Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 514



129 III 514

82. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. LEGO System A/S
gegen Mega Bloks Inc. (Berufung)

    4C.46/2003 vom 2. Juli 2003

Regeste

    Art. 1 und Art. 2 lit. a und b MSchG; Formmarke;
Schutzausschlussgründe.

    Schutzausschlussgründe für Formmarken (im engeren Sinn) und sich
daraus ergebende Kategorien von markenschutzrelevanten Formen (E. 2).

    Schutzunfähigkeit nach Art. 2 lit. b MSchG (E. 3) oder nach Art. 2
lit. a MSchG (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die LEGO System A/S (Beklagte) gehört zur dänischen LEGO-Gruppe,
die seit mehreren Jahrzehnten die bekannten LEGO-Klemmbausteine
herstellt. Sie hinterlegte beim Eidgenössischen Institut für Geistiges
Eigentum (IGE) folgende schweizerische Formmarken:

    - am 1. April 1993 die Marke Nr. 411 469 für

      Spielbausteine (Kl. 28) (die eingereichte Abbildung zeigt einen

      quaderförmigen Stein mit acht aufgesetzten runden Noppen, je vier

      parallel in Längsrichtung angeordnet),

    - am 31. März 1995 die Marke Nr. 433 265 für

      Spielbausteine (Kl. 28) (dargestellt wird ein Quader mit sechs

      aufgesetzten runden Noppen, je drei parallel in Längsrichtung

      angeordnet),

    - am 31. März 1995 die Marke Nr. 433 266 für

      Spielbausteine (Kl. 28) (dargestellt wird ein länglicher Quader mit

      vier aufgesetzten runden Noppen, in einer Reihe in Längsrichtung

      angeordnet),

    - am 31. März 1995 die Marke Nr. 433 267 für Spielbausteine (Kl. 28)

      (dargestellt wird ein gleichseitiger Quader mit vier aufgesetzten

      runden Noppen, je in gleichem Abstand angeordnet),

    - am 31. März 1995 die Marke Nr. 433 268 für Spielbausteine (Kl. 28)

      (dargestellt wird ein länglicher Quader mit zwei aufgesetzten runden

      Noppen, in Längsrichtung angeordnet).

    Die Mega Bloks Inc. (Klägerin), vormals Ritvik Holdings Inc., gehört
zur kanadischen Ritvik-Gruppe und vertreibt weltweit Spielzeuge. Sie
produziert seit den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts unter anderem
Klemmbausteine, die mit den LEGO-Bausteinen kompatibel sind.

    B.- Am 9. März 2000 stellte die Klägerin beim Handelsgericht des
Kantons Zürich das Rechtsbegehren, die vorstehend genannten Formmarken
der Beklagten seien nichtig zu erklären. Das Handelsgericht kam diesem
Begehren mit Urteil vom 17. Dezember 2002 nach. Es befand insbesondere,
alle Merkmale der hinterlegten Formmarken seien funktional und es bestehe
keine Differenz zwischen dem vom Publikum Erwarteten und der tatsächlichen
Form, weshalb diese nicht kennzeichnungskräftig sei. Ausserdem stelle
das Vorgehen der Beklagten einen Missbrauch des Instituts der Marke dar,
das keinen Schutz verdiene, weil die Beklagte versuche, Konkurrenzprodukte
vom Markt zu verdrängen, die berechtigterweise die gleiche Form und die
selben Masse aufwiesen.

    C.- Die Beklagte führt eidgenössische Berufung mit den Anträgen,
das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben und die Nichtigkeitsklage
abzuweisen. Eventuell sei die Streitsache zu neuer Beurteilung im Sinne
der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie rügt eine Verletzung
von Art. 2 lit. a und b MSchG und von Art. 2 Abs. 2 ZGB.

    Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die Sache
zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Nach der Legaldefinition von Art. 1 Abs.  1 MSchG (SR 232.11)
ist die Marke ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen
eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Marken
können insbesondere in dreidimensionalen Formen bestehen (Art. 1 Abs. 2
MSchG).

