Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 V 124



128 V 124

23. Urteil i.S. 1. H. und 2. L. gegen Personalvorsorgestiftung X. AG in
Liquidation und Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden B 85/00 +
89/00 vom 14. Mai 2002

Regeste

    Art. 52 und 73 Abs. 1 BVG: Zuständigkeit. Das Berufsvorsorgegericht
ist zuständig zur Beurteilung von Verantwortlichkeitsklagen, auch wenn
sich der Sachverhalt vor dem 1. Januar 1997 verwirklicht hat.

    Art. 52 und 71 BVG; Art. 49 ff. BVV 2: Voraussetzungen der Haftung
nach Art. 52 BVG.

    - Die Widerrechtlichkeit im Zusammenhang mit der Vermögensanlage
der Vorsorgeeinrichtung besteht in erster Linie in einer Verletzung der
gesetzlichen und reglementarischen Anlagevorschriften.

    - Für die Haftung genügt bereits ein leicht fahrlässiges Verhalten.

    - Mehrere Ersatzpflichtige des gleichen Organs haften bei gleichem
Verschulden solidarisch.

    Art. 159 OG: Parteientschädigung. Die in einem
Verantwortlichkeitsprozess obsiegenden Vorsorgeeinrichtungen haben Anspruch
auf Parteientschädigung.

Sachverhalt

    A.- L. war seit 16. Juni 1988 Präsident und H. seit 9.  September
1993 Mitglied des Stiftungsrates der Personalvorsorgestiftung der
X. AG. Per Ende 1993 betrugen die ungesicherten Anlagen bei den beiden
Arbeitgeberfirmen, der Y. AG und der Z. AG, Fr. 409'260.80 und damit rund
19% des Gesamtvermögens von Fr. 2'139'427.75. Im Februar 1994 gewährte
die Personalvorsorgestiftung der Stifterfirma Y. AG ein Darlehen in Höhe
von Fr. 100'000.-. In der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zur Konkurseröffnung
über die Y. AG am 1. April 1996 erhöhte sich ferner die Kontokorrentschuld
um Fr. 55'811.-. Am 22. Mai 1996 meldete die Personalfürsorgestiftung
im Konkurs der Stifterfirma eine Forderung von Fr. 474'034.20 an. Über
diesen Betrag stellte ihr das Konkursamt am 16. Oktober 1997 einen
Verlustschein aus.

    B.- Am 27. August 1999 reichte die Personalvorsorgestiftung X. AG
in Liquidation u.a. Klage gegen L. und H. beim Verwaltungsgericht
von Appenzell Ausserrhoden ein und machte Schadenersatz im Betrag von
Fr. 155'811.- nebst Zins seit 1. April 1996 geltend. Mit Entscheid vom
21. Juni 2000 bejahte das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit und
verpflichtete L. zur Bezahlung von Fr. 155'811.- und H. zur Bezahlung von
Fr. 135'848.-, jeweils unter solidarischer Haftbarkeit bis zu letzterem
Betrag sowie nebst Zins zu 5% seit 1. September 1999.

    C.- H. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Klage abzuweisen.

    Die Personalvorsorgestiftung X. AG in Liquidation schliesst
auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) bejaht in der Vernehmlassung die Zuständigkeit der
Sozialversicherungsgerichtsbarkeit und enthält sich zur materiellen Frage
der Verantwortlichkeit einer Stellungnahme. Der beigeladene L. verzichtet
auf eine Vernehmlassung.

    D.- L. reicht ebenfalls eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein mit
dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei auf die
Klage nicht einzutreten. Eventuell sei die Klage vollumfänglich abzuweisen.

    Die Personalvorsorgestiftung X. AG in Liquidation lässt wiederum auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das BSV verzichtet
auf eine Vernehmlassung. Der beigeladene H. lässt die Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.

Auszug aus den Erwägungen:

        Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe
Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und
die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen,
rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem
einzigen Urteil zu erledigen (BGE 123 V 215 Erw. 1, 120 V 466 Erw. 1 mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V 33 Erw. 1, 157 Erw. 1, 126 V 285 Erw. 1;
POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. I,
S. 343 unten f.).

