Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 IV 53



129 IV 53

7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Landschaft gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.236/2002 vom 3. Dezember 2002

Regeste

    Art. 146 StGB (Betrug), Art. 251 StGB (Urkundenfälschung); Art. 68 StGB
(Gesetzeskonkurrenz).

    Tatbestandsmässigkeit der Urkundenfälschung (E. 2). Zwischen
den Straftatbeständen der Urkundenfälschung und des Betruges besteht
grundsätzlich echte Gesetzeskonkurrenz (Bestätigung der Rechtsprechung,
E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Urteil vom 14. November 2001 sprach das Strafgericht
Basel-Landschaft X. des mehrfachen (teilweise geringfügigen und teilweise
versuchten) Diebstahls, des mehrfachen (teilweise versuchten) Betruges, der
mehrfachen Tätlichkeit, der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,
der Widerhandlung gegen das Waffengesetz, der mehrfachen (einfachen
bzw. groben) Verletzung von Verkehrsregeln, des mehrfachen (teilweise
versuchten) Führens eines Motorfahrzeuges trotz Entzugs des Führerausweises
und der versuchten Entwendung eines Motorfahrzeuges zum Gebrauch schuldig,
und es verurteilte den Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe von sieben
Monaten und einer Busse von Fr. 1'000.-. Vom Vorwurf der mehrfachen
Urkundenfälschung wurde er freigesprochen.

    B.- Gegen das Strafurteil erklärte die Staatsanwaltschaft
Basel-Landschaft die Appellation. Diese richtete sich gegen den erfolgten
Freispruch von der Anklage der mehrfachen Urkundenfälschung und gegen
die Qualifikation des betreffenden Anklagesachverhaltes als mehrfache
Tätlichkeit (anstatt einfache Körperverletzung). Mit Urteil vom 9. April
2002 bestätigte das Kantonsgericht Basel-Landschaft (Abteilung Zivil-
und Strafrecht) das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere sprach es den
Angeklagten vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung frei.

    C.- Dagegen gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft
mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde vom 13. Juni 2002 an das
Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben
und die Sache sei zur zusätzlichen Verurteilung des Angeklagten wegen
mehrfacher Urkundenfälschung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das
Kantonsgericht und X. beantragen je die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Die kantonalen Gerichte haben den Angeklagten vom Vorwurf der
mehrfachen Urkundenfälschung freigesprochen, indem sie auf unechte
Gesetzeskonkurrenz (bzw. Straflosigkeit der Urkundenfälschung neben der
Verurteilung wegen Betruges) erkannten. Die Staatsanwaltschaft vertritt
den Standpunkt, es bestehe echte Konkurrenz (Realkonkurrenz) zwischen
Art. 146 und Art. 251 StGB, und der Angeklagte sei daher zusätzlich wegen
mehrfacher Urkundenfälschung zu verurteilen und zu bestrafen.

    2.1  Laut Anklageschrift hat der Beschwerdegegner im Juli/August 1999
in den Filialen der Fa. Y. in Sissach, Kaiseraugst und Allschwil (durch
Kauf und anschliessende Rückgabe von Waren) zunächst die Ausstellung
unterschriebener Warenretourscheine erwirkt. Von diesen Gutscheinen
fertigte er anschliessend (mit Hilfe von "Tippex") "Blanko"-Kopien an, in
die er eigenhändig Warenpreise (bzw. verschiedene Multiplikationszahlen
über den Warenpreisen ["x 4", "x 6" bzw. "x 16"]) sowie gefälschte
Unterschriften einsetzte. Auf diese Weise hat er vom Verkaufspersonal in
23 Fällen die ungerechtfertigte Auszahlung von Geldbeträgen (insgesamt
gut Fr. 5'000.-) erschlichen. In einem weiteren Fall blieb es beim
Versuch. Von diesem für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt geht
auch die Vorinstanz aus.

