Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 276



129 III 276

46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen Bank
X. (Berufung)

    4C.269/2002 vom 17. Dezember 2002

Regeste

    Art. 322 und 322d OR. Freiwillige Gratifikation, vereinbarte
Gratifikation oder Lohn?

    Allgemeines zur Abgrenzung (E. 2). Bedeutung des Verhältnisses von
Lohnhöhe und Gratifikationsleistung (E. 2.1). Umstände, unter denen ein
stets angebrachter Freiwilligkeitsvorbehalt zur Vermeidung der Entstehung
eines Anspruchs auf Gratifikation bei jahrelanger, regelmässiger
Ausrichtung einer solchen unwirksam werden kann (E. 2.2 und 2.3).

    Art. 328 OR. Gleichbehandlungsgrundsatz. Stillschweigende
Vertragsänderung.

    Zur Tragweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes im
Arbeitsvertragsrecht. Unter Umständen kann aus der Begünstigung einzelner
Arbeitnehmer auf eine stillschweigende Vertragsänderung hinsichtlich
einer Gratifikation geschlossen werden (E. 3).

Sachverhalt

    A.- A. (Kläger) war seit dem 16. März 1989 Mitarbeiter der Bank
X. (Beklagte). Er kündigte das Arbeitsverhältnis auf den 31. Dezember
2000. Sein Jahreslohn belief sich im ersten Dienstjahr auf Fr. 75'400.-
und erhöhte sich bis zu seinem Ausscheiden auf rund Fr. 132'000.-. Seit
Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde ihm jährlich eine Gratifikation
ausbezahlt, die im ersten Dienstjahr (9 1/2 Monate) Fr. 3'600.- betrug
und sich bis zum Jahr 1999 auf Fr. 30'000.- erhöhte. Für das Jahr 2000
erhielt der Kläger keine Gratifikation mehr.

    B.- Mit Teilklage vom 26. September 2001 belangte der Kläger die
Beklagte beim Gewerblichen Schiedsgericht von Basel-Stadt auf Zahlung
von Fr. 30'000.- als Gratifikation für das Jahr 2000 nebst Zins. Das
Gewerbliche Schiedsgericht hiess die Klage am 3. Dezember 2001 im Umfang
von Fr. 21'333.- netto nebst Zins gut. Die Mehrforderung wies es ab.

    Diesen Entscheid hob das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
am 7. Juni 2002 auf kantonalrechtliche Beschwerde der Beklagten hin auf
und wies die Klage vollumfänglich ab.

    C.- Der Kläger beantragt mit eidgenössischer Berufung, das Urteil
des Appellationsgerichts vom 7. Juni 2002 sei aufzuheben und die Klage
im gleichen Umfang wie vom Gewerblichen Schiedsgericht gutzuheissen. Die
Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten
werden könne.

    Eine vom Kläger in gleicher Angelegenheit erhobene staatsrechtliche
Beschwerde hat das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.  Bei einer Gratifikation im Sinne von Art.  322d OR handelt es
sich um eine ausserordentliche Zulage, die zum Lohn hinzutritt und bei
bestimmten Anlässen ausgerichtet wird (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 2
f. zu Art. 322d OR). Sie hängt immer in einem gewissen Masse vom Willen
des Arbeitgebers ab. Ein im voraus festgesetzter und fest vereinbarter
Betrag kann keine Gratifikation sein, sondern stellt Lohn dar (BGE 109 II
447 E. 5c S. 548; TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl., Zürich 2003,
Rz. 3139 ff.). Umgekehrt darf aber nicht geschlossen werden, dass jede
variable Vergütung eine Gratifikation wäre. Je nach dem, was die Parteien
konkret vereinbart haben, handelt es sich vielmehr entweder um einen
Lohnbestandteil im Sinne von Art. 322 OR, der gemäss Art. 322a OR variabel
ausgestaltet sein kann, oder um eine Gratifikation (vgl. BRÜHWILER,
Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996, N. 3 zu Art. 322d
OR; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl.,
Zürich 1992, N. 9 zu Art. 322 OR und N. 4 zu Art. 322d OR; WYLER, Droit
du travail, Bern 2002, S. 115 f.).