Erwägung 2

    2.- Die beiden Beschwerdeführer stellen sich unter Berufung auf BGE 112
V 356 auf den Standpunkt, für die Beurteilung der Verantwortlichkeitsklage
sei nicht die Sozialversicherungs-, sondern die Zivilgerichtsbarkeit
zuständig.

    Die Zuständigkeit des kantonalen und des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nach Art. 73 Abs. 1 Satz 2 (in Kraft seit 1. Januar
1997) und Abs. 4 BVG ist offensichtlich gegeben. Die Zuweisung der
Verantwortlichkeitsprozesse nach Art. 52 BVG durch Bundesgesetz vom
21. Juni 1996 an das Berufsvorsorgegericht per 1. Januar 1997 ist
im Rahmen der Dringlichkeit dieser BVG-Revision (BBl 1996 I 571)
zu betrachten: Auf dem Hintergrund der krisenbedingt zunehmenden
Zahlungsunfähigkeiten von Vorsorgeeinrichtungen, deren angeschlossene
Arbeitgeber den Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachzukommen vermochten,
wurden die Leistungsgarantien des Sicherheitsfonds (Art. 56 BVG) auf die
weitergehende (reglementarische) Vorsorge ausgedehnt (Art. 56 Abs. 1 lit. c
BVG in der Fassung vom 21. Juni 1996). Gleichzeitig räumte der Gesetzgeber
dem Sicherheitsfonds gegenüber Personen, die für die Zahlungsunfähigkeit
ein Verschulden trifft, ein Rückgriffsrecht ein (Art. 56a Abs. 1 BVG),
betraute mit dessen Beurteilung das Gericht nach Art. 73 Abs. 1 Satz 2
BVG und fügte gleichzeitig in diesen ergänzten Satz die Zuständigkeit zur
Entscheidung über Verantwortlichkeitsansprüche nach Art. 52 BVG ein. Die
vom Bundesrat angestrebte prozessuale Vereinfachung der Durchsetzung
von Verantwortlichkeits- und Rückgriffsansprüchen (BBl 1996 I 576) ist
Bestandteil der als dringlich bezeichneten Gesetzesrevision. Daraus folgt,
dass die beiden neu eingeführten Zuständigkeiten des Berufsvorsorgegerichts
mit dem Inkrafttreten der Revision (1. Januar 1997) sofort anwendbar
sein sollten. Anhaltspunkte für die von den Beschwerdeführern vertretene
Auffassung, die neue Zuständigkeit erfasse nur Klagen aus nach dem
1. Januar 1997 eingetretenen verantwortungs- oder rückgriffsrechtlich
erheblichen Sachverhalten, sind nicht ersichtlich. Davon abgesehen
geht es um eine punktuelle Änderung der Rechtspflegebestimmungen des
BVG. Diese Änderung ist mit der Einführung der berufsvorsorgerechtlichen
Spruchzuständigkeit im Rahmen der Einführung des BVG auf den 1. Januar 1985
nicht zu vergleichen, weshalb die Berufung des Beschwerdeführers H. (und
ihm beipflichtend L.) auf BGE 112 V 356 nicht durchdringt. Gegenteils
lässt sich, wie dargelegt, der Wille des Gesetzgebers erkennen,
dass Verantwortlichkeitsstreitigkeiten nach Art. 52 BVG fortan durch
das Berufsvorsorgegericht zu beurteilen seien, ein legislatorisches
Regelungsziel, das noch während Jahren nicht erreicht worden wäre,
wenn die zusätzlich geschaffene Rechtsprechungszuständigkeit des
Berufsvorsorgerichters sich nicht auf haftungsbegründende Sachverhalte
bezöge, die sich vor dem 1. Januar 1997 verwirklicht hatten.

Erwägung 3

    3.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die
Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche
Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung
mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Erwägung 4

