Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 626



129 III 626

99. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Uzan gegen Motorola
Credit Corporation sowie Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer
(staatsrechtliche Beschwerde)

    4P.86/2003 vom 30. Juli 2003

Regeste

    Vollstreckung einer ausländischen vorsorglichen Sicherungsmassnahme;
Lugano-Übereinkommen (LugÜ).

    Begriff der englischen "Freezing (Mareva) Injunction" sowie der
englischen "world-wide Mareva Injunction" (E. 1). Überprüfungsbefugnis
des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen
mit dem Ausland (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG; E. 2). Begründungspflicht
des Beschwerdeführers (E. 4). Die englische "Freezing Injunction" ist ein
Entscheid im Sinne von Art. 25 LugÜ und kann in der Schweiz vollstreckbar
sein (Art. 31 Abs. 1 LugÜ; E. 5). Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bei der Anwendung des
LugÜ, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gehörsanspruch des Schuldners
(E. 5.2) und der Zuständigkeit zur Anordnung einstweiliger Massnahmen
(Art. 24 LugÜ; E. 5.3).

Sachverhalt

    A.- Die Motorola Credit Corporation (nachstehend Motorola
oder Beschwerdegegnerin), ist eine Tochtergesellschaft der im
Telekommunikationsbereich tätigen Motorola Inc., beides Gesellschaften
amerikanischen Rechts mit Sitz in den Vereinigten Staaten. Die
Muttergesellschaft belieferte die türkische Telsim Mobil Telekomünikasyon
Hizmetleri A.S. (nachstehend Telsim) über mehrere Jahre hinweg mit Hardware
für deren Mobilfunknetz, die Tochter besorgte Kreditfinanzierungen. Die
Telsim ihrerseits ist ein Glied der Rumeli-Gruppe (Rumeli Telefon
Sistemleri A.S.), welche von den Mitgliedern der Familie Uzan, darunter
auch Murat Hakan Uzan (Beschwerdeführer), gehalten wird.

    Im Zusammenhang mit einem in New York angehobenen Zivilprozess
erwirkte Motorola am 30. Mai 2002 beim High Court of Justice, Queens
Bench Division, Commercial Court, in London gegen Murat Hakan Uzan eine
Freezing Injunction, womit dessen Vermögenswerte bis zu einem Betrag von
200 Mio. US$ blockiert wurden.

    Anhang (Schedule) B. Ziff. 7 dieser Verfügung lautet:

      "The Applicant will not without the permission of the court seek to

       enforce this order in any country outside England and Wales or seek

       an order of a similar nature including orders conferring a charge or

       other security against the Respondent or the Respondent's assets."

    Am 12. November 2002 änderte der High Court die Injunction soweit
hier von Interesse wie folgt ab:

      "The Applicant will not, without the permission of the Court, seek to

       enforce this Order in any country outside England and Wales; or (ii)

       seek an Order of a similar nature (including Orders confirming a

       charge or other security against the Respondent or the Respondent's

       assets) from any Court outside England and Wales other than - a)

       United States District Court for the Southern District of New York,

       (b) the District Court of Darmstadt, Germany, (c) the Royal Court of

       Guernsey, Guernsey, (d) the District Court of Zurich, Switzerland,

       (e) the Tribunal de Commerce in Paris, France."

    B.- Mit Eingabe vom 12. November 2002 beantragte Motorola dem
Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich, den Entscheid
des High Court vom 30. Mai 2002 anzuerkennen und vollstreckbar zu erklären.
Gleichzeitig stellte sie drei Vollstreckungsbegehren bzw. Begehren um
sichernde Massnahmen der Vollstreckung. Mit zwei getrennten Verfügungen
vom 20. November 2002 wies der Einzelrichter sämtliche Begehren ab.

    Auf Rekurs von Motorola hob das Obergericht des Kantons Zürich,
II. Zivilkammer, am 31. März 2003 die Verfügung des Einzelrichters
betreffend Anerkennung und Vollstreckbarerklärung auf und erklärte die
Freezing Injunction vom 30. Mai 2002 für vollstreckbar. Die weitergehenden
Begehren, insbesondere diejenigen auf Anordnung sichernder Massnahmen,
wies es ab.

    C.- Murat Hakan Uzan führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag,
den Beschluss des Obergerichts insoweit aufzuheben, als die Freezing
Injunction für vollstreckbar erklärt wurde.

    Motorola schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

    Ein Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung wurde mit Präsidialverfügung vom 4. Juni 2003 abgewiesen.

    Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Die "Freezing Injunction" oder "Freezing Order" (nach
älterer Terminologie "Mareva Injunction" oder "Mareva Order") ist eine
vorsorgliche Sicherungsmassnahme englischen Rechts mit dem Hauptinhalt
eines persönlichen Verfügungsverbots über Vermögenswerte in einem
bestimmten Umfang (PETER A. STRAUB, Englische Mareva Injunctions
und Anton Piller Orders, SZIER 1992 S. 525 ff; ANDRÉ BLOCH/MARTIN
HESS, Discussion of the protective measures available under Swiss law
[attachment and provisional protective measure] with particular regard
to the recognition and enforcement of an English Mareva ["freezing"]
injunction in Switzerland, SZW 1999 S. 166 ff., 171; MARTIN BERNET,
Englische Freezing [Mareva] Orders - Praktische Fragen der Anerkennung
und Vollstreckung in der Schweiz, in: Spühler [Hrsg.], Internationales
Zivilprozess- und Verfahrensrecht, Zürich 2001, S. 51 ff.; STEPHEN V.
BERTI, Translating the "Mareva" - The enforcement of an English Freezing
Order in Zurich, in: "nur, aber immerhin", Festgabe für Anton K. Schnyder
zum 50. Geburtstag, Zürich 2002, S. 11 ff.).

    War ursprünglich Tatbestandsvoraussetzung einer Freezing Injunction,
dass die blockierten Vermögenswerte innerhalb der "jurisdiction" des High
Court präsent waren, hat die englische Rechtsprechung diese Voraussetzung
später aufgegeben und erkannt, dass dem Antragsgegner auch untersagt werden
kann, über sein weltweites Vermögen zu verfügen (so genannte world-wide
Mareva Injunction; vgl. CHRISTIAN ALBRECHT, Artikel 24 EuGVÜ und die
Entwicklung des einstweiligen Rechtsschutzes in England seit 1998, IPRax
1992 S. 184 ff.; ASTRID STADLER, Erlass und Freizügigkeit einstweiliger
Massnahmen im Anwendungsbereich des EuGVÜ, Deutsche Juristenzeitung [JZ]
1999 S. 1089 ff., 1090).

    Die hier zu beurteilende Freezing Injunction sah Rechtswirkungen
über England und Wales hinaus bereits in ihrer ursprünglichen Fassung
vom 30. Mai 2002 vor. Mit der Änderung bzw. Ergänzung vom 12. November
2002 wurde sie entsprechend konkretisiert.

Erwägung 2

    2.  Da die Sicherungsmassnahme von einem Vertragsstaat ausging,
wird ihre Vollstreckung in der Schweiz durch das Übereinkommen
vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.11) geregelt. Der Beschwerdeführer
rügt eine rechtsfehlerhafte Anwendung dieses Übereinkommens, erhebt somit
eine Staatsvertragsbeschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. c OG.

    Bei Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland
prüft das Bundesgericht die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen nur
unter dem beschränkten Blickwinkel der Willkür, die Rechtsanwendung
dagegen frei (BGE 129 I 110). Dies schliesst nach zürcherischem Recht die
Nichtigkeitsbeschwerde gegen eine staatsvertragliche Rechtsanwendung aus (§
285 Abs. 1 und 2 ZPO/ZH; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen
Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 16 ff. zu § 285). Insoweit
ist somit der kantonale Instanzenzug erschöpft und auf die staatsrechtliche
Beschwerde unter dem Aspekt ihrer relativen Subsidiarität einzutreten.

    (...)

Erwägung 4

    4.  Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wendet das
Bundesgericht auch bei freier Kognition das Recht nicht umfassend von
Amtes wegen an, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der rechtsgenüglich
erhobenen und begründeten Rügen (BGE 129 I 113 E. 2.1, 185 E. 1.6; 128 I
354 E. 6c; 127 I 38 E. 3c). Entsprechend beschränkt sich das vorliegende
Verfahren auf eine Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer gegen
die Vollstreckbarerklärung des Obergerichts vorgetragenen Rügen.

Erwägung 5

    5.  Die in einem Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens ergangenen
Entscheidungen werden in jedem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn
sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden
sind (Art. 31 Abs. 1 LugÜ). Als Entscheide im Sinne dieser Bestimmung
gelten in Verbindung mit Art. 25 LugÜ auch Anordnungen des einstweiligen
Rechtsschutzes, allerdings mit gewissen Einschränkungen (statt aller
GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl.,
Bern 2002, S. 405).

    Als Entscheid im Sinne von Art. 25 LugÜ hat im Grundsatz ebenfalls
die englische Freezing Injunction zu gelten (ISAAK MEIER, Besondere
Vollstreckungstitel nach dem Lugano-Übereinkommen, in: Schwander [Hrsg.],
Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen 1990, S. 157 ff., 181; STRAUB, aaO,
S. 525 ff., 543; LAWRENCE COLLINS, Provisional and Protective Measures in
International Litigation, in: Collected Courses of the Hague Academy of
International Law, Bd. 234 [1992 III], S. 127; DANIEL STOLL, Die britische
Mareva-Injunction als Gegenstand eines Vollstreckungsbegehrens unter dem
Lugano-Übereinkommen, SJZ 92/1996 S. 104 ff.; YVES DONZALLAZ, La Convention
de Lugano, Bd. II, Bern 1997, Rz. 2448 ff., S. 264 f.; BERNET, aaO, S. 65;
BLOCH/HESS, aaO, S. 177 f.; BERTI, aaO, S. 11). Davon geht zutreffend
auch der Beschwerdeführer aus. Er bringt indessen vor, das Obergericht
habe staatsvertragliche Vollstreckbarkeitshindernisse missachtet.

