Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 II 82



129 II 82

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Kantonsgericht
von Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

    6A.48/2002 vom 9. Oktober 2002

Regeste

    Art. 14 Abs. 2 lit. c, Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs.  1bis SVG,
Art. 30 Abs. 1 VZV; Sicherungsentzug des Führerausweises, Anforderungen
an die Abklärung der Trunksucht.

    Begriff der Trunksucht im verkehrsmedizinischen Sinne (E.  4).

    Ein Gutachten, das die Fahreignung wegen Trunksucht allein gestützt
auf einen pathologischen CDT-Wert, den Rückfall des Täters und seine
Bestreitung eines Alkoholmissbrauchs verneint, bildet keine hinreichende
Grundlage für die Anordnung eines Sicherungsentzugs (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Im Zuge einer europaweiten Kampagne gegen das Fahren
in angetrunkenem Zustand wurde X. am 20. April 2001, um 07.25 Uhr,
als Lenker seines Personenwagens in St. Moritz von der Kantonspolizei
Graubünden angehalten und kontrolliert. Da Anzeichen von Angetrunkenheit
vorlagen und der durchgeführte Atemlufttest positiv ausfiel, wurde X. ins
Spital Oberengadin in Samedan zur Entnahme einer Blutprobe gefahren. Deren
Analyse durch das Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen
ergab eine - auf die 35 Minuten zurückliegende Trunkenheitsfahrt
rückgerechnete - Blutalkoholkonzentration von minimal 1,68 und maximal
2,11 Gewichtspromille.

    X. hatte sich bereits im Jahre 1998 des Fahrens in angetrunkenem
Zustand (mit einem minimalen Blutalkoholgehalt von 0,99 Promille) schuldig
gemacht, weswegen ihm das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden
mit Verfügung vom 18. Juni 1998 den Führerausweis für die Dauer von 2
Monaten entzogen hatte.

    B.- Das Kreisamt Oberengadin verurteilte X.  mit Strafmandat vom
23. August 2001 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand in Anwendung von
Art. 91 Abs. 1 SVG zu 60 Tagen Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug
unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren, und zu einer Busse von
Fr. 600.-. Das Strafmandat ist in Rechtskraft erwachsen.

    C.- Das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden verfügte am
23. Mai 2001 wegen ernsthafter Zweifel an der Fahreignung von X. einen
vorsorglichen Führerausweisentzug auf unbestimmte Dauer und wies diesen an,
sich zwecks Abklärung einer allfälligen Trunksucht einer spezialärztlichen
Untersuchung zu unterziehen. Gestützt auf ein verkehrsmedizinisches
Gutachten der Psychiatrischen Klinik Beverin vom 9. Oktober 2001
entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden X. mit Verfügung
vom 21. November 2001 den Führerausweis gestützt auf Art. 16 Abs. 1,
Art. 14 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 17 Abs. 1bis SVG und Art. 30 der
Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und
Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) auf unbestimmte Zeit,
mindestens für 16 Monate ab dem 12. September 2001. Die Wiedererteilung
des Führerausweises machte es vom Nachweis einer kontrollierten und
lückenlosen Alkoholabstinenz während mindestens 16 Monaten sowie von einer
spezialärztlichen Fahreignungsprüfung der Psychiatrischen Klinik Beverin
abhängig. Ferner behielt es die Anordnung einer neuen Führerprüfung
ausdrücklich vor. Hiegegen führte X. Verwaltungsbeschwerde, welche das
Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement Graubünden mit Verfügung vom
18. Februar 2002 abwies. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Berufung
wies das Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, mit
Urteil vom 17. April 2002 ab, soweit es darauf eintrat.

    D.- X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit
dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils. Ferner beantragt
er, der Führerausweis sei ihm maximal für die Dauer von 12 Monaten,
allenfalls von 14 Monaten oder nach Ermessen des Bundesgerichts, im Sinne
eines Warnungsentzuges zu entziehen, unter Anrechnung der bisherigen
Entzugsdauer seit dem 20. April 2001. Eventualiter sei die Sache zur
neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG darf der Führerausweis nicht
erteilt werden, wenn der Bewerber dem Trunke oder anderen die Fahrfähigkeit
herabsetzenden Süchten ergeben ist. Wird nachträglich festgestellt,
dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr
bestehen, ist der Führerausweis zu entziehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Ein
solcher Sicherungsentzug dient gemäss Art. 30 Abs. 1 VZV der Sicherung des
Verkehrs vor Fahrzeuglenkern, die aus medizinischen oder charakterlichen
Gründen, wegen Trunksucht oder anderen Süchten oder wegen einer anderen
Unfähigkeit zum Führen von Motorfahrzeugen nicht geeignet sind.