    4.- a) Nach Art. 52 BVG sind alle mit der Verwaltung, Geschäftsführung
oder Kontrolle der Vorsorgeeinrichtung betrauten Personen für den Schaden
verantwortlich, den sie ihr absichtlich oder fahrlässig zufügen. Diese
Haftungsnorm, deren Anwendungsbereich sich auch auf die weitergehende
Vorsorge erstreckt (Art. 49 Abs. 2 BVG; Art. 89bis Abs. 6 ZGB), kommt
unabhängig von der Rechtsform der Vorsorgeeinrichtung (Art. 48 Abs. 2
BVG) zum Tragen (THOMAS GEISER, Haftung für Schäden der Pensionskassen:
Überblick über die Haftungsregeln bei der 2. Säule, in: Mélanges en
l'honneur de JEAN-LOUIS DUC, Lausanne 2001, S. 71). Sie räumt der
geschädigten Vorsorgeeinrichtung einen direkten Anspruch gegenüber dem
näher umschriebenen Kreis der haftpflichtigen Personen ein. Darunter
fallen insbesondere die Organe der Vorsorgeeinrichtung, im vorliegenden
Fall der Stiftungsrat (vgl. Art. 51 BVG). Diese Organeigenschaft kann
wie im Rahmen der Verantwortlichkeitsvorschrift von Art. 52 AHVG (BGE
126 V 237 mit Hinweisen) auch eine bloss faktische sein (GEISER, aaO,
S. 83; PIERRE-YVES

GREBER, La responsabilité civile des personnes chargées de
l'administration et de la gestion d'une institution de prévoyance, in:
Konferenz der Geschäftsleiter von Personalversicherungen, 1986, S. 22;
HELBLING/WYLER-SCHMELZER, Zur Verantwortlichkeit des Stiftungsrates:
die Haftung des Stiftungsrates von Personalvorsorgestiftungen,
in: Der Schweizer Treuhänder 2000 S. 11; KATHARINA ROHRBACH, Die
Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei betrieblichen
Personalvorsorgestiftungen, Diss. Basel 1983, S. 9 f.; anderer Auffassung
MARCO LANTER, Die Verantwortlichkeit von Stiftungsorganen, Diss. Zürich
1984, S. 176). Neben der Zugehörigkeit zum Kreis der in Art. 52 BVG
erwähnten Personen setzt die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit
als weitere kumulative Erfordernisse den Eintritt eines Schadens,
Widerrechtlichkeit, Verschulden und einen Kausalzusammenhang voraus.

    b) Die Organstellung des L., welcher seit 16. Juni 1988 als Präsident
des Stiftungsrates der Beschwerdegegnerin amtete, ist ohne weiteres gegeben
(vgl. Art. 51 BVG, Art. 83 und 89bis ZGB). Auch jene des Beschwerdeführers
H., welcher ebenfalls als Arbeitgebervertreter im Stiftungsrat Einsitz
genommen hatte, ist mit der Vorinstanz zu bejahen. Zunächst kommt es, so
wenig wie im Bereich des Art. 52 AHVG, für die Begründung und Beendigung
der formellen Organstellung nicht auf den Handelsregistereintrag an
(vgl. statt vieler BGE 126 V 61 und 123 V 172). Ausschlaggebend ist
vielmehr, wann die Organstellung effektiv begründet worden ist, was hier
mit der Wahl an der Stiftungsratssitzung vom 9. September 1993 der Fall
gewesen ist. Soweit in diesem Zusammenhang eine rechtsungleiche Behandlung
mit Blick auf die vom kantonalen Gericht nicht für haftpflichtig erklärten
eingeklagten Personen geltend gemacht wird, geht der Einwand fehl,
da die drei Personen zwar an dieser Sitzung anwesend waren, ohne aber
schon zu Stiftungsräten gewählt worden zu sein. Von diesem Gesichtspunkt
der zur Passivlegitimation führenden formellen Organstellung abgesehen,
ist aufgrund der aus den Akten sich ergebenden Befugnisse und Aufgaben
des H. im Zusammenhang mit der Verwaltung der Vorsorgeeinrichtung davon
auszugehen, dass H. längst faktische Organstellung hatte, bevor er auch
formell zum Stiftungsrat gewählt worden ist.