    5.1  Der Beschwerdeführer macht einmal geltend, die am 30. Mai 2002
erlassene Freezing Injunction sei nach dem Recht des Ursprungsstaates in
der Schweiz nicht vollstreckbar. Er schliesst dies aus Anlage (Schedule)
B Ziff. 7 der ursprünglichen Entscheidung, wonach ohne Zustimmung des
High Court eine Vollstreckung ausserhalb von England und Wales nicht
statthaft sei (vgl. lit. A hiervor).

    Die Auslegung von Urteilssprüchen hat unter Beizug der Urteilsgründe
zu erfolgen (BGE 116 II 614 E. 5a; 115 II 187 E. 3c; 101 II 374 E. 1; 93
II 40 E. 4). Aus den Erwägungen des Obergerichts ergibt sich zweifelsfrei,
dass es nicht allein auf die ursprüngliche Fassung der Freezing Injunction
vom 30. Mai 2002 abstellte, sondern deren Abänderung vom 12. November 2002
mitberücksichtigte. Danach aber wurde eine Vollstreckung der Injunction
in Zürich ausdrücklich zugelassen (lit. A hiervor). Der Einwand des
Beschwerdeführers, die Injunction selbst schliesse ihre Vollstreckung in
der Schweiz aus, ist daher offensichtlich unbegründet.

    5.2  In zweiter Linie macht der Beschwerdeführer geltend, die Freezing
Injunction sei in der Schweiz nicht vollstreckbar, weil die Abänderung
vom 12. November 2002 ohne seine Anhörung ergangen sei. Er beruft sich auf
die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH).

    5.2.1  Das Lugano-Übereinkommen schliesst sich als
Parallelübereinkommen sehr eng an das für die Mitglieder der Europäischen
Union erlassene Brüsseler Übereinkommen (Europäisches Übereinkommen
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968;
EuGVÜ) sowie an die dieses Abkommen für die Vertragsstaaten der EU (mit
Ausnahme von Dänemark) ersetzende Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom
22. Dezember 2000 an (EuGVO; in Kraft seit 1. März 2002). Damit besteht
Bedarf nach einer harmonisierten Auslegung der aufeinander abgestimmten
Normen. Folgerichtig verpflichtet Art. 1 des Protokolls Nr. 2 zum
Lugano-Übereinkommen die Gerichte der Vertragsstaaten, bei der Anwendung
und Auslegung der Staatsvertragsbestimmungen den Grundsätzen gebührend
Rechnung zu tragen, die in massgebenden Entscheidungen von Gerichten der
anderen Vertragsstaaten entwickelt worden sind. Dies gilt in besonderem
Masse auch für die Rechtsprechung des EuGH (BGE 125 III 451 E. 3b S. 456).

    Nach der Rechtsprechung des EuGH sind gerichtliche Entscheidungen,
durch welche einstweilige oder auf eine Sicherheit gerichtete Massnahmen
angeordnet werden, dann nicht nach den Vorschriften des Brüsseler
Übereinkommens anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn sie ohne Ladung
des Schuldners ergangen sind oder ohne Zustellung an ihn vollstreckt
werden sollen (grundlegend das Urteil vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache
125/79, Denilauler gegen Couchet, Slg. 1980, S. 1553 ff.). Einstweilige
Verfügungen, die lediglich auf Antrag einer Partei ergangen sind, ohne
dass der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt wurde (so genannte ex
parte Verfügungen oder Superprovisorien im Gegensatz zu den inter partes
Verfügungen), sind nach dieser Rechtsprechung nicht gemäss Brüsseler
Übereinkommen anerkennungspflichtig und müssen daher im Ausland nicht zur
Vollstreckung zugelassen werden. Der Grund für diese Beschränkung liegt
nach Auffassung des Gerichtshofs darin, dass nach Sinn und Zweck sowie der
Systematik des Übereinkommens in allen Verfahren, die zu anerkennungs-
und vollstreckungsfähigen gerichtlichen Entscheidungen führen, der
Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren ist (E. 12 f. der Entscheidung;
vgl. auch Art. 27 Ziff. 2 LugÜ). Unter dieser Rechtsauffassung lässt
sich der solchen Massnahmen eigene und typische Überraschungseffekt nur
verwirklichen, wenn ihr Erlass im Vollstreckungsstaat selbst beantragt
wird (WALTER, aaO, S. 499; KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht,
7. Aufl., Heidelberg 2002, N. 23 zu Art. 32 EuGVO).

