Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 V 295



128 V 295

43. Auszug aus dem Urteil i.S. PRIMA Krankenversicherung AG gegen
Eidgenössisches Departement des Innern

    K 17/02 vom 26. Juli 2002

Regeste

    Art. 11 lit. a, Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 und 2 lit. a und b
KVG. Die Delegation der Kernaufgaben der sozialen Krankenversicherung an
einen Dritten - i.c. Auslagerung des gesamten Geschäftsführungsbereichs -
ist grundsätzlich unzulässig.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- c) Es kann sich einzig fragen, ob die bei einer Anerkennung als
Krankenkasse vorgesehene Übertragung der gesamten Geschäftsführung auf
die SWICA Management AG sich mit dem Gesetz vereinbaren lässt. Dagegen
ist nicht von Bedeutung, dass gemäss Verwaltungsgerichtsbeschwerde die
SWICA Versicherungen AG "ihre Zusatzversicherungsprodukte im Verbund
mit den Grundversicherungsprodukten der Beschwerdeführerin verkaufen
will". Es kann insoweit keinen Unterschied machen zum gesetzlich
normierten Tatbestand einer privaten Versicherungseinrichtung, die
private (Zusatz-)Versicherungen anbietet und daneben die soziale
Krankenversicherung durchführt.

    aa) Unter den Parteien ist unbestritten, dass eine (anerkannte)
Krankenkasse die soziale Krankenversicherung selber durchzuführen hat. Die
Delegation von Aufgaben zum autonomen Vollzug an Dritte ist grundsätzlich
unzulässig, wenn und soweit sie - in den Worten des Departementes in der
angefochtenen Verfügung - "das Wesen der Krankenkassentätigkeit ausmachen".
Dazu gehören gemäss Eidgenössischem Departement des Innern u.a. der gesamte
Bereich hoheitlichen Handelns, insbesondere der Erlass von Verfügungen,
der Verkehr mit den (Aufsichts-)Behörden und Versicherten sowie alle mit
dem Datenschutz im Zusammenhang stehenden Massnahmen.

    In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird sinngemäss geltend
gemacht, der Tatbestand der unzulässigen "Auslagerung einer
Krankenversicherungstätigkeit zum autonomen Vollzug an Dritte" sei
nicht gegeben, wenn der entsprechende Vertrag die jederzeitige Kontrolle
vorsehe und wenn der Dritte so verpflichtet sei, dass die Krankenkasse
jederzeit ohne Gefährdung ihrer Hauptaufgabe der Durchführung der
sozialen Krankenversicherung sich von ihm trennen könne. So verhalte
es sich indessen vorliegend. Dabei führe die SWICA Management AG das
Versicherungsgeschäft der Beschwerdeführerin in deren Namen, auf deren
Rechnung und auf deren Risiko.

    bb) Könnte sich die Tätigkeit einer Krankenkasse im Wesentlichen auf
die Kontrolle der richtigen Durchführung der sozialen Krankenversicherung
durch einen Dritten beschränken, müsste dieser notwendigerweise
"über eine Organisation und eine Geschäftsführung verfügen, welche
die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleisten" (Art. 13
Abs. 2 lit. b KVG). Es bedeutete im Weitern aber auch, dass diejenigen
Personen, welche die Kontrollfunktion ausüben, hiezu befähigt sind und
selbstredend den vom Gesetz an die verantwortlichen Kassenorgane gestellten
fachlichen Anforderungen genügen (vgl. BBl 1992 I 146 f.). Selbst wenn
diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Durchführung der sozialen
Krankenversicherung nach den gesetzlichen Vorgaben nicht als hinreichend
gesichert gelten, wenn der delegierte Dritte die vertraglichen Beziehungen
jederzeit aufkündigen kann, wie dies vorliegend der Fall ist. Daran
ändert Ziff. 4 des (nicht unterzeichneten) Geschäftsführungsvertrages vom
28. Juni 2001 nichts, wonach die SWICA Management AG das Geschäft so zu
führen hat, dass sich die Beschwerdeführerin jederzeit von ihr trennen
kann, ohne organisatorische, finanzielle oder administrative Nachteile
zu erleiden, und bei Vertragsauflösung auf erstes Verlangen Zugang zu
sämtlichen für die Fortführung des Geschäftes notwendigen Daten und Akten
besteht. Zu beachten ist sodann, dass Krankenkassen von Gesetzes wegen
keinen Erwerbszweck verfolgen dürfen (Art. 12 Abs. 1 KVG) und dass die
Mittel der sozialen Krankenversicherung nicht zweckentfremdet werden dürfen
(Art. 13 Abs. 2 lit. a KVG). Mit dieser Zielsetzung nicht vereinbar ist,
wenn es sich, wie vorliegend bei der SWICA Management AG, bei dem mit
der Geschäftsführung beauftragten Dritten um eine juristische Person mit
gewinnorientierter wirtschaftlicher Zwecksetzung handelt.

    Im Weitern ist bei Übertragung von Aufgaben, welche zum Kernbereich
der Tätigkeit von Krankenkassen zu zählen sind, an Dritte die
aufsichtsmässige Kontrolle insofern erschwert, als sie nicht unmittelbar
bei und gegenüber der juristischen Person erfolgt, welche die soziale
Krankenversicherung effektiv durchführt. Wenn in diesem Zusammenhang
vorgebracht wird, "usanzgemäss" würden Aufgaben, wo es um hoheitliches
Handeln gehe, delegiert, wie beispielsweise der Abschluss von Verträgen
mit Leistungserbringern an die Kassenverbände, ist diese Möglichkeit
ausdrücklich im Gesetz vorgesehen (vgl. Art. 46 KVG). Was schliesslich das
Argument anbetrifft, dadurch, dass die SWICA Management AG gleichzeitig mit
der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin und der SWICA Versicherungen
AG beauftragt werde, könnten Effizienzgewinne in den Bereichen Logistik,
Administration etc. realisiert werden, liesse sich dieses Ziel wohl
ebenfalls erreichen, wenn die private Versicherungseinrichtung auch den
Bereich der sozialen Krankenversicherung in ihr Tätigkeitsfeld aufnähme.

    cc) Aus diesen Gründen ergibt sich, dass die für den Fall der
Anerkennung als Krankenkasse vorgesehene Auslagerung des gesamten
Geschäftsführungsbereichs dem Gesetz widerspricht. Insoweit ist das Gesuch
der Beschwerdeführerin zu Recht abgelehnt worden. Ob die Anerkennung unter
Auflagen in Bezug auf die Delegation von Teilen der Geschäftstätigkeit
an einen Dritten hätte ausgesprochen werden können und müssen, wie in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird, kann insofern
offen bleiben, als das Departement noch aus anderen Gründen (Gefahr
der Risikoselektion) gegen die Gesuchstellerin entschied. Immerhin ist
diesem Gesichtspunkt bei der Kostenauferlegung für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht Rechnung zu tragen.