    2.2  Der Sicherungsentzug wegen Trunksucht oder anderer
Suchtkrankheiten wird gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 17
Abs. 1bis SVG auf unbestimmte Zeit angeordnet und mit einer Probezeit von
mindestens einem Jahr verbunden. Nach Ablauf der Probezeit kann der Ausweis
bedingt und unter angemessenen Auflagen wieder erteilt werden; in der
Regel wird hiefür der Nachweis der Heilung durch eine mindestens einjährige
kontrollierte Abstinenz verlangt. Der Sicherungsentzug greift damit tief
in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen ein. Nach der Rechtsprechung
ist daher in jedem Fall und von Amtes wegen eine genaue Abklärung der
persönlichen Verhältnisse und insbesondere der Trinkgewohnheiten bzw. der
Konsumgewohnheiten anderer Drogen des Betroffenen vorzunehmen. Das Ausmass
der notwendigen behördlichen Nachforschungen, namentlich die Frage,
ob ein medizinisches Gutachten eingeholt werden soll, richtet sich nach
den Umständen des Einzelfalles und liegt im pflichtgemässen Ermessen der
Entzugsbehörde. Bei Drogensucht ist die Entzugsbehörde in aller Regel
verpflichtet, ein gerichtsmedizinisches Gutachten einzuholen. Ein Verzicht
auf eine spezialärztliche Begutachtung ist nur ausnahmsweise, etwa in
Fällen offensichtlicher, schwerer Drogenabhängigkeit, gerechtfertigt
(BGE 127 II 122 E. 3b; 126 II 185 E. 2a und 361 E. 3a; 120 Ib 305 E. 4b,
je mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.

    3.1  Die Vorinstanz gelangt gestützt auf das Gutachten der
kantonalen Psychiatrischen Klinik Beverin vom 9. Oktober 2001 zum
Schluss, der Beschwerdeführer sei nicht geeignet, ein Motorfahrzeug
sicher zu führen. Zwar verneine das Gutachten eine Alkoholsucht
im medizinischen Sinne. Doch bescheinige es dem Beschwerdeführer
ein verkehrsmedizinisch relevantes Alkoholproblem. Dies reiche für
einen Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit aus. Denn der Begriff der
Trunksucht im strassenverkehrsrechtlichen Sinne decke sich nicht notwendig
mit dem medizinischen Begriff der Alkoholsucht. Das Gutachten gründe
auf den vom Strassenverkehrsamt Graubünden zur Verfügung gestellten
Unterlagen, den Ergebnissen einer psychiatrischen Untersuchung,
dem schriftlichen und mündlichen Bericht des Hausarztes sowie den
Resultaten der Laboruntersuchungen. Es beruhe mithin auf einer fundierten
Entscheidungsgrundlage, und seine fachliche Qualität sei in keiner
Weise anzuzweifeln. Insgesamt erscheine die Diagnose des Gutachtens
als nachvollziehbar und bilde das Resultat einer vertrauenswürdigen
fachärztlichen Abklärung. Es bestehe daher kein Anlass für die Einholung
eines Obergutachtens. Entbehrlich sei auch eine Befragung des Hausarztes,
zumal sowohl dessen schriftlicher Bericht als auch dessen mündliche
Ausführungen im Gutachten berücksichtigt worden seien.