    Ob es sich bei einer Gratifikation um eine vollständig freiwillige
Leistung des Arbeitgebers handelt oder ob auf deren Ausrichtung ein
Anspruch besteht, hängt von den Umständen ab. Die Verpflichtung zur
Ausrichtung kann im schriftlichen oder mündlichen Arbeitsvertrag
ausdrücklich vereinbart worden sein. Sie kann aber auch während des
laufenden Arbeitsverhältnisses durch konkludentes Verhalten entstehen,
wie beispielsweise durch die regelmässige und vorbehaltlose Ausrichtung
eines entsprechenden Betrages (Urteil des Bundesgerichts 4C.263/2001
vom 22. Januar 2002, E. 4b; BRÜHWILER, aaO, N. 3 zu Art. 322d OR;
BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 2. Aufl.,
Basel 1997, N. 5 zu Art. 322d OR; TERCIER, aaO, Rz. 3142; VISCHER, Der
Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht VII/1,III, Basel 1994,
S. 114; STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 4 zu Art. 322d OR; vgl. auch GOTTLIEB
DELBRÜCK, Die Gratifikation im schweizerischen Einzelarbeitsvertrag,
Diss. Basel 1981, S. 57 ff.). Lehre und Rechtsprechung nehmen an, dass
eine Gratifikation nach dem Vertrauensprinzip als vereinbart gilt, wenn
sie vorbehaltlos während mindestens drei aufeinander folgenden Jahren
ausgerichtet worden ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.359/1995 vom
6. Dezember 1995, E. 2, JAR 1997 S. 124; STAEHELIN, Zürcher Kommentar,
N. 9 zu Art. 322d OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 6 f. zu Art. 322d
OR; DUC/SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, Lausanne
1998, N. 13 zu Art. 322d OR; WYLER, aaO, S. 120; vgl. auch die kantonalen
Urteile in: JAR 1999 S. 156, JAR 1998 S. 148 f., JAR 1996 S. 150 ff.,
JAR 1995 S. 107, JAR 1994 S. 145 f.). Die Einigung kann allerdings auch
nur den Grundsatz betroffen haben, dass eine Gratifikation auszurichten
ist. Dann kann der Arbeitgeber unterschiedliche Beträge je nach der
Qualität der Arbeitsleistung, dem Geschäftsgang und weiteren von ihm
frei bestimmbaren Kriterien ausrichten (STAEHELIN, Zürcher Kommentar,
N. 24 zu Art. 322d OR; REHBINDER, aaO, N. 16 zu Art. 322d OR).

    2.1  Der Kläger macht geltend, zur Unterscheidung zwischen einem
Lohnbestandteil und einer Gratifikation komme es nicht bloss auf den
Parteiwillen an. Eine Gratifikation könne als zusätzliches Entgelt oder
Akzessorium zum Lohn immer nur eine Leistung darstellen, die neben dem
Lohn ausgerichtet werde. Übersteige ihr Betrag, wie vorliegend, ein
gewisses Mass, liege keine Gratifikation, sondern Lohn vor.

