Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 526



129 III 526

83. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
i.S. Z. (Beschwerde)

    7B.150/2003 vom 17. Juli 2003

Regeste

    Art. 93 Abs. 1 SchKG; Lohnpfändung, Notbedarf, Wohnkosten.

    Bei der Herabsetzung übersetzter Wohnkosten eines Schuldners mit einem
langjährig unkündbaren Mietvertrag muss nicht der nächste ordentliche
Kündigungstermin abgewartet werden (E. 2.1-2.4).

    Angemessene Frist zur Anpassung der Wohnkosten (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 3. April 2003 setzte das Betreibungsamt
A. den bei der Notbedarfberechnung von Z. zu berücksichtigenden
Mietzins von Fr. 2'850.- auf Fr. 800.- herab, geltend ab 1. Oktober
2003. Die von Z. dagegen erhobene Beschwerde wies die Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn mit Urteil vom
4. Juni 2003 ab.

    B.- Gegen diesen Entscheid gelangt Z. mit Beschwerde vom 20. Juni
2003 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.

    Die Aufsichtsbehörde schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Betreibungsamt A. hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Der Beschwerdeführer anerkennt, dass ein Schuldner, dessen
Einkommen gepfändet wird, die Wohnkosten so tief wie möglich zu halten
habe. Jedoch sei eine Herabsetzung des Mietzinses erst auf den nächsten
Kündigungstermin zulässig. Auf Grund seines langfristigen Mietvertrages
sei ihm eine Kündigung erstmals per 30. Juni 2006 möglich, bis dahin
müsse dementsprechend der volle Mietzins von monatlich Fr. 2'850.- an
sein Existenzminimum angerechnet werden.

Erwägung 2

    2.  Der Grundsatz, dass der von der Lohnpfändung betroffene
Schuldner seine Lebenshaltung einschränken und mit dem ihm zugestandenen
Existenzminimum auskommen muss, gilt auch in Bezug auf die Wohnkosten. Die
effektiv anfallenden Auslagen können nur vollumfänglich berücksichtigt
werden, wenn sie der familiären Situation des Schuldners und den
ortsüblichen Ansätzen entsprechen (BGE 119 III 70 E. 3c S. 73; 128 III 337
E. 3b S. 338). Dem Schuldner ist die Möglichkeit zu geben, seine Wohnkosten
innert einer angemessenen Frist den für die Berechnung des Notbedarfs
massgebenden Verhältnissen anzupassen: Ein überhöhter Mietzins kann in
der Regel nach Ablauf des nächsten Kündigungstermins auf ein Normalmass
herabgesetzt werden (BGE 114 III 12 E. 4 S. 16; 116 III 15 E. 2d S. 21),
auch wenn der Schuldner nicht unmittelbar zum Bezug einer günstigeren
Wohnung gezwungen werden kann.

    2.1  Bei einem langjährigen Mietvertrag ist es mit der Pflicht
des Schuldners, die Wohnkosten möglichst tief zu halten, unvereinbar,
den nächsten ordentlichen Kündigungstermin abzuwarten, wenn es bis
dahin noch unverhältnismässig lange dauert. Auch wenn im Moment eine
ordentliche Kündigung vertraglich nicht zulässig ist, kann der Schuldner
durch andere Massnahmen die Wohnkosten reduzieren (BGE 57 III 204 E. 1
S. 207). Insbesondere besteht die Möglichkeit der vorzeitigen Rückgabe
der Mietsache (Art. 264 OR). Ebenfalls in Frage kommt eine ganz oder
teilweise Untervermietung der Wohnung (Art. 262 OR).

    2.2  Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass bei der Berechnung
des Existenzminimums Hauseigentümer und Mieter grundsätzlich gleich
zu behandeln sind. Auch die Wohnkosten eines Schuldners mit Eigenheim,
der einer unangemessenen Hypothekarzinsbelastung ausgesetzt ist, können
unter Gewährung einer angemessenen Frist herabgesetzt werden (BGE
116 III 15 E. 2d S. 21; 119 III 70 E. 3c S. 73), selbst wenn es sich
dabei typischerweise um längerfristige Verpflichtungen handelt. Eine
Besserstellung von Mietern mit auf lange Zeit unkündbaren Verträgen
rechtfertigt sich daher auch aus dieser Sicht nicht.

    2.3  Die gegenteilige Auffassung würde zudem zu einer
ungerechtfertigten Privilegierung derjenigen Vermieter führen, welche
mit ihren Mietern Verträge mit einer langen Mindestdauer oder Befristung
abgeschlossen haben. Zwar wird ein Vermieter faktisch bereits dadurch
bevorteilt, dass dem Schuldner bei der Berechnung des Notbedarfs ein
Betrag für die Wohnkosten zugestanden wird (BGE 114 III 12 E. 2a S. 14);
dies gilt jedoch nur in der Höhe einer angemessenen Miete.

    2.4  In Anbetracht dieser Erwägungen erscheint die Herabsetzung
der anrechenbaren Wohnkosten auf einen angemessenen Betrag durch das
Betreibungsamt als gerechtfertigt. Dass dem Beschwerdeführer beim
Abschluss des mehrjährigen Mietvertrages kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen
werden kann, ändert daran nichts.

Erwägung 3

    3.  Das Betreibungsamt hat dem Beschwerdeführer eine Übergangsfrist von
rund sechs Monaten zugestanden, um Vorkehren zur Senkung seiner Wohnkosten
zu treffen. Dies entspricht der Zeitspanne, welche das Bundesgericht bei
einem Schuldner mit Eigenheim bereits als rechtmässig anerkannt hat (BGE
116 III 15 E. 2d S. 21). Auch ein Hauseigentümer muss innert dieser Frist
- will er seine Wohnkosten senken - einen Mieter oder sogar einen Käufer
für seine Liegenschaft finden; seine Situation ist insofern mit derjenigen
eines Mieters, der einen Nach- oder Untermieter sucht, vergleichbar. Somit
ist ein Missbrauch oder eine Überschreitung des Ermessens der Vorinstanz
auch in diesem Punkt nicht ersichtlich.