Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 IV 348



129 IV 348

52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.94/2003 vom 10. September 2003

Regeste

    Art. 33 Abs. 1 lit. a, Art. 5 Abs. 1 lit. c und Art. 4 Abs. 1 lit. d
WG; verbotenes Waffentragen, Zweckbestimmung des Gegenstandes.

    Ob ein Gerät gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. d WG dazu bestimmt ist,
Menschen zu verletzen, beurteilt sich ausschliesslich nach objektiven
Gesichtspunkten (E. 2.3).

    Eine Schlagverstärkung aus Hartplastik, welche die Schlaghand vor
Verletzungen schützt und mit deren Spitze gefährliche Verletzungen
zugefügt werden können, ist objektiv zur Verletzung anderer Personen
bestimmt. Sie gilt selbst dann als Waffe im Sinne des Waffengesetzes,
wenn sie auch einer harmlosen Verwendung zugeführt werden kann (E. 2.4).

Sachverhalt

    A.- X. wurde am 18. Januar 2002 in einem Park in Zürich
einer Polizeikontrolle unterzogen, als er dabei war, zwei Schülern
Kampfsportunterricht zu erteilen. Bei der Kontrolle kam neben mehreren
Messern auch ein Gegenstand aus Hartplastik (eine Art "Schlagring")
zum Vorschein, den X. offenbar in einer Sporttasche mit sich führte.

    B.- Mit Urteil vom 11. September 2002 sprach der Einzelrichter in
Strafsachen am Bezirksgericht Zürich X. des verbotenen Waffentragens
(Tragens eines Schlagrings) gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a in Verbindung
mit Art. 5 Abs. 1 lit. c und Art. 4 Abs. 1 lit. d Waffengesetz schuldig
und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 200.-, bedingt löschbar im
Strafregister nach einer Probezeit von einem Jahr. Mit gleichem Entscheid
wurde X. des verbotenen Tragens von Dolchen freigesprochen, weil die
Dolche vom Waffengesetz nicht erfasst waren (Länge und Beschaffenheit
der Klingen).

    Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte das angefochtene Urteil
am 18. November 2002 im Schuld- und Strafpunkt.

    C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Obergerichts aufzuheben, soweit er wegen Tragens eines
Schlagringes verurteilt worden sei.

    Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
verzichten auf Stellungnahmen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Der sich selbst vertretende Beschwerdeführer macht geltend, der
fragliche Schlüsselanhänger könne schon deshalb keine Waffe sein, weil er
bei der Einfuhr in die Schweiz von den Zollbehörden nicht beschlagnahmt
und hier in einem Ladengeschäft frei erworben worden sei. Aufgrund dessen
habe er in guten Treuen annehmen dürfen, der Schlüsselanhänger könne
legal getragen werden bzw. es handle sich dabei nicht um eine Waffe. Die
Vorinstanz belege denn auch nicht, dass und inwiefern es die Absicht des
Herstellers und der Vertreiber des Gegenstandes gewesen sei, diesen als
Waffe in den Verkehr zu bringen.

    2.1  Nach den Feststellungen des Bezirksgerichts, auf dessen Erwägungen
die Vorinstanz im Wesentlichen verweist, handelt es sich beim fraglichen
Gegenstand um einen Schlüsselanhänger aus durchsichtigem Hartplastik in
|-Form mit einem zweiten Querbalken in der Mitte des Längsbalkens und
einer Öse für den Schlüsselbund. Die Balken sind alle rund 1 cm dick. Die
Spitze des Längsbalkens ist verstärkt bzw. verbreitert. Der Gegenstand
misst in der Länge 7,5 cm und in der Breite 5 cm. Er lässt sich so in
die Hand nehmen, dass der untere Querbalken in die Handfläche zu liegen
kommt, während bei geballter Faust die Finger den oberen Querbalken
umschliessen und vom abgerundeten Ende mit der Spitze um rund 1,5 cm
überragt werden. Mit der Spitze gegen oben gleicht der Gegenstand einer
stilisierten schlanken Figur im Lotussitz mit ausgestreckten Armen.