    2.2  Nach Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich strafbar, wer in der
Absicht, jemandem am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder
sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
eine Urkunde fälscht oder verfälscht. Urkunden sind namentlich Schriften,
die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung
zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Die vom Angeklagten manipulierten
Warenretourscheine hatten Beweiseignung und Beweisbestimmung
im Rechtsverkehr (vgl. BGE 126 IV 65 E. 2a S. 67 f.; 125 IV 17 E.
2a/aa S. 22 f., 273 E. 3a/aa S. 276 f.; 123 IV 61 E. 5a S. 63 f., je mit
Hinweisen). Sie sollten insbesondere beweisen, dass ihr Inhaber Ware zu
einem bestimmten Preis gekauft und die Ware retourniert hatte und dass er
zur Rückforderung des Kaufpreises berechtigt war. Indem der Angeklagte
die Warenretourscheine kopierte und abänderte (indem er eigenmächtig
Preise bzw. Multiplikationszahlen sowie gefälschte Unterschriften
einsetzte), fälschte bzw. verfälschte er die betreffenden (ursprünglich
echten) Urkunden.

    2.3  In den Urteilen der kantonalen Instanzen wird - mit
Recht - nicht die Ansicht vertreten, die Tatbestandselemente der
Urkundenfälschung seien nicht erfüllt oder es lägen Rechtfertigungs-
oder Schuldausschliessungsgründe vor. Vielmehr wird argumentiert, der
Betrugstatbestand decke den Unrechtsgehalt der Urkundenfälschung bereits
ab, da die Urkundenfälschung lediglich der arglistigen Täuschung zum Zwecke
des Betruges gedient habe. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, "das
durch die Urkundenfälschung bzw. durch den Betrug geschädigte Rechtsgut"
sei "im Wesentlichen dasselbe, nämlich das Vermögen der betroffenen
Warenhauskette". Daher wirke die Begründung der Staatsanwaltschaft für
die Annahme einer Realkonkurrenz zwischen Art. 251 und Art. 146 StGB
nicht überzeugend. Damit wird kein Fehlen der Tatbestandsmässigkeit der
Urkundenfälschung begründet, sondern die Annahme so genannter unechter
Gesetzeskonkurrenz zwischen Betrug und Urkundenfälschung. Diese führe zur
"Konsumtion" der Urkundenfälschung durch den Betrugstatbestand und zum
Freispruch vom Vorwurf der Urkundenfälschung als "mitbestrafter Vortat".

    Es ist zu prüfen, ob zwischen den Tatbeständen des Betruges und der
Urkundenfälschung echte oder unechte Gesetzeskonkurrenz besteht.

Erwägung 3

    3.  Verwendet der Täter für einen Betrug gefälschte Urkunden, besteht
nach der Praxis des Bundesgerichtes (und nach herrschender Lehre) zwischen
Art. 251 und Art. 146 StGB echte Gesetzeskonkurrenz (in der Form von
"Realkonkurrenz", BGE 122 I 257 E. 6a S. 263; 105 IV 242 E. 3b S. 247,
je mit Hinweisen; s. auch BGE 120 IV 122 E. 5-6 S. 129 ff.; 112 IV 19 E.
2f S. 25; vgl. für viele BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse,
Bd. I, Bern 2002, N. 49 zu Art. 146 StGB; Bd. II, N. 189 zu Art. 251 StGB;
OSKAR A. GERMANN, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 9. Aufl., Zürich 1974,
S. 387; JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Strafrecht III, Delikte gegen den
Einzelnen, 7. Aufl., Zürich 1997, S. 187; JÖRG REHBERG, Strafrecht IV:
Delikte gegen die Allgemeinheit, 2. Aufl., Zürich 1996, S. 133 Ziff. 5;
VITAL SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Zürich 1964,
Rz. 704; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil
I: Straftaten gegen Individualinteressen, 5. Aufl., Bern 1995, § 15 Rz. 67;
PHILIPP THORMANN/ALFRED VON OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch,
Bd. II, Besondere Bestimmungen, Zürich 1941, N. 22 zu Art. 251 StGB;
STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl.,
Zürich 1997, N. 20 zu Art. 251 StGB).