    c) Was die Haftungsvoraussetzung des Schadens betrifft, hat
das kantonale Gericht für das Eidgenössische Versicherungsgericht
in verbindlicher Weise festgestellt (vgl. Erw. 3 hievor), dass der
Beschwerdegegnerin, ausgewiesen durch den Konkursverlustschein vom 16.
Oktober 1997, unbestrittenermassen ein Schaden von Fr. 474'034.20
erwachsen ist. Davon hat die Beschwerdegegnerin den Betrag von
Fr. 155'811.- (nebst Zins) eingeklagt, welcher sich aus der im Februar
1994 erfolgten Gewährung eines zusätzlichen Darlehens von Fr. 100'000.-
an die ursprüngliche Stifterfirma, die Y. AG, und aus dem Anwachsenlassen
der Kontokorrentausstände in der Folgezeit zusammensetzt. Unbegründet
ist in diesem Zusammenhang der Einwand des H. in seiner Stellungnahme als
Mitinteressierter, die Beschwerdegegnerin bringe in ihrer Vernehmlassung
selbst vor, die Arbeitgeberfirma habe noch zweimal Fr. 30'000.-
zurückbezahlt, wodurch sich die Kreditschuld von Fr. 100'000.- jedenfalls
auf Fr. 40'000.- vermindert habe. Damit übersieht er, dass sich die Schuld
der Stifterfirma bei ihrer Vorsorgeeinrichtung nicht nur auf die Gegenstand
der Klage bildenden Fr. 100'000.- belief, sondern wegen der schon früher
wiederholt gewährten Kredite im Betrag von über Fr. 200'000.- auf eine viel
höhere Summe. Wenn die Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung ausführt,
"der Kredit" sei um zweimal Fr. 30'000.- vermindert worden, so bezieht
sich diese Feststellung auf den gesamten der Stifterfirma gewährten
Kredit. Da diese weder vor noch nach dem am 1. April 1996 eröffneten
Konkurs in der Lage war, die eingeklagten Fr. 100'000.- (Kredit) und
Fr. 55'811.- (angewachsene Kontokorrentausstände mitsamt Nebenkosten)
zurückzuzahlen, ist der Vorsorgeeinrichtung im Umfange dieser Beträge
ein Schaden entstanden.

    d) Als weitere Haftungsvoraussetzung ist ein widerrechtliches Verhalten
der verantwortlichen Person erforderlich. Widerrechtlichkeit liegt vor,
wenn die sich aus Gesetz und Verordnungen, aus der Stiftungsurkunde und den
Reglementen, den Beschlüssen des Stiftungsrates, einem Vertragsverhältnis
sowie den Weisungen der Aufsichtsbehörde ergebenden Pflichten, wozu auch
die allgemeine Sorgfaltspflicht gehört, verletzt werden (DOMENICO GULLO,
Die Verantwortlichkeit des Stiftungsrats in der Vorsorgeeinrichtung und
die Delegation von Aufgaben, in: SZS 2001 S. 45; HELBLING/WYLER-SCHMELZER,
aaO, S. 12; GREBER, aaO, S. 26 ff.). Im Bereich der Vermögensanlage besteht
die Widerrechtlichkeit in erster Linie in einer Verletzung der gesetzlichen
(Art. 71 BVG, Art. 49 ff. BVV 2) und reglementarischen Anlagevorschriften
(vgl. Art. 49a BVV 2). Speziell Art. 50 BVV 2 bringt in Konkretisierung
der allgemeinen Sorgfaltspflicht die bei der Vermögensanlage gebotene
erhöhte Sorgfalt zum Ausdruck.

