Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 V 159



128 V 159

27. Auszug aus dem Urteil i.S. Knoll AG, gegen Bundesamt für
Sozialversicherung und Eidgenössische Rekurskommission für die
Spezialitätenliste K 182/00 vom 10. Juli 2002

Regeste

    Art. 32 Abs. 1, Art. 33 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG:
Arzneimittel, deren Wirksamkeit nicht hinreichend nachgewiesen
ist. Die Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste, deren
Wirksamkeit sich noch in Abklärung befindet, d.h. nicht hinreichend (nach
wissenschaftlichen Methoden) nachgewiesen ist, widerspricht dem Gesetz.

Sachverhalt

    A.- Am 29. Januar 1999 stellte die Firma Knoll AG das Gesuch
um Aufnahme des von ihr vertriebenen, von der Interkantonalen
Kontrollstelle für Heilmittel (IKS, seit 1. Januar 2002: Schweizerisches
Heilmittelinstitut) als Anorexikum unter dem Index Therapeuticus (IT) 01.11
registrierten REDUCTIL mit dem Wirkstoff Sibutramin für die Indikation
"Adipositas mit BMI = 30" in die Spezialitätenliste (SL) zum Preis von
Fr. 138.-/186.30 für 30caps.10mg/15mg. Mit Verfügung vom 28. Juli 1999
lehnte das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) das Begehren u.a. wegen
fehlender Zweckmässigkeit des Präparates ab.

    B.- Die von der Knoll AG hiegegen erhobene Beschwerde wies
die Eidgenössische Rekurskommission für die Spezialitätenliste mit
Entscheid vom 28. September 2000 ab, dies im Wesentlichen mit der gleichen
Begründung, mit welcher sie am gleichen Tag das auf zwei Jahre befristete
und u.a. mit der Auflage "Erstellung einer Evaluation, die beweist,
dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist" aufgenommene XENICAL
der Roche Pharma (Schweiz) AG von der Spezialitätenliste gestrichen hatte.

    C.- Die Knoll AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und
zur Hauptsache die Aufhebung des Entscheides der Rekurskommission sowie
die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste, eventuell mit der
gleichen Limitation wie für XENICAL beantragen.

    Das BSV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    (...)

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach Art. 25 KVG übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose
oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese
Leistungen umfassen u.a. die ärztlich oder unter den vom Bundesrat
bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen
verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b).

    Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen laut Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam,
zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1). Die Wirksamkeit muss nach
wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Satz 2).

    Gemäss Art. 33 KVG kann der Bundesrat die von Ärzten und Ärztinnen
oder von Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen
bezeichnen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen übernommen werden
(Abs. 1). Er bezeichnet u.a. die nicht von Ärzten und Ärztinnen oder von
Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen nach Artikel
25 Absatz 2 (Abs. 2). Er bestimmt, in welchem Umfang die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten einer neuen oder umstrittenen Leistung
übernimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich
noch in Abklärung befindet (Abs. 3). Der Bundesrat setzt Kommissionen
ein, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten (Abs. 4 Satz 1;
vgl. Art. 37a ff. KVV). Die Kompetenzen gemäss Art. 33 Abs. 1-3 KVG hat die
Exekutive gestützt auf Art. 33 Abs. 5 KVG auf das Departement übertragen
(vgl. Art. 33 KVV sowie Art. 1 ff. KLV; ferner Art. 48 Abs. 1 RVOG und
BGE 124 V 261 Erw. 6b zur Subdelegationskompetenz des Bundesrates).

    b) Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG (in Verbindung mit Art. 34
und Art. 37e Abs. 1 KVV) erstellt das Bundesamt nach Anhören
der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) eine Liste der
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel
mit Preisen (Spezialitätenliste; Satz 1). Diese hat auch die mit den
Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten
(Satz 2).

