Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 750



129 III 750

113. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. X. SA gegen Y. AG
(Berufung)

    4C.132/2003 vom 15. September 2003

Regeste

    Art. 43 OG; Art. 4, 5 und 7 des Haager Übereinkommens über die
Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland
in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ; SR 0.274.131).

    Beim Vorliegen einer Zivilrechtsstreitigkeit kann die Verletzung von
staatsvertraglichen Prozessvorschriften mit Berufung gerügt werden, sofern
die Streitsache auch im Übrigen berufungsfähig ist. Dies gilt selbst
dann, wenn nur vorfrageweise im Zusammenhang mit einem Säumnisurteil
nach kantonalem Recht zu prüfen ist, ob rechtswirksam entsprechend dem
Zustellungsübereinkommen zugestellt wurde (E. 2).

    Wenn das Zustellungsersuchen mangelhaft ist, die ersuchte Behörde
die Zustellung aber dennoch vornimmt, kann nicht wegen mangelhaftem
Ersuchen auf eine ungültige Zustellung geschlossen werden (E. 3.1). Wenn
das zuzustellende Schriftstück von der ersuchten Behörde in der Form
der einfachen Übergabe zugestellt wird, ist eine Übersetzung dieses
Schriftstückes nicht erforderlich (E. 3.2).

Sachverhalt

    A.- Mit Klage vom 31. Januar 2001 beantragte die Y. AG mit Sitz
in der Schweiz (Klägerin) dem Handelsgericht St. Gallen, die X. SA mit
Sitz in Frankreich (Beklagte) zu verpflichten, Euro 37'563.44 zuzüglich
Zins zu bezahlen. In der Folge stellte das Handelsgericht der Beklagten
die Klage mit der Aufforderung zu, innert 30 Tagen die Klageantwort
einzureichen. Dieses Dokument wurde der Beklagten am 1. Juni 2001 auf dem
Rechtshilfeweg durch einfache Übergabe zugestellt. Nachdem die Beklagte die
angesetzte Frist unbenutzt verstreichen liess, setzte der Gerichtspräsident
der Beklagten mit Schreiben vom 6. Juli 2001 eine Nachfrist von 10
Tagen zum Nachholen der Eingabe an und drohte bei Nichteinhaltung die
Weiterführung des Verfahrens bzw. die Nichtberücksichtigung der Eingabe an.
Dieses Schreiben wurde der Beklagten ebenfalls auf dem Rechtshilfeweg am
13. Juli 2001 durch einfache Übergabe zugestellt.

    B.- Da die Beklagte auch die erstreckte Nachfrist unbenutzt
verstreichen liess, wurde der Schriftenwechsel abgeschlossen und die
Parteien zunächst auf den 22. April 2002 und anschliessend wegen
Zustellproblemen auf den 26. November 2002 zur Hauptverhandlung
vorgeladen. Da sich die Beklagte zwischenzeitlich von einem Anwalt
vertreten liess, musste die Verhandlung auf den 11. Februar 2003
verschoben werden. Am 17. Dezember 2002 legte der von der Beklagten
beigezogene Anwalt sein Mandat nieder. Eine Eingabe, welche die Beklagte
dem Handelsgericht am 10. Februar 2003 per Fax zugesandt hatte, wurde aus
dem Recht gewiesen. Zur Hauptverhandlung vom 11. Februar 2003 erschien
die Beklagte nicht, worauf die Verhandlung in Abwesenheit der Beklagten
durchgeführt wurde. Mit Entscheid vom 11. Februar 2003 verpflichtete das
Handelsgericht des Kantons St. Gallen die Beklagte, der Klägerin Euro
27'501.80 nebst Zins zu bezahlen.

    C.- Mit Berufung vom 5. Mai 2003 beantragt die Beklagte dem
Bundesgericht, den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom
11. Februar 2003 aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob das Handelsgericht
berechtigt war, im Säumnisverfahren zu entscheiden.

    1.1  Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, dass es die Beklagte
versäumt habe, innert Frist bzw. Nachfrist eine Klageantwort zu
erstatten, weshalb der Schriftenwechsel abgeschlossen und die Parteien
zur Hauptverhandlung vorgeladen worden seien. Nachdem sich die Beklagte
nicht am Schriftenwechsel beteiligt habe und zur Hauptverhandlung vom
11. Februar 2003 nicht erschienen sei, habe kein neuer Termin angesetzt
werden müssen. Vielmehr habe die Verhandlung in Abwesenheit der Beklagten
durchgeführt werden können. Es rechtfertige sich auch, die Fax-Eingabe
der Beklagten vom 10. Februar 2003 aus dem Recht zu weisen, weil sich
diese nicht am Schriftenwechsel beteiligt habe und keine Gründe vorbringe,
weshalb es ihr erst jetzt möglich sei, Tatsachenbehauptungen und Beweise
vorzubringen.