    In einem obiter dictum von BGE 105 IV 242 E. 3b S. 247 wurde erwogen,
dass beim blossen Gebrauch einer von einem Dritten gefälschten Urkunde
(im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB) die Frage der Konkurrenz
zwischen Betrug und Urkundenfälschung nicht gleich klar geregelt erscheine
wie bei einer eigenhändigen Fälschung oder Falschbeurkundung durch den
Betrüger. Dennoch sei auch bei dieser Tatbestandsvariante von echter
Gesetzeskonkurrenz (hier nämlich "Idealkonkurrenz") auszugehen. Das
Vorliegen echter Konkurrenz wird mit der Unterschiedlichkeit der
betroffenen Rechtsgüter begründet. Art. 146 StGB schütze das Vermögen, Art.
251 StGB hingegen das Vertrauen in die Gültigkeit von Beweisurkunden
(BGE 105 IV 242 E. 3b S. 247 f. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 123 IV 61
E. 5a S. 63; zur Konkurrenz zwischen Urkundenfälschung und Steuerdelikten
s. BGE 122 IV 25 E. 3 S. 30-32 mit Hinweisen).

    Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich im Sinne des angefochtenen Urteils
eine Änderung der Bundesgerichtspraxis aufdrängt.

    3.1  In BGE 119 IV 154 E. 4a/aa S. 160 f. hat sich das Bundesgericht
mit der Lehre von der so genannten "straflosen Vor- bzw. Nachtat"
befasst. Stehen mehrere Straftaten so miteinander im Zusammenhang,
dass die eine nur als Vorstufe des eigentlichen Angriffs auf das
geschützte Rechtsgut oder nur als Ausnützen des durch die andere
Straftat Erreichten erscheint, so nehme die herrschende Doktrin unechte
Konkurrenz an (mit der Folge, dass bei unterschiedlichen Strafandrohungen
jene Tat straflos bzw. "mitbestraft" sein solle, für die das Gesetz die
niedrigere Strafe vorsieht). Das Bundesgericht erwog, dass es die Theorie
der mitbestraften Vor- bzw. Nachtat weitgehend ablehne. Insbesondere
bestehe echte Konkurrenz ("Realkonkurrenz") zwischen dem Einführen und
dem In-Umlauf-Setzen von Falschgeld sowie zwischen Warenfälschung und
Inverkehrbringen gefälschter Waren. Wer in diesen Fällen beide Delikte
verübt, mache "sowohl unter dem Gesichtspunkt des Erfolges als auch
unter dem der Schuld mehr als jemand, der nur entweder die Vortat oder
die Nachtat begeht". Auf eine Verurteilung wegen beider Taten könne nur
dann verzichtet werden, wenn sich "aus dem Gesetz deutlich" ergibt, dass
die für die eine Tat ausgefällte Strafe auch die andere abgelten soll
(BGE 119 IV 154 E. 4a/aa S. 161 mit Hinweisen).

    Das Bundesgericht stellte sodann fest, dass sowohl Geldfälschung als
auch das In-Umlaufsetzen von Falschgeld "sich gegen dasselbe Rechtsgut"
richten. Es liess in der Folge die Frage offen, ob "jedenfalls bei
objektiv und subjektiv engem Zusammenhang" zwischen der Geldfälschung
und dem In-Umlaufsetzen von Falschgeld durch den Fälscher letzteres als
"mitbestrafte Nachtat" zu betrachten sei (BGE 119 IV 154 E. 4a/bb und cc
S. 161 f.).