    aa) Nach Art. 57 Abs. 1 BVV 2 (in der Fassung gemäss Ziff. I der
Verordnung vom 1. Juni 1993, in Kraft seit 1. Juli 1993) darf das Vermögen,
soweit es zur Deckung der Freizügigkeitsleistungen sowie zur Deckung
der laufenden Renten gebunden ist, nicht ungesichert beim Arbeitgeber
angelegt werden. Gerade im Hinblick auf die gefährlichen Auswirkungen, die
sich aus den engen persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen
Vorsorgeeinrichtung und Arbeitgeber im Anlagebereich ergeben können (vgl.
Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 11 vom 28. Dezember
1988, Ziff. 65, und Nr. 25 vom 26. Juli 1993, Ziff. 155) ist mit der
auf 1. Juli 1993 in Kraft gesetzten Revision von Art. 57 Abs. 1 BVV 2 die
ungesicherte Anlage von Vorsorgegeldern beim Arbeitgeber auf die Höhe der
ungebundenen Mittel begrenzt worden, d.h. auf das freie Stiftungskapital
und die Arbeitgeber-Beitragsreserve (MARTIN TH. MARIA EISENRING, Die
Verantwortlichkeit für Vermögensanlagen von Vorsorgeeinrichtungen, Diss.
Zürich 1999, S. 162). Diesbezüglich weist die Beschwerdegegnerin in ihrer
Vernehmlassung zu Recht darauf hin, dass bei ausstehenden Forderungen
gegen die Stifterfirma von Fr. 291'760.- gemäss Jahresabschluss 1992
nur gerade Fr. 172'125.55 freie Stiftungsmittel bilanziert waren. Weil
im Februar 1994 der revidierte Art. 57 Abs. 1 BVV 2 schon in Kraft war
(seit 1. Juli 1993), da ferner die Stiftungsverantwortlichen noch nicht
über den Jahresabschluss 1993 verfügten, fiel, wie in der Vernehmlassung
ebenfalls richtig bemerkt wird, eine weitere Kreditvergabe schlechthin
ausser Betracht. Denn die Stiftungsräte durften nicht davon ausgehen, dass
sich das Verhältnis von ausstehenden Forderungen gegen den Arbeitgeber
und das freie Stiftungskapital seit 31. Dezember 1992, dem letzten im
Februar 1994 vorliegenden Jahresabschluss, wesentlich verbessert hätte. Ein
Verstoss gegen diese (und, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, andere)
Anlagevorschriften der BVV 2 erfüllt jedenfalls die Widerrechtlichkeit
als Haftungsvoraussetzung nach Art. 52 BVG (vgl. auch EISENRING, aaO,
S. 193 Fn 1011 unter Hinweis auf BGE 110 II 394 Erw. 2).

    bb) Zweitens ist Art. 57 Abs. 2 BVV 2 zu beachten, wonach ungesicherte
Anlagen beim Arbeitgeber 20% des Vermögens nicht übersteigen dürfen
(Fassung gemäss Ziff. I der Verordnung vom 28. Oktober 1992, in Kraft seit
1. Januar 1993 [AS 1992 2234]). Es handelt sich hiebei um eine zusätzlich
zur Begrenzung nach Art. 57 Abs. 1 BVV 2 zu beachtende Anlagevorschrift
(EISENRING, aaO, S. 162).

    Das kantonale Gericht hat in Übereinstimmung mit der Aktenlage
für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich festgestellt
(Erw. 3 hievor), dass die Anlage der Vorsorgemittel bei den beiden
Arbeitgeberfirmen per 31. Dezember 1993 als ungedeckte Forderungen 19%
des Gesamtvermögens erreichten (Fr. 409'260.- von Fr. 2'139'427.-). Ende
1994 betrug die ungedeckte Forderung 21,6%, resultierend aus dem
Verhältnis von Fr. 651'575.10 (Bericht Treuhand A. AG vom 8. Juni 1995)
zu Fr. 3'014'221.20 (gemäss Schlussbilanz per 31. Dezember 1994), wobei,
entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers L., auch die Anlagen bei
der zweiten Arbeitgeberin, der Z. AG, mit zu berücksichtigen sind. Dass
bei diesen Verhältnissen mit der Erhöhung des Kredites um Fr. 100'000.-
im Februar 1994 die 20% Grenze nicht überschritten worden sein sollte,
ist von vornherein höchst unwahrscheinlich. Zwar sind wohl, wie der
Beschwerdeführer H. an sich richtig bemerkt, in den Monaten Januar und
Februar 1994 erfolgte Rückzahlungen von je Fr. 22'000.- seitens der
Y. AG auf dem Kontokorrent ausgewiesen. Dabei übersieht er aber, wie
die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet, dass in den gleichen zwei
Monaten die aufgrund der laufenden Vorsorgeverhältnisse - bei einem
Jahresprämienvolumen von Fr. 334'053.- - geschuldeten BVG-Zahlungen von
monatlich 2 x Fr. 27'837.70 zu Buche schlugen. Diese Gegebenheit wird durch
H. in seiner Stellungnahme als Mitinteressierter in der Beschwerdesache L.
nicht entkräftet. Selbst wenn es sich aber, wie die Beschwerdeführer -
unbelegt - behaupten, so verhielte, dass die ungesicherten Anlagen bei den
Arbeitgeberfirmen die 20% Grenze Ende Februar 1994 rechnerisch so weit
unterschritten, dass eine weitere Kreditvergabe in Betracht gefallen
wäre, müsste die erfolgte Krediterhöhung um weitere Fr. 100'000.- an
die eine Stifterfirma als rechtswidrig betrachtet werden. Denn es steht
fest, was seitens der Beschwerdeführer ausdrücklich eingeräumt wird,
dass die Stiftungsräte damals (Februar 1994) subjektiv nicht wussten,
noch wissen konnten, ob dennoch Spielraum für die Vergabe eines weiteren
Kredites an die Arbeitgeberfirma bestand, da der entsprechende Bericht der
Kontrollstelle vom 12. August 1994 damals noch nicht verfügbar war. Gerade
weil aber die Verantwortlichen im Moment der Krediterhöhung sich über
die tatsächliche Situation keine Rechenschaft geben konnten, durften
sie angesichts der Ende 1993 bereits bei 19% liegenden Anlagequote der
Kreditvergabe von Fr. 100'000.- nicht zustimmen.