    Es ist in der Tat mit dem Charakter der ganzen oder teilweisen
Freiwilligkeit der Gratifikation nicht vereinbar, dass bei einem
Arbeitsvertrag die Entschädigung ausschliesslich in einer Gratifikation
besteht. Der Arbeitsvertrag ist definitionsgemäss entgeltlich. Die
Arbeitgeberin muss sich somit zu einem Entgelt verpflichtet haben. Eine
bloss freiwillige Entschädigung genügt nicht. Entsprechend ist die
Gratifikation eine Sondervergütung, die zum Lohn hinzutritt (STAEHELIN,
Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 322d OR). Die Lehre folgert richtig,
dass es auch nicht genügen kann, wenn ein kleiner Lohn vereinbart
ist und dafür eine grosse Gratifikation ausgerichtet wird (STAEHELIN,
Zürcher Kommentar, N. 4 zu Art. 322d OR). Diesfalls erweist sich die
Gratifikation trotz der vereinbarten Freiwilligkeit als das eigentliche
Entgelt für die Arbeit und wird dadurch zumindest teilweise zum Lohn im
Rechtssinn. Fraglich erscheint allerdings, wo die entsprechende Grenze
zu ziehen ist. Diese kann nicht einfach in einer festen Verhältniszahl
zwischen dem vereinbarten Lohn und der freiwilligen Gratifikation liegen.
Es liegt auf der Hand, dass bei einem niedrigen Einkommen schon ein (auch
relativ) kleiner Einkommensunterschied sehr viel mehr Bedeutung haben
wird, als bei einem hohen Einkommen. Entsprechend kann bei einem hohen
Einkommen der als Gratifikation ausgerichtete Teil der Leistung prozentual
zum Lohn grösser sein, als bei einem niedrigen Einkommen (DELBRÜCK, aaO,
S. 76 f.). Ob die fragliche Leistung für die Parteien zur entscheidenden
Entschädigung für die Arbeitsleistung und damit zum Lohn geworden oder
eine blosse Zusatzvergütung und damit Gratifikation geblieben ist, hängt
überdies von ihrer Regelmässigkeit ab. Auch bei einer im Verhältnis zum
Lohn sehr hohen Leistung kann der Charakter als Gratifikation gewahrt
werden, wenn ihre Ausrichtung einmalig ist und sich in dieser Höhe nicht
wiederholt. Auch deshalb lässt sich keine allgemeine Schranke für die
Höhe der Gratifikation festsetzen. Immerhin erscheint der akzessorische
Charakter dann kaum mehr gewahrt, wenn die Gratifikation regelmässig
einen höheren Betrag erreicht als der Lohn.

    Wie der Kläger selber festhält, waren die im vorliegenden Fall als
Gratifikation ausbezahlten Beträge durchwegs wesentlich geringer. Sie
erreichten bis zu einem Viertel des Jahresgehalts. Dieses lag seinerseits
ab dem vierten Dienstjahr über Fr. 100'000.- und kann damit nicht als
bescheiden bezeichnet werden. Die Höhe der ausgerichteten Beträge spricht
somit nicht gegen eine Gratifikation.

    2.2  Weiter hält der Kläger dafür, die Gratifikation sei vorliegend
vereinbart, weil sie Jahrzehnte lang ausgerichtet worden sei.

    Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art.
63 Abs. 2 OG) richtete die Beklagte während der zwölfjährigen Dauer
des Arbeitsverhältnisses zwar immer eine Gratifikation aus, wenn auch
in unterschiedlicher Höhe. Die Ausrichtung erfolgte indessen nicht
vorbehaltlos. Mit Ausnahme des Jahres 1988 brachte die Beklagte immer den
Vorbehalt an, dass die Ausrichtung freiwillig erfolge. Aus dem einmaligen
Unterlassen des Freiwilligkeitsvorbehalts kann der Kläger nichts für seinen
Standpunkt ableiten. Wie beide kantonalen Instanzen zu Recht festhalten,
kann eine einmalige, versehentliche Unterlassung des Vorbehalts noch
nicht zu einer stillschweigenden Vereinbarung führen.

    2.3  Der Kläger macht zudem mit Verweis auf eine in der Literatur
vertretene Meinung geltend, eine stillschweigende Vereinbarung könne auch
trotz Freiwilligkeitsvermerks zustande kommen, wenn die Gratifikation
jahrzehntelang ausgerichtet worden sei.

    Es trifft zu, dass es für den Inhalt eines Vertrages auf den
tatsächlichen oder den objektiv übereinstimmenden Parteiwillen und
nicht auf die von den Parteien gewählte unrichtige Bezeichnung oder
Ausdrucksweise ankommt (Art. 18 Abs. 1 OR; BGE 128 III 265 E. 3a; 127 III
444 E. 1b S. 445; 126 III 119 E. 2a). Ein Vorbehalt der Freiwilligkeit ist
unbehelflich, wenn er als nicht ernst gemeinte, leere Floskel angebracht
wird, und die Arbeitgeberin durch ihr ganzes Verhalten zeigt, dass sie sich
zur Auszahlung einer Gratifikation verpflichtet fühlt. Deshalb kann die
Gratifikation auch dann als vereinbart gelten, wenn jahrzehntelang eine
Gratifikation mit dem Vermerk der Freiwilligkeit ausbezahlt wird, dieser
Vorbehalt aber nie in Anspruch genommen wird (STAEHELIN, Zürcher Kommentar,
N. 10 zu Art. 322d OR; VISCHER, aaO, S. 114; STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 5
zu Art. 322d OR; a.M. WYLER, aaO, S. 121; BRÜHWILER, aaO, N. 3 zu Art.
322d OR; DUC/SUBILIA, aaO, N. 14 zu Art. 322d OR). Das rechtfertigt sich
aber nur, wenn die Arbeitgeberin in dieser Zeit auch Grund dafür gehabt
hätte, die Gratifikation nicht auszurichten, wie beispielsweise bei einem
schlechten Geschäftsgang oder einer schlechten Arbeitsleistung einzelner
Mitarbeiter (BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, aaO, N. 5 zu Art. 322d OR; REHBINDER,
aaO, N. 8 zu Art. 322d OR; Urteil des Bundesgerichts 4C.284/1996 vom
7. Oktober 1997, E. 2a).