    aa) Der Bundesrat hat in den Art. 64 ff. KVV, das Eidgenössische
Departement des Innern in den Art. 30 ff. KLV gestützt auf Art. 96
KVG (vgl. BGE 126 III 39 oben) resp. Art. 65 Abs. 3 und Art. 75 KVV
(formelle und materielle) Ausführungsbestimmungen im Zusammenhang
mit der Spezialitätenliste erlassen. Zu erwähnen sind insbesondere
die Aufnahmebedingungen gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 KVV sowie Art. 30
Abs. 1 KLV. Danach muss das in Frage stehende Arzneimittel wirksam,
zweckmässig und wirtschaftlich sein. Sodann darf eine pharmazeutische
Spezialität in die Liste nur aufgenommen werden, wenn die Registrierung
oder ein Attest der zuständigen schweizerischen Prüfstelle resp. seit
1. Januar 2002 die Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts
vorliegt. Die Zweckmässigkeit des Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung
und Zusammensetzung im Besonderen werden laut Art. 33 Abs. 1 KLV u.a. nach
unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung
beurteilt. In der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung sahen die
erwähnten Vorschriften der KLV als weitere Aufnahmekriterien vor, dass
das Arzneimittel nachgewiesen einem medizinischen Bedürfnis entspricht
und zuverlässig ist. Im Weitern kann die Aufnahme in die Liste unter
der Bedingung einer Limitierung erfolgen. Die Limitierung kann sich
insbesondere auf die Menge oder die medizinischen Indikationen beziehen
(Art. 73 KVV).

    bb) Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels waren
schon unter dem früheren Recht Voraussetzungen für die Aufnahme in die
Spezialitätenliste. Diese Begriffe haben inhaltlich keine wesentliche
Änderung erfahren, was auch der gesetzgeberischen Absicht entspricht,
an der im Bereich der Spezialitätenliste geltenden Ordnung grundsätzlich
nichts zu ändern (BGE 127 V 278 Erw. 2a mit Hinweis auf die Materialien;
vgl. zum Ganzen GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 204 ff.). Neu
ist im Wesentlichen einzig, dass die Spezialitätenliste in Bezug auf
die Vergütung der Kosten der darin aufgeführten Arzneimittel durch die
Krankenversicherer im Unterschied zu früher verpflichtenden und nicht
bloss empfehlenden Charakter hat (vgl. Art. 12 Abs. 6 Satz 2 KUVG, Art. 22
Abs. 3 Vo III und Art. 3 Abs. 1 Vo VIII sowie BGE 127 V 87 Erw. 3c/cc).

    cc) Die Eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK) als zuständige
Kommission im Sinne von Art. 52 Abs. 1 KVG ist nach Zusammensetzung und
Arbeitsweise eine verwaltungsunabhängige, der Funktion nach aber eine
verwaltungsinterne beratende Fachkommission des Bundesrates bzw. des
Bundesamtes (BGE 119 V 464 Erw. 4a mit Hinweisen). Ihre Meinungsäusserungen
und Empfehlungen, denen nicht die Qualität von Sachverständigengutachten
im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG und Art. 57 ff. BZP eignet (BGE 108 V
130), sind für das BSV zwar nicht verbindlich (RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 164
f. Erw. 3c/aa). Wenn und soweit indessen die Streitpunkte medizinische
und pharmazeutische Fragen betreffen, deren Beantwortung besondere
Fachkenntnis und Erfahrung verlangt, was vorliegend in Bezug auf die in
erster Linie umstrittene Wirksamkeit und Zweckmässigkeit von REDUCTIL
unter allfälligen Limitierungen zutrifft, ist bei der gerichtlichen
Überprüfung der darauf beruhenden Entscheide praxisgemäss eine gewisse
Zurückhaltung am Platze. Dies gilt, solange nicht ernsthafte Gründe ein
Abweichen von der Expertenmeinung rechtfertigen (BGE 118 V 57 Erw. 5b mit
Hinweis). Umgekehrt ergibt sich aus der Stellung und der Funktion der EAK,
dass das Bundesamt nachvollziehbar zu begründen hat, wenn es im Einzelfall
der klaren Meinungsäusserung des Fachgremiums nicht folgt.