    2.1  Dreidimensionale Marken können einerseits plastische
Kennzeichen sein, die zumindest gedanklich von Ware und Verpackung ohne
Funktionsverlust getrennt werden können (Formmarken im weiteren Sinn).
Anderseits kann es sich dabei um die kennzeichnende Formgebung der
Ware selbst oder ihrer Verpackung handeln (eigentliche Formmarken
oder Formmarken im engeren Sinn), d.h. um kennzeichnende Formen, die
unmittelbar in der Ware oder in der Verpackung verkörpert sind (MARBACH,
Markenrecht, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, Bd. III, Kennzeichenrecht, Basel 1996, S. 20;
MARTIN LUCHSINGER, Dreidimensionale Marken, Formmarken und Gemeingut, sic!
2/1999 S. 195).

    Im vorliegenden Fall sind die Formen der LEGO-Spielbausteine als
Formmarken eingetragen. Als Marke beansprucht wird die kennzeichnende
Formgebung der Ware selbst, wie sie auf den beim IGE hinterlegten
Abbildungen dargestellt wurde (vgl. vorstehend lit. A; BGE 120 II 307 E.
3a S. 310).

    2.2  Vom Markenschutz absolut ausgeschlossen sind nach Art. 2
lit. a MSchG Zeichen, die Gemeingut sind, es sei denn, sie hätten
sich für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Verkehr
durchgesetzt. Besonders für Formmarken (im engeren Sinn) gilt sodann
der Schutzausschlussgrund des Art. 2 lit. b MSchG (vgl. BGE 120 II 307
E. 2a S. 308). Danach sind Formen vom Markenschutz ausgeschlossen, die
das Wesen der Ware ausmachen, sowie Formen der Ware oder Verpackung, die
technisch notwendig sind. Für Formen, die sich insbesondere aufgrund der
Art, Bestimmung oder Verwendungsweise der Ware geradezu aufdrängen, soll
damit ein absolutes Freihaltebedürfnis konkretisiert werden (Botschaft
des Bundesrates zum Markenschutzgesetz vom 21. November 1990, BBl 1991 I
1, S. 20). Dies entspricht dem alleinigen rechtlich geschützten Zweck der
Marke, die gekennzeichneten Waren zu individualisieren und von anderen
Waren zu unterscheiden, um die Verbraucher in die Lage zu versetzen,
ein einmal geschätztes Produkt in der Menge des Angebots wiederzufinden
(Art. 1 Abs. 1 MSchG; vgl. BGE 122 III 382 E. 1 S. 383 f., 469 E. 5f
S. 579). Der markenrechtliche Schutz einer Form soll die Konkurrenz
einzig daran hindern, Ware in einer verwechselbaren äusseren Form auf den
Markt zu bringen und damit die Individualisierungsfunktion der Marke zu
verwässern. Ebenso wie der wettbewerbsrechtliche Ausstattungsschutz nach
Art. 3 lit. d UWG (SR 241) darf er nicht dazu führen, dass technische
Lehren, deren Gebrauch patentrechtlich statthaft ist, oder unerlässliche
Formen, die Waren bestimmter Art charakterisieren, auf unbeschränkte
Zeit monopolisiert werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 MSchG und Art. 14 PatG
[SR 232.14]; BGE 116 II 471 E. 3a/aa S. 472; 88 IV 79 E. 2 S. 83; 84
II 579 E. 2 S. 582; siehe auch BGE 120 II 307 E. 3a S. 309 f.; PETER
HEINRICH/ANGELIKA RUF, Markenschutz für Produktformen?, sic! 5/2003
S. 395 ff., 396 und 400; vgl. auch PETER V. KUNZ, Grundsätze zum
Immaterialgüterrecht - Illustration am Beispiel des neuen Designgesetzes,
recht 3/2002 S. 85 ff., 96 f.).

