Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 IV 161



129 IV 161

22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.394/2001 vom 27. Februar 2003

Regeste

    Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB; Aufschub des Strafvollzuges zugunsten
einer ambulanten Massnahme.

    Voraussetzungen des Strafaufschubes. Abwägung und Gewichtung der
gesetzlichen Sanktionszwecke (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4). Falls
Erfolgsaussichten der ambulanten Therapie nur auf lange Frist und in
eher bescheidenem Ausmass bestehen, sind die Voraussetzungen für einen
Strafaufschub nicht erfüllt (E. 5).

Sachverhalt

    Als Berufungsinstanz verurteilte das Obergericht (II. Strafkammer)
des Kantons Zürich X. am 1. Februar 2001 wegen mehrfachen Diebstahls,
mehrfachen Betrugs, Veruntreuung, Hehlerei und versuchter Hehlerei zu drei
Jahren Gefängnis. Ausserdem ordnete es (gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs.
1 StGB) eine strafvollzugsbegleitende ambulante Massnahme (Psychotherapie)
an. Gegen das Urteil des Obergerichtes gelangte X. mit eidgenössischer
Nichtigkeitsbeschwerde vom 5. Juni 2001 an das Bundesgericht. Er beantragt
den Aufschub der ausgefällten Freiheitsstrafe zu Gunsten der angeordneten
ambulanten Massnahme.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.  Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz
mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im
Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist
anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter
Taten verhindern oder vermindern, so kann der Richter eine ambulante
Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich
ist (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Der Richter kann den Vollzug der
ausgefällten Strafe aufschieben, um der Art der angeordneten Behandlung
Rechnung zu tragen (Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB).

    4.1  Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der
Strafaufschub anzuordnen, wenn eine tatsächliche Aussicht auf erfolgreiche
Behandlung durch den sofortigen Vollzug der ausgefällten Freiheitsstrafe
erheblich beeinträchtigt würde. Die Therapie geht vor, falls eine sofortige
Behandlung gute Resozialisierungschancen bietet, welche der Strafvollzug
klarerweise verhindern oder vermindern würde (BGE 124 IV 246 E. 2b S. 247;
120 IV 1 E. 2b S. 3 f.; 119 IV 309 E. 8b S. 314; 116 IV 101 E. 1a
S. 102; 115 IV 87 E. 1a S. 89). Dabei sind einerseits die Auswirkungen
des Strafvollzuges, die Erfolgsaussichten der ambulanten Behandlung und
die bisherigen Therapiebemühungen zu berücksichtigen, anderseits aber
auch das kriminalpolitische Erfordernis, Straftaten schuldangemessen zu
ahnden bzw. rechtskräftige Strafen grundsätzlich zu vollziehen (BGE 124
IV 246 E. 2b S. 248; 120 IV 1 E. 2c S. 4 f.; 119 IV 309 E. 8b S. 314;
vgl. MARIANNE HEER, in: Kommentar StGB, Bd. I, Basel 2003, Art. 43 StGB
N. 104 ff., 115; JÖRG REHBERG, Strafrecht II, Strafen und Massnahmen,
Jugendstrafrecht, 7. Aufl., Zürich 2001, S. 137 f.; GÜNTER STRATENWERTH,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen,
Bern 1989, § 11 Rz. 90 ff.; STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, 2. Aufl.,
Zürich 1997, Art. 43 StGB N. 10a).

    Wo ein Therapieerfolg wahrscheinlich ist, sollte nach der Praxis des
Bundesgerichtes - tendenziell - zunächst ärztlich behandelt werden. Ein
Strafaufschub ist angezeigt, wenn der Strafvollzug die begründete Aussicht
auf erfolgreiche Heilbehandlung erheblich beeinträchtigen würde. Dies ist
nicht erst anzunehmen, wenn der Vollzug eine Therapie verunmöglicht oder
den Behandlungserfolg völlig in Frage stellt. Vielmehr geht die Therapie
vor, sobald eine sofortige Behandlung gute Resozialisierungschancen
bietet, die der Strafvollzug verhindern oder wesentlich vermindern würde.
In diesem Fall ist der Vollzug mit der Behandlung nicht vereinbar
("n'est pas compatible avec le traitement", gemäss französischem
Gesetzeswortlaut). Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes muss der
Behandlungsbedarf jedoch um so ausgeprägter sein, je länger die zugunsten
der ambulanten Therapie aufzuschiebende Freiheitsstrafe ist. Die ambulante
Massnahme darf im Übrigen nicht dazu missbraucht werden, den Vollzug der
Strafe zu umgehen oder auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Ein Aufschub
muss sich aus Gründen der Heilbehandlung hinreichend rechtfertigen (BGE
124 IV 246 E. 2b S. 247; 120 IV 1 E. 2b S. 3, je mit Hinweisen). Der
Richter hat diesbezüglich ein psychiatrisches Gutachten einzuholen (BGE
116 IV 101 E. 1b S. 103 mit Hinweisen).