    c) Im konkreten Fall haben sich die Experten der EAK resp. des
schulmedizinischen Ausschusses dieses Fachgremiums zusammengefasst
in folgendem Sinne zum Gesuch um Aufnahme von REDUCTIL in die
Spezialitätenliste geäussert: Bei REDUCTIL mit dem Wirkstoff Sibutramin
handle es sich um eine zentral angreifende Substanz. Der Wirkmechanismus
bestehe darin, dass der Hunger durch Impulse vom Hirn unterdrückt werde
mit der Folge, dass die Person weniger esse, was auf die Dauer zu einer
Reduktion der Nahrungszufuhr und damit zur gewünschten Gewichtsabnahme
führe. Die gleiche Wirkung habe XENICAL, dessen Substanz Orlistat im oberen
Dünndarm ansetze und die Fettresorption hemme. Trotz unterschiedlichem
Wirkmechanismus seien REDUCTIL und XENICAL in ihrer Wirkung vergleichbar,
indem bei beiden Präparaten eine Änderung des Essverhaltens im
Sinne einer Reduzierung der Nahrungszufuhr eintrete, woraus sich
der angestrebte Gewichtsverlust ergebe. Die dem Gesuch beigelegten
Studien hätten im Übrigen eine vergleichbare Wirksamkeit gezeigt.
Auf die Stellungnahme der EAK aus dem Jahre 1975, die zur Bemerkung
"Anorexika. Keine Zugelassen" in der Spezialitätenliste geführt habe,
könne zurückgekommen werden. Diese Eintragung habe sich auf die Gruppe
der Phenfluramine bezogen, wozu REDUCTIL nicht gehöre. Sibutramin
wirke als Serotonin-Stoffwechselhemmer und führe keinesfalls zu
Suchtproblemen. REDUCTIL sei eindeutig kein Amphetamin. Zu bedenken
sei allerdings, dass die Abgabe von Appetitzüglern sprunghaft zugenommen
habe. Im Ergebnis befürworten die Experten grundsätzlich die Aufnahme von
REDUCTIL in die Spezialitätenliste mit denselben Limitationen wie XENICAL,
insbesondere befristet auf zwei Jahre mit der Auflage "Erstellung einer
Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist"
(vgl. RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 158 unten), sofern der Auslandspreisvergleich
stimmt (Protokolle der Sitzungen vom 19. November und 15. Dezember 1999).

    Anlässlich der Sitzung vom 27. Juni 2001 beantragten die Experten
der EAK aufgrund der in diesem Verfahren von der Knoll AG nachgereichten
Unterlagen, REDUCTIL auf Diabetes zu limitieren und einen weniger hohen
BMI als 35 zu verlangen.

Erwägung 5

    5.- a) aa) Die Rekurskommission hat zur streitigen Nichtaufnahme von
REDUCTIL unter bestimmten Limitationen in die Spezialitätenliste erwogen,
das medizinische Bedürfnis nach Medikamenten zur wirksamen Bekämpfung der
Adipositas sei aufgrund der mit dieser Erkrankung verbundenen metabolischen
und statisch bedingten Komplikationen und zahlreichen negativen Folgen
(Hypertonie, Angina pectoris, zerebrovaskuläre Insulte, Diabetes Typ 2,
Gicht, Gallensteine und verschiedene Krebsarten) unbestrittenermassen
klar gegeben. Die Aufnahme von gewichtsreduzierenden Präparaten in
die Spezialitätenliste setze indessen deren Wirksamkeit in dem Sinne
voraus, dass die Gewichtsabnahme von Dauer ist, mithin einigermassen
stabil bleibt, und ein Ausmass erreicht, welches das Risiko der
entsprechenden Folgeerkrankungen auch tatsächlich zu senken vermag. Mit
anderen Worten könne es nicht auf den mit der medikamentösen Therapie
erzielten unmittelbaren "Gewichtserfolg" ankommen. Vielmehr müsse sich
die Behandlung langfristig vorteilhaft auf klinisch relevante Endpunkte
(Herzkrankheiten, Diabetes, Tod) auswirken, damit ein Adipositas-Präparat
als wirksam beurteilt werden könne. Eine solche Langzeitwirkung sei
in Bezug auf REDUCTIL ebenso wenig wie für XENICAL datenmässig belegt
resp. durch klinische Studien nachgewiesen, insbesondere nicht für
Patienten mit einem BMI >= 35. Dies ergebe sich schon daraus, dass die
Experten der EAK die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste
befristet auf zwei Jahre vorschlugen mit der Auflage zur Erstellung
einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von
Dauer ist. Die aufgelegten Studien zeigten denn auch, dass bei einer
einjährigen Behandlungsdauer mit REDUCTIL nach drei bzw. sechs Monaten
keine nennenswerte Gewichtsabnahme mehr zu verzeichnen gewesen sei, der
erreichte Zustand aber relativ stabil blieb. Wie es sich mit der Wirkung
dieses Präparates im zweiten Behandlungsjahr oder nach dessen Absetzen
verhalte, werde nicht dokumentiert.