    2.3  Die besonderen Schutzausschlussgründe von Art. 2 lit. b
MSchG konkretisieren spezifisch für Formmarken den Kern der absoluten
Freihaltebedürftigkeit. Ihnen kommt gegenüber dem allgemeinen
Schutzausschlussgrund nach Art. 2 lit. a MSchG insoweit keine selbständige
Bedeutung zu, als sie bloss für die Formmarken wiederholen, was in Art. 2
lit. a MSchG bereits allgemein gesagt wird. Eine technisch notwendige
Waren- oder Verpackungsform ist für den Verkehr unentbehrlich und somit
immer auch freihaltebedürftiges Gemeingut. Formen, die das Wesen der Ware
ausmachen, sind entweder ebenfalls technisch notwendig, oder es fehlt
ihnen die Unterscheidungskraft, weil sie nicht geeignet sind, ein Produkt
zu individualisieren. Die Ausschlussgründe nach Art. 2 lit. b MSchG können
daher als besondere Anwendungsfälle der allgemeinen Norm von Art. 2 lit. a
MSchG betrachtet werden (vgl. dazu HEINRICH/RUF, aaO, S. 404 f. und 409).

    Die besondere Bedeutung der Ausschlussgründe nach Art. 2 lit. b
MSchG liegt darin, dass das Schutzhindernis für die davon erfassten
Formen nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden kann und die
markenrechtliche Monopolisierung der Formen daher auch ausgeschlossen ist,
wenn sie sich im Verkehr durchgesetzt haben (vgl. MARBACH, aaO, S. 60 f.;
RUTH ARNET, Die Formmarke, Diss. Zürich 1993, S. 62 und 118 ff.; MARKUS
WANG, Die schutzfähige Formgebung, Diss. St. Gallen 1998, S. 376 f.; MARKUS
INEICHEN, Das urheberrechtlich geschützte Werk als Zeichen für Waren und
Dienstleistungen, Diss. Zürich 2002, S. 57 f. [nachfolgend zitiert als
INEICHEN, Diss.]; STREULI-YOUSSEF, Zur Schutzfähigkeit von Formmarken,
sic! 11/2002 S. 794 ff., 795). Ist dagegen allein der Ausschlussgrund des
Gemeingebrauchs im Sinne von Art. 2 lit. a MSchG gegeben, kann auch eine
Form mit der Durchsetzung im Verkehr Kennzeichenfähigkeit erlangen. In
diesem Sinne ist das in BGE 120 II 307 publizierte Präjudiz in der
Lehre auch zutreffend verstanden worden (vgl. ROLF AUF DER MAUR, AJP
1995 371 ff., 373; LUCHSINGER, aaO, S. 199; DAVID MEISSER/DANIEL BOHREN,
Perpetuierter Patentschutz durch Formmarken?, SMI 1995 S. 225 ff., 227 f.).

    2.4  Systematisch lassen sich aufgrund des Gesagten folgende Kategorien
von markenschutzrelevanten Formen unterscheiden:

    2.4.1  Formen, die das Wesen der Ware ausmachen (Art. 2 lit. b MSchG):
Dabei handelt es sich um Formen, die schutzunfähig sind, weil sie das
Publikum aufgrund der Funktion eines Produkts voraussetzt (z.B. ein
rein quadratisch geformtes vierbeiniges Tabouret, ein herkömmlich
geformter Tennisschläger, ein "traditioneller" [runder] Fussball, ein
"amerikanischer" [ovaler] Fussball oder eine künstliche Rose [vgl. dazu
die nachfolgende Erwägung 3.1.1]).

    2.4.2  Die technisch notwendige Form im Sinn von Art. 2 lit. b
MSchG: Eine solche ist gegeben, wenn dem Konkurrenten für ein Produkt
der betreffenden Art (technisch) überhaupt keine alternative Form zur
Verfügung steht oder im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs
nicht zugemutet werden kann (vgl. dazu die Erwägungen 3.2.1 und 3.2.2
hinten). Zu denken ist beispielsweise an die Form der Spitze eines
herkömmlichen Kreuzschraubenziehers oder der vier- oder mehrkantigen
Hülse eines Schraubenschlüssels, die dazu bestimmt ist, den Schraubenkopf
zu umfassen. Technisch notwendige Formen in diesem Sinn sind absolut
schutzunfähig.