    1.2  Die Beklagte wendet dagegen ein, entgegen der Auffassung der
Vorinstanz sei sie nicht säumig. Das Handelsgericht habe zu Unrecht
unterstellt, dass die gerichtlichen Schriftstücke - Aufforderung zur
Einreichung einer Klageantwort und Nachfristansetzung - korrekt auf dem
Rechtshilfeweg zugestellt worden seien, weil die staatsvertraglichen
Vorschriften über die rechtshilfeweise Zustellung von Gerichtsakten
(insbesondere Art. 7 und 15 des Übereinkommens vom 15. November 1965 über
die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im
Ausland in Zivil- oder Handelssachen [HZÜ; SR 0.274.131] sowie Art. 3 und
4 der Erklärung vom 1. Februar 1913 zwischen der Schweiz und Frankreich
betreffend die Übermittlung von gerichtlichen und aussergerichtlichen
Aktenstücken sowie von Requisitorien in Zivil- und Handelssachen [SR
0.274.183.491; im Folgenden: Erklärung]) verletzt worden seien. Wenn
aber nicht ordnungsgemäss zugestellt worden sei, hätte die Vorinstanz
das Verfahren nicht gestützt auf Art. 61 ZPO/SG ohne die Klageantwort der
Beklagten weiterführen dürfen. Ferner hätte ihre Eingabe vom 10. Februar
2003 nicht nach Art. 164 Abs. 1 ZPO/SG in Verbindung mit Art. 165 Abs. 2
ZPO/SG aus dem Recht gewiesen werden dürfen. Schliesslich hätte die
Hauptverhandlung vom 11. Februar 2003 nicht nach Art. 173 Abs 3 ZPO/SG
in Abwesenheit der Beklagten stattfinden dürfen.

Erwägung 2

    2.  Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die von der Beklagten
vorgebrachten Rügen im Berufungsverfahren erhoben werden können. Dabei
entscheidet das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob
auf eine Berufung einzutreten ist (BGE 129 III 288 E. 2.1 S. 290 m.w.H.).

    2.1  Offenkundig handelt es sich beim vorliegenden Forderungsprozess um
eine Zivilrechtsstreitigkeit. Da der von Art. 46 OG geforderte Streitwert
von Fr. 8'000.- erreicht ist, erweist sich die Berufung unter diesem
Gesichtspunkt als zulässiges Rechtsmittel.

    2.2  Gemäss Art. 43 Abs. 1 Satz 1 OG kann mit Berufung geltend gemacht
werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf Verletzung des Bundesrechts
mit Einschluss der durch den Bund abgeschlossenen völkerrechtlichen
Verträge. Liegt eine Zivilrechtsstreitigkeit vor, kann in der Berufung
jede Norm des Bundesrechts - mit Ausnahme der verfassungsmässigen
Grundrechte (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 OG) - ungeachtet ihrer privat- oder
öffentlichrechtlichen Natur als verletzt gerügt werden. Insbesondere kann
in der Berufung auch die Verletzung bundesrechtlicher Prozessvorschriften
beanstandet werden (POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale
d'organisation judiciaire, Berne 1990, N. 1.3.1 und 1.3.2 zu Art. 43
OG). Desgleichen kann mit Berufung die Verletzung von Staatsvertragsrecht
gerügt werden, wobei ebenfalls gleichgültig ist, ob die als verletzt
ausgegebene Bestimmung dem öffentlichen oder privaten Recht angehört. Die
Berufungsfähigkeit der Rüge folgt auch hier der Rechtsnatur der Streitsache
(Zivilrechtsstreitigkeit) und nicht der Rechtsnatur der angefochtenen Norm
(BGE 117 Ia 81 E. 1 S. 83; 119 II 69 E. 3a S. 71 f.; POUDRET/SANDOZ-MONOD,
aaO, N. 1.2.3 zu Art. 43 OG). Aus diesen Gründen kann die Rüge, das
Handelsgericht habe bei der rechtshilfeweisen Zustellung gegen die
Vorschriften des HZÜ verstossen, grundsätzlich mit Berufung geltend
gemacht werden.