    3.2  Art. 146 StGB (Betrug) ist im Zweiten Titel (Strafbare Handlungen
gegen das Vermögen) im Zweiten Buch (Besondere Bestimmungen) des StGB
systematisch eingereiht. Art. 251 StGB (Urkundenfälschung) umschreibt
eines von mehreren Urkundendelikten im weiteren Sinne, welche den Elften
Titel (Urkundenfälschung) bilden. Die Urkundendelikte sind zwischen den
Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr (Neunter Titel)
bzw. der Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen,
Mass und Gewicht (Zehnter Titel) und den Verbrechen und Vergehen gegen
den öffentlichen Frieden (Zwölfter Titel) eingereiht.

    Art. 146 StGB ist ein Erfolgsdelikt, welches das Vermögen
schützt. Bei der Urkundenfälschung handelt es sich hingegen um ein
abstraktes Gefährdungsdelikt. Geschütztes Rechtsgut von Art. 251
StGB ist das besondere Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer
Urkunde als Beweismittel entgegengebracht wird bzw. Treu und Glauben im
Geschäftsverkehr (BGE 123 IV 61 E. 5a S. 63; 122 IV 332 E. 2a S. 335; 120
IV 122 E. 4c S. 126; 119 Ia 342 E. 2b S. 346; 105 IV 242 E. 3b S. 247 f.;
92 IV 44 E. 2 S. 45, je mit Hinweisen).

    3.3  Der Tatbestand des (vollendeten) Betruges verlangt beim Täter
die Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern
sowie als deliktischen Erfolg den Eintritt eines Vermögensschadens
beim Opfer. Bei der Urkundenfälschung handelt es sich hingegen um ein
abstraktes Gefährdungsdelikt (BGE 119 Ia 342 E. 2b S. 346). Neben der
objektiven Tathandlung genügt die Absicht des Fälschers, "jemanden am
Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern
einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen". Die abstrakte Gefährdung,
die mit Art. 251 StGB unter Strafe gestellt wird, ist somit nicht auf
Vermögensschädigungen (oder auf Schädigungen an anderen Rechtspositionen)
beschränkt. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kann der subjektive
Tatbestand der Urkundenfälschung sich auf jede Art eines "unrechtmässigen
Vorteils" für den Täter oder einen Dritten beziehen. Es genügt dabei
grundsätzlich jede Besserstellung. Die Unrechtmässigkeit des Vorteils
verlangt weder Schädigungsabsicht noch eine selbstständige Strafbarkeit
der Vorteilserlangung (BGE 121 IV 90 E. 2b S. 92 f.; 119 IV 234 E. 2c
S. 236-238; 118 IV 254 E. 5 S. 259 f.; 114 IV 126 E. 2c S. 127 in
fine, je mit Hinweisen). Ebenso wenig werden die Art der angestrebten
Besserstellung oder die Person (bzw. Institution), welche daraus einen
Nachteil erleiden könnte, vom Gesetz näher bestimmt.

    Den Gesetzesmaterialien lassen sich keine Hinweise entnehmen, wonach
der Gesetzgeber (in Widerspruch zur bisherigen Bundesgerichtspraxis)
beabsichtigt hätte, Urkundendelikte, die in betrügerischer Absicht
erfolgen, forthin allein der Strafdrohung von Art. 146 StGB zu
unterstellen. Im Gegenteil wird auch in der Botschaft des Bundesrates
zur Revision des Vermögens- und Urkundenstrafrechtes bestätigt, dass
zwischen Betrug und Urkundenfälschung grundsätzlich echte Konkurrenz
bestehe (vgl. BBl 1991 II 969 ff., S. 1018 f.).