    2.2  Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes über Waffen,
Waffenzubehör und Munition vom 20. Juni 1997 (Waffengesetz, WG; SR 514.54)
gelten als Waffen im Sinne des Gesetzes "Geräte, die dazu bestimmt sind,
Menschen zu verletzen, namentlich Schlagringe, Schlagruten, Schlagstöcke,
Wurfsterne, Wurfmesser und Hochleistungsschleudern". Die Aufzählung ist
nicht abschliessend, was durch das Wort "namentlich" verdeutlicht wird. Das
WG zählt an anderer Stelle Geräte hinzu, die einen Gebrauchsgegenstand
vortäuschen (Art. 5 Abs. 1 lit. d WG).

    Die in Art. 4 Abs. 1 lit. d WG genannten Waffen dürfen nach Art. 5
Abs. 1 lit. c WG nicht erworben, getragen, an Empfänger im Inland
vermittelt oder in die Schweiz eingeführt werden. Gemäss Art. 33 Abs. 1
lit. a WG in der ursprünglichen, bis Ende Februar 2002 geltenden Fassung
(vgl. AS 1998 S. 2535) wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer
vorsätzlich ohne Berechtigung Waffen, wesentliche Waffenbestandteile,
Waffenzubehör, Munition oder Munitionsbestandteile überträgt, vermittelt,
erwirbt, herstellt, abändert, trägt oder ein-, aus- oder durchführt
(vgl. die neue Fassung der Bestimmung vom 22. Juni 2001, in Kraft seit dem
1. März 2002 [AS 2002 S. 248, 257; BBl 2000 S. 3369]: "Mit Gefängnis oder
Busse wird bestraft, wer vorsätzlich ohne Berechtigung Waffen, wesentliche
oder besonders konstruierte Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition
oder Munitionsbestandteile überträgt, vermittelt, erwirbt, herstellt,
abändert, trägt oder einführt").

    Bei den in Art. 4 Abs. 1 lit. d WG genannten Beispielen handelt
es sich um Hieb-, Stoss- und Wurfgeräte. Nach der Botschaft des
Bundesrates zum Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom
24. Januar 1996 (BBl 1996 I 1053-1092, S. 1058 f.) sollten unter anderem
Armbrüste, Pfeilbögen und Steinschleudern vom Gesetz bzw. vom Begriff
der Waffe ausgenommen werden. Die Hochleistungsschleudern wurden erst im
Gesetzgebungsverfahren vom Nationalrat ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen
(AB 1997 N 24).

    2.3  Der hier zu beurteilende Gegenstand lässt sich nicht unter die
in Art. 4 Abs. 1 lit. d WG aufgezählten Geräte einordnen. Er weist keine
Ringe auf, in welche die Finger für eine bessere Schlagkraft und zum
Schutz vor eigenen Verletzungen geführt werden könnten. Er gilt deshalb
nicht als Schlagring. Zu prüfen bleibt, ob er im Sinne des Waffengesetzes
dazu bestimmt ist, Menschen zu verletzen.

    Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 lit. d WG lässt offen, ob die
Zweckbestimmung der Geräte rein objektiv zu verstehen ist oder auch
subjektive Momente massgebend sein sollen bzw. können. Die Botschaft
schweigt sich dazu und zur Tragweite der Norm überhaupt aus (Botschaft,
BBl 1996 I 1058 f.). Die Lehre geht übereinstimmend von einem objektiven
Verständnis der Zweckbestimmung aus (PHILIPPE WEISSENBERGER, Die
Strafbestimmungen des Waffengesetzes, AJP 2000 S. 153-171, 158; HANS WÜST,
Schweizer Waffenrecht, Zürich 1999, S. 44 f., 58 f.).