    Die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Frage wird in der Literatur
kontrovers diskutiert (zustimmend oder unkritisch referierend etwa:
KROPHOLLER, aaO, N. 22 zu Art. 31 EuGVO; PETER F. SCHLOSSER, EuGVÜ,
Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen mit
Luganer Übereinkommen und den Haager Übereinkommen über Zustellung
und Beweisaufnahme, München 1996, N. 6 zu Art. 25 EuGVÜ; MEIER, aaO,
S. 177 f.; BERNET, aaO, S. 64; RAINER HAUSMANN, Zur Anerkennung und
Vollstreckung von Massnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen
des EG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, IPRax 1981
S. 79 ff.; STRAUB, aaO, S. 542 f.; BLOCH/HESS, aaO, S. 173 ff.; DIETMAR
CZERNICH/STEFAN TIEFENTHALER, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel,
Wien 1997, N. 6 zu Art. 24 und N. 9 zu Art. 25 EuGVÜ/LugÜ; GEROLD
ZEILER, in: Bajons/Mayr/Zeiler [Hrsg.], Die Übereinkommen von Brüssel und
Lugano, Wien 1997, S. 241; eher kritischer dagegen derselbe, Europäische
Sicherungsverfahren: Die Regelungen der Europäischen Gerichtsstands- und
Vollstreckungsübereinkommen über einstweilige Massnahmen, Österreichische
Juristische Blätter [Jbl] 118/1996 S. 635 ff. mit weiteren Hinweisen;
kritisch etwa: REINHOLD GEIMER, Anerkennung ausländischer Entscheidungen
in Deutschland, München 1995, S. 170 f.; REINHOLD GEIMER/ROLF A.
SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, München 1997, N. 35 zu
Art. 25 EuGVÜ/LugÜ mit Hinweisen; ANDREAS SCHMUTZ, Massnahmen des
vorsorglichen Rechtsschutzes im Lugano-Übereinkommen aus schweizerischer
Sicht, Diss. Bern 1993, S. 125 ff.; differenziert etwa: DONZALLAZ, aaO,
Bd. II, Rz. 2152 ff., S. 172 ff.; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Les Conventions
de Bruxelles et de Lugano, 2. Aufl., Paris 1996, S. 231 f.).

    Ungeachtet der daran geübten Kritik ist die Rechtsprechung des EuGH
indessen für die Gerichte der Mitgliedstaaten des EuGVÜ bzw. der EuGVO
aufgrund der Vorabentscheidungsbefugnis des Gerichtshofs (Art. 68 Abs. 1
EuGVO in Verbindung mit Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft [EGV]) verbindlich.

    Zwar besteht keine entsprechende Auslegungsbefugnis des EuGH
zum Lugano-Übereinkommen, doch sind - wie oben dargelegt - seine
Entscheidungen gemäss Art. 1 des Protokolls Nr. 2 und nach den Grundsätzen
der autonomen und einheitlichen Auslegung von Staatsvertragsrecht auch im
Anwendungsbereich des Parallelübereinkommens zu beachten. Dies unbesehen
der Streitfrage, ob die vor 1988 ergangenen EuGH-Entscheidungen nicht
ohnehin verbindliche Wirkung für die Auslegung des Lugano-Übereinkommens
zeitigen (vgl. dazu DONZALLAZ, aaO, Bd. I, Bern 1996, Rz. 557 ff., S.
242 ff.; KROPHOLLER, aaO, Einleitung, N. 71 ff.). Entsprechend haben
die EFTA-Staaten denn auch am 16. September 1988 eine Erklärung abgegeben,

      "dass sie es für angezeigt halten, dass ihre Gerichte bei der

       Auslegung des Luganer Übereinkommens den Grundsätzen gebührend

       Rechnung tragen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes

       der Europäischen Gemeinschaften ... zu denjenigen Bestimmungen

       des Brüsseler Übereinkommens ergeben, die in ihrem wesentlichen

       Gehalt in das Luganer Übereinkommen übernommen worden sind"
(SR 0.275.11, [S. 40]). Die hier interessierenden Art. 24 und 25 stimmen
im Lugano- und im Brüsseler Übereinkommen wörtlich überein (heute
Art. 31 und 32 EuGVO, mit den einzigen Änderungen, dass an die Stelle
des Begriffs des "Übereinkommens" derjenige der "Verordnung" getreten
ist und in Art. 32 der Begriff des "Urkundsbeamten" durch denjenigen des
"Gerichtsbediensteten" ersetzt wurde). Es besteht daher keine Veranlassung,
in der hier zu beurteilenden Frage von der Rechtsprechung des EuGH
abzuweichen. Die entspricht denn auch der zu dieser Frage herrschenden
schweizerischen Auffassung (vgl. etwa VOLKEN, Das Lugano-Übereinkommen -
Entstehungsgeschichte und Regelungsbereich, in: Schwander vgt., S. 37 ff.,
54 ff; WALTER, aaO, S. 499; BERNET, aaO, S. 64; SCHMUTZ, aaO, S. 5 ff.;
BERTI, aaO, S. 17/18; zurückhaltender DONZALLAZ, aaO, Bd. I).

    5.2.2  Der Beschwerdeführer anerkennt, dass ihm bezüglich der Freezing
Injunction vom 30. Mai 2002 das - nachträgliche - rechtliche Gehör gewährt
wurde. Eine die Vollstreckung hindernde Gehörsverweigerung erblickt er
jedoch darin, dass der High Court das Verbot, die Injunction ausserhalb
von England und Wales vollstrecken zu lassen, erst mit Verfügung vom
12. November 2002 aufgehoben habe, zu welcher Verschlechterung seiner
Rechtsstellung er weder vorgängig noch nachträglich angehört worden sei.