    3.4  Dass nach der Konzeption des Gesetzgebers der Unrechtsgehalt von
Art. 251 StGB durch die gleichzeitig erfüllten Vermögensstraftatbestände
nicht vollständig abgedeckt wird, manifestiert sich sodann an der Tatsache,
dass nur Art. 146 Abs. 3 bzw. Art. 147 Abs. 3 StGB als (privilegierende)
Antragsdelikte ausgestaltet sind. Art. 251 StGB hingegen kennt das
Antragsprivileg von Angehörigen und Familiengenossen nicht. Da Art. 251
StGB auch das besondere Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gültigkeit
von privaten und öffentlichen Beweisurkunden (bzw. Treu und Glauben
im Rechtsverkehr) schützt, ist die Strafbarkeit nach Art. 251 StGB (im
Gegensatz zu Art. 146 Abs. 3 und Art. 147 Abs. 3 StGB) der prozessualen
Disposition der unmittelbar geschädigten Angehörigen oder Familiengenossen
entzogen. Hätte der Gesetzgeber die Urkundenfälschung zum Nachteil von
Angehörigen oder Familiengenossen durch Art. 146 Abs. 3 bzw. Art. 147
Abs. 3 StGB abschliessend regeln wollen, wäre sie kons equenterweise in
Art. 251 StGB ebenfalls als Antragsdelikt auszugestalten gewesen. Dass
dies nicht der Fall ist, zeigt, dass neben den direkt (etwa durch ein
Vermögensdelikt) betroffenen Angehörigen oder Familiengenossen auch die
übrigen Teilnehmer am Rechts- bzw. Geschäftsverkehr durch Art. 251 StGB
geschützt werden sollen. Diese Dritten brauchen (nach dem klaren Wortlaut
des Gesetzes) nicht Opfer eines Vermögensdeliktes zu sein (vgl. BGE 121
IV 90 E. 2b S. 92 f.; 118 IV 254 E. 5 S. 259 f.; 114 IV 126 E. 2c S. 127
in fine, je mit Hinweisen). Es handelt sich bei der Urkundenfälschung wie
erwähnt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das nicht nur den konkret
von einem Vermögensdelikt Betroffenen schützt.

    3.5  Zwar wird in einem Teil der Literatur die Frage aufgeworfen,
ob das jeweilige Vermögensdelikt (Art. 146 bzw. Art. 147 StGB) nicht
auch den Unrechtsgehalt der Urkundenfälschung umfasst, sofern diese nach
dem Willen des Täters (allein) der Verwirklichung des Vermögensdeliktes
diente (vgl. MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht,
Besonderer Teil, 2. Bd.: Art. 137-172 StGB, N. 127 zu Art. 148 StGB; s.
ferner TRECHSEL, aaO, N. 20 zu Art. 251 StGB, unter Berufung auf BBl 1991
II 995 [nur bezüglich Art. 147 StGB]; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen,
5. Aufl., Bern 2000, § 36 Rz. 58 [für den Fall der Falschbeurkundung
bzw. den Gebrauch einer inhaltlich falschen Urkunde]; noch enger
REHBERG, Strafrecht IV, S. 131 Ziff. 2.3). Auch für diese Auffassung
würde allerdings (sinngemäss) vorausgesetzt, dass eine weitergehende
Rechtsgütergefährdung durch die unechte bzw. unwahre Urkunde nicht
ersichtlich ist.

