalen) Richter offen
steht. Gegebenenfalls ergibt sich nach dem Gesagten unmittelbar daraus
die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, unabhängig davon, ob an sich
ein Fall von § 74 Abs. 2 VRG vorliegen würde.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Käme die frühere Praxis zu Art. 6 Ziff.  1 EMRK zur Anwendung,
so wäre zweifelhaft, ob es sich um eine Zivilsache handelt, betrifft
das vorliegende Verfahren doch zwei vom Kanton öffentlichrechtlich
angestellte Mittelschullehrerinnen. Streitigkeiten aus dem öffentlichen
Dienstverhältnis waren dem Anwendungsbereich der Konventionsbestimmung
bisher weitgehend entzogen; es galten grundsätzlich nur bestimmte rein
vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis als zivilrechtlich
im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. BGE 125 I 313 E. 4 S. 319
f.; Urteil des EGMR i.S. Neigel gegen Frankreich vom 17. März 1997,
Recueil CourEDH 1997-II S. 399, Ziff. 40 ff.; vgl. auch RUTH HERZOG,
Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995,
S. 239 ff.). Die Beschwerdeführerinnen berufen sich jedoch implizit auf
die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
zu den öffentlichen Dienstverhältnissen, die den Anwendungsbereich von
Art. 6 EMRK nunmehr deutlich weiter fasst.

    4.2  Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich von der
bisherigen Praxis der Konventionsorgane entfernt und stellt für die Frage
der Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK neu nicht mehr primär auf die
Natur der Streitsache, sondern auf jene der vom betroffenen öffentlichen
Bediensteten ausgeübten Funktion ab (Urteil i.S. Pellegrin gegen Frankreich
vom 8. Dezember 1999, Recueil CourEDH 1999-VIII S. 251, Ziff. 64-67;
Urteil i.S. Frydlender gegen Frankreich vom 27. Juni 2000, Recueil CourEDH
2000-VII S. 151, Ziff. 31-34). Massgebendes Kriterium ist demnach, ob
dem Stelleninhaber eine Aufgabe zukommt, die charakteristisch für die
spezifische, auf die Wahrung der allgemeinen Interessen ausgerichtete
Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung ist, und ob er dabei an der Ausübung
der öffentlichen Gewalt teilhat. Wer solche Funktionen wahrnimmt, hat einen
Teil der staatlichen Souveränität inne, weshalb der Staat ein legitimes
Interesse an einem besonderen Vertrauens- und Loyalitätsverhältnis hat.
Streitigkeiten von öffentlichen Bediensteten, welche derart an der
Ausübung der öffentlichen Gewalt teilhaben, so namentlich Angehörige der
Streitkräfte und der Polizei, unterstehen demzufolge - ausser in Bezug
auf pensionsrechtliche Ansprüche - den Garantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
überhaupt nicht. Demgegenüber können sich öffentliche Angestellte, die
keine hoheitliche Funktion ausüben, auf diese Bestimmung berufen, soweit
es um Rechtsstreitigkeiten aus bestehenden Dienstverhältnissen geht, die
vermögensrechtlichen Charakter haben und nicht bloss dienstrechtliche
oder organisationsrechtliche Anordnungen betreffen. Der Gerichtshof
betont weiter, dass er mit dieser Praxisänderung das Ziel verfolgt, die
Anzahl der Fälle zu verringern, in welchen die öffentlichen Bediensteten
- anders als die übrigen Rechtsuchenden - sich nicht auf den Schutz von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK berufen können (Urteil Frydlender, aaO, Ziff. 40).

    4.3  Mangels Teilnahme an der öffentlichen Gewalt hat der Gerichtshof
Art. 6 EMRK auf einen französischen Sektionschef des Diensts für
Wirtschaftsförderung in New York (Urteil Frydlender) sowie eine Hauswartin
einer öffentlichen Schule (Urteil i.S. Procaccini gegen Italien vom
30. März 2000, insb. Ziff. 12-15) angewandt. Nicht auf Art. 6 Ziff. 1
EMRK berufen konnte sich indessen ein vom französischen Ministerium
für Zusammenarbeit und Entwicklung angestellter Experte, welcher als
Projektleiter beim zuständigen Ministerium von Äquatorialguinea an der
Vorbereitung des Staatshaushalts beteiligt war (Urteil Pellegrin).

    Das Bundesgericht hat sich der neuen Praxis des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte angeschlossen. In einem - von
den Beschwerdeführerinnen zitierten - Urteil vom 7. Februar 2000
(1P.529/1999, publ. in: Pra 89/2000 Nr. 80 S. 485 ff.) hat es gestützt
auf die neue Rechtsprechung die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf
Besoldungsansprüche von Polizeibeamten verneint; gleich hat es bezüglich
einer kantonalen Steuerinspektorin entschieden (Urteil 2P.189/2000
vom 6. März 2001). Demgegenüber hat es die Konventionsbestimmung auf
zwei Verwaltungsangestellte des "tuteur général" des Kantons Waadt zur
Anwendung gebracht, weil diese nicht an der öffentlichen Gewalt teilhätten
und nicht mit der Wahrung allgemeiner Staatsinteressen betraut seien
(Urteile 2P.198/2001 und 2P.216/2001 vom 24. Oktober 2001; vgl. auch
Urteil 2P.13/2001 vom 8. Mai 2001, E. 4).

