Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 V 189



128 V 189

32. Auszug aus dem Urteil i.S. Staatssekretariat für Wirtschaft gegen
V. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich C 180/01 vom
5. Juni 2002

Regeste

    Art. 13 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 AVIG; Art. 37 AVIV; Art. 165 ZGB:
Versicherter Verdienst.

    - Bestätigung des Grundsatzes der Ermittlung des versicherten
Verdienstes nach Massgabe der tatsächlichen Lohnbezüge innerhalb des
Bemessungszeitraumes. Auf die Lohnabrede zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer ist nur in begründeten Ausnahmefällen abzustellen.

    - Eine Besonderheit besteht dort, wo der im Beruf oder Gewerbe des
andern mitarbeitende Ehegatte für diese Tätigkeit Anspruch auf angemessene
Entschädigung nach Art. 165 Abs. 1 ZGB hat. Diesfalls bemisst sich der
versicherte Verdienst nach der allenfalls gerichtlich festzulegenden Höhe
der Entschädigungsforderung.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den
versicherten Verdienst nach Art. 23 Abs. 1 AVIG im Hinblick auf den Bezug
von Arbeitslosenentschädigung ab 24. August 1999 auf Fr. 5000.- festgesetzt
hat, oder ob, wie die Aufsichtsbehörde dafür hält, der Mindestbetrag
für den versicherten Verdienst von monatlich Fr. 500.- über den
Bemessungszeitraum gemittelt (Art. 40 AVIV und BGE 121 V 174 f. Erw. 4c/bb
am Ende) nicht erreicht wird und daher die Anspruchsberechtigung zu
verneinen ist. Dabei kann in tatsächlicher Hinsicht als erstellt gelten,
dass die Beschwerdegegnerin vom 1. Juli 1998 bis 31. August 1999 im
Bäckerei-Betrieb ihres Ehemannes (mit-)gearbeitet hatte, wobei bis
31. Dezember 1998 ein Lohn von Fr. 2500.-, ab 1. Januar 1999 von Fr.
5000.- vereinbart gewesen war. Im Weitern steht fest, dass während der
gesamten Beschäftigungsdauer effektiv Fr. 1737.60 an Lohn ausbezahlt
wurden, nämlich Fr. 1237.60 im Oktober 1998 sowie Fr. 500.- im März 1999.

Erwägung 3

    3.- a) aa) Nach Gesetz und Rechtsprechung ist bei der Ermittlung des
versicherten Verdienstes grundsätzlich von den tatsächlichen Lohnbezügen
auszugehen (BGE 123 V 72 Erw. 3 mit Hinweis; THOMAS NUSSBAUMER,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 302). Von dieser zu Recht nicht in Frage
gestellten Regelung im Einzelfall abzuweichen, rechtfertigt sich nur dort,
wo ein Missbrauch im Sinne der Vereinbarung fiktiver Löhne, welche in
Wirklichkeit nicht zur Auszahlung gelangt sind (vgl. ARV 1995 Nr. 15 S. 81
Erw. 2c), praktisch ausgeschlossen werden kann. Eine restriktive Haltung
dergestalt, dass bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes nur in
begründeten Ausnahmefällen auf die Lohnabrede zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer abzustellen ist, erscheint auch aus gesetzessystematischen
Gründen als geboten. Für die Erfüllung der (Mindest-)Beitragszeit von sechs
oder zwölf Monaten innerhalb der Rahmenfrist als eine Voraussetzung für den
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. e und Art. 13
Abs. 1 AVIG) genügt nicht die Ausübung einer an sich beitragspflichtigen
Beschäftigung. Vielmehr bildet eine solche Tätigkeit nur Beitragszeiten,
wenn und soweit hiefür effektiv ein Lohn ausbezahlt wird (vgl. ARV 2001
Nr. 27 S. 225, bestätigt im Urteil H. vom 5. April 2002 [C 346/00];
vgl. auch BGE 122 V 251 Erw. 2b sowie NUSSBAUMER, aaO, Rz 161).

