Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 129 III 272



129 III 272

45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen
Einwohnergemeinde der Stadt Bern (Berufung)

    4C.339/2002 vom 13. März 2003

Regeste

    Zulässigkeit einer Mietzinserhöhung nach der absoluten Methode bei
der Vermietung von vergünstigten Wohnungen durch das Gemeinwesen.

    Das Gemeinwesen, das subventionierte Wohnungen vermietet, ist
berechtigt, auch ohne Vorbehalt in der früheren Mietzinsgestaltung die
Mietzinse nach der absoluten Berechnungsmethode ans marktkonforme Niveau
anzupassen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 23. September 1996 schloss die Einwohnergemeinde der Stadt Bern
(Klägerin) mit A. (Beklagter) einen Mietvertrag mit Beginn am 15. Oktober
1996 über eine 2-Zimmer-Wohnung in Bern ab. Der monatliche Nettomietzins
wurde auf Fr. 512.- und die Nebenkosten auf Fr. 123.- festgesetzt. Der
Mietvertrag war mit folgender Klausel versehen:

      "Der Mieter nimmt zur Kenntnis, dass diese subventionierte

      resp. sonst

    wie verbilligte Wohnung vor allem zur Unterbringung von Familien mit

    unmündigen Kindern dienen soll. Er ist verpflichtet, die Wohnung

    nötigenfalls freizugeben, sobald die Kinder anderswo Wohnsitz nehmen

    oder das Einkommen die zulässige Grenze überschreitet. Allfällige

    Auskunftsformulare hat er wahrheitsgetreu auszufüllen."

    Mit amtlichem Formular vom 12. Dezember 2000 wurde dem Beklagten
eine Erhöhung des Nettomietzinses ab 1. Mai 2001 auf Fr. 770.- und
eine Anpassung der Nebenkosten Akonto auf Fr. 110.- mitgeteilt. Diese
Erhöhung wurde mit einer Anpassung an die orts- und quartierüblichen
Mietzinse begründet. Einen Mietzinserhöhungsvorbehalt enthielten weder
der Mietvertrag vom 23. September 1996 noch das Formular vom 11. Dezember
1998, mit welchem - bei gleich bleibendem Bruttomietzins - eine Senkung
des Nettomietzinses von Fr. 512.- auf Fr. 509.- und eine Erhöhung der
Nebenkosten von Fr. 123.- auf Fr. 126.- angezeigt wurde.

    B.- Die Mietzinserhöhung vom 12. Dezember 2000 wurde vom Beklagten
beim Mietamt der Stadt Bern angefochten, welches am 12. Juni 2001
das Scheitern der Schlichtungsverhandlung feststellte. Am 12. Juli
2001 erhob die Klägerin beim Gerichtskreis VIII Bern-Laupen Klage
mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass der Nettomietzins von
Fr. 770.- für die 2-Zimmer-Wohnung des Beklagten mit Wirkung ab 1. Mai
2001 nicht missbräuchlich sei. Mit Urteil vom 25. April 2002 hiess der
Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die Klage gut und
stellte fest, dass der Nettomietzins von Fr. 770.- mit Wirkung ab 1. Mai
2001 nicht missbräuchlich sei. Gleich entschied der Appellationshof des
Kantons Bern mit Urteil vom 17. September 2002.

    C.- Mit Berufung vom 23. Oktober 2002 beantragt der Beklagte dem
Bundesgericht, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben, die Klage
vollumfänglich abzuweisen und die vorinstanzlichen Parteikosten neu
zu verlegen.

    Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass
trotz fehlendem Vorbehalt im Mietvertrag eine Anpassung an die orts- und
quartierüblichen Mietzinsen aus verschiedenen Gründen zulässig sei. Unter
anderem wurde ausgeführt, dass der vorliegende Fall deutliche Parallelen
zur Entlassung eines Mietobjektes aus der staatlichen Mietzinskontrolle
aufweise, in welchem Fall auch ohne früheren Mietzinsvorbehalt eine
Mietzinserhöhung nach der absoluten Methode zulässig sei.

    Der Beklagte wendet dagegen ein, dass der hier zu beurteilende Fall
mit dem Spezialfall der Entlassung eines Mietobjektes aus der staatlichen
Mietzinskontrolle nicht vergleichbar sei. Im Unterschied zu behördlich
kontrollierten Mietzinsen, die ausserhalb der Missbrauchsgesetzgebung
stünden (Art. 253b Abs. 3 OR), liege hier kein Fall staatlicher
kontrollierter Mietzinse vor, weshalb die Bestimmungen über den Schutz
vor missbräuchlichen Mietzinsen anwendbar seien. Da der Mietvertrag vom
23. September 1996 und die Mietzinsanpassung vom 11. Dezember 1998 keinen
Erhöhungsvorbehalt enthalten hätten, sei der Mieter in seinem Vertrauen
zu schützen, dass der Vermieter einen ausreichenden Ertrag erziele. Eine
Mietzinsanpassung nach der absoluten Methode sei daher unzulässig.

Erwägung 2

    2.