    2.3  Daran ändert auch der Einwand der Klägerin nichts, dass die
Frage, ob die Vorinstanz zu Recht im Säumnisverfahren entschieden habe,
nach kantonalem Recht zu beurteilen sei und insoweit eine Berufung
ausser Betracht falle. Richtig ist zwar, dass sich die Regelung
des Säumnisverfahrens nach kantonalem Recht richtet, welches nicht
Gegenstand einer Berufung sein kann. Ebenso wenig kann mit Berufung die
Verletzung von bundesrechtlichen Vorschriften gerügt werden, die im freien
Rechtsetzungsbereich der Kantone in deren Recht integriert und damit
zu kantonalem Recht wurden (BGE 127 III 248 E. 1b S. 251; 126 III 370
E. 5 S. 371 f., je mit Hinweisen; POUDRET/SANDOZ-MONOD, aaO, N. 1.4.1 zu
Art. 43 OG, S. 130 sprechen von "droit cantonal supplétif"). Demgegenüber
gelten bundesrechtliche oder staatsvertragliche Vorfragen zu kantonalem
Prozessrecht als berufungsfähig, wenn das eidgenössische Recht bzw. das
Staatsvertragsrecht dem kantonalen Recht gebietet, dem Entscheid über
die Vorfrage Rechnung zu tragen (BGE 125 III 461 E. 2 S. 463; 115 II
237 E. 1c S. 241, je mit Hinweisen; POUDRET/SANDOZ-MONOD, aaO, N. 1.4.1
zu Art. 43 OG, S. 129 f.). Im vorliegenden Fall ist für die Beurteilung
der Frage, ob das Handelsgericht berechtigt war, im Säumnisverfahren zu
entscheiden, zunächst zu prüfen, ob die Fristansetzungen und Vorladungen
entsprechend den Bestimmungen des HZÜ zugestellt worden sind. Dabei ist
den Bestimmungen des Zustellungsübereinkommens zwingend Rechnung zu
tragen. Andernfalls wäre insbesondere nicht sichergestellt, dass das
Säumnisurteil anerkannt und vollstreckt werden kann (vgl. Art. 27
Ziff. 2 LugÜ [SR 0.275.11], nach welcher Bestimmung die Anerkennung
verweigert werden kann, wenn nicht feststeht, dass dem Beklagten das
verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäss zugestellt worden
ist). Wenn das HZÜ aber zwingendes Recht ist, ist es auch im kantonalen
Verfahren zu beachten. Seine Verletzung kann mit Berufung gerügt werden.

    2.4  Schliesslich ändert auch der Umstand nichts an der Zulässigkeit
der Berufung, dass das Bundesgericht die Anwendung des HZÜ bislang
soweit ersichtlich immer im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
überprüft hat. In einem Fall war eine Berufung nämlich ausgeschlossen,
weil keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne der Art. 44 ff. OG vorlag
(Urteil 4P.87/1999 vom 15. Juni 1999, E. 1a, publ. in: SJ 2000 I S. 90
[Wiedereinsetzung nach verpasster Rechtsmittelfrist]; vgl. auch BGE 129
III 107 E. 1.1.2, wo eine Verletzung des dem HZÜ sachverwandten Haager
Beweisübereinkommens [SR 0.274.132] im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde geprüft wurde, weil es sich beim dortigen Rechtshilfeverfahren
nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit handelte). Im anderen Fall lag
kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG vor (Urteil 5P.6/2001 vom
20. März 2001, E. 1b [staatsrechtliche Beschwerde gegen eine vorsorgliche
Massnahme]).

    Nicht einzutreten ist auf die Berufung hingegen insoweit, als der
Vorinstanz sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29
Abs. 2 BV) vorgeworfen wird, weil im angefochtenen Entscheid nicht auf den
Einwand eingegangen worden sei, die Zustellungen seien nicht formgerecht
vorgenommen worden. Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist
mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen (Art. 43 Abs. 1 Satz
2 und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Diesbezüglich steht eine Berufung nicht
zur Verfügung.