    Bei dieser Sachlage, so die Rekurskommission, erstaune, dass die
EAK die Evaluation der Dauerhaftigkeit des mit REDUCTIL erzielten
Gewichtsverlustes nicht vor dessen Aufnahme in die Spezialitätenliste
durchgeführt haben wolle, beschlage deren Ergebnis doch ganz zentral
die Frage der eigentlichen Wirksamkeit des Präparates gemäss Art. 32
Abs. 1 KVG und Art. 65 Abs. 2 KVV. Angesichts dessen, dass das Risiko
(kostenrelevanter) adipositasbedingter Folgeerkrankungen nur wirksam,
mithin dauerhaft reduziert werde, wenn die erlangte Gewichtsreduktion
auch dauerhaft und damit stabil bleibe, bedürfe diese Frage unbedingt
der klinischen Überprüfung. Eine auf zwei Jahre befristete Aufnahme
eines Präparates in die Spezialitätenliste unter der Bedingung,
dass eine noch durchzuführende klinische Studie den Nachweis ihrer
tatsächlichen Wirksamkeit erbringe, ergäbe sich weder aus Gesetz noch
Verordnung. Insbesondere könne hiefür nicht Art. 73 KVV dienstbar gemacht
werden. Vielmehr sei den einschlägigen Bestimmungen zweifelsfrei zu
entnehmen, dass ein Arzneimittel nur aufgenommen werden darf, wenn von
den drei Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit
kumulativ alle drei gegeben seien.

    bb) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird (...) in materieller
Hinsicht vorgebracht, die vorinstanzliche Argumentation lasse den für die
klinische Prüfung von Medikamenten, die für den Langzeiteinsatz bestimmt
seien, massgeblichen wissenschaftlichen Standard, an den sich auch die
Schweiz halte, ausser Acht. Dieser "State of the Art" ergebe sich aus zwei
EU-Richtlinien, von denen diejenige, übertitelt mit "Note for Guidance
on Clinical Investigation of Drugs used in Weight Control", spezifisch
die klinische Prüfung von Medikamenten für die Gewichtskontrolle betreffe.
Sinngemäss sei danach zu unterscheiden zwischen den positiven medizinischen
Auswirkungen, die mit der Gewichtsabnahme bereits kurzfristig verbunden
seien, nämlich Reduktion von kardiovaskulären Risiken und Bluthochdruck,
Verbesserung der Lipid-Profile und bessere Kontrolle des Blutzuckers,
sowie dem erst auf längere Dauer beobachtbaren Einfluss auf Morbidität
und Mortalität. Während für den Nachweis der positiven kurzfristigen
Wirkungen Studien über einen Zeitraum von wenigstens einem Jahr
notwendig und hinreichend seien, ergebe sich schon von der Natur
der Sache her in Bezug auf die Endpunkte Morbidität und Mortalität
die Notwendigkeit umfangreicherer und auf längere Dauer angelegter
statistischer Untersuchungen. Nach der Registrierung (durch die
IKS resp. ab 1. Januar 2002 das Schweizerische Heilmittelinstitut)
sei unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit für die Aufnahme von
"Adipositas-Medikamenten" in die Spezialitätenliste grundsätzlich der
auf wissenschaftlichen Methoden beruhende Nachweis hinreichend, dass die
Gewichtsabnahme die erwähnten positiven Effekte auf den Bluthochdruck,
das Lipid-Profil sowie die kardiovaskulären Risiken habe. Dieser Nachweis
sei für REDUCTIL erbracht. Dagegen sei nicht Aufnahmebedingung, dass
der positive Einfluss auf die Endpunkte Morbidität und insbesondere
Mortalität noch nicht "schwarz auf weiss" bewiesen, sondern aufgrund
der bisherigen Untersuchungen lediglich mit hoher Wahrscheinlichkeit
anzunehmen sei. Im Übrigen stehe die im Aufnahmegesuch vom 29. Januar
1999 beantragte medizinische Indikation "BMI = 30" im Einklang mit der
einschlägigen EU-Richtlinie und entspreche der Registrierung durch die
IKS. Die Festlegung eines Body Mass Index von mindestens 35 sei sachlich
nicht gerechtfertigt, da die Grösse des BMI nachgewiesenermassen für die
Wirksamkeit des Präparates nicht von Bedeutung sei.