    3.2  Das Gutachten der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Beverin
vom 9. Oktober 2001 stützt sich auf die Angaben des Beschwerdeführers zu
seiner Biographie, seiner gesundheitlichen Situation, zum Alkoholkonsum
und zu den Trunkenheitsfahrten sowie auf den psychischen und körperlichen
Befund. Es kommt zum Schluss, eine Alkoholabhängigkeit im Sinne der
internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO (ICD-10
Kapitel V [F]; F1x.2) liege beim Beschwerdeführer nicht vor. Denn es
seien lediglich zwei der sechs Kriterien erfüllt, und zur Diagnose eines
Alkoholabhängigkeitssyndroms müssten drei oder mehr Kriterien gleichzeitig
vorhanden sein. Aufgrund der Umstände, dass der Beschwerdeführer innerhalb
von drei Jahren zwei Mal wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt
wurde und der CDT-Wert einen aktiven Alkoholkonsum von mehr als 60 Gramm
reinen Alkohols pro Tag ergab, sei aber davon auszugehen, dass er immer
wieder gewohnheitsmässig getrunken habe und sich aus dieser Gewohnheit
nicht aus eigener Willenskraft habe lösen können. Die ihm unterbreiteten
Fragen beantwortete der Gutachter folgendermassen: Der Beschwerdeführer
sei nicht trunksüchtig im Sinne der medizinischen Diagnose nach
ICD-10. Es habe auch kein schädlicher Gebrauch der psychotropen Substanz
Alkohol nachgewiesen werden können. Aufgrund der Tatsachen, dass der
Beschwerdeführer in seinen Angaben nicht vollumfänglich glaubhaft erschien,
dass der CDT-Wert eindeutig pathologisch war und der Beschwerdeführer
innert dreier Jahre zwei Mal angetrunken fuhr, sei aber davon auszugehen,
dass ein verkehrsmedizinisch relevantes Alkoholproblem vorliege. Der
Beschwerdeführer sei nicht zu jedem Zeitpunkt in der Lage, Fahren und
Trinken zu trennen. Es bestehe somit ein überproportionales Risiko,
dass er sich erneut alkoholisiert ans Steuer eines Autos setzen werde.

    3.3  Der Beschwerdeführer wendet hiegegen ein, seine Leberwerte gemäss
Laborbericht seien normal gewesen. Der CDT-Marker weise erst bei einem Wert
über 6% auf einen täglichen Konsum reinen Alkohols von mehr als 60 Gramm
während mehr als einer Woche hin. Es sei unbestritten, dass der CDT-Test
falsche Ergebnisse liefern könne. Ob bei ihm etwaige Störfaktoren vorlägen,
sei - trotz der normalen Leberwerte und des Ausschlusses der Diagnose einer
Alkoholabhängigkeit - nicht geprüft worden. Insbesondere habe der Gutachter
seine früheren Krankheiten, namentlich die frühere Hepatitiserkrankung
nicht abgeklärt und es unterlassen, Auskünfte in seinem persönlichen
beruflichen und familiären Umfeld einzuholen. Auch sei der CDT-Wert
nur ein einziges Mal gemessen worden. Bei der gegebenen Sachlage hätten
weitere Tests und Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Schliesslich
sei auch der Strafrichter von einer günstigen Prognose ausgegangen und
habe ihm den bedingten Strafvollzug gewährt. Aus diesen Gründen hätte
der Antrag auf ein Zweitgutachten gutgeheissen, mindestens aber hätte
ihm Gelegenheit zur Stellung von Ergänzungsfragen eingeräumt werden müssen.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Der Sicherungsentzug gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 17
Abs. 1bis SVG setzt das Vorliegen einer Sucht voraus. Trunksucht wird
bejaht, wenn der Betreffende regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass
seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er diese Neigung zum übermässigen
Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden oder zu
kontrollieren vermag. Er muss mithin in einem Masse abhängig sein, dass
er mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich in einem
Zustand ans Steuer eines Fahrzeugs zu setzen, der das sichere Führen nicht
mehr gewährleistet. Nach der Rechtsprechung darf auf fehlende Fahreignung
geschlossen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist,
Alkohol- bzw. Drogenkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen,
oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rauschzustand
am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (BGE 127 II 122 E. 3c S. 126).