    Vorliegend ist zwar nachgewiesen, dass die Gratifikation während
des zwölf Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses immer ausgerichtet worden
ist. Der Kläger hat aber in keiner Weise dargetan, warum die Arbeitgeberin
in dieser Zeit bei einer freiwilligen Leistung einen Grund hätte haben
sollen, auf eine Ausrichtung zu verzichten. Auch insofern sind somit
die Voraussetzungen für die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung
nicht gegeben.

    2.4  Es ergibt sich somit, dass es sich bei den von der Beklagten
ausgerichteten Zusatzleistungen um freiwillige Gratifikationen im Sinne von
Art. 322d OR handelte und der Kläger keinen Anspruch auf eine Gratifikation
erworben hat.

Erwägung 3

    3.  Der Kläger macht schliesslich geltend, es widerspreche dem
Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte anderen Arbeitnehmern beim
Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Gratifikation ausgerichtet
habe, ihm dies nun aber verweigere. Er verkennt dabei die Bedeutung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes.

    3.1  Soweit eine vertragliche Regelung vorliegt, ist vom Grundsatz der
Vertragsfreiheit als einem der tragenden Pfeiler der privatrechtlichen
Grundfreiheiten auszugehen (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, N. 20 zu
Art. 19 OR). Mit Bezug auf den vereinbarten Vertragsinhalt sind danach
beliebige Differenzierungen zwischen den einzelnen Arbeitnehmenden erlaubt.
Verhandelt ein Arbeitnehmer schlechter als seine Kollegen, so hat er
die sich daraus ergebenden schlechteren Arbeitsbedingungen grundsätzlich
hinzunehmen (VON KAENEL, Arbeitsrecht, St. Gallen/Lachen 1999, S. 57;
STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 20 zu Art. 322 OR, N. 5 zu Art. 322d OR und
N. 12 zu Art. 328 OR; JAR 1985 S. 128).

    Soweit es um freiwillige Sozialleistungen und Zulagen geht, finden
sich in der Lehre und teilweise auch in der Rechtsprechung Einschränkungen
und Vorbehalte gegenüber einer Ungleichbehandlung von Angestellten des
gleichen Arbeitgebers (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 13 zu Art. 322d
OR; REHBINDER, aaO, N. 9 zu Art. 322d OR; STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 20
zu Art. 322 OR und N. 12 zu Art. 328 OR; WYLER, aaO, S. 559; STAEHELIN,
Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im schweizerischen Arbeitsrecht, in:
BJM 1982 S. 66 f. [nachfolgend STAEHELIN, Gleichbehandlung]; JAR 1992 S.
287 f.). Solche Einschränkungen lassen sich aber stets nur sehr punktuell
rechtfertigen (vgl. dazu GEISER, Gibt es ein Gleichbehandlungsgebot im
schweizerischen Arbeitsrecht?, in: Becker/Hilty/Stöckli/Würtenberger
[Hrsg.], Festschrift Rehbinder, Bern/München 2002, S. 39 ff.). Das
Argument, der Arbeitgeber habe sich von angeblich "sachfremden Motiven"
leiten lassen, bedeutet nicht ohne weiteres, dass die ungleiche Behandlung
als rechtswidrig erscheint (offenbar a.M. Gewerbliches Schiedsgericht
Basel, Urteil vom 18. Juni 1990, JAR 1992 S. 287 f.). Es gehört zum
Wesen der privatautonomen Vertragsfreiheit, selber zu bestimmen, welche
Motive als "sachgemäss" anzusehen sind. Diesen Grundsatz schränkt die
Rechtsordnung allerdings durch gewisse besondere Regelungen ein, wie
sie etwa im Gleichstellungsgesetz, im Heimarbeitsgesetz oder in gewissen
Staatsverträgen zu finden sind (GEISER, aaO, S. 39 ff.; STREIFF/VON KAENEL,
aaO, N. 5 zu Art. 322d OR; STAEHELIN, Gleichbehandlung, aaO, S. 62 ff.).