    Die Rüge ist unbegründet und zwar aus einem doppelten Grund:
Einmal geht der Beschwerdeführer selbst und zu Recht davon aus, dass ihm
gegenüber in Bezug auf die Freezing Injunction vom 30. Mai 2002 das einer
transnationalen Vollstreckbarkeit vorausgesetzte rechtliche Gehör gewährt
wurde. Bereits diese ursprüngliche Anordnung aber sah die Möglichkeit
ihrer Vollstreckung ausserhalb von England und Wales ausdrücklich vor,
machte sie bloss von einer Bewilligung des High Court abhängig (Schedule
B Ziff. 7). Mithin war für den Beschwerdeführer eine Vollstreckung der
Injunction im Ausland voraussehbar und hatte er die Möglichkeit, sich in
seinem Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung der Massnahme auch dazu zu
äussern. Dies aber genügte, seinen Gehörsanspruch zu wahren. Von einem
staatsvertraglich verpönten Überraschungseffekt kann nicht die Rede sein.

    Sodann hält der Beschwerdeführer ebenfalls zu Recht fest, dass der nach
der europäischen Rechtsprechung garantierte Gehörsanspruch nicht unbedingt
vor Erlass der einstweiligen Verfügung gewährt werden muss. Der EuGH hat in
diesem Sinne namentlich in zwei Entscheiden eine Vollstreckbarerklärung
zugelassen, auch wenn der Betroffene erst nach Erlass der Verfügung
die Möglichkeit hatte, sich in einem Anfechtungsverfahren dagegen
zur Wehr zu setzen. In der einen Entscheidung (vom 16. Juni 1981 in
der Rechtssache 166/80, Klomps gegen Michel, Slg. 1981, S. 1593 ff.)
wurde die Zulässigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs ex post durch
die Erhebung eines Widerspruchs gegen einen im deutschen Mahnverfahren
ergangenen Zahlungsbefehl bejaht (dazu HEINRICH NAGEL, IPRax 1982 S. 5
ff.), in der andern (vom 27. November 1984 in der Rechtssache 258/83,
Brennero gegen Wendel, Slg. 1984, S. 3971 ff.) wurde ein italienischer
Arrest ohne weiteres als in Deutschland vollstreckbar erachtet, obgleich
er vorerst bloss auf einseitigen Antrag angeordnet, nach Anhörung des
Gegners jedoch bestätigt wurde (dazu PETER SCHLOSSER, IPRax 1985 S. 321
ff.). Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass der Anspruch auf
rechtliches Gehör nach Massgabe des Lugano-Übereinkommens nicht verletzt
ist, wenn einstweilige Massnahmen ohne vorherige Anhörung des Gegners
ergehen, vorausgesetzt, dass die Sicherung gefährdeter Interessen dies
rechtfertigt und der Gegner dadurch gesichert ist, dass er die erlassene
Massnahme angreifen kann (ZEILER, Jbl, aaO, S. 641 unter Hinweis auf
ANKE EILERS, Massnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im europäischen
Zivilrechtsverkehr, Bielefeld 1991, S. 284).

    Die Verfügung des High Court vom 12. November 2002 enthält - wie
inhaltlich gleich lautend diejenige vom 30. Mai 2002 - folgende Bestimmung
(Ziff. 2):

      "This Order was made without notice to the Defendants, who have a

       right to apply to the Court to vary or discharge this Order (see

       paragraph 4 below)."

    Damit wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör
im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH hinreichend gewahrt. Aus
der Sicht des schweizerischen Rechts besteht kein Anlass zu einem
weitergehenden Schutz dieses Anspruchs.

    5.2.3  Daran ändert entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
nichts, dass die Beschwerdegegnerin in Anhang (Schedule) 1 Ziff. 2
der Verfügung des High Court vom 12. November 2002 verpflichtet
wurde, das Gesuch um Vollstreckbarerklärung dem Bezirksgericht Zürich
noch gleichentags einzureichen, und dass der Beschwerdeführer vor der
erstinstanzlichen Behandlung des Gesuchs keine Kenntnis von der Verfügung
hatte, mithin auch keine Möglichkeit, dem High Court deren Änderung oder
Aufhebung vor dem Entscheid über die Vollstreckbarkeit in der Schweiz
zu beantragen.