    Es entspricht gerade dem Wesen der abstrakten Gefährdungsdelikte,
dass nicht zum Vornherein ersichtlich ist, in welcher Weise - d.h. bei
welchen Personen und in welchem konkreten Sachzusammenhang - die dem Delikt
innewohnende Gefahr sich auswirken kann. Die "abstrakte" Gefahr bzw. das
Missbrauchsrisiko wird aber dennoch als derart hoch und schwerwiegend
eingeschätzt, dass der Gesetzgeber bereits das gefährdende Verhalten
als selbstständig strafbar beurteilt. Dass der ordnungsgemässe Gang
des Rechtsverkehrs auch faktisch tangiert wäre, ist daher im Falle der
Urkundenfälschung nicht erforderlich. Die Absichten des Fälschers können
sich dabei auf einen vom Gesetz nicht näher bestimmten "unrechtmässigen
Vorteil" zugunsten des Täters oder eines Dritten richten. Dabei genügt
grundsätzlich jede Besserstellung (BGE 121 IV 90 E. 2b S. 92 f.; 119
IV 234 E. 2c S. 236-238; 118 IV 254 E. 5 S. 259 f.; 114 IV 126 E. 2c
S. 127 in fine, je mit Hinweisen; s. auch BGE 115 IV 51 E. 7 S. 58). Art.
251 StGB schützt somit eine heterogene Vielzahl von möglicherweise
betroffenen Rechtspositionen und Geschäftsverkehrsinteressen, welche
im Einzelnen nicht konkretisiert werden müssen und auch regelmässig im
Voraus nicht näher konkretisiert werden können (vgl. dazu CORBOZ, aaO,
Bd. II, N. 179-183 zu Art. 251 StGB; STRATENWERTH, Besonderer Teil II, §
36 Rz. 21-24; ADOLF SCHÖNKE/HORST SCHRÖDER/PETER CRAMER, Strafgesetzbuch,
Kommentar, 26. Aufl., München 2001, § 267 N. 1-1a, 87b, 91-92; TRECHSEL,
aaO, N. 15-16 zu Art. 251 StGB).

    3.6  Wie dargelegt, hat der Gesetzgeber die Urkundenfälschung
deutlich als abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutze des Rechtsverkehrs
konzipiert. Käme er dennoch zur Auffassung, das jeweilige Vermögensdelikt
umfasse auch den Unrechtsgehalt der Urkundenfälschung vollständig,
sofern diese nach dem Willen des Täters (allein) der Verwirklichung
des Vermögensdeliktes diente, dann wäre es grundsätzlich Sache des
Gesetzgebers, das Verhältnis zwischen Urkunden- und Vermögensdelikten
entsprechend neu und klar zu regeln (vgl. auch BGE 122 I 253 E. 6a
S. 263; 119 IV 154 E. 4a/aa in fine S. 161, je mit Hinweisen). Im hier
zu beurteilenden Fall ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Angeklagten
nicht bloss der täuschende Gebrauch einer unechten oder unwahren Urkunde
(Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB) vorgeworfen wird, sondern die eigenhändige
Fälschung bzw. Verfälschung von (ursprünglich echten) Urkunden (vgl. BGE
105 IV 242 E. 3b S. 247 f.). Auch die Autoren REHBERG (Strafrecht IV,
S. 131 Ziff. 2.3) und STRATENWERTH (Besonderer Teil II, § 36 Rz. 58)
bejahen hier (im Einklang mit der herrschenden Lehre und Praxis) die
echte Konkurrenz. Darüber hinaus verlangt Art. 251 StGB keine konkrete
Vermögensgefährdung oder Vermögensschädigung eines Dritten. Das Anstreben
eines (im Gesetz nicht näher bestimmten) "unrechtmässigen Vorteils" genügt.

    Im hier zu beurteilenden Fall braucht auch nicht geprüft zu werden, ob
sich in Bagatellfällen mit geringem Gefährdungspotential allenfalls eine
andere Lösung bzw. eine Praxisänderung aufdrängen könnte. Insbesondere
liegt hier kein geringfügiges Vermögensdelikt vor, welches auf Antrag
mit Haft oder Busse zu bestrafen wäre (vgl. Art. 172ter StGB).

Erwägung 4

    4.  Zusammenfassend ergibt sich, dass das angefochtene Urteil vor dem
Bundesrecht nicht standhält. Das Urteil ist aufzuheben, und das Verfahren
ist zur zusätzlichen Verurteilung und Bestrafung des Angeklagten wegen
mehrfacher Urkundenfälschung (in Realkonkurrenz mit Betrug) an die
Vorinstanz zurückzuweisen. (...)