    In der Lehre wird aus der Pflicht des Arbeitgebers, die
Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen (Art. 328 OR), und aus
dem Persönlichkeitsschutz (Art. 28 ff. ZGB) auf einen allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatz geschlossen (REHBINDER, aaO, N. 8 zu Art. 328
OR; DUC/SUBILIA, aaO, N. 23 zu Art. 322d OR; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER,
aaO, N. 6 zu Art. 322d OR; STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 20 zu Art. 322
OR und N. 12 zu Art. 328 OR; WYLER, aaO, S. 560; DANIEL MEYER, Der
Gleichbehandlungsgrundsatz im schweizerischen Arbeitsrecht, Diss. Zürich
1976, S. 109 ff., 127 f., 299). Zu beachten ist allerdings, dass auch eine
unsachliche und willkürliche Entscheidung des Arbeitgebers nur dann eine
Persönlichkeitsverletzung und damit einen Verstoss gegen das individuelle
Diskriminierungsverbot darstellen kann, wenn darin eine den Arbeitnehmer
verletzende Geringschätzung seiner Persönlichkeit zum Ausdruck kommt
(GEISER, a.a.O, S. 45; vgl. auch DELBRÜCK, aaO, S. 73). Eine solche kann
von vornherein nur gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber einer
Vielzahl von anderen Arbeitnehmern deutlich ungünstiger gestellt wird,
nicht jedoch, wenn der Arbeitgeber bloss einzelne Arbeitnehmer besser
stellt (REHBINDER, aaO, N. 9 zu Art. 322d OR; GEISER, aaO, S. 45;
STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 5 zu Art. 322d OR). Immerhin kann ein nur
einzelne Arbeitnehmer begünstigendes Verhalten des Arbeitgebers zur Folge
haben, dass auch davon nicht erfasste Arbeitnehmer nach Treu und Glauben
auf eine stillschweigende Vertragsänderung zu ihren Gunsten schliessen
dürfen. Dann muss die Arbeitgeberin diese nur einzelnen Arbeitnehmern
zugedachte begünstigende Behandlung auch den andern zukommen lassen,
weil sie nach Treu und Glauben als vertraglich vereinbart anzusehen ist
(GEISER, aaO, S. 47 f.; vgl. auch STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 13
zu Art. 322d OR).

    3.2  Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz haben
von weit über hundert in den Jahren 2000 und 2001 durch Kündigung aus
den Diensten der Beklagten ausgetretenen Mitarbeitern nur einzelne im
gekündigten Arbeitsverhältnis noch eine Gratifikation erhalten. Damit
liegt kein Fall einer Benachteiligung eines Mitarbeiters gegenüber
den anderen Mitarbeitern der Beklagten vor, sondern eine Begünstigung
einzelner Arbeitnehmer, die ohne weiteres zulässig ist. Der Kläger macht
nicht geltend und es ist auch nicht zu sehen, dass er aus der Ausrichtung
von Gratifikationen oder Abgangsentschädigungen an andere Arbeitnehmer
im gekündigten Arbeitsverhältnis auf eine entsprechende Vertragsänderung
hätte schliessen dürfen. Dem angefochtenen Entscheid lässt sich nicht
entnehmen, dass der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der
Ausrichtung einer Gratifikation an einzelne Arbeitnehmer nach der Kündigung
Kenntnis gehabt hätte. Schon insoweit fehlen die Voraussetzungen dafür,
dass er nach Treu und Glauben auf eine entsprechende Vertragsänderung
hätte vertrauen dürfen.