    cc) Nach Art. 58a BVV 2 in der Fassung der Verordnung vom 1. Juni 1993,
in Kraft seit 1. Juli 1993 (AS 1993 1881), muss die Vorsorgeeinrichtung
ihrer Aufsichtsbehörde innert drei Monaten nach dem vereinbarten
Fälligkeitstermin melden, wenn reglementarische Beiträge noch nicht
überwiesen sind (Abs. 1). Bevor die Vorsorgeeinrichtung beim Arbeitgeber
Mittel ungesichert neu anlegt, die nicht zweifelsfrei nach Art. 57
Abs. 1 und 2 BVV 2 auf diese Weise angelegt werden dürfen, muss sie
ihrer Aufsichtsbehörde von dieser Neuanlage mit ausreichender Begründung
Meldung erstatten (Abs. 2). Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat,
liegt auch eine Verletzung dieser verordnungsmässigen Meldepflicht vor.

    dd) Die beiden Stiftungsräte haben demnach mit der im Februar 1994
gewährten Krediterhöhung an die Stifterfirma und dem Anwachsenlassen der
Kontokorrentausstände mehrfach gegen die Anlagevorschriften der BVV 2
verstossen und damit widerrechtlich gehandelt.

    e) In verschuldensmässiger Hinsicht genügt im Rahmen von Art. 52
BVG leichte Fahrlässigkeit (Amtl.Bull. 1980 S 295; JÜRG BRÜHWILER,
Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Bern 1989, S. 403;
GEISER, aaO, S. 76; GREBER, aaO, S. 38; HELBLING/WYLER-SCHMELZER, aaO,
S. 16). Leichte Fahrlässigkeit liegt bei geringfügiger Verletzung
der erforderlichen Sorgfalt vor (HEINZ REY, Ausservertragliches
Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 863), das heisst,
wenn vom Sorgfaltsmassstab, den ein gewissenhafter und sachkundiger
Stiftungsrat in einer vergleichbaren Lage bei der Erfüllung der ihm
übertragenen Aufgaben beachten würde, abgewichen wird (GULLO, aaO, S. 45
f.; HELBLING/WYLER-SCHMELZER, aaO, S. 16; vgl. auch CARL HELBLING,
Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 610). Was als
(leichte oder grobe) Fahrlässigkeit anzusehen ist, muss im Einzelfall
nach richterlichem Ermessen verdeutlicht werden; die Beantwortung der
Frage beruht auf einem Werturteil (BGE 103 Ia 502 f. Erw. 7 und 123
III 112 Erw. 3a betreffend Adäquanz; OFTINGER/STARK, Schweizerisches
Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl., Zürich 1995, § 5 Rz 95 f., § 14
Rz 13-16).

    Von einer leichten Fahrlässigkeit kann im vorliegenden Fall
jedoch ohnehin nicht gesprochen werden. Es liegt vielmehr eine
grobe Pflichtwidrigkeit vor, indem die beiden Stiftungsräte als
Arbeitgebervertreter offensichtlich im Banne der Interessenwahrung
für die Stifterfirma standen und die ihnen im Rahmen der paritätischen
Verwaltung auferlegte Pflicht zu einer selbstständigen, unabhängigen
Beurteilung der finanziellen Situation nur ungenügend wahrnahmen und gegen
verschiedene elementare Anlagevorschriften im Bereich der beruflichen
Vorsorge verstiessen.