    4.4  Die heutige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte zur Anwendung von Art. 6 EMRK auf öffentliche
Dienstverhältnisse orientiert sich an der Praxis des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften zum Begriff der "öffentlichen Verwaltung". Der
Luxemburger Gerichtshof nahm wiederholt zur Tragweite der Ausnahme vom
Freizügigkeitsrecht der Arbeitnehmer Stellung, welche in der Europäischen
Union zugunsten des öffentlichen Diensts besteht (Art. 39 Abs. 4
EG-Vertrag, vormals Art. 48 Abs. 4). Er hat den Geltungsbereich dieser
Ausnahme auf jene öffentlichen Funktionen beschränkt, deren Inhaber an
der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben
teilhaben, die auf die Wahrung allgemeiner staatlicher Belange gerichtet
sind (Urteil des EuGH vom 17. Dezember 1980 in der Rechtssache 149/79,
Kommission gegen Königreich Belgien, Slg. 1980, 3881, Randnr. 10; vgl. auch
die Urteile des EuGH vom 2. Juli 1996 in der Rechtssache C-473/93,
Kommission gegen Grossherzogtum Luxemburg, Slg. 1996, I-3207, Randnr. 27,
in der Rechtssache C-173/94, Kommission gegen Königreich Belgien,
Slg. 1996, I-3265, Randnr. 2 und in der Rechtssache C-290/94, Kommission
gegen Republik Griechenland, Slg. 1996, I-3285, Randnr. 2). Bei der
Anwendung der fraglichen Bestimmung stützte er sich insbesondere auf die zu
dieser ergangenen Aktion der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom
18. März 1988 (ABl. 1988, C 72, S. 2). Dort legte die Kommission, welche
über die korrekte und einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts
zu wachen hat (vgl. Art. 211 EG-Vertrag, vormals Art. 155), dar,
welche öffentlichen Bediensteten ihrer Auffassung nach spezifische
Staatsaufgaben wahrnehmen, die gestützt auf Art. 39 Abs. 4 EG-Vertrag
der Freizügigkeit entzogen sind: Es handelt sich, neben den Angehörigen
von Armee und Polizei sowie anderen Ordnungskräften, insbesondere um die
Magistraten und Diplomaten sowie die Angestellten der Steuerverwaltung,
der Staatsministerien und der regionalen Regierungen. Demgegenüber
erachtet die Kommission die Beschäftigung in Staatsbetrieben (Anstellung
bei Elektrizitäts- und Gaswerken, Post- und Telekommunikationsunternehmen,
Radio- und Fernsehanstalten sowie bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben),
in der zivilen Forschung an öffentlichen Anstalten, im öffentlichen
Gesundheitswesen und als Lehrkräfte in öffentlichen Bildungsstätten als
genügend weit entfernt von spezifischen Staatsaufgaben hoheitlicher Natur,
um nicht mehr unter die Ausnahmebestimmung von Art. 39 Abs. 4 EG-Vertrag
zu fallen. Bezüglich der vorliegend interessierenden Berufsgruppe der
Lehrkräfte hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die
Auffassung der Kommission in verschiedenen Urteilen bestätigt. Er hat
erwogen, durch die Gestaltung des Unterrichts und die Benotung sowie
Promotion der Schüler übe ein Lehrer - bzw. ein "Studienreferendar"
(dabei handelt es sich um einen Hochschulabsolventen, der in Deutschland
im Rahmen der praktischen Ausbildung zum Lehrer Unterricht erteilt) -
keine hoheitliche Funktion aus (Urteil des EuGH vom 3. Juli 1986 in der
Rechtssache 66/85, Lawrie-Blum gegen Land Baden-Württemberg, Slg. 1986,
2121, Randnr. 23 ff.; vgl. auch Urteil des EuGH vom 30. Mai 1989 in
der Rechtssache 33/88, Allué und Coonan gegen Università Degli Studi di
Venezia, Slg. 1989, 1591, Randnr. 7); für an Sekundarschulen und Gymnasien
tätige Lehrkräfte gilt nichts anderes (Urteil des EuGH vom 27. November
1991 in der Rechtssache C-4/91, Bleis gegen Ministère de l'Education
nationale, Slg. 1991, I-5627, Randnr. 7).