    2.1  Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bei subventionierten
Wohnungen, die aus der behördlichen Mietzinskontrolle entlassen werden,
auch ohne früheren Erhöhungsvorbehalt eine Mietzinsanpassung nach der
absoluten Berechnungsmethode zulässig ist (BGE 123 III 171 E. 6a S. 173;
117 II 77 E. 2 S. 80). Die Möglichkeit einer Erhöhung nach der absoluten
Methode wird einerseits damit begründet, dass sich die Bestimmungen
zum Schutz vor missbräuchlichen Mieten nicht auf subventionierte
Wohnungen mit behördlicher Mietzinskontrolle beziehen (Art. 253b Abs. 3
OR). Andrerseits begründe die behördliche Mietzinsfestsetzung beim Mieter
nicht das Vertrauen bezüglich der genügenden Höhe des letzten von ihm
bezahlten Mietzinses (BGE 123 III 171 E. 6a S. 173; Urteil 4C.153/1993
vom 25. Januar 1994, publ. in: mp 1994 S. 93 ff., E. 2).

    2.2  Im Unterschied zu den soeben erwähnten Entscheiden bezieht
sich die hier zu beurteilende Mietzinserhöhung nicht auf eine Wohnung im
Sinne von Art. 253b Abs. 3 OR. Die Förderung der Bereitstellung durch die
öffentliche Hand besteht darin, dass das Gemeinwesen einem Dritten - dem
Vermieter - entgeltliche Leistungen für die Bereitstellung zukommen lässt
und im Gegenzug die Mietzinsgestaltung kontrolliert (vgl. die Beispiele in
BGE 123 III 171 und 117 II 77). Wenn hingegen das fördernde Gemeinwesen
wie im vorliegenden Fall selbst Vermieter ist, liegt kein Anwendungsfall
von Art. 253b Abs. 3 OR vor (PETER HIGI, Zürcher Kommentar, N. 83 zu
Art. 253a-253b OR m.w.H.). In diesem Fall kann die direkte Anwendung der
absoluten Berechnungsmethode nach dem Ende der Subventionierung somit
nicht mit dem Argument begründet werden, die behördlich kontrollierten
Mietzinse stünden ausserhalb der Missbrauchsgesetzgebung.

    2.3  Nach der einleitend erwähnten Rechtsprechung wird die direkte
Anwendbarkeit der absoluten Methode aber nicht nur dadurch gerechtfertigt,
dass bei behördlich kontrollierten Mietzinsen der Anwendungsbereich
der Missbrauchsgesetzgebung gemäss Art. 253b Abs. 3 OR beschränkt ist,
sondern auch dadurch, dass die behördliche Mietzinsfestsetzung beim
Mieter kein Vertrauen bezüglich der genügenden Höhe des letzten von
ihm bezahlten Mietzinses erweckt. Dies gilt sowohl für den Fall, in
welchem das Gemeinwesen dem Vermieter entgeltliche Leistungen für die
vergünstigte Bereitstellung von Wohnungen zukommen lässt, als auch für den
Fall, in welchem das Gemeinwesen selbst direkt verbilligten Wohnraum zur
Verfügung stellt. Im vorliegenden Fall wurde dem Mieter im Mietvertrag
klar und eindeutig zu Kenntnis gebracht, dass er eine "subventionierte
resp. sonst wie verbilligte Wohnung" miete, so dass er sich nicht auf ein
angebliches Vertrauen bezüglich der marktkonformen Höhe des letzten von
ihm bezahlten Mietzinses berufen kann. Im Gegenteil musste ihm klar sein,
dass das Gemeinwesen aus sozialpolitischen Gründen darauf verzichtete,
den an sich zulässigen Mietzins auszuschöpfen. Hinzu kommt, dass auch dem
Gemeinwesen, das aus sozialpolitischen Gründen verbilligten Wohnraum zur
Verfügung stellt, nicht zumutbar ist, im Hinblick auf einen möglichen
künftigen Übergang von der Objektverbilligung zur Subjekthilfe einen
konkreten Erhöhungsvorbehalt zu formulieren. Im Unterschied zu Wohnungen,
die das Gemeinwesen wie Private zu kostendeckenden Bedingungen vermietet,
ist beim subventionierten Wohnungswesen die Bestimmung der genauen
Ertragslage nämlich oft gar nicht notwendig, weil der zulässige Mietzins
aus sozialpolitischen Gründen ohnehin nicht ausgeschöpft wird.

    2.4  Die absolute Berechnungsmethode ist also nicht nur zulässig,
wenn die staatliche Mietzinskontrolle bezüglich Wohnungen, die von einem
Dritten vermietet werden, endet, sondern auch dann, wenn das Gemeinwesen
selbst als Vermieter auftritt und die ursprüngliche Objektverbilligung
eliminiert und durch eine Form von Subjekthilfe ersetzt (in diesem
Sinn Urteil 4C.330/2002 vom 31. Januar 2003, E. 3.3 betreffend Kanton
Basel-Stadt). Diese Regelung gilt indessen nur dann, wenn das Gemeinwesen
effektiv subventionierten Wohnraum zur Verfügung gestellt hat. Anders
verhält es sich, wenn Fiskalliegenschaften vom Gemeinwesen wie von Privaten
zu kostendeckenden Bedingungen vermietet werden. In diesem Fall kann
sich der Bürger gegenüber dem vermietenden Gemeinwesen in gleicher Art
wie gegenüber dem privaten Vermieter auf den Vertrauensschutz berufen
(Urteil 4C.170/1993 vom 25. Januar 1994, publ. in: mp 1994 S. 85 ff.,
E. 3 betreffend Stadt Zürich).