    c) aa) Wirksamkeit einer Leistung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG ist
gegeben, wenn die betreffende Behandlung geeignet ist, das angestrebte
diagnostische oder therapeutische Ziel zu erreichen (EUGSTER, aaO, Rz
184 ff., insbesondere Rz 185; vgl. auch BGE 123 V 63 Erw. 2c/bb). Ob ein
Arzneimittel im Besonderen wirksam ist, hängt somit entscheidend davon
ab, welcher medizinische Erfolg damit erzielt werden soll. Vorliegend
ergibt sich aus den Limitierungen für XENICAL, welche gemäss EAK bei einer
allfälligen Aufnahme in die Spezialitätenliste im Wesentlichen auch für
REDUCTIL zu gelten hätten, dass die Wirksamkeit zu bejahen ist, wenn der
Gewichtsverlust nach sechs Monaten mindestens 10% des Körpergewichts zu
Beginn der Therapie beträgt und nach Absetzen der Medikation spätestens
nach zwei Jahren von Dauer ist (Erw. 3c). Diese Umschreibung des mit
der Einnahme von REDUCTIL angestrebten therapeutischen Ziels, bei welcher
unzweifelhaft schon Überlegungen der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit
eine Rolle gespielt haben - welche Aufnahmebedingungen allgemein u.a. an
der indizierten Heilwirkung des in Frage stehenden Arzneimittels gemessen
werden (vgl. Art. 33 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 KLV) - steht ausser
Frage. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, das Bundesamt gehe mit
dem Erfordernis einer langfristig stabil bleibenden Gewichtsreduktion,
dies als Folge der Änderung des Essverhaltens, von einem realitätsfremden
oder sogar gesetzwidrigen Begriff der Wirksamkeit aus. Insofern gehen
die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zum Standard in
der Europäischen Union betreffend die Zulassung von der Gewichtskontrolle
dienenden Medikamenten an der Sache vorbei, und es ist darauf nicht weiter
einzugehen. Dass in Bezug auf REDUCTIL der Nachweis der Dauerhaftigkeit des
Gewichtsverlustes nach einer Behandlungsdauer von zwei Jahren resp. nach
Absetzen des Medikamentes nicht erbracht ist, steht ausser Diskussion.

    bb) Es bleibt die von der Rekurskommission grundsätzlich verneinte,
von der Beschwerdeführerin im Eventualstandpunkt sinngemäss in Bezug auf
REDUCTIL bejahte Frage zu prüfen, ob die Aufnahme von Arzneimitteln in die
Spezialitätenliste, deren Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen
ist, zulässig ist.

    aaa) Art. 52 Abs. 1 KVG hält in seinem Ingress fest, dass das Bundesamt
beim Erstellen der Spezialitätenliste die Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1
KVG und dem hier nicht unmittelbar interessierenden Art. 43 Abs. 6 KVG
zu berücksichtigen hat. Will ein Arzneimittel in die Spezialitätenliste
aufgenommen werden, hat es also, wie in Art. 65 Abs. 2 KVV nochmals
ausdrücklich erwähnt, u.a. wirksam zu sein, wobei die Wirksamkeit nach
wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss (Art. 32 Abs. 1 Satz
2 KVG). Ausnahmen von diesem Erfordernis sieht Art. 52 KVG nicht vor.
Insbesondere fehlt ein Bezug auf Art. 33 Abs. 3 KVG oder zumindest der
Hinweis, dass die dort getroffene Regelung, wonach der Bundesrat den Umfang
der Vergütungspflicht bei neuen oder umstrittenen Leistungen bestimmt,
deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch
in Abklärung befindet (Erw. 3a), sinngemäss auch im SL-Bereich gelten
soll. Umgekehrt ist in Art. 33 KVG nur vom Bundesrat und nicht von der
vom Gesetz für zuständig erklärten Behörde die Rede, was ebenfalls gegen
die Annahme spricht, unter den Begriff der Leistungen im Sinne dieser
Bestimmung fielen auch die Arzneimittel der Spezialitätenliste.