    Der Suchtbegriff des Verkehrsrechts deckt sich somit nicht mit dem
medizinischen Begriff der Alkoholabhängigkeit. Wie die Vorinstanz
zu Recht annimmt, erlaubt dieses Verständnis der Trunksucht,
auch bloss suchtgefährdete Personen, bei denen aber jedenfalls ein
Alkoholmissbrauch vorliegt, vom Führen eines Motorfahrzeugs fern zu halten
(vgl. SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts,
Bd. III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, N. 2098; ROLF SEEGER,
Fahreignung und Alkohol, in: Probleme der Verkehrsmedizin, hrsg.
vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, 1999, S. 10).

    4.2  Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei einer
Person, bei der die Blutalkoholkonzentration 2,5 und mehr Promille beträgt,
eine medizinische Fahreignungsuntersuchung anzuordnen, auch wenn sie
während der letzten fünf Jahre vor der aktuellen Trunkenheitsfahrt keine
einschlägige Widerhandlung begangen hat. Das Bundesgericht nahm an, wer
eine derart hohe Blutalkoholkonzentration aufweise, verfüge über eine so
grosse Alkoholtoleranz, dass in aller Regel auf eine Alkoholabhängigkeit
geschlossen werden müsse (BGE 126 II 185 E. 2d und e). Zum selben Ergebnis
ist es bei einem Lenker gelangt, der ein erstes Mal mit mindestens 1,74
Promille gefahren ist und sich rund ein Jahr später wiederum des Fahrens
in angetrunkenem Zustand, mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens
1,79 Promille, schuldig gemacht hat (BGE 126 II 361 E. 3c).

    4.3  Bei der Frage, von welchem Blutalkoholgehalt im
Verfahren des Sicherungsentzugs auszugehen ist, findet der
Grundsatz der Unschuldsvermutung - anders als beim Schuldspruch
wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und beim Warnungsentzug,
der eine schuldhafte Verletzung einer Verkehrsregel voraussetzt,
angesichts der unterschiedlichen Zielsetzung keine Anwendung (BGE
122 II 359 E. 2c). Daraus ergibt sich, dass der Maximalwert der beim
Beschwerdeführer gemessenen Blutalkoholkonzentration durchaus Bedeutung
erlangen kann. In diesem Sinne ist das Bundesgericht denn auch in zwei
früheren Entscheiden zum Sicherungsentzug wegen Trunksucht von einer
mittleren Blutalkoholkonzentration ausgegangen (BGE 125 II 396, Sachverhalt
A und E. 2b; Urteil des Bundesgerichts 6A.106/2001 vom 26. November 2001,
E. 3c/bb).

Erwägung 5

    5.

    5.1  Die Blutalkoholbestimmung des Instituts für Rechtsmedizin
des Kantonsspitals St. Gallen ergab einen auf die Trunkenheitsfahrt
rückgerechneten minimalen Alkoholisierungsgrad des Beschwerdeführers
von 1,68 Promille und einen Maximalwert von 2,11 Promille. Als Zeitpunkt
des Ereignisses bzw. der Trunkenheitsfahrt wird 07.25 Uhr, als Zeitpunkt
des Trinkendes (gestützt auf die Aussagen des Beschwerdeführers) 00.00
Uhr angegeben.

    5.2  Aufgrund der Anzeichen, namentlich des ärztlichen
Untersuchungsbefunds anlässlich der Blutentnahme und der hohen
Blutalkoholkonzentration, die - wollte man sie auf das Trinkende
zurückrechnen - Werte von rund 2,2 Promille (minimales Analyseergebnis,
längstmögliche Resorptionszeit, stündlicher Abbauwert von 0,1 Promille) bis
3,5 Promille (maximales Analyseergebnis, kürzestmögliche Resorptionszeit,
maximaler stündlicher Abbauwert von 0,2 Promille und Sicherheitszuschlag
von 0,2 Promille) ergeben würden (vgl. KLAUS FOERSTER, Störungen
durch psychotrope Substanzen, in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische
Begutachtung, 3. Aufl. 2000, S. 165; PETER HENTSCHEL, Trunkenheit,
Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 8. Aufl. 2000, N. 90 ff.),
muss hier von einer auffälligen Alkoholtoleranz (Giftfestigkeit)
des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Das ergibt sich auch,
wie im Schrifttum vorgebracht wird, aus dem Umstand, dass bei
Blutalkoholkonzentrationswerten über 1,6 Promille - namentlich bei
Fehlen adäquater Ausfallerscheinungen - eine regelmässige, häufig
schwere gesundheitliche Belastungen nach sich ziehende Alkoholaufnahme
von wesentlich mehr als 80 Gramm Alkohol täglich über längere Zeiträume
anzunehmen ist (EGON STEPHAN, Trunkenheitsdelikte im Verkehr, AJP 1994 S.
453; vgl. auch Leitfaden "Verdachtsgründe fehlender Fahreignung" der
Expertengruppe Verkehrssicherheit des Eidgenössischen Departementes
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation vom 26. April 2000,
S. 4). Bei dieser Sachlage ist nicht zu beanstanden, dass die Behörden
dem Beschwerdeführer vorsorglich den Führerausweis entzogen und seine
Fahreignung abgeklärt haben. Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht
in Frage gestellt.