    2.4.3  Technisch bedingte Formen: Dabei handelt es sich um Formen,
die durch den Verwendungszweck bestimmt sind, ohne dass sie aber zur
Herstellung von Waren einer bestimmten Art im vorstehend (Erwägung
2.4.2) ausgeführten Sinne notwendig sind. Ihnen fehlt regelmässig die
Unterscheidungskraft. Sie bilden daher grundsätzlich Gemeingut im Sinne
von Art. 2 lit. a MSchG und sind als solches schutzunfähig. Ausnahmsweise
kann eine technisch bedingte Form als Formmarke beansprucht werden, wenn
sie aufgrund ihrer Originalität unterscheidungskräftig wirkt oder wenn sie
sich im Verkehr als Kennzeichen durchgesetzt hat (vgl. dazu MARBACH, aaO,
S. 62 f.). Die von MARBACH (aaO) weiter genannte Schutzvoraussetzung, dass
die Form frei variiert werden kann, ist dem Begriff der technisch (bloss)
bedingten Form immanent; kann eine Form nicht in dem Sinn frei variiert
werden, dass zumutbare Alternativen zur Verfügung stehen, handelt es sich
nicht um eine technisch bedingte, sondern um eine absolut schutzunfähige,
da technisch notwendige Form im vorstehenden Sinn.

    2.4.4  Schliesslich lassen sich technisch mitbeeinflusste Formen
unterscheiden. Darunter fallen Formgebungen, die zwar technisch nützlich,
aber nicht technisch bestimmt sind (z.B. die Form der "Toblerone",
die das Abbrechen der einzelnen Schokoladenstücke erleichtert, aber
nicht darauf ausgelegt ist). Sie sind grundsätzlich schutzfähig; soweit
sie sich allerdings in Formen des Gemeinguts erschöpfen, nur unter der
Voraussetzung, dass sie sich im Verkehr durchgesetzt haben.

Erwägung 3

    3.  Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob der Schutz der hier
umstrittenen Warenformen nach Art. 2 lit. b MSchG absolut und ohne
Rücksicht auf eine allfällige Verkehrsdurchsetzung ausgeschlossen
ist (vgl. MARKUS INEICHEN, Die Formmarke im Lichte der absoluten
Ausschlussgründe nach dem schweizerischen Markenschutzgesetz, GRUR
International 3/2003 S. 193 ff., 201; STREULI-YOUSSEF, aaO, S. 795).

    Die Vorinstanz hat angenommen, die Form der LEGO-Bausteine -
insbesondere die Quaderform, aber auch die Anordnung, die Form und die
Masse der aufgesetzten Noppen - ergebe sich aus dem Verwendungszweck
als Baustein. Sie entspreche auch für Spielbausteine dem Gewohnten und
Erwarteten.

    3.1  Es stellt sich damit zunächst die Frage, ob die Form der
LEGO-Bausteine nach Art. 2 lit. b MSchG vom Markenschutz absolut
ausgeschlossen ist, weil sie das Wesen der Ware ausmacht.

    3.1.1  Die Elemente einer Ware, die in der Anschauung des Publikums
spezifisch Produkte dieser Gattung charakterisieren, haben keine
Kennzeichnungskraft. Funktional oder ästhetisch notwendige Formen
können ohne Veränderung der spezifischen Eigenschaft der Ware selbst
nicht verändert oder ausgewechselt werden. Sie sind daher nicht
zur Individualisierung der Ware gegenüber gleichartigen Produkten
geeignet. Ihr Schutz würde zur Monopolisierung von Waren bestimmter Art
als solchen führen, was dem Zweck des Kennzeichenschutzes durch das
MSchG widerspricht. Es bedarf daher einer Differenz zwischen den vom
Publikum funktional oder ästhetisch erwarteten Elementen einer Ware und
der tatsächlichen Form; die in der ästhetischen Form verkörperte Idee und
der Gebrauchszweck der Ware sind gemeinfrei und dürfen markenrechtlich
von jedem Mitbewerber benützt werden (BGE 120 II 307 E. 3b S. 310 f.;
vgl. auch BGE 88 IV 79 E. 2 S. 83; MARBACH, aaO, S. 64 f.; DAVID, Basler
Kommentar, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl.,
Basel 1999, N. 46 zu Art. 2 MSchG; WILLI, MSchG-Kommentar, Zürich 2002,
N. 212 zu Art. 2 MSchG; ARNET, aaO, S. 81 ff.; WANG, aaO, S. 358 und 363;
INEICHEN, Diss., aaO, S. 198).