    Falls der Richter von der Möglichkeit des Strafaufschubes keinen
Gebrauch macht, wird die ausgefällte Freiheitsstrafe vollstreckt. Sofern
eine vollzugsbegleitende ambulante Behandlung geboten erscheint,
wird versucht, diese während des Strafvollzuges einzuleiten
bzw. weiterzuführen. Die Vollzugsbehörde kann sodann im Rahmen der
Entlassungsvorbereitung die Fortsetzung der Massnahme mittels Weisungen
anordnen (vgl. Art. 38 Ziff. 3 StGB; vgl. REHBERG, aaO, S. 137).

    4.2  Angesichts einer schweren geistigen "Abnormität" darf unter den
genannten Voraussetzungen auch eine längere Freiheitsstrafe zugunsten
einer ambulanten Behandlung aufgeschoben werden. Dies kann zu Konflikten
zwischen dem Gedanken der Spezialprävention (durch Behandlung ausserhalb
des Strafvollzugs) und demjenigen der Generalprävention bzw. des gerechten
Schuldausgleichs (durch Vollzug der schuldadäquaten Strafe) führen, weil
ihre Zielsetzungen unterschiedliche Sanktionen nahe legen können. Ebenso
kann der Gesichtspunkt der Spezialprävention mit dem Aspekt der
rechtsgleichen Sanktionierung in ein Spannungsverhältnis treten. Ob eine
Freiheitsstrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufzuschieben ist,
lässt sich nicht einfach aus der einen oder andern Zielsetzung ableiten,
weil die Strafzwecke einander nicht unvereinbar gegenüberstehen. Sie bilden
vielmehr ein komplexes Verhältnis wechselseitiger Ergänzung, wobei je nach
Sachzusammenhang das eine oder das andere Kriterium stärker hervortritt
(BGE 124 IV 246 E. 2b S. 247 f.; 120 IV 1 E. 2b S. 4). Die Strafzwecke
sind gegeneinander abzuwägen und in eine Rangfolge zu bringen, wobei dem
Anliegen der Spezialprävention grundsätzlich ein Vorrang zukommt. Zum
einen dient das Strafrecht in erster Linie nicht der "Vergeltung",
sondern der Verbrechensverhütung. Dies bringt der Gesetzgeber nicht nur
mit der Bezeichnung der Resozialisierung als Ziel des Strafvollzuges
zum Ausdruck (Art. 37 Ziff. 1 Abs. 1 erster Satz StGB), sondern auch
mit der bei der Teilrevision des Strafgesetzbuches von 1971 erfolgten
Ausweitung der Möglichkeit der Anordnung von Massnahmen. Deshalb sind
Sanktionen, die eher die Besserung oder Heilung des Täters gewährleisten,
primär zu verhängen und solche, die dem Anliegen der Verbrechensverhütung
zuwiderlaufen, möglichst zu vermeiden. Zum andern ist zu berücksichtigen,
dass im Konfliktsfall ein "Vorrang" der Generalprävention spezialpräventive
Ziele zu vereiteln droht, die Bevorzugung der Spezialprävention hingegen
die generalpräventiven Wirkungen einer Sanktion nicht zum Vornherein
ausschliesst, sondern höchstens in einer schwer messbaren Weise abschwächt
(BGE 124 IV 246 E. 2b S. 248; 120 IV 1 E. 2b S. 4, je mit Hinweisen).

    Andererseits können spezialpräventive Bedürfnisse nur in dem Masse
im Vordergrund stehen, als sie generalpräventive Mindesterfordernisse
wahren und das Prinzip der Gleichbehandlung nicht aushöhlen (vgl. URSULA
FRAUENFELDER, Die ambulante Behandlung geistig Abnormer und Süchtiger als
strafrechtliche Massnahme nach Art. 43 und 44 StGB, Diss. Zürich 1978,
S. 165 f.; HEER, aaO, Art. 43 StGB N. 114 ff., 124 f.; MARTIN KILLIAS,
Précis de criminologie, Bern 1991, Rz. 1114 ff., 1126 ff.; REHBERG,
aaO, S. 138 f.; STRATENWERTH, aaO, § 11 Rz. 92; TRECHSEL, aaO, Art. 43
StGB N. 10; a.M. PETER ALBRECHT, Psychiatrische Behandlung: Strafe oder
Therapie?, Plädoyer 1991 1 S. 40). Insbesondere ist zu vermeiden, dass
Straftäter mit therapierbaren Persönlichkeitsstörungen in einem mit
dem strafrechtlichen Schuldprinzip nicht mehr zu vereinbarenden Masse
privilegiert werden. Dies gilt besonders bei längeren Freiheitsstrafen
und bei Verurteilten, deren diagnostizierte Persönlichkeitsstörung nur zu
einer leicht verminderten Schuldfähigkeit geführt hat. Ein Strafaufschub
kann jedenfalls nicht schon deshalb angezeigt sein, weil sich dadurch die
Erfolgsaussichten einer ambulanten Behandlung verbessern würden (vgl. HEER,
aaO, Art. 43 StGB N. 114, 120, 126; STRATENWERTH, aaO, § 11 Rz. 96).