    Das Abstellen auf die nach dem Erscheinungsbild und der allgemeinen
Verkehrsanschauung objektiv erkennbare Zweckbestimmung der Gegenstände
entspricht angesichts der im Gesetz beispielhaft aufgezählten Waffenarten,
deren Beschaffenheit keine Zweifel an ihrer objektiven Zweckbestimmung
lässt, eindeutig den Intentionen des Gesetzgebers. Damit stellt das Gesetz
auf das einzige verhältnismässig verlässliche Abgrenzungskriterium ab.
Subjektive Momente sind somit unbeachtlich. Wollte man anders entscheiden,
würde etwa der Wille einer Person, einen Alltagsgegenstand wie zum Beispiel
ein Küchenmesser (gegebenenfalls) zweckwidrig zur Verletzung von Menschen
einzusetzen, den Gegenstand zu einer Waffe im Sinne des Waffengesetzes
werden lassen. Damit könnte bei entsprechendem Willen des Betroffenen fast
jeder Gegenstand von Art. 4 Abs. 1 lit. d WG erfasst werden. Das würde
aber dem Tatbestand jegliche Konturen nehmen und insbesondere gegen das
Bestimmtheitsgebot und das Verhältnismässigkeitsprinzip verstossen. Das
Gesetz wäre zudem nicht mehr praktikabel. Das gilt angesichts der
Beweisschwierigkeiten auch in den umgekehrten Konstellationen, in denen
jemand angibt, mit einer Waffe keine Menschen verletzen zu wollen,
sondern sie etwa zum Schutz gegen Hunde auf sich zu tragen.

    Abzustellen ist somit auf die objektiv erkennbare Zweckbestimmung von
Gegenständen. Dabei brauchen diese nicht ausschliesslich dazu bestimmt
zu sein, Menschen zu verletzen, d.h. Verletzungen im Sinne der Art. 122
und 123 StGB zuzufügen (zum letzten Kriterium WEISSENBERGER, aaO,
S. 158). Vielmehr genügt es, wenn dies wesensgemäss und nach objektiven
Kriterien betrachtet ihrer zentralen oder zumindest überwiegenden
Zweckbestimmung entspricht (vgl. WEISSENBERGER, aaO, S. 158).

    2.4  Der Gegenstand lässt sich auf den ersten Blick nicht als
Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. d WG einordnen. Auf Grund der
Unbestimmtheit des Tatbestandes und der laut der Botschaft ausgenommenen
"Waffen" wie Pfeilbogen und Armbrust (vgl. oben E. 2.2 Abs. 3) ist Art. 4
Abs. 1 lit. d WG mit Blick auf Art. 1 StGB restriktiv auszulegen. Das
bedeutet, dass nur Gegenstände als Waffen gelten können, die mit den
im Gesetz beispielhaft genannten Geräten unter dem Aspekt der klaren
Zweckbestimmung vergleichbar sind. Das ist hier der Fall.

    Wie die Vorinstanzen richtig ausführen, lässt sich der Gegenstand so
in die Hand nehmen, dass der obere Querbalken in die Handfläche zu liegen
kommt, während das andere Ende mit der Spitze bei zur Faust geformter
Hand die Finger um ca. 1,5 cm überragt. Die Wucht eines mit dem Gerät
ausgeführten Faustschlags konzentriert sich somit auf die verstärkte Spitze
des Längsbalkens. Es können mit seiner Hilfe gefährlichere Verletzungen
zugefügt werden als mit blosser Hand. Angesichts seiner sperrigen und
unbequemen Form ist die Verwendung ausschliesslich als Schlüsselanhänger
nicht real oder steht zumindest nicht im Vordergrund. Form und ersichtliche
Hauptfunktion lassen objektiv keinen anderen Schluss zu, als dass der
Gegenstand zu dem in Art. 4 Abs. 1 lit. d WG genannten Zweck konzipiert
und hergestellt wurde. Insofern unterscheidet er sich von anderen
Geräten wie zum Beispiel Hotelschlüsselanhängern oder Kugelschreibern,
die bloss dazu geeignet, aber nicht objektiv dazu bestimmt sind, Menschen
zu verletzen. Die Vorinstanz hat den Gegenstand daher zutreffend unter
die genannte Norm eingeordnet.

    Der Beschwerdeführer verstiess somit gegen das Waffentragverbot
nach Art. 5 Abs. 1 lit. c WG. Im Übrigen hat er auch subjektiv den
Tatbestand des Art. 33 Abs. 1 lit. a WG erfüllt. Seine Verurteilung ist
bundesrechtlich nicht zu beanstanden.