    3.1.2  Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz zutreffend angenommen,
dass die von der Beklagten für Spielbausteine beanspruchte Quader-Form den
Erwartungen des Publikums an einen Spielbaustein entspricht. Quaderförmige
Steine (Bauklötze) sind in verschiedensten Dimensionen als Spielzeug für
Kinder verbreitet. Dass sich Bauten, wie die Beklagte geltend macht, auch
mit Prismen errichten lassen oder mit Körpern, die beispielsweise Rundungen
aufweisen, ändert daran nichts. Die traditionell verbreitetste und daher
vom Publikum erwartete Form eines "Bausteines" für Mauern und insbesondere
für Häuser ist auch in der Realität quaderförmig und wird daher in der
Übertragung auf das Spiel erwartet. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach
das Publikum von "Spielbausteinen" erwartet, dass sie eine quaderförmige
Gestalt aufweisen, ist insoweit bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

    3.1.3  Der Vorinstanz kann dagegen nicht gefolgt werden, wenn sie
ungeachtet der umstrittenen Markeneintragungen als "Spielbaustein"
davon ausgeht, die Eigenschaft des Klemmens und damit auch die
dieser Funktion dienenden Elemente der Form gehörten nicht nur im
vorliegenden Fall, sondern allgemein zum Wesen des Spielbausteins. Von
quaderförmigen Bausteinen wird bloss erwartet, dass sie nebeneinander
gereiht und aufeinander geschichtet werden können. Dass sie auch
gegeneinander fixierbar sind, gehört dagegen nicht zum Wesen der
Ware Spielbaustein. Der Gebrauchszweck des "Zusammenbauens" ist für
zum Spielen bestimmte "Bausteine" nicht wesentlich. Die Möglichkeit
des gegenseitigen Fixierens und die dafür angebrachten, sich in der
Form niederschlagenden "Vorrichtungen" können daher - wie die Beklagte
zutreffend ausführt - Spielbausteine grundsätzlich individualisieren.
Derartige Spiel-Bauelemente können zudem gerade wegen der gegenseitigen
Fixierbarkeit in ihren Grundformen weit vielfältiger ausgestaltet werden
als in blossen Quadern. Entsprechend erwartet das Publikum von solchen
zum Zusammenbauen bestimmten Elementen keine Quaderform.

    3.1.4  Die Formen, für welche die Beklagte Markenschutz beansprucht,
gehen somit über das hinaus, was das Publikum bei einem Spielbaustein
erwartet. Mit der Annahme, das Publikum erwarte als "Spielbaustein"
einen Klemmstein in der hinterlegten Form eines bestimmt proportionierten
Quaders mit aufgesetzten zylindrischen Noppen, die eine feste Verbindung
der Steine ermöglicht, ist die Vorinstanz vielmehr einer rückblickenden
Betrachtungsweise verfallen, die sie an anderer Stelle in ihrem Urteil
selbst zutreffend als unzulässig bezeichnet. Mit der Klemmwirkung, die ein
festes Zusammenbauen der Steine ermöglicht, eignet den Spielbausteinen in
der hinterlegten Form vielmehr ein zusätzlicher Gebrauchszweck, den das
Publikum von Waren der beanspruchten Art, das heisst von Spielbausteinen,
nicht erwartet und der nur mittels Verwendung besonderer Formelemente
erreicht werden kann. Zwar ist dieser zusätzliche Gebrauchszweck als
solcher kennzeichenrechtlich nicht monopolisierbar und kann für die
konkrete Form der Quader mit den aufgesetzten zylinderförmigen Noppen kein
markenrechtlicher Schutz beansprucht werden, wenn sie zur Erreichung
dieses Gebrauchszwecks erforderlich ist. Dies betrifft allerdings
entgegen der Auffassung der Vorinstanz ihre technische Notwendigkeit für
die Funktion des gegenseitigen Ineinandergreifens der einzelnen Steine
bzw. des Zusammenbauens, nicht aber die vom Publikum für Spielbausteine
erwarteten grundlegenden Elemente.