    Eine im Ausland ergangene Entscheidung kann in der Schweiz
grundsätzlich keine weitergehende Wirkung entfalten als im Urteilsstaat
(BGE 120 II 83 E. 3a/bb mit Hinweisen), denn die Anerkennung kann nur
Wirkungen erstrecken, nicht aber neue schaffen (WALTER, aaO, S. 355). Ob
die Vollstreckbarerklärung ebenfalls im schweizerischen Recht eine
weitergehende, konstitutive Wirkungsverleihung in dem Sinne zeitigt,
dass die inländische Vollstreckbarkeit aus Gründen der Rechtssicherheit
auch dann bestehen bleibt, wenn sie im Urteilsstaat, beispielsweise durch
Aufhebung des Urteils, verloren geht, kann hier offen bleiben (so die
herrschende Auffassung zum deutschen Recht; vgl. GEIMER/SCHÜTZE, aaO,
N. 2 zu Art. 31 EuGVÜ/LugÜ; GEIMER, aaO, S. 163; zum schweizerischen Recht
TEDDY SVATOPLUK STOJAN, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer
Zivilurteile in Handelssachen, Diss. Zürich 1986, S. 7 ff. und 178
ff.). Die vorsorglichen Massnahmen, insbesondere die auf Sicherung
gerichteten, sind ihrem Wesen nach befristet und bezwecken keine endgültige
Bereinigung einer Rechtslage. Grundsätzlich fallen sie mit der Rechtskraft
des Endentscheids dahin und können, weil sie selbst nicht der Rechtskraft
fähig sind, im Allgemeinen auch jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden
(MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979,
S. 574 ff.; VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl., Bern
2001, S. 359). Diese besondere Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung
aber erfasst auch die dazu bewirkte Vollstreckbarerklärung. Die mit
ihr verliehenen Wirkungen sind in dem Sinne akzessorisch, als sie auch
zeitlich nicht über die im Urteilsstaat angeordneten Sicherungsmassnahmen
hinausreichen können, andernfalls ihr vorsorglicher Charakter verloren
ginge. Mit Hinfall der Massnahme verlieren daher die Vollstreckbarerklärung
und die allenfalls im Inland bewirkten Sicherungsmassnahmen Rechtfertigung
und Bestand. So würde es sich auch im vorliegenden Fall verhalten, wenn
beispielsweise der High Court einem Aufhebungs- oder Abänderungsbegehren
des Beschwerdeführers stattgegeben und die Freezing Injunction aufgehoben
oder in ihrer territorialen Wirkung beschränkt und die Schweiz davon
ausgenommen hätte. Die Wirkungen der schweizerischen Vollstreckbarerklärung
wären diesfalls dahingefallen.

    5.2.4  Damit aber wurde der Gehörsanspruch des Beschwerdeführers
auch bezogen auf die Verfügung des High Court vom 12. November 2002
hinreichend gewährleistet.

    5.3  In dritter Linie macht der Beschwerdeführer geltend,
der Vollstreckbarkeit der Freezing Injunction in der Schweiz stehe
die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 24 LugÜ entgegen, weil danach
Massnahmeentscheide nur dann unter diese Bestimmung fielen, wenn zwischen
dem territorialen Zuständigkeitsbereich des Massnahmegerichts und den
betroffenen Vermögenswerten eine reale Verknüpfung bestehe.

    5.3.1  Nach Art. 24 LugÜ können die im Recht eines Vertragsstaats
vorgesehenen einstweiligen Massnahmen einschliesslich solcher, die auf
eine Sicherung gerichtet sind, bei den Gerichten dieses Staates auch dann
beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht
eines andern Vertragsstaats zuständig ist.

    Der EuGH hat mit Urteil vom 17. November 1998 zu Art.  24 EuGVÜ
soweit hier von Interesse Folgendes erkannt: Einmal setze die auto nome
Anwendung der Bestimmung voraus, dass zwischen dem Gegenstand dieser
Massnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats
des angerufenen Gerichts eine reale Verknüpfung bestehe. Sodann sei die
Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung
nur dann eine einstweilige Massnahme im Sinne dieser Bestimmung, wenn die
bei entsprechendem Ausgang des Hauptprozesses geschuldete Rückzahlung des
vorläufig zugesprochenen Betrags gewährleistet sei und die beantragte
Massnahme nur bestimmte Vermögensgegenstände betreffe, die sich im
örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befänden oder
befinden müssten (u.a. Urteil vom 17. November 1998 in der Rechtssache
C-391/95, Van Uden Maritime BV gegen Deco-Line, Slg. 1998, I-7091 ff.,
Leitsätze 4 und 5). In einem Urteil vom 27. April 1999 hat der EuGH diese
Rechtsprechung, namentlich zu den so genannten Leistungsverfügungen,
bestätigt (Urteil vom 27. April 1999 in der Rechtssache C-99/96, Mietz
gegen Intership Yachting Sneek BV, Slg. 1999, I-2277 ff., Leitsatz 2). Im
erstgenannten Entscheid standen Begriff und Zuständigkeit der einstweiligen
Massnahme im Vordergrund, im zweitgenannten die Freizügigkeit bestimmter
Anordnungen.

    Im vorliegenden Verfahren steht keine Leistungsverfügung
zur Beurteilung. Der Beschwerdeführer macht indessen geltend,
der Vollstreckbarerklärung über die Freezing Injunction stehe die
Rechtsprechung des EuGH deshalb entgegen, weil die erforderliche reale
Verknüpfung zwischen der gebietsbezogenen englischen Zuständigkeit und
den blockierten Vermögenswerten fehle, soweit diese ausserhalb von England
und Wales lägen.