    4.3  Nach der gesetzlichen Regelung des Sanktionenrechts geht bei
den stationären Massnahmen (Art. 43 und 44 StGB) das Resozialisierungs-
bzw. Behandlungsziel den Strafzwecken der Generalprävention bzw. des
gerechten Schuldausgleichs vor. Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB räumt
den stationären Massnahmen daher die absolute Priorität gegenüber der
gleichzeitig ausgefällten (schuldangemessenen) Freiheitsstrafe ein. Nach
der dargelegten Praxis des Bundesgerichtes gibt es hingegen keinen
Vorrang der ambulanten Massnahmen gegenüber dem Vollzug der ausgefällten
Strafe. Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB sieht den Strafaufschub weder zwingend
noch als Regelfall vor (vgl. BGE 124 IV 246 E. 2b S. 248; 120 IV 1 E. 2c
S. 5). Dieser Unterschied wird auch im Wortlaut des Gesetzes deutlich,
indem der Strafaufschub zu Gunsten einer ambulanten Massnahme in das
Ermessen des Richters gelegt wird ("kann der Richter den Vollzug der Strafe
aufschieben"), während bei der stationären Behandlung der Strafaufschub
(durch Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB) zwingend vorgeschrieben ist ("so
schiebt er im Falle einer Freiheitsstrafe deren Vollzug auf"). Ein Aufschub
rechtfertigt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nur, wenn die
ambulante Therapie (ausserhalb des Strafvollzuges) im konkreten Einzelfall
aktuelle und günstige Bewährungsaussichten eröffnet, die durch den
Strafvollzug zunichte gemacht oder erheblich vermindert würden. In diesem
Fall überwiegt nach dem Willen des Gesetzgebers der Resozialisierungszweck
(der ambulanten Massnahme) die Ziele der Generalprävention bzw. des
gerechten Schuldausgleichs (durch den Strafvollzug).

    4.4  Der Richter beurteilt im Rahmen von Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
den Einzelfall unter Berücksichtigung der erwähnten Grundsätze und aller
konkreten Umstände, insbesondere von Notwendigkeit und Chancen einer
Behandlung im Vergleich zu den Auswirkungen des Strafvollzuges sowie des
Erfordernisses, Straftaten zu ahnden. Doch selbst wenn er zum Ergebnis
gelangt, eine Behandlung sei ohne Beeinträchtigung der Erfolgsaussichten
vollzugsbegleitend nicht durchführbar, verlangt das Gesetz nicht zwingend,
den Vollzug der Strafe aufzuschieben. Die Bestimmung überlässt es vielmehr
dem Richter, nach seinem (pflichtgemässen) Ermessen über den allfälligen
Strafaufschub zu befinden. In dieses weite Beurteilungsermessen des
Sachrichters kann das Bundesgericht nur bei Ermessensüberschreitung oder
-missbrauch eingreifen (BGE 124 IV 246 E. 2b S. 248 f.; 120 IV 1 E. 2c
S. 5; 119 IV 309 E. 8b S. 314; 116 IV 101 E. 1a S. 102, je mit Hinweisen).

    (...)

Erwägung 5

    5.

    5.1  Der Beschwerdeführer wurde von Dr. med. A., dem Leitenden Arzt
des Forensisch-Psychiatrischen Dienstes der Universitätsklinik Zürich,
ausführlich begutachtet. Der Gerichtsexperte stellte beim Beschwerdeführer
eine erhebliche Gefahr der Verübung weiterer (gleich oder ähnlich
gelagerter) Straftaten fest. Der Gutachter vertritt die Auffassung,
dass diese Gefahr durch eine sofortige ambulante psychotherapeutische
Behandlung nicht beseitigt werden könne. Zwar sei eine Verminderung der
Rückfallsgefahr möglich. Die Therapie habe zu diesem Zweck jedoch "sehr
langfristig" zu erfolgen. Es sei "sicher zweckmässig", den Beschwerdeführer
"auch während eines" allfälligen "Strafvollzugs zu behandeln", und die
Therapie müsse, damit sie sinnvoll sei, auch anschliessend langfristig
fortgesetzt werden. Der behandelnde Psychiater, Dr. med. B., geht in
seinem Therapiebericht ebenfalls davon aus, dass der Beschwerdeführer
von einer Heilung seiner Persönlichkeitsstörung noch "weit entfernt"
sei. Wohl seien gewisse Fortschritte zu verzeichnen. Die therapeutische
Behandlung müsse jedoch noch "einige Jahre" dauern.