    3.1.5  Die Klemmwirkung gehört somit entgegen der Ansicht
der Vorinstanz nicht zum vom Publikum erwarteten Wesen der Ware
"Spielbaustein", während anderseits Spiel-Bauelemente mit Klemmwirkung
nicht auf Quaderformen beschränkt sind. Die umstrittenen Formen für
Spielbausteine setzen sich nicht ausschliesslich aus Elementen zusammen,
die nach den Erwartungen des Publikums das Wesen der Ware ausmachen. Die
von der Beklagten beanspruchten Formen sind daher nicht schon vom
markenmässigen Schutz ausgeschlossen, weil sie im Sinne von Art. 2 lit. b
MSchG das Wesen der Ware ausmachen würden.

    3.2  Nach dem Gesagten kommt vorliegend als absoluter
Schutzausschlussgrund gemäss Art. 2 lit. b MSchG allein die technische
Notwendigkeit der beanspruchten Formen in Betracht.

    3.2.1  Vor dem Erlass des geltenden MSchG, in dem die Formmarke
erst eingeführt wurde, hatte die Praxis des Bundesgerichtes die
Kennzeichnungskraft von Warenformen insbesondere im Zusammenhang mit
dem wettbewerbsrechtlichen Ausstattungsschutz anerkannt (BGE 88 IV 79
E. 1 S. 81 f.; 79 II 316 E. 2c S. 321). Unlauterer Wettbewerb wurde
jedoch erst bejaht, wenn die Gestaltung nicht "technisch bedingt" war,
d.h. dem Konkurrenten die Wahl einer andern Gestaltung ohne Änderung der
technischen Konstruktion und ohne Beeinträchtigung des Gebrauchszwecks
möglich und auch zumutbar gewesen wäre, er dies aber vorsätzlich
oder auch fahrlässig unterliess (BGE 88 IV 79 E. 2 S. 82 f.; 79 II
316 E. 2b S. 320, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Anzahl
anderer Gestaltungsmöglichkeiten (BGE 108 II 69 E. 2b/c S. 73 ff.) wurde
namentlich der Verzicht auf eine nahe liegende und zweckmässige Ausstattung
als unzumutbar erachtet, wenn an deren Stelle eine weniger praktische,
eine weniger solide oder eine mit grösseren Herstellungskosten verbundene
Ausführung hätte gewählt werden müssen (BGE 87 II 54 E. 3a S. 58). In BGE
113 II 77 E. 3c S. 80 f. mass das Bundesgericht dagegen unter Verweis
auf einen vereinzelten früheren Entscheid (BGE 92 II 205) dem Umstand
keine Bedeutung zu, dass die technischen Funktionen mit andern Formen
hätten verwirklicht werden können, und liess die Nachahmung eines Modells
mit technisch bedingter Form zu, obwohl die technischen Funktionen auch
mit einer anderen Gestaltung hätten erreicht werden können. Es verstand
das Erfordernis der technischen Bedingtheit hier nicht mehr im Sinne der
früheren Rechtsprechung als technische Notwendigkeit (vgl. PATRICK TROLLER,
Zum Schutz "technisch bedingter" Formen als Modelle, Ausstattungen oder
Formmarken, in: Festschrift zum 70. Geburtstag von Dr. Rudolf Ernst Blum,
Zürich 1989, S. 163 ff., 173).