Erwägung 3

    3.  Die Beklagte macht geltend, die Zustellungen auf dem
Rechtshilfeweg seien unwirksam gewesen, weshalb die Vorinstanz nicht
hätte im Säumnisverfahren entscheiden dürfen. Zur Begründung führt sie
im Wesentlichen aus, das Rechtshilfegesuch an den für die Zustellung
zuständigen französischen Procureur de la République sei formell mangelhaft
gewesen (dazu E. 3.1). Weiter wirft sie der Vorinstanz vor, es sei versäumt
worden, die zuzustellenden Dokumente zu übersetzen (dazu E. 3.2).

    3.1  Zunächst ist zu prüfen, ob das Zustellungsersuchen in
formeller Hinsicht korrekt gestellt worden ist. Gemäss Art. 3 Abs. 1
HZÜ ist für das Zustellungsersuchen das Musterformular zu verwenden,
welches dem Haager Zustellungsübereinkommen als Anhang beigefügt ist.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten und aktenkundig, dass die Vorinstanz
für ihr Rechtshilfeersuchen das Musterformular verwendet hat. Ebenfalls
aktenkundig ist, dass die vorgedruckten Teile des Musterfomulars u.a. auch
in englischer und französischer Sprache abgefasst sind und insofern
den formellen Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 HZÜ entsprechen. Gemäss
Art. 7 Abs. 2 HZÜ sind die Eintragungen auf dem Musterformular in der
Sprache des ersuchten Staates bzw. in englischer oder französischer
Sprache zu machen. Im vorliegenden Fall hätten die Eintragungen auf
dem Rechtshilfeersuchen an den Procureur somit in französischer oder
englischer Sprache vorgenommen werden müssen. Diesen Anforderungen
entspricht das hier zu beurteilende Zustellungsersuchen nicht, weil
die Eintragung "Aufforderung zur Einreichung der Klageantwort innert
30 Tagen" bzw. "Nachfrist zur Einreichung der Klageantwort innert 10
Tagen" in deutscher - und nicht wie vorgeschrieben in französischer oder
englischer - Sprache abgefasst ist. Zutreffend weist die Beklagte somit
darauf hin, dass das Rechtshilfeersuchen in formeller Hinsicht nicht
korrekt gestellt wurde.

    Das formell mangelhafte Zustellungsersuchen bedeutet indessen
entgegen der Darstellung der Beklagten nicht ohne weiteres, dass auch
die eigentliche Zustellung unwirksam sei, wenn sie von der ersuchten
Behörde trotz der formellen Mängel des Ersuchens durchgeführt wurde. Für
den Fall eines Ersuchens, das nicht den Vorschriften des Übereinkommens
entspricht, sieht Art. 4 HZÜ nämlich nur vor, dass die ersuchte Behörde
die ersuchende Stelle unverzüglich unterrichtet und ihre Einwände im
Einzelnen anführt. Demgegenüber kann dem Übereinkommen nicht entnommen
werden, dass ein formell mangelhaftes Ersuchen, welchem die ersuchte
Behörde trotz der Mangelhaftigkeit entspricht, zu einer unwirksamen
Zustellung führt. Im Gegenteil wird in der Literatur die Meinung vertreten,
dass ein Vorgehen nach Art. 4 HZÜ nur dann angezeigt sei, wenn die
formellen Mängel nach Ansicht der ersuchten Behörde eine Zustellung
einstweilen verunmöglichten. Demgegenüber dürfe die Anhandnahme eines
Zustellungsersuchens nicht deshalb abgelehnt werden, weil nicht die
zutreffende Sprache verwendet worden sei, solange der ersuchten Behörde
der Inhalt des Ersuchens verständlich sei (THOMAS PIUS BISCHOF, Die
Zustellung im internationalen Rechtsverkehr in Zivil- oder Handelssachen,
Diss. St. Gallen 1997, S. 279 f. m.w.H.). Da der Procureur im vorliegenden
Fall durch die Vornahme der Zustellung zum Ausdruck gebracht hatte, dass
ihm der Inhalt des - formell an sich mangelhaften Ersuchens - verständlich
gewesen war, kann insofern nicht auf eine ungültige Zustellung geschlossen
werden.