    Das Obergericht hält dafür, die Entscheidungen Van Uden und
Mietz könnten nicht unbesehen herangezogen werden, weil Gegenstand
der Vollstreckbarerklärung nicht vorsorgliche Leistungsmassnahmen
seien. Zwar ist richtig, dass die beiden Entscheidungen im Zusammenhang
mit Leistungsverfügungen ergingen und auch auf solche ausgerichtet sind
(vgl. BGE 125 III 451 E. 3b; BERNET, aaO, S. 65 ff.), doch beschränken
sie sich inhaltlich jedenfalls nicht ausdrücklich darauf, sondern
enthalten allgemeine Aussagen zu Begriff und Freizügigkeit einstweiliger
Massnahmen. Das Hauptanliegen des Gerichtshofs liegt nach den allerdings
weiterhin Fragen offen lassenden Entscheidungen (vgl. MONIQUE JAMETTI
GREINER, Grundsätzliche Probleme des vorsorglichen Rechtsschutzes aus
internationaler Sicht, in: Spühler [Hrsg.], Vorsorgliche Massnahmen aus
internationaler Sicht, Zürich 2000, S. 11 ff., 27 ff.; BURKHARD HESS/GREGOR
VOLLKOMMER, Die begrenzte Freizügigkeit einstweiliger Massnahmen
nach Art. 24 EuGVÜ, IPRax 1999 S. 220 ff., 225) augenfällig darin zu
verhindern, dass über die weitgefasste Verweisungsnorm von Art. 24 EuGVÜ
die vertragseigene Zuständigkeitsordnung durch nationale Gerichtsstände,
namentlich die exorbitanten Gerichtsstände gemäss Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ,
unterlaufen und - insbesondere im Recht der Leistungsurteile - ein
staatsvertragswidriges "forum-shopping" ermöglicht wird (Entscheidungen Van
Uden Randnr. 46 und Mietz Randnr. 47; JAMETTI GREINER, aaO; WALTER, aaO,
S. 501; HESS/VOLLKOMMER, aaO, S. 222; HESS, Die begrenzte Freizügigkeit
einstweiliger Massnahmen im Binnenmarkt II - weitere Klarstellungen des
Europäischen Gerichtshofs, IPRax 2000 S. 370 ff., 374; STADLER, aaO,
S. 1093). Im Lichte dieser Zielsetzungen ist die Rechtsprechung des EuGH
auch für den Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens umzusetzen.

    5.3.2  Die herrschende Auffassung ging von jeher dahin, dass ein
nach den Regeln des Übereinkommens (Art. 2 sowie 5-18 EuGVÜ/LugÜ)
in der Hauptsache zuständiges Gericht gleichsam automatisch auch
die Eilzuständigkeit beanspruchen könne (STADLER, aaO, S. 1092 mit
Hinweisen in Fn. 41). In der Van Uden-Entscheidung hat sich der EuGH
dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen und erkannt, dass diese
Zuständigkeit nicht von weiteren Voraussetzungen abhängt (Randnr. 19 und
22). In der Mietz-Entscheidung hat er diese Rechtsprechung bestätigt
(Randnr. 41 mit hier nicht interessierenden Einschränkungen für die
Leistungsverfügungen in Randnr. 42). Dabei ist unerheblich, ob das nach
dem Übereinkommen zuständige Gericht mit der Hauptsache befasst ist oder
nicht; die virtuelle Zuständigkeit dazu genügt, sie auch voraussetzungslos
für die Anordnung einstweiliger Sicherungsmassnahmen zu begründen
(Entscheidung Van Uden Randnr. 29 und 34; Entscheidung Mietz Randnr.
40; STADLER, aaO, S. 1092). Dagegen kommt nach dieser Rechtsprechung
eine allein auf Art. 24 EuGVÜ/LugÜ in Verbindung mit nationalem Recht
gestützte Zuständigkeit der Gerichte eines Vertragsstaats zum Erlass
vorsorglicher Massnahmen nur in Betracht, wenn "zwischen dem Gegenstand
der beantragten Massnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des
Vertragsstaats des angerufenen Gerichts eine reale Verknüpfung besteht"
(Entscheidung Van Uden Randnr. 40). Mit andern Worten besteht das
Erfordernis der "realen Verknüpfung" einzig für Sicherungsmassnahmen,
die nicht von einem nach den Bestimmungen des LugÜ für die Hauptsache -
virtuell - zuständigen Gericht ausgehen (HESS/VOLLKOMMER, aaO, S. 221 f.;
STADLER, aaO, S. 1092 f.; ULRICH SPELLENBERG/STEFAN LEIBLE, Anmerkung zu
den Van Uden- und Mietz-Entscheidungen, in: Zeitschrift für Zivilprozess
International [ZZPInt] 1999, S. 221 ff., 229).