    3.2.2  Der Bundesrat hatte in der Botschaft zum Markenschutzgesetz
(aaO) vorgeschlagen, Formen vom Markenschutz auszuschliessen,
die "technisch bedingt" sind (BBl 1991 I 1, S. 62). Der Ausdruck
technisch bedingt wurde in der parlamentarischen Beratung auf Antrag
der Nationalratskommission durch "technisch notwendig" ersetzt.
Der deutschsprachige Berichterstatter bemerkte, mit der zwingenderen
Formulierung werde eine Klärung der Rechtslage insbesondere im Blick auf
die etwas unklare Rechtsprechung des Bundesgerichts angestrebt (Votum
Stamm, AB 1992 N 398). Gleichzeitig wies der französischsprachige
Berichterstatter darauf hin, es sei mit der Änderung eine Angleichung
an das EU-Recht beabsichtigt (Votum Ducret, AB 1992 N 398). Die
Berichterstatterin im Ständerat beantragte Zustimmung mit der Begründung,
es handle sich um eine redaktionelle Änderung (Votum Meier, AB 1992 S
385); zuvor hatte sie im Sinne der bundesrätlichen Botschaft ausgeführt,
die Konkretisierung, wann eine Form absolut schutzunfähig ist und
nicht monopolisiert werden darf, werde weiterhin im Einzelfall durch
die Rechtsprechung erfolgen müssen (AB 1992 S 24; vgl. auch BBl
1991 I 20). Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Parlament mit
der redaktionellen Änderung für die Schutzfähigkeit einer Form nach
Art. 2 lit. b MSchG als entscheidend vorgeben wollte, ob der angestrebte
technische Zweck - im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichts
zum wettbewerbsrechtlichen Ausstattungsschutz - durch andere zumutbare
Gestaltungsmöglichkeiten erreicht werden kann (vgl. dazu MARBACH, aaO,
S. 64; WILLI, aaO, N. 209 zu Art. 2 MSchG; WANG, aaO, S. 382; PHILIPPE
GILLIÉRON, Les divers régimes de protection des signes distinctifs et
leurs rapports avec le droit des marques, Diss. Lausanne 1999, S. 229;
ARNET, aaO, S. 106 f.).

    3.2.3  Im vorliegenden Fall steht zur Lösung des technischen Problems
der Verklemmung oder Verzahnung der einzelnen Bausteine gegeneinander eine
Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Die Vorinstanz hat insofern
festgestellt, dass zur Erzielung der Klemmwirkung andere technische
Ausgestaltungen als (aufgesetzte) runde gefüllte Noppen möglich sind. Es
ist unbestreitbar, dass die von der Beklagten als Form beanspruchten,
auf den Quadern der Spielbausteine aufgesetzten, zylinderförmigen Noppen
nicht die einzige Möglichkeit bilden, um die Fixierung der Spielbausteine
gegeneinander zu erreichen. Insbesondere sind technische Ausgestaltungen
denkbar, die beim vertikalen Bau eine Verzahnung durch positiv vorstehende
Elemente auf der Unterseite des Quaders mit Aussparungen auf der Oberseite
der "Bausteine" bewirken. Neben zylindrischen, ausgefüllten Noppen
kommen dafür eine Vielzahl anderer Elemente in Frage (anders geformte
Aufsätze, aber auch durchgängig parallel geführte Erhebungen etc.). Es
kann sich daher einzig fragen, ob der Klägerin die Wahl einer anderen
technischen Möglichkeit zur Erreichung des stabilen Ineinandergreifens
der Spielbausteine unzumutbar sei.

    3.2.4  Diese Frage hat die Vorinstanz nicht abschliessend
beurteilt. Sie hat zwar festgestellt, dass es praktikable Alternativen
zu runden, gefüllten Noppen gibt. Ausgehend von der unzutreffenden
Auffassung, das Publikum erwarte für Spielbausteine bzw. "Klemm"-Bausteine
Quader mit aufgesetzten Noppen, hat sie jedoch nur geprüft, welches
die nahe liegende und erwartete Form der Noppen sei. Die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil erlauben die Beurteilung nicht, ob
die auf den bestimmt proportionierten Quadern aufgesetzten, in bestimmter
Weise angeordneten, zylinderförmigen Noppen zur Erreichung der angestrebten
Klemm- oder Stabilisierungswirkung beim Zusammenbau der Spielbausteine
technisch notwendig sind. Dies wäre der Fall, wenn Mitbewerbern wie
der Klägerin mit dem Verbot ihrer Verwendung der Verzicht auf eine nahe
liegende und zweckmässige Ausstattung zugemutet würde, so dass sie an
deren Stelle eine weniger praktische, eine weniger solide oder eine mit
grösseren Herstellungskosten verbundene Ausführung wählen müssten.

