Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 331



129 III 331

54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. und
C. (Berufung)

    4C.347/2002 vom 25. März 2003

Regeste

    Unerlaubte Handlung; Beschädigung von Bäumen (Art. 43 OR).

    Bestimmung des Schadenersatzes für die Zerstörung oder Beschädigung
von Bäumen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- B. und C. sind Eigentümer der Liegenschaft X., die ein
Einfamilienhaus mit Garten umfasst. Der mit Bäumen und Sträuchern
bewachsene Garten grenzt an einer Seite an den Garten der Liegenschaft
Y., die ebenfalls mit einem Einfamilienhaus überbaut ist. In diesem Haus
wohnt A. mit ihrer Familie.

    Auf dem Grundstück der Eheleute B. und C. stehen nahe an der Grenze
zum Garten der Familie A. eine rund 25 Jahre alte Blutbuche und eine
rund 30 Jahre alte Hainbuche. Am 24. und 25. Januar 1996 lichtete ein
im Auftrag von A. handelnder Gärtner diese Bäume aus und schnitt deren
Äste zurück. Zudem fällte er eine im Grenzbereich stehende Fichte.

    A. wurde wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs mit einer
Busse von Fr. 500.- bestraft. Im Strafurteil wurde zudem die von den
Eheleuten B. und C. adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage dem
Grundsatz nach gutgeheissen, wobei die Parteien zur Festsetzung der Höhe
des zuzusprechenden Betrages an die Zivilgerichte verwiesen wurden.

    B.- B. und C. stellten mit Klage vom 15. Februar 1999 den Antrag,
A. zur Zahlung von Fr. 44'885.50 nebst 5% Zins seit 25. Januar 1996 zu
verpflichten. Mit Entscheid vom 27. Juni 2000 hiess die Gerichtspräsidentin
2 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die Klage gut. Auf Appellation der
Beklagten hob der Appellationshof des Kantons Bern den erstinstanzlichen
Entscheid auf und sprach den Klägern mit Urteil vom 25. Juni 2002 Fr.
21'605.- nebst 5% Zins seit 25. Januar 1996 zu.

    C.- Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil
des Appellationshofs vom 25. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
eventuell die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Schaden ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die
ungewollte Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Verminderung
der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder in entgangenem Gewinn
bestehen und entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen
Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende
Ereignis hätte (BGE 128 III 22 E. 2e/aa; 104 II 198 S. 199; 90 II 417
E. 3 S. 424, je mit Hinweisen). In BGE 127 III 73 E. 4b ist ausgeführt
worden, dass Bäume gemäss dem sachenrechtlichen Akzessionsprinzip
dem Eigentümer des Grundstücks gehören, auf dem sie wachsen. Ihre
Beschädigung oder Zerstörung beeinflusse daher den Wert des Grundstücks,
dessen Bestandteil sie bildeten. Der Verkehrswert dieses Grundstücks
könne durch die Beschädigung eines Baumes je nach Art und Nutzung der
Liegenschaft unabhängig vom Wert des beschädigten Baumes selbst betroffen
sein. Unter Umständen trete ein wirtschaftlicher Schaden gar nicht ein,
etwa wenn durch die Zerstörung eines Baumes die Überbaubarkeit eines
Grundstücks erst ermöglicht und damit dessen Wert erhöht werde. Im ersten
Satz der folgenden Erwägung ist schliesslich festgehalten worden, falls die
Werteinbusse des Grundstücks mit vernünftigem Aufwand nicht festgestellt
werden könne, sei zur Berechnung des Schadens vom Baum selbst als der
vom schädigenden Ereignis direkt betroffenen Sache auszugehen.