    bbb) Den Gesetzesmaterialien lässt sich weder in diesem noch in
jenem Sinne etwas zur Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln
in die Spezialitätenliste entnehmen, deren Wirksamkeit sich noch in
Abklärung befindet, mithin nicht hinreichend (nach wissenschaftlichen
Methoden [Art. 32 Abs. 1 Satz 2 KVG]) nachgewiesen ist. Immerhin
wollte der Gesetzgeber, wie in Erw. 3b/bb hievor dargelegt,
abgesehen vom nunmehr im Unterschied zu früher verpflichtenden
Charakter der Liste, in diesem Leistungsbereich der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung grundsätzlich nichts ändern. Im Zusammenhang
mit der Entstehungsgeschichte von Bedeutung und hier im Besonderen
zu beachten ist, dass schon unter dem alten Recht die Aufnahme in die
Spezialitätenliste die Wirksamkeit des Arzneimittels verlangte. Seine
Heilwirkung musste nachgewiesen sein. Bei Originalpräparaten war der
klinische Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit erforderlich (vgl.
Art. 4 Abs. 1 und 2 Vo 10, welche wörtlich mit Art. 32 Abs. 1 und 2 KLV
in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung übereinstimmen).
Demgegenüber war für den Pflichtleistungscharakter der von einem Arzt
vorgenommenen diagnostischen oder therapeutischen Massnahme resp. einer
auf ärztliche Anordnung durch medizinische Hilfspersonen durchgeführten
Heilanwendung deren wissenschaftliche Anerkennung entscheidend (vgl. BGE
123 V 58 Erw. 2b/aa mit Hinweisen).

    Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte unter der Herrschaft
des alten Rechts, soweit ersichtlich, lediglich einmal Gelegenheit, sich
zur Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste
zu äussern, deren Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen ist. Im
Urteil P. AG vom 12. März 1982, auszugsweise wiedergegeben in RSKV 1982
Nr. 508 S. 220 ff., hatte es zu entscheiden, ob ein Präparat, welches
mangels eines hinreichenden Wirkungsnachweises vom Bundesamt nicht in die
Liste aufgenommen worden war, "unter der Auflage der Einreichung weiterer
therapeutischer-klinischer Nachweise seiner Wirksamkeit innert einer
angemessenen Frist von z.B. fünf Jahren" zuzulassen sei. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht entsprach diesem Antrag der Gesuch stellenden Firma
nicht, "da sowohl nach dem Wortlaut der anwendbaren Bestimmungen wie auch
nach dem Sinn des Prüfungsverfahrens sowie der SL die therapeutische
Wirksamkeit eines Heilmittels vorgängig der Aufnahme nachgewiesen
sein muss. Andernfalls wäre die Möglichkeit nicht auszuschliessen,
dass unwirksame Medikamente in die SL aufgenommen würden und von den
Krankenkassen zu bezahlen wären" (RSKV 1982 Nr. 508 S. 225 f. Erw. 4).

    ccc) Gesetzeswortlaut und -systematik sowie die Materialien unter
Berücksichtigung der früheren Rechtslage sprechen gegen die Zulässigkeit
der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste, deren Wirksamkeit
nach Massgabe der diagnostischen und therapeutischen Zielsetzung nicht
rechtsgenüglich nachgewiesen ist. Für eine (vorläufige) Aufnahme unter
der Auflage, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine Evaluation zu
erstellen, welche die Wirksamkeit, hier von REDUCTIL, belegt, fehlt es
an einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Art. 73 KVV kann, wie die
Rekurskommission richtig erkannt hat, nicht angerufen werden, und zwar
schon deshalb nicht, weil Limitierungen im Sinne dieser Bestimmung andere
Zwecke verfolgen (vgl. RKUV 2001 Nr. KV 158 S. 158 Erw. 2d; ferner BGE
118 V 279 Erw. 2b).