Erwägung 6

    6.  Zu prüfen ist im Folgenden, ob die Vorinstanz die Fahreignung
des Beschwerdeführers zu Recht verneint bzw. ob das eingeholte
verkehrsmedizinische Gutachten eine hinreichend verlässliche Grundlage
für diesen Entscheid bildet.

    6.1  Das Gutachten begründet die Annahme eines verkehrsmedizinisch
relevanten Problems beim Beschwerdeführer im Wesentlichen mit seiner
mangelnden Glaubwürdigkeit, mit dem zweimaligen Fahren in angetrunkenem
Zustand innerhalb von drei Jahren und dem in der Laboruntersuchung
ermittelten CDT-Wert. Im Einzelnen ergab die Laboruntersuchung der
Leberwerte gemäss Gutachten für die gamma-GT einen Wert von 50 U/l (Units
pro Liter), für die GOT einen solchen von 46 U/l und für die GPT von
31 U/l. Diese Werte interpretierte der Gutachter als grenzwertig, aber
noch in der Norm. Die Messung des CDT ergab einen Wert von 6%, welchen der
Experte nach dem geltenden Referenzbereich als pathologisch wertete. Nach
seiner Auffassung deutet dies auf einen Konsum von täglich mehr als 60
Gramm reinen Alkohols während der letzten drei Wochen vor dem Test hin.

    6.2

    6.2.1  Die Abklärung eines gesundheitsschädlichen Alkoholkonsums
erfordert zunächst eine Laboruntersuchung, bei der die biologischen
Alkohol(missbrauchs)marker CDT, MCV, gamma-GT, GOT (AST) und GPT (ALT)
gemessen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6A.111/2000 vom 20. März
2001, E. 4c und d; vgl. auch Leitfaden "Verdachtsgründe fehlender
Fahreignung", S. 17, Anhang 3).

    In der medizinischen Literatur wird die Messung des konventionellen
Markers gamma-GT (Gamma-Glutamyl-Transferase; GGT) als der heute
am häufigsten eingesetzte Einzeltest zur Diagnostik übermässigen
Alkoholkonsums beschrieben. Erhöhte Werte gelten - namentlich bei
gleichzeitiger pathologischer Erhöhung anderer leberzellspezifischer Enzyme
(GOT [AST], GPT [ALT]) - als Ausdruck einer Schädigung der Leberzellen. Der
Marker ist daher ein indirekter Indikator für überhöhten Alkoholkonsum,
da eine Organschädigung vorliegen muss, ehe im Blut ein Anstieg der
gamma-GT-Werte sichtbar wird (LUTZ G. SCHMIDT, Biologische Marker
des Alkoholismus und alkoholassoziierter Organschäden, in: Alkohol
und Alkoholfolgekrankheiten, hrsg. von M. V. Singer und S. Teyssen,
Berlin/Heidelberg 1999, S. 124 f.; TILMAN WETTERLING/CLEMENS VELTRUP,
Diagnostik und Therapie von Alkoholproblemen, Berlin etc. 1997, S. 11 f.).

    Als Nachweis eines längeren übermässigen Alkoholkonsums (über die
Dauer von etwa sechs Wochen bei einem täglichen Konsum von 60 Gramm
Alkohol) gilt auch die Erhöhung des MCV-Werts (mittleres korpuskuläres
Erythrozytenvolumen [rote Blutkörperchen]). Wenn sowohl gamma-GT als auch
MCV erhöht sind, wird ein exzessiver Alkoholkonsum als sehr wahrscheinliche
Ursache angesehen (SEEGER, aaO, S. 13; SCHMIDT, aaO, S. 125).

