Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 284



129 III 284

47. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
i.S. A. und B. (Beschwerde)

    7B.269/2002 / 7B.270/2002 vom 21. März 2003

Regeste

    Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG; Rückzug einer Betreibung durch den
Gläubiger.

    Betreibungen, welche vom Nachlassvertrag erfasste Forderungen betreffen
und mit dessen Bestätigung dahinfallen, können zurückgezogen werden,
sofern die notwendige Erklärung des Gläubigers vorliegt (E. 3).

Sachverhalt

    A.- A. und dessen Gläubiger schlossen am 30. März 2001
einen ordentlichen Nachlassvertrag, mit dem sich der Schuldner zur
vollständigen Befriedigung der privilegierten und einer Nachlassdividende
der angemeldeten Forderungen von 20% verpflichtete. B. und dessen
Gläubiger schlossen am 19. Oktober 2001 ebenfalls einen ordentlichen
Nachlassvertrag, der die volle Deckung der privilegierten Forderungen
und eine Nachlassdividende von 10% vorsah. Ziffer 10 der beiden
Nachlassverträge lautet wie folgt:

      "Vorbehältlich der Erfüllung dieses Nachlassvertrages erklärt der

    Gläubiger den Rückzug der Betreibung."

    Der Gerichtspräsident 4 von Biel-Nidau bestätigte am 15. Mai 2001
den Nachlassvertrag mit A. und am 13. Dezember 2001 denjenigen mit B.

    B.- Mit Verfügung vom 2. September 2002 eröffnete das Betreibungsamt
Berner Jura-Seeland A. und B., dass das nach Vollzug der Nachlassverträge
eingereichte Gesuch um Löschung der Betreibungen gestützt auf die
erwähnte Klausel abgelehnt werde. Es hielt zur Begründung fest, dass
Dritten nur dann keine Kenntnis von Betreibungen gegeben werden könne,
wenn schriftliche und von den Betreibungsgläubigern unterzeichnete
Erklärungen vorliegen. Gegen diese Verfügung erhoben A. und B. Beschwerde
und verlangten, das Betreibungsamt sei anzuweisen, Dritten gegenüber von
sämtlichen gegen sie zur Zeit der Genehmigung des Nachlassvertrages im
Betreibungsregister eingetragenen Betreibungen keine Kenntnis mehr zu
geben. Mit Entscheiden vom 13. Dezember 2002 wies die Aufsichtsbehörde
in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern die Beschwerden ab.

    C.- A. und B. haben die Entscheide der Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschriften vom 23. Dezember 2002 (rechtzeitig) an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen
und beantragen, die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und das
Betreibungsamt sei anzuweisen, Dritten gegenüber von sämtlichen gegen
sie zur Zeit der Genehmigung des Nachlassvertrages im Betreibungsregister
eingetragenen Betreibungen keine Kenntnis mehr zu geben.

    Die Aufsichtsbehörde hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

    Weitere Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.  Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, die im
bestätigten Nachlassvertrag enthaltene Klausel stelle eine gültige
Erklärung des Gläubigers zum Rückzug seiner Betreibung dar. Die Klausel
könne ohne weiteres Inhalt eines ordentlichen Nachlassvertrages sein,
weil Art. 314 Abs. 1 SchKG nur dessen Mindestinhalt definiere und der
Nachlassrichter den ganzen Nachlassvertrag genehmigt habe, so dass sich
dessen Rechtskraft und Verbindlichkeit für alle Gläubiger auch auf die
fragliche Klausel beziehe und daher durchsetzbar sei. Schliesslich gehe
der Zweck des Nachlassvertrags verloren, wenn Dritte weiter Einsicht in
frühere Betreibungen des Nachlassschuldners hätten.