    f) Zwischen dem eingetretenen Schaden und dem pflichtwidrigen Verhalten
der verantwortlichen Organe muss ferner der adäquate Kausalzusammenhang
(zum Begriff BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen) gegeben sein. Diese
Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt. Hätten die beiden Stiftungsräte
die erwähnten Anlagevorschriften beachtet und die Fr. 100'000.- nicht
gesprochen, so wäre der Gesamtschaden entsprechend tiefer ausgefallen. Das
Gleiche gilt sinngemäss für den zweiten eingeklagten Schadensposten,
da sie bei rechtzeitigem Einschreiten das weitere Anwachsen der
Kontokorrentausstände hätten verhindern können.

    g) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das kantonale Gericht
zu Recht sämtliche Haftungsvoraussetzungen bejaht und die beiden
Beschwerdeführer verpflichtet hat, der Vorsorgeeinrichtung Schadenersatz
zu leisten im jeweils festgesetzten, im letztinstanzlichen Verfahren
in betraglicher Hinsicht nicht bestrittenen Umfang. Die beiden für
grobfahrlässige Schadenszufügung Verantwortlichen gehören dem gleichen
Organ innerhalb des in Art. 52 BVG erwähnten Kreises der Haftpflichtigen
an. Wie das kantonale Gericht zutreffend ausgeführt hat, haften sie
damit solidarisch für denselben Schaden (EISENRING, aaO, S. 213; GEISER,
aaO, S. 78; HELBLING, aaO, S. 610; HELBLING/WYLER-SCHMELZER, aaO, S. 11;
LANTER, aaO, S. 214; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Staatliche Haftung bei
mangelhafter BVG-Aufsichtstätigkeit, Diss. Zürich 1996, S. 231). Ob bei
unterschiedlichem Verschulden mehrerer Ersatzpflichtiger des gleichen
Organs analog Art. 759 Abs. 1 OR eine differenzierte Solidarität in
Betracht kommt (vgl. dazu ROHRBACH, aaO, S. 86 ff.), kann im vorliegenden
Fall ebenso offen bleiben wie die Frage, wie es sich bei verschiedenen
Organen verhält (vgl. dazu die Entstehungsgeschichte des Art. 52 BVG
[Amtl.Bull. 1980 S 295] und GREBER, aaO, S. 11 ff.).

Erwägung 5

    5.- a) Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134
OG e contrario). Die Beschwerdeführer haben als unterliegende Parteien die
Gerichtskosten zu bezahlen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

    b) Hinsichtlich der Parteientschädigung (Art. 159 OG), ist vom
Grundsatz auszugehen, dass die Vorsorgeeinrichtung als mit der Durchführung
öffentlicher Aufgaben betraute Institution im Obsiegensfall grundsätzlich
keine Parteientschädigung beanspruchen kann. Davon ist nach der
Rechtsprechung abzuweichen, wenn das Verhalten der Gegenpartei leichtsinnig
oder mutwillig ist (BGE 126 V 150 Erw. 4b). Davon kann im vorliegenden Fall
nicht gesprochen werden, auch wenn einzelne der von den Beschwerdeführern
vorgetragenen Argumente trölerischen Charakter haben. Hingegen hat die
Rechtsprechung zum fehlenden Parteientschädigungsanspruch - wie in den
anderen Sozialversicherungszweigen auch - stets Ausnahmen vorbehalten,
wenn die besondere Art des Prozesses die Zusprechung von Parteikosten
rechtfertigt. Eine solche Ausnahme ist für den Haftungsprozess nach
Art. 52 BVG zu bejahen. Es ist einer Vorsorgeeinrichtung nicht zuzumuten,
ihre Anwaltskosten selbst tragen zu müssen, welche sie auf sich nehmen
musste, um Ersatz von jenen zu bekommen, welche sie geschädigt haben. Was
für das Krankenversicherungsrecht im Rahmen des Prozesses betreffend
Honorarrückforderungen der Kassen aus unwirtschaftlicher Behandlungsweise
des Leistungserbringers gilt (BGE 119 V 456 Erw. 6b mit Hinweisen;
SVR 1995 KV Nr. 40 S. 125 Erw. 5b), hat seine Richtigkeit auch für den
Verantwortlichkeitsprozess nach Art. 52 BVG.