    bb) Eine Besonderheit besteht dort, wo der im Beruf oder Gewerbe des
andern mitarbeitende Ehegatte für diese Tätigkeit Anspruch auf angemessene
Entschädigung nach Art. 165 Abs. 1 ZGB hat. Diesfalls bemisst sich der
versicherte Verdienst nach der allenfalls gerichtlich festzulegenden Höhe
der Entschädigungsforderung (vgl. ARV 1999 Nr. 21 S. 116 ff. Erw. 2),
ist mit anderen Worten bei dessen Ermittlung unter Umständen nicht
auf die tatsächlichen Lohnbezüge innerhalb des Bemessungszeitraumes
abzustellen. Dieser Tatbestand ist indessen hier nicht gegeben, wie auch in
der Vernehmlassung unter Hinweis auf Art. 165 Abs. 3 ZGB geltend gemacht
wird. Nach dieser Bestimmung besteht kein Entschädigungsanspruch gestützt
auf Art. 165 Abs. 1 ZGB, wenn der Beitrag des Ehegatten an den Unterhalt
der Familie in Form der Mitarbeit im Beruf oder Gewerbe des andern seinen
Rechtsgrund u.a. in einem Arbeitsvertrag hat. Davon ist hier auszugehen.

    b) Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen nicht ein
Abweichen vom Grundsatz der Ermittlung des versicherten Verdienstes auf der
Grundlage der tatsächlichen Lohnbezüge innerhalb des Bemessungszeitraumes
Oktober 1998 bis März 1999 (vgl. Erw. 1 und Art. 37 Abs. 1 und 2
AVIV). Gegen das Abstellen auf die Lohnvereinbarung zwischen der
Beschwerdegegnerin und ihrem Ehemann (Fr. 2500.- für Juli bis Dezember
1998 sowie Fr. 5000.- ab 1. Januar 1999) spricht vorab, dass (...) seit
Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Juli 1998, abgesehen von zwei
nicht ins Gewicht fallenden Zahlungen, effektiv kein Lohn ausgerichtet
worden war. In diesem Verhalten muss ein konkludenter Salärverzicht
erblickt werden, woran arbeitslosenversicherungsrechtlich die Tatsache
nichts ändert, dass die Beschwerdegegnerin im Konkurs ihres Ehemannes
die noch offenen Lohnforderungen eingab. Ob subjektiv die Absicht einer
Gesetzesumgehung bestand oder zumindest eine solche in Kauf genommen
wurde und gegebenenfalls in welchem Zeitpunkt spätestens, ist in diesem
Zusammenhang nicht von Bedeutung. Entscheidend ist die unter objektivem
Gesichtswinkel zu bejahende Missbrauchsgefahr, welche auch und gerade in
Fällen der vertraglich geregelten Arbeit des einen Ehegatten im Betrieb
des andern besteht. Auch wenn und soweit es einer Erfahrungstatsache
entspricht, dass in Zeiten finanzieller Schwierigkeiten vor der Entlöhnung
des Ehegatten zunächst die übrigen geschäftlichen Verpflichtungen erfüllt
werden, genügt dies allein nicht, um bei der Verdienstberechnung auf den
vereinbarten Lohn abzustellen.

    (...)

    c) Ist nach dem Gesagten bei der Verdienstberechnung auf den
tatsächlich bezogenen Lohn abzustellen und erreicht die über den
Bemessungszeitraum Oktober 1998 bis März 1999 gemittelte Summe von
Fr. 289.60 (Fr. 1737.60/6) den Grenzbetrag von Fr. 500.- gemäss
Art. 40 AVIV nicht, fehlt es an einem versicherten Verdienst, sodass
entgegen kantonalem Gericht ab 24. August 1999 kein Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung besteht.