    3.1  Welche Auskünfte zu verhindern sind, weil sie keinen genügenden
Rückschluss auf die Kreditwürdigkeit des Betroffenen zulassen, bestimmt
Art. 8a Abs. 3 SchKG. So darf das Betreibungsamt Dritten keine Kenntnis
von der Betreibung geben, wenn der Gläubiger die Betreibung zurückgezogen
hat (lit. c). Dabei spielt es nach der Rechtsprechung keine Rolle, wann
der Rückzug erfolgt, insbesondere ob er vor oder nach der Zahlung (an den
Gläubiger oder an das Betreibungsamt) stattgefunden hat (BGE 126 III 476
E. 2b S. 478). Da der Gläubiger den Rückzug nicht zu begründen braucht und
das Stadium der Betreibung beim Rückzug keine Rolle spielt (vgl. DOMINIK
GASSER, in: BlSchK 2001 S. 84), ist auch nicht ausgeschlossen, dass
Betreibungen, welche dem Nachlassvertrag unterliegende Forderungen
betreffen und mit dessen Bestätigung dahinfallen (Art. 311 SchKG;
HARDMEIER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, N. 1 und 3 zu Art. 311 SchKG), zurückgezogen werden
können. Voraussetzung ist allerdings nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes
und der erwähnten Rechtsprechung, dass die entsprechende Erklärung des
Gläubigers vorliegt. Dies ist nach den Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden,
wenn die Aufsichtsbehörde geschlossen hat, dass diejenigen Gläubiger,
die dem Nachlassvertrag bzw. der darin enthaltenen Rückzugsklausel nicht
zugestimmt haben, ihre Betreibung auch nicht zurückgezogen haben.

    3.2  Die Beschwerdeführer leiten sodann zu viel für sich aus Art. 314
SchKG ab. Diese Bestimmung schreibt den materiellen Mindestinhalt
des ordentlichen Nachlassvertrages vor, was einzig bedeutet, dass
zulässiger und möglicher Vertragsinhalt der Stundungsvergleich, der
Prozentvergleich (wie hier) oder eine Kombination dieser Arten ist
(BBl 1991 III 190). Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, das
Erfordernis, dass der Gläubiger den Rückzug der Betreibung erkläre,
falle durch die Bestätigung des Nachlassvertrages dahin bzw. werde
gleichsam derogiert, gehen sie fehl. Zum einen verkennen sie, dass das
gerichtliche Nachlassverfahren dem (öffentlichen) Zwangsvollstreckungsrecht
untersteht (BGE 105 III 92 E. 2b S. 95), dessen Regeln - und damit auch
Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG bzw. das Erfordernis der Rückzugserklärung
von Seiten des Betreibungsgläubigers - unbedingt einzuhalten sind. Zum
anderen gibt das Betreibungsamt u.a. nur dann Dritten keine Kenntnis
von einer Betreibung, wenn deren Aufhebung zufolge einer Beschwerde oder
eines Urteils erfolgt ist (Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG; vgl. GILLIÉRON,
Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite,
N. 38 ff. zu Art. 8a SchKG). Diesem Tatbestand kann ein Nachlassvertrag
von vornherein nicht gleichgesetzt werden, da sich daraus nicht entnehmen
lässt, ob die Betreibung ungerechtfertigt gewesen ist (vgl. BGE 125
III 334 E. 3 S. 336). Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass die im
gerichtlichen Nachlassvertrag erwähnte Klausel zum Rückzug keine Wirkung
dahingehend entfalten kann, dass sie einen Rückzug der Betreibungen durch
die nicht zustimmenden Nachlassgläubiger darstelle.

    3.3  Nach dem Dargelegten ist nicht zu beanstanden, wenn die
Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist, das Betreibungsamt habe zu
Recht die fraglichen Betreibungen im Betreibungsregister als "Aufgehoben
durch Nachlass" vermerkt, und es liege kein Grund zum Ausschluss des
Auskunftsrechts gemäss Art. 8a Abs. 3 SchKG vor. Die Beschwerden sind
unbegründet.

    3.4  Anzufügen bleibt, dass die Betreibung, welche durch die (gemäss
Art. 308 Abs. 1 SchKG dem Betreibungsamt mitzuteilende) Bestätigung
des Nachlassvertrages dahingefallen ist, im Betreibungsbuch durch
den Buchstaben "E" zu vermerken ist ("Erlöschen aus anderen Gründen";
Art. 10 der Verordnung über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu
verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung [VFRR;
SR 281.31]).