    Das bedeutet, dass auch unter der jüngeren Rechtsprechung des EuGH
grenzüberschreitende Unterlassungsverfügungen im Sinne der englischen
world-wide Mareva (Freezing) Injunction gegenüber in einem Vertragsstaat
domizilierten Personen von einem nach Art. 2 oder 5-18 LugÜ zuständigen
Hauptsachengericht mit transnationalem Vollstreckbarkeitsanspruch erlassen
werden können, unbesehen darum, ob das Massnahmegericht mit der Hauptsache
befasst ist oder nicht (STADLER, aaO, S. 1093; a.A. allenfalls KROPHOLLER,
aaO, N. 8 zu Art. 31 EuGVO, ausdrücklich allerdings nur mit Bezug auf
Leistungsverfügungen).

    5.3.3  Die Zuständigkeitsnormen des Lugano-Übereinkommens gelten
unbesehen deren Staatsangehörigkeit für alle Personen, die ihren Wohnsitz
oder Sitz in einem Vertragsstaat haben (grundlegend Art. 2 LugÜ). Beklagte,
die nicht in einem Vertragsstaat domiziliert sind, können sich - von
hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen (dazu GAUDEMET-TALLON, aaO,
S. 56 Rz. 79) - nicht auf die Zuständigkeitsgarantien des Übereinkommens
berufen, sondern unterstehen dem innerstaatlichen Recht des mit der
Streitsache befassten Gerichts (Art. 4 Abs. 1 LugÜ). Die Vertragsstaaten
sind allerdings verpflichtet, auch solche Entscheide nach Massgabe der
Art. 27 ff. LugÜ anzuerkennen und zu vollstrecken (GEIMER/SCHÜTZE, aaO,
N. 7 zu Art. 4 EuGVÜ/LugÜ; WALTER, aaO, S. 397 f.).

    Der Beschwerdeführer beansprucht keinen Wohnsitz in einem
Vertragsstaat. Er kann sich daher nicht auf die Garantien nach
der Van Uden- und der Mietz-Rechtsprechung des EuGH berufen, wenn
diese - wie dargelegt - teleologisch darauf ausgerichtet sind, der
Zuständigkeitsordnung des Lugano-Übereinkommens für Personen mit Wohnsitz
oder Sitz in einem Vertragsstaat bestmöglich zum Durchbruch zu verhelfen
(E. 5.3.2 hiervor). Die beanspruchte "reale Verknüpfung" ist daher für
Personen ohne Wohnsitz in einem Vertragsstaat nicht Voraussetzung einer
Vollstreckbarerklärung.

    Hinzu kommt, dass der englische Richter, welcher die Freezing
Injunction vom 30. Mai 2002 am 22. Juli 2002 in Abweisung eines
Aufhebungsantrags des Beschwerdeführers und dreier Streitgenossen
bestätigte, ausdrücklich die staatsvertragliche Zuständigkeit aus
dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft bejahte (Art. 6 Ziff. 1
LugÜ), weil einer der Streitgenossen Wohnsitz und Vermögen in England
und ein anderer dort ebenfalls Vermögen präsent hatte. Diese virtuelle
Hauptsachenzuständigkeit aber begründet nach dem Gesagten voraussetzungslos
auch die Eilzuständigkeit.

    Damit entfällt gegenüber dem Beschwerdeführer so oder anders das
Erfordernis der "realen Verknüpfung" von territorialer Zuständigkeit
und Vermögen für die Vollstreckbarerklärung der Freezing Injunction und
erweist sich die entsprechende Rüge als unbegründet.

    5.4  Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die Freezing
Injunction sei zu unbestimmt gehalten, um vollstreckbar erklärt zu werden.

    Der Beschwerdeführer gibt nicht an, gegen welche Bestimmung des
Lugano-Übereinkommens die inhaltliche Ausgestaltung der Freezing Injunction
verstösst, und genügt daher seiner Substanziierungspflicht kaum (Art. 90
Abs. 1 lit. b OG).

    Im Übrigen ist die Rüge unbegründet. Die beanstandeten Bestimmungen
in Ziff. 11 Abs. 1 und 2 der Injunction, lautend

      "(1) This order does not prohibit the Respondent from spending £

       10,000 a week towards his ordinary living expenses and also a

       reasonable sum a week on legal advice and representation. But before

       spending any money the Respondent must tell the Applicant's legal

       representatives where the money is to come from.  (2) This order

       does not prohibit the Respondent from dealing with or disposing

       of any of his assets in the ordinary and proper course of business."
sind hinreichend klar, um im Rahmen der Gesamtverfügung vollstreckbar
erklärt zu werden, sind aber, wie das Obergericht festgehalten hat,
allenfalls inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, um eine Grundlage für
sichernde Massnahmen im Sinne von Art. 39 Abs. 2 LugÜ und eine damit
verbundene Strafandrohung (Art. 292 StGB) abzugeben. Solche Massnahmen
sind indessen im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu beurteilen.

    Das normative Bestimmtheitsgebot steht damit der angefochtenen
Vollstreckungserklärung staatsvertraglich nicht entgegen.