    2.2  In den zitierten Passagen von BGE 127 III 73 E. 4b ist
hervorgehoben worden, dass die Beschädigung eines Baumes einen Einfluss
auf den Verkehrswert des Grundstückes haben kann. Das mag in einzelnen
Fällen, beim Vorliegen besonderer Umstände zutreffen, entspricht aber
nicht dem Normalfall. Handelt es sich um einen, zwei oder drei Bäume,
die im mit mehreren anderen Bäumen bewachsenen Garten eines Wohnhauses
stehen, hat deren Beschädigung in der Regel keine Auswirkungen auf den
Verkehrswert des Grundstückes. Anders könnte es sich dagegen verhalten,
wenn beispielsweise alle auf einem Wohngrundstück stehenden Bäume gefällt
oder massiv beschädigt worden wären. Das in der Literatur erwähnte
Beispiel des Grundstücks, das an Wert gewinnt, weil die Zerstörung
des Baumes die Überbaubarkeit zur Folge hat, gehört ebenfalls in den
Bereich der Extremfälle. Diese seltenen Sachverhalte dürfen nicht
rechtlich verallgemeinert werden, indem die Regel aufgestellt wird,
dass die Beschädigung oder Zerstörung eines Baumes nur insoweit
einen Vermögensschaden bilden kann, als sie den Verkehrswert des
Grundstückes mindert (gleicher Meinung HAUSHEER/JAUN, in: ZBJV 139/2003
S. 44). Massgebend ist vielmehr, welches Interesse der jeweilige
Eigentümer an der Wiederherstellung des früheren Zustandes hat. Darauf
ist abzustellen, wenn darüber zu entscheiden ist, ob die Beschädigung
oder Zerstörung eines Baumes als Vermögensschaden zu betrachten
ist. Der vom Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung verwendete
Schadensbegriff ist nicht ausschliesslich objektiv zu verstehen, sondern
enthält bereits aufgrund seiner historischen Wurzeln eine subjektive,
das Erhaltungsinteresse des Geschädigten berücksichtigende Komponente
(HONSELL, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich 2000, S. 6
ff.; HONSELL/MAYER-MALY/SELB, Römisches Recht, 4. Aufl., S. 224 Fn. 4;
ROBERTO, Schadensrecht, Basel 1997, S. 11 ff.; NIKLAUS LÜCHINGER,
Schadenersatz im Vertragsrecht: Grundlagen und Einzelfragen der
Schadensberechnung und Schadenersatzbemessung, Diss. Freiburg 1999,
S. 23 ff.). Diese subjektive Komponente erlaubt die Berücksichtigung
der Interessenlage des jeweiligen Eigentümers. Hat dieser ein sachliches
Interesse an der Unversehrtheit der zerstörten oder beschädigten Bäume,
darf das Vorliegen eines Vermögensschadens nicht mit der Begründung
verneint werden, die Zerstörung oder Beschädigung der Bäume habe den
Verkehrswert des Grundstücks nicht vermindert.

    Lehre und Rechtsprechung betrachten denn auch übereinstimmend als
sachgerecht, dass sich die Schadensbestimmung im Fall der Zerstörung oder
Beschädigung von Bäumen grundsätzlich an den Kosten der Neuanpflanzung
orientieren soll (BGE 127 III 73 E. 4c; ROBERTO, aaO, S. 150; ALFRED
KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, 2. Aufl., Bern 1998, S. 104
f.). Bei solchen Sachverhalten steht der Anspruch des Geschädigten
auf Naturalrestitution bzw. deren Surrogat in Form des Ersatzes der
Wiederherstellungskosten im Vordergrund. Wird Geldersatz verlangt, tritt
dieser an die Stelle des Naturalersatzes. Der Geldersatz ist deshalb
unabhängig von einer allfälligen Vermögenseinbusse im Sinne des allgemeinen
Schadensbegriffes (Differenzhypothese) zu leisten (LÜCHINGER, aaO, S. 26
ff.). Die Naturalrestitution gewährleistet das Integritätsinteresse
des Geschädigten und ist am besten geeignet, den Ausgleichsgedanken
zu verwirklichen (KOZIOL, Österreichisches Haftpflichtrecht, Bd. I:
Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Wien 1997, S. 286).

    Die Vorinstanz hat sich an die erwähnten Grundsätze gehalten. Die
Rüge der Beklagten, der angefochtene Entscheid verletze in diesen Punkten
Bundesrecht, erweist sich als unbegründet.