    4.5  Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich in seiner
neuen Rechtsprechung direkt auf die Praxis der Organe der Europäischen
Union berufen. Er stützt sich nicht nur auf die erwähnten Gerichtsurteile
149/79 vom 17. Dezember 1980 und C-473/93 vom 2. Juli 1996, sondern
ausdrücklich auch auf die Aktion der Kommission vom 18. März 1988, die er
neben der Praxis des Luxemburger Gerichtshofs für seine Entscheidfindung im
Einzelfall heranzuziehen gedenkt (Urteil Frydlender, aaO, Ziff. 33). Aus
diesen Quellen ergibt sich eindeutig, dass ein Mittelschullehrer keine
spezifischen Staatsaufgaben wahrnimmt und keine hoheitlichen Befugnisse
im Sinne des einschlägigen europäischen Rechts ausübt: Die Kommission
verneint die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung von Art. 39 Abs. 4
EG-Vertrag für den gesamten Lehrkörper öffentlicher Schulen, und der
Gerichtshof hat die Beschäftigung als Lehrer in mehreren Entscheiden
der Arbeitnehmerfreizügigkeit unterstellt (vgl. E. 4.4), so auch jene
an Mittelschulen (vgl. Urteil C-4/91 vom 27. November 1991). Unter dem
Blickwinkel von Art. 6 EMRK ist die Tätigkeit eines Mittelschullehrers
nicht anders zu beurteilen: Zwar tritt ein solcher den Schülern, welche an
öffentlichen Schulen in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Gemeinwesen
stehen, als Vertreter der staatlichen Obrigkeit gegenüber. Dennoch kann
nicht ernsthaft angenommen werden, es handle sich dabei um eine Funktion
mit eigentlichen hoheitlichen Befugnissen. Dies schon deshalb nicht, weil
es sich beim Vermitteln von Schulbildung - obschon dies zu den zentralen
Aufgaben unseres Staatswesens gehört - nicht um eine der öffentlichen Hand
vorbehaltene Aktivität handelt. Im Rahmen der einschlägigen gesetzlichen
Bestimmungen können Private ebenfalls Bildung verschiedenster Art
vermitteln. So unterscheidet sich denn auch die Stellung des Lehrers
an einer öffentlichen Schule nicht wesentlich von jener an einer
Privatschule. Auch dort haben die Lehrkräfte die Arbeiten der Schüler zu
bewerten, über deren Promotion zu entscheiden (bzw. am diesbezüglichen
Entscheid mitzuwirken) und die allgemeine Disziplin aufrecht zu erhalten.

Erwägung 5

    5.

    5.1  Nach dem Gesagten können sich Mittelschullehrer in
Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus ihrem Dienstverhältnis, die
vermögensrechtlicher Natur sind und nicht bloss dienstrechtliche oder
organisatorische Fragen betreffen, auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK berufen. Dieser
Entscheid entspricht letztlich auch der erklärten Zielsetzung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die öffentlichen Bediensteten
vermehrt wie die übrigen Rechtsuchenden dem Schutz von Art. 6 Ziff. 1
EMRK zu unterstellen (vgl. E. 4.2 in fine).

    5.2  In den vorliegenden beiden Streitfällen geht es um Ansprüche
von Mittelschullehrerinnen im Zusammenhang mit der Umgestaltung ihrer
bisherigen Dienstverhältnisse; sie sind, was die Neufestlegung des
Beschäftigungsgrades und der Besoldung betrifft, vermögensrechtlicher
Natur. Es handelt sich demnach um Streitigkeiten gemäss Art. 6 Ziff. 1
EMRK, weshalb die Beschwerdeführerinnen gestützt auf § 43 Abs. 2 VRG an
das Zürcher Verwaltungsgericht gelangen können. Soweit dieses auf ihre
Eingaben nicht eingetreten ist, weil es sich aufgrund von § 74 Abs. 2
VRG zur Behandlung der Verwaltungsgerichtsbeschwerden als unzuständig
erachtete, verstossen die angefochtenen Entscheide gegen Art. 9 BV.
Gleichzeitig wird Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt, gibt diese Bestimmung
den Beschwerdeführerinnen doch ein Recht darauf, mindestens einmal
von einem unabhängigen Gericht mit voller Kognition gehört zu werden
(vgl. E. 3). Dieser Anspruch wurde vorliegend nicht gewahrt, nachdem
es sich bei der Schulrekurskommission unbestrittenermassen nicht um ein
Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK handelt (vgl. ALFRED KÖLZ/JÜRG
BOSSHART/MARTIN RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz
des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, S. 64 und 354) und das
Verwaltungsgericht auf die Beschwerden weitgehend nicht eingetreten ist
oder aber die Rügen der Beschwerdeführerinnen in einer Art und Weise
behandelt hat, die einer Rechtsverweigerung nahe kommt. Entgegen
der Ansicht des kantonalen Verwaltungsgerichts kann vorliegend die
staatsrechtliche Beschwerde die Funktion einer gerichtlichen Überprüfung
im Sinne der Konvention nicht übernehmen (vgl. BGE 123 I 87 E. 3b S. 90
mit Hinweisen).