Erwägung 4

    4.  Formen, die nicht im Sinne von Art. 2 lit. b MSchG das Wesen
der Ware ausmachen oder technisch notwendig sind, können dennoch zum
Gemeingut gehören. Gegebenenfalls sind sie nach Art. 2 lit. a MSchG vom
Kennzeichenschutz ausgeschlossen, sofern sie sich nicht im Verkehr als
Marke für die beanspruchte Ware durchgesetzt haben (vgl. die vorstehende
Erwägung 2.3).

    4.1  Als Gemeingut gelten nach ständiger Praxis Hinweise
auf Eigenschaften, die Beschaffenheit, die Zusammensetzung, die
Zweckbestimmung oder die Wirkung der Ware oder Dienstleistung, welche
die Marke kennzeichnet. Dass die Marke Gedankenassoziationen weckt oder
Anspielungen enthält, die nur entfernt auf die Ware oder Dienstleistung
hindeuten, reicht freilich nicht aus, sie zur Beschaffenheitsangabe werden
zu lassen. Der gedankliche Zusammenhang mit der Ware oder Dienstleistung
muss vielmehr derart sein, dass der beschreibende Charakter der Marke ohne
besonderen Aufwand an Fantasie zu erkennen ist (BGE 127 III 160 E. 2b/aa
S. 166 f. mit Hinweisen). Zum Gemeingut gehören insbesondere Formen,
die weder in ihren Elementen noch in ihrer Kombination vom Erwarteten
und Gewohnten abweichen und daher mangels Originalität im Gedächtnis der
Abnehmer nicht haften bleiben (BGE 120 II 307 E. 3b; vgl. auch Urteil
4A.6/1999 vom 14. Oktober 1999, E. 3, sic! 4/2000 S. 286).

    4.2  Bei den von der Beklagten als Marken hinterlegten Formen der
LEGO-Bausteine handelt es sich, sofern sie nicht technisch notwendig
sind, jedenfalls um technisch bedingte Formen, die nicht als originell
und damit als unterscheidungskräftig betrachtet werden können:

    Das Formelement des Quaders ist als solches für Spielbausteine
weder unerwartet noch überraschend. Auch die aufgesetzten, zylindrischen
Noppen sind als solche für Spiel-Bauelemente übliche, gebräuchliche und
daher nicht kennzeichnungskräftige, sondern gemeinfreie Elemente. Die
Bestandteile hinterlassen beim Publikum weder je für sich allein noch
in ihrer Kombination einen prägenden Eindruck der Spielbausteine, der im
Gedächtnis haften bliebe.

    Die als Marke beanspruchten Formen sind daher nicht
kennzeichnungskräftig und somit nur schutzfähig, wenn sie sich im
Verkehr durchgesetzt haben (vgl. Erwägung 2.4.3 oben; zum Begriff
der Verkehrsdurchsetzung vgl. DAVID, aaO, N. 38 f. zu Art. 2 MSchG;
MARBACH, aaO, S. 55 f.; HEINRICH/RUF, aaO, S. 403). Es kann insofern
zwar als notorisch gelten, dass die LEGO-Bausteine in den von der
Beklagten hinterlegten Formen beim schweizerischen Publikum seit langem
allgemein bekannt sind (vgl. BGE 108 II 327; Urteil vom 8. November 1960,
E. 5e, SMI 1961 S. 71 ff.). Die Klägerin bestreitet jedoch, dass sich
die hinterlegten LEGO-Baustein-Formen im Verkehr rechtserheblich als
Unterscheidungsmerkmal der Waren der Beklagten durchgesetzt haben, und die
Beklagte beantragt die Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz. Da
die Vorinstanz - aufgrund ihrer Rechtsauffassung folgerichtig - die
Verkehrsdurchsetzung der hinterlegten Formmarke nicht geprüft hat, ist
die Sache auch zur Beurteilung dieser Frage zurückzuweisen.