    3.2  Es stellt sich damit nur die Frage, ob die von der ersuchten
Behörde vorgenommene eigentliche Zustellung korrekt durchgeführt
wurde. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob eine Übersetzung der
zuzustellenden Dokumente erforderlich gewesen wäre, wie die Beklagte
behauptet. Das Abkommen sieht zwei Formen von Zustellungen vor. Im
Vordergrund steht die einfache Übergabe im Sinn von Art. 5 Abs. 2
HZÜ. Bei einer formlosen Übergabe ist die Zustellung mit der Annahme
durch den Empfänger rechtsgültig. Der Empfänger kann jedoch die Annahme
verweigern, in welchem Fall eine förmliche Zustellung nach Art. 5 Abs. 1
HZÜ erforderlich ist. Wie dem Zustellungszeugnis entnommen werden kann,
ist die "Aufforderung zur Einreichung der Klageantwort innert 30 Tagen"
durch einfache Übergabe - "par remise simple" - erfolgt. Die gegenteilige
Behauptung der Beklagten, es sei eine förmliche Zustellung durch einen
öffentlichen Beamten vorgenommen worden, ist unzutreffend. Auch die
"Nachfrist zur Einreichung der Klageantwort innert 10 Tagen" ist durch
einfache Übergabe zugestellt worden. Auf jeden Fall wird weder behauptet
noch ergibt sich aus den Akten, dass dieses Dokument anders als die
"Aufforderung zur Einreichung der Klageantwort innert 30 Tagen" zugestellt
worden wäre.

    Weder bei einer Zustellung durch einfache Übergabe noch bei förmlicher
Zustellung ist nach dem Haager Zustellungsübereinkommen eine Übersetzung
vorgeschrieben. Bei einer förmlichen Zustellung nach Art. 5 Abs. 1 HZÜ
hat die ersuchte Behörde jedoch das Recht, gestützt auf Art. 5 Abs. 3 HZÜ
eine Übersetzung zu verlangen (BISCHOF, aaO, S. 305; Bundesamt für Justiz,
Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Wegleitung, Ausgabe 1996,
S. 9). Im Verhältnis zwischen Frankreich und der Schweiz sieht Art. 4 der
Erklärung für den Fall der förmlichen Zustellung ("Zustellung ... durch
öffentliche Beamte") zwingend eine Übersetzung vor, so dass die ersuchte
Behörde bei einer förmlichen Zustellung nicht nur das Recht hat, eine
Übersetzung zu verlangen (Art. 5 Abs. 3 HZÜ), sondern verpflichtet ist,
auf einer Übersetzung zu bestehen (Art. 4 Erklärung). Anders verhält es
sich demgegenüber bei einer Zustellung durch einfache Übergabe, wie sie im
vorliegenden Fall durchgeführt wurde. Wie die Beklagte selbst zutreffend
ausführt, erübrigt sich in diesem Fall eine Übersetzung (vgl. Bundesamt
für Justiz, aaO, S. 9). Folglich stellt das Fehlen einer Übersetzung
bei einer formlosen Zustellung durch einfache Übergabe keinen Mangel
dar (BISCHOF, aaO, S. 306, mit zahlreichen Hinweisen auf ausländische
Literatur und Rechtsprechung in Fn. 444). Die Behauptung der Beklagten,
es liege ein Zustellungsmangel vor, weil die Klage, die Aufforderung zur
Einreichung einer Klageantwort und die Nachfristansetzung zur Einreichung
einer Klageantwort nicht übersetzt zugestellt worden seien, ist somit
unzutreffend.

    3.3  Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das
Zustellungsersuchen insofern mangelhaft war, als die darauf vorgenommenen
Eintragungen nicht in französischer oder englischer Sprache abgefasst
waren. Da die ersuchte französische Behörde indessen die Zustellung wie
verlangt vorgenommen hat, obwohl das Ersuchen in formeller Hinsicht nicht
einwandfrei war, hat sie zum Ausdruck gebracht, dass für sie der Inhalt
des Ersuchens verständlich war (E. 3.1). Die eigentliche Zustellung
ist entgegen der Meinung der Beklagten nicht zu beanstanden. Wenn wie
im vorliegenden Fall durch einfache Übergabe zugestellt wird, ist eine
Übersetzung nicht erforderlich, so dass der Einwand, wegen fehlender
Übersetzung der zugestellten Dokumente liege ein Zustellungsmangel
vor, nicht überzeugt (E. 3.2). Damit erweist sich auch die Meinung als
unzutreffend, die Vorinstanz habe Art. 15 HZÜ verletzt, weil sie das
Verfahren nicht bis zur rechtswirksamen Zustellung ausgesetzt, sondern
im Säumnisverfahren entschieden habe. Da die Zustellungen rechtswirksam
vorgenommen wurden, bestand kein Anlass für das Handelsgericht, das
Verfahren auszusetzen.