    Als neuerer Marker zum Nachweis von chronischem Alkoholmissbrauch und
namentlich zur Überwachung einer Alkoholabstinenz wird in den letzten
Jahren zunehmend der Marker CDT (Carbohydrate Deficient Transferrin)
im Blut gemessen. Der Test knüpft daran an, dass nach regelmässigem
Alkoholgenuss von täglich mehr als 60 Gramm über eine relativ kurze
Trinkdauer (etwa 14 Tage) im Blut vermehrt beschädigte Moleküle des
eisentransportierenden Proteins Transferrin gefunden werden (teilweise
oder vollständig fehlende Sialinsäurereste). Je nach Testverfahren
wird CDT als Units pro Liter (U/l) angegeben oder wird der Anteil
von CDT auf das gesamte Transferrin bezogen und als Prozentwert
aufgeführt. Die Referenzwerte hängen von der Messmethode ab. Meist
gelten Werte über 3% oder über 6%-CDT - jedenfalls bei Männern - als
pathologisch (M. SOYKA/G. KOLLER, Klassifikation von Missbrauch und
Abhängigkeit: Diagnostik aus psychiatrischer Sicht, in: M. Soyka [Hrsg.],
Klinische Alkoholismusdiagnostik, Darmstadt 1999, S. 72; THOMAS GILG,
Einsatzmöglichkeiten von CDT in der Rechts- und Verkehrsmedizin, in:
M. Soyka [Hrsg.], Klinische Alkoholismusdiagnostik, Darmstadt 1999,
S. 120). Als seltene Ursachen für falsche positive Resultate werden
u.a. schwere Leberinsuffizienzen (primär biliäre Zirrhose, alkoholische
oder viral bedingte Leberzirrhose, primäres Leberzellkarzinom oder
chronisch aktive Hepatitis) genannt. Nach ca. einer bis drei Wochen
Alkoholabstinenz normalisiert sich der CDT-Wert wieder. Die Halbwertszeit
beträgt 14 Tage (SEEGER, aaO, S. 13; SCHMIDT, aaO, S. 126). In der
Literatur wird darauf hingewiesen, dass der CDT-Wert auf die Aussage
beschränkt ist, dass in den vorangegangenen mindestens zwei bis drei Wochen
ein regelmässiger und praktisch täglicher Alkoholkonsum von zumindest
50-60 Gramm erfolgte (THOMAS GILG, Rechtsmedizinische Aspekte von Alkohol
und Alkoholismus, in: Alkohol und Alkoholfolgekrankheiten, Hrsg. von
M. V. Singer und S. Teyssen, Berlin/Heidelberg 1999, S. 548; ders.,
Einsatzmöglichkeiten von CDT in der Rechts- und Verkehrsmedizin, aaO,
S. 121, 126 f.). Auf der anderen Seite zeigt der Alkohol(missbrauchs)marker
kurze Alkoholexzesse nicht an (WETTERLING/VELTRUP, aaO, S. 14).

    6.2.2  Nach dem Gutachten liegen beim Beschwerdeführer die gamma-GT
und die anderen erhobenen Enzymwerte innerhalb der Norm. Das MCV wurde
offenbar nicht gemessen. Der einzige erhöhte Wert wurde, ausgehend von
einem Referenzwert von <2,6-3%, beim CDT festgestellt. Aus den obstehenden
Erwägungen ergibt sich, dass ein pathologischer CDT-Wert allein noch
nicht den Schluss auf eine Alkoholabhängigkeit erlaubt (vgl. E. 6.2.1). In
diesem Sinne hat der Kassationshof in einem nicht publizierten Entscheid
festgehalten, ein erhöhter CDT-Wert sei mit Zurückhaltung zu würdigen,
namentlich wenn die übrigen Laborwerte keine pathologische Erhöhung zeigten
und der Sachverständige eine Alkoholabhängigkeit im Sinne der ICD-10
verneine (Urteil des Bundesgerichts 6A.111/2000 vom 20. März 2001, E. 4d).