    Bei dieser Sachlage steht hier keine vordringliche und aktuelle
Aussicht auf Erfolg eröffnende Behandlung zur Diskussion, welche durch
den Vollzug der Strafe zunichte gemacht oder erheblich beeinträchtigt
würde. Die Experten vertreten nicht die Auffassung, die ambulante
psychotherapeutische Behandlung könne im Strafvollzug nicht fortgesetzt
werden. Zwar werde die Therapie unter den Bedingungen des Strafvollzuges
insofern teilweise erschwert, "als die tägliche Auseinandersetzung mit
realistischen Situationen, Versuchungen, Verführungen, Phantasien und
Realitäten in der Welt des Gefängnisses ganz anders geartet" sei als in
der Freiheit, und der Beschwerdeführer die Bewältigung realistischer
Lebenssituationen (namentlich am Arbeitsplatz oder in der Familie) in
deutlich geringerem Masse erlernen könne. Der gleichzeitige Vollzug
schliesse jedoch einen Erfolg der - nach der Entlassung aus dem
Strafvollzug jedenfalls weiterzuführenden - Behandlung nicht aus und
beeinträchtige deren Durchführung insgesamt auch nicht in schwer wiegender
Weise. Eine vollzugsbegleitende Behandlung bewahre den Beschwerdeführer
immerhin davor, "jede Auseinandersetzung mit einer realistischen und
selbstverantwortlichen Lebensplanung und -führung 'auf später'" zu
verschieben.

    5.2  Ebenso wenig wird von den Experten dargelegt, die
Heilungsaussichten einer ambulanten Massnahme seien im Falle
des Beschwerdeführers gut, oder der Vollzug der verbleibenden
Freiheitsstrafe würde günstige aktuelle Resozialisierungsaussichten
klarerweise zunichte machen oder deutlich vermindern. Vielmehr sei
"die legalprognostische Wirksamkeit von therapeutischen Interventionen
bei Betrugs- und ähnlichen Delikten als gering" einzustufen. Im Falle
des Beschwerdeführers müsse jedenfalls mit einer "sehr langfristigen
und schwierigen" Behandlung gerechnet werden, die auch nach einer
Entlassung aus dem Strafvollzug fortzusetzen wäre. Auch die Schwere der
Straftaten bzw. des Schuldvorwurfes, die sich in der (nicht angefochtenen)
Freiheitsstrafe von drei Jahren manifestiert, spricht im vorliegenden
Fall nicht für einen ausnahmsweisen Strafaufschub zu Gunsten der (als
alleinige Sanktion vergleichsweise milde erscheinenden) ambulanten
Massnahme. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die
zu therapierende Persönlichkeitsstörung laut Gutachten lediglich zu einer
"leichten Verminderung der Steuerungsfähigkeit" geführt hat. Je schwerer
die Straftaten und je leichter die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit
des Verurteilten, desto weniger drängt sich nach der dargelegten Doktrin
und Rechtsprechung ein Strafaufschub auf.

    (...)

    5.4  Nach der oben dargelegten Lehre und Praxis kann es nicht der
Sinn und Zweck des Gesetzes sein, sämtlichen Verurteilten, bei denen eine
krankheitswertige behandelbare Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde,
den Strafvollzug zu Gunsten einer ambulanten Massnahme zu ersparen. Wenn
Erfolgsaussichten der Therapie (wie im vorliegenden Fall) nur auf lange
Frist und in eher bescheidenem Ausmass bestehen, sind die Voraussetzungen
für einen Strafaufschub grundsätzlich nicht erfüllt. Anders zu entscheiden
hiesse, Straftäter mit therapierbaren Persönlichkeitsstörungen in einem
mit dem strafrechtlichen Schuldprinzip und dem Gebot der Gleichbehandlung
nicht mehr zu vereinbarenden Masse zu privilegieren. Indem die Vorinstanz
den Strafaufschub zu Gunsten einer ambulanten psychotherapeutischen
Massnahme im vorliegenden Fall nicht bewilligte, blieb sie im Rahmen
ihres weiten Beurteilungsermessens, welches das Gesetz (Art. 43 Ziff. 2
Abs. 2 StGB) dem erkennenden Strafrichter ausdrücklich zubilligt (vgl.
BGE 124 IV 246 E. 2b S. 249; 120 IV 1 E. 2c S. 5).

    Eine Ergänzung oder Erläuterung des psychiatrischen Gutachtens
erscheint nach dem Gesagten nicht geboten.