Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 580



129 III 580

92. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. K. gegen Ehegatten
B. (Berufung)

    5C.22/2003 vom 7. Juli 2003

Regeste

    Art. 519 ff. ZGB; Ungültigkeit oder Nichtigkeit eines
Testamentszusatzes.

    Fall einer Einfügung in das Testament unter einer vorhandenen
Unterschrift. Steht fest, dass die Einfügung vom Erblasser stammt und
dass sie dessen Willen entspricht, ist sie gültig.

Sachverhalt

    Die im Alter von fünfundachtzig Jahren verstorbene E. hinterliess drei
Testamente sowie einen Zettel des Inhalts "Barockschrank an B.". Im letzten
von E. verfassten Testament war mit schwarzem Filzstift eingefügt worden:
"8. Was übrig bleibt gehört B. und Ehefrau".

    K. (Kläger), ein Grossvetter von E., erhob Klage gegen die Ehegatten
B. (Beklagte) und beantragte unter anderem den erwähnten Zusatz im
Testament für ungültig zu erklären, soweit er als letztwillige Verfügung
zu qualifizieren wäre. Die kantonalen Gerichte wiesen die Klage ab. Sie
verneinten die geltend gemachte Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung
und lehnten die beantragte Ungültigerklärung wegen Versäumnis der
Klagefrist ab.

    Mit eidgenössischer Berufung erneuert K. sein Begehren vor
Bundesgericht. Nach Abweisung der von K. gleichzeitig gegen das nämliche
Urteil erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde weist das Bundesgericht
auch die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Die Vorinstanz hat die Gültigkeit des fraglichen Zusatzes
sowohl unter tatsächlichen Gesichtspunkten - durch Einholung einer
Schriftexpertise, derzufolge der Zusatz mit hoher Wahrscheinlichkeit von
der Erblasserin stammt - als auch in rechtlicher Hinsicht geprüft und
ist zum Ergebnis gekommen, es liege jedenfalls keine Nichtigkeit vor. Der
Kläger beanstandet dies vorab unter Hinweis auf das Fehlen von Ortsangabe,
Datum und Unterschrift bezüglich des Zusatzes.

    1.1  Das Fehlen von Ortsangabe und Datum führt von vornherein nicht
zu einer Nichtigkeit des Testamentszusatzes, da seit dem 1. Januar 1996
für die Gültigkeit des Testaments die Ortsangabe nicht mehr und das
Datum nur noch unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich ist. Die
entsprechenden Art. 505 Abs. 1 und Art. 520a ZGB sind auch auf vor dem
1. Januar 1996 errichtete Testamente anwendbar, falls der Erblasser nach
diesem Zeitpunkt verstorben ist (vgl. Art. 16 Abs. 2 SchlT ZGB und dazu
BGE 42 II 571 Nr. 91). Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das
Erfordernis zeitlicher Angaben im konkreten Fall erfüllt sind, wird in
der Berufung nicht dargelegt.

    1.2  Was das Fehlen der Unterschrift betrifft, so kann dies, je nach
den weiteren konkreten Umständen des Einzelfalls, zu einer Nichtigkeit
des Testamentes führen (RIEMER, Nichtige [unwirksame] Testamente und
Erbverträge, in: Festschrift Keller, Zürich 1989, S. 245 ff., 254;
vgl. auch BREITSCHMID, Testament und Erbvertrag - Formprobleme, in:
Testament und Erbvertrag, Bern 1991, S. 27 ff., 63 f., und FORNI/PIATTI,
Basler Kommentar, 2003, N. 4 zu Art. 519/520 ZGB; a.A. wohl PIOTET,
Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/1, Basel 1978, § 43/I
S. 269). Vorliegend geht es indessen nicht um einen derartigen Fall des
gänzlichen Fehlens der Unterschrift, vielmehr um die "Unterstellung"
einer Einfügung in das Testament unter eine vorhandene Unterschrift. Das
führt nicht zur Nichtigkeit der Einfügung, wenn diese - wie vorliegend -
nachweislich von der Erblasserin stammt. Dabei vermag der Kläger aus dem
von ihm erwähnten BGE 117 II 239 (E. 3b S. 241) schon deshalb nichts
zu seinen Gunsten abzuleiten, weil es dort ausschliesslich um blosse
Anfechtbarkeit bzw. um eine Ungültigkeitsklage im Sinne von Art. 520
Abs. 1 ZGB ging (lit. B S. 240).

Erwägung 2

    2.  Der Kläger erachtet den fraglichen Zusatz sodann auch deswegen
als nichtig, weil er die Wendung "was übrig bleibt" als "nicht schlüssigen
Inhalt" qualifiziert. Das scheint er vorab daraus abzuleiten, dass nicht
klar sei, ob damit eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis gewollt sei,
ferner aus der falschen Nummerierung des Zusatzes. Sodann weist er auf
den Zettel vom 2. Januar 1998 hin ("Barockschrank an B."). Das damit
errichtete Vermächtnis würde wenig Sinn machen, wenn die Erblasserin
den Beklagten bereits als Erben eingesetzt hätte. Schliesslich sei
auch die Bezeichnung "Ehefrau" "eher unbestimmt", weil man nicht wisse,
welche Ehefrau gemeint sei und wie es sich verhalte, wenn der Beklagte
geschieden oder verwitwet sei.

    Keine dieser Überlegungen vermag indessen eine Nichtigkeit der
fraglichen Testamentseinfügung zu begründen. Zwar kann grundsätzlich
ein unvollständiger, unbestimmter erblasserischer Wille diese Folge haben
(RIEMER, aaO, S. 250, mit zahlreichen Hinweisen in Anm. 28, unter anderem
auf den vom Kläger erwähnten BGE 81 II 22 E. 6 S. 28 ff.; vgl. auch
FORNI/PIATTI, aaO, N. 4 zu Art. 519/520 ZGB; PIOTET, aaO, § 43/II S. 270
ff.). Das gilt jedoch nicht für den Fall, dass lediglich nicht ohne
weiteres klar ist, ob der Erblasser mit einer bestimmten Anordnung eine
Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis gewollt hat, weshalb im vorliegenden
Zusammenhang offen bleiben kann, ob überhaupt eine derartige Unsicherheit
besteht. Auch die Zuwendung einer bestimmten Erbschaftssache an einen
eingesetzten Erben ist als Teilungsvorschrift nicht sinnlos (vgl. Art. 522
Abs. 2 und Art. 608 Abs. 3 ZGB), und was die Person der Ehefrau betrifft,
so handelt es sich vorliegend ohnehin um bloss hypothetische Überlegungen,
die keinesfalls die Nichtigkeit des Zusatzes zu bewirken vermögen.