    Bei einer solchen Konstellation kommt den weiteren, für den Nachweis
der Trunksucht erforderlichen Abklärungen besondere Bedeutung zu. Dazu
gehören etwa eine gründliche Prüfung der persönlichen Verhältnisse,
welche namentlich die Einholung von Fremdberichten von Hausarzt,
Arbeitgeber und Familienangehörigen etc. umfasst, eine einlässliche
Aufarbeitung der konkreten Trunkenheitsfahrten, eine Alkoholanamnese,
d.h. die Erforschung des Trinkverhaltens (Trinkgewohnheiten und
Trinkmuster) des Betroffenen und seine subjektive Einstellung dazu,
sowie eine umfassende, eigens vorzunehmende körperliche Untersuchung
mit besonderer Berücksichtigung von alkoholbedingten Hautveränderungen
etc. (vgl. Leitfaden "Verdachtsgründe fehlender Fahreignung", S. 17,
Anhang 3; ferner SEEGER, aaO, S. 11 ff.). Solche verlässliche, die
Laborwerte ergänzende zusätzliche Abklärungen wurden hier unterlassen
oder nur in nicht ausreichendem Umfang getroffen.

    Wohl hat der Gutachter die Angaben des Beschwerdeführers zu
seiner gesundheitlichen Situation, zum Alkoholkonsum und zu den
Trunkenheitsfahrten festgehalten. Das blosse protokollartige Festhalten
dieser Aussagen, ohne Vorhaltung etwa des bei der zweiten Fahrt in
angetrunkenem Zustand gemessenen erheblichen Blutalkoholwerts, erlaubt aber
keine besonderen Erkenntnisse. Keine Aussagekraft kommt auch dem Bericht
des Hausarztes über die körperliche Untersuchung des Beschwerdeführers
zu. Dieser beschränkte sich einerseits darauf, auf einem Rezeptzettel
handschriftlich festzuhalten, die Untersuchung habe keine pathologischen
Veränderungen gezeigt, und andererseits darauf, auf telefonische
Anfrage hin die Laborwerte durchzugeben. Bei dieser Sachlage gründet
der Gutachter seinen Schluss letztlich lediglich auf den Umstand, dass
der Beschwerdeführer zwei Mal in angetrunkenem Zustand gefahren ist und
"in seinen Angaben nicht vollumfänglich glaubhaft erschien". Dies genügt
nicht. Der Rückfall beim Fahren in angetrunkenem Zustand allein lässt
keinen zwingenden Rückschluss auf eine die Fahreignung ausschliessende
Alkoholproblematik zu, auch wenn die Höhe der Blutalkoholkonzentration bei
der Trunkenheitsfahrt, namentlich wenn sie, wie hier, auf normabweichende
Trinkgewohnheiten hindeutet, durchaus einen wesentlichen Anhaltspunkt
für eine Suchtproblematik bildet. Allerdings verleiht der erstmalige
Rückfall auch nicht, wie der Beschwerdeführer wohl mit Blick auf die
überkommene "10-Jahres-Regel" fälschlicherweise annimmt (vgl. BGE 104 Ib
46 E. 3a S. 48; SCHAFFHAUSER, aaO, N. 2105 ff.), einen Anspruch auf einen
zweiten Warnungsentzug. Auf einen Alkoholmissbrauch lässt sich endlich
auch nicht von der angeblichen Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers
schliessen. Wenn das blosse Leugnen eines übermässigen unkontrollierten
Alkoholkonsums ein Hinweis für eine Suchtproblematik wäre, müsste eine
solche bereits feststehen. Das ist hier gerade nicht der Fall.

    Die Vorinstanz hätte daher nicht allein gestützt auf das eingeholte
verkehrsmedizinische Gutachten die Fahreignung des Beschwerdeführers
verneinen dürfen. Vielmehr hätte es für einen solchen Schluss weiterer
Sachverhaltsfeststellungen bedurft. Die Beschwerde erweist sich insoweit
als begründet. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und
Rückweisung der Sache an das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden zur
erneuten Abklärung der Fahreignung des Beschwerdeführers unter allfälliger
Einholung eines Obergutachtens.