Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 I 63



128 I 63

6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A.A.
gegen B.B. sowie Regierungsrat und Obergericht des Kantons Luzern
(staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.460/2001 vom 4. März 2002

Regeste

    Persönliche Freiheit (Art. 10 BV, Art. 8 EMRK); Art. 7 Abs. 1 des
UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes (KRK).

    Anspruch auf Kenntnis der Abstammung: Der Anspruch, die leiblichen
Eltern zu kennen und entsprechend die im Zivilstandsregister überdeckten
Eintragungen einzusehen, steht dem volljährigen Adoptivkind unabhängig
von einer Abwägung mit entgegenstehenden Interessen zu (E. 2-5).

Sachverhalt

    A.- Die unverheiratete A.A. gebar am 7. August 1968 einen Knaben,
der den Namen C.A. erhielt. Nach der Geburt kam das Kind zu Pflegeeltern,
die es im Jahre 1973 adoptierten und ihm den Namen B.B. gaben.

    Mit Schreiben vom 15. Januar 1998 ersuchte B.B. um Offenlegung seiner
leiblichen Abstammung. In der Folge bat der Regierungsstatthalter des Amtes
Luzern die Kindsmutter, mit ihm zwecks Vereinbarung eines Gesprächstermins
Kontakt aufzunehmen. Da sie auf wiederholte Einladung hin nicht reagierte,
teilte ihr der Regierungsstatthalter mit, ohne ihren Gegenbericht gehe
er davon aus, dass er ihre Identität dem Gesuchsteller mitteilen könne.

    Mit Schreiben vom 3. August 1998 widersetzte sich A.A. der Bekanntgabe
ihrer Identität mit der Begründung, es sei ihr bei der Adoptionsfreigabe
Geheimhaltung zugesichert worden. Auch einer weiteren Einladung zu einem
Gespräch leistete sie keine Folge.

    Der Gesuchsteller wurde hierauf unter Geheimhaltung der eine
Identifizierung ermöglichenden Daten mit der ablehnenden Antwort der
Mutter konfrontiert. Er hielt aber an seinem Gesuch fest und ersuchte um
einen behördlichen Entscheid.

    Am 6. Januar 1999 ordnete der Regierungsstatthalter des Amtes Luzern
an, dem Gesuchsteller werde die Identität der Gesuchsgegnerin nach Eintritt
der Rechtskraft des Entscheids bekanntgegeben.

    Eine von A.A. hiergegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat
des Kantons Luzern am 17. Oktober 2000 ab. Dabei führte er aus, der von
der Gesuchsgegnerin im Rechtsmittelverfahren neu vorgebrachte Einwand
zur Verhinderung der Bekanntgabe ihrer Identität, ihr Sohn sei in der
Nacht vom 11./12. November 1967 durch eine Vergewaltigung gezeugt worden,
sei nicht bewiesen. Dass es sich um eine Vergewaltigung gehandelt hätte,
gehe insbesondere auch nicht aus den Adoptions- oder Vormundschaftsakten
hervor. Vielmehr lege der vom 2. November 1968 datierte, in Bezug auf die
Vaterschaftsabklärung ergangene Bericht des Beistands des Gesuchstellers
den Sachverhalt in diesem Punkt anders und zudem eindeutig dar. Beim
Vorbringen der Gesuchsgegnerin, sie habe die Umstände der Zeugung ihres
Sohnes bis heute nicht verarbeiten können und werde dadurch weiterhin
schwer belastet, handle es sich um eine blosse Schutzbehauptung;
Hinweise auf eine Vergewaltigung bzw. auf psychische Schwierigkeiten
der genannten Art gingen aus den Akten nicht hervor. Vom Gesuchsteller,
der in jedem Fall ein fundamentales Persönlichkeitsrecht geltend mache,
könne nicht verlangt werden, dass er den Vorrang seines Interesses
nachweise. Aus der Gesamtheit der von der Gesuchsgegnerin vorgebrachten
Gründe zur Geheimhaltung ihrer Identität gehe vor allem die Angst vor
der Auseinandersetzung mit dem damaligen Ereignis sowie die Angst

vor einer persönlichen Begegnung mit ihrem Sohn hervor. Ihre Probleme
mit der Vergangenheitsbewältigung vermöchten jedoch das Interesse des
Gesuchstellers an der Abklärung seiner Herkunft nicht zu überwiegen.

    In der Folge erhob A.A. Beschwerde an das Obergericht des Kantons
Luzern mit dem Begehren, der Entscheid vom 17. Oktober 2000 sei aufzuheben;
dem zuständigen Regierungsstatthalter sei die Preisgabe ihrer Identität
gegenüber dem Gesuchsteller zu verbieten. Nachdem dieser die Beschwerde
anonymisiert zugestellt erhalten hatte, bestätigte er sein Begehren um
Bekanntgabe der Identität der leiblichen Mutter. Mit Urteil vom 17. Mai
2001 wies die II. Kammer des Obergerichts die Beschwerde ab.

    B.- A.A. führte mit Eingabe vom 6. Juli 2001 staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV), wegen willkürlicher Sachverhaltsfeststellung
bzw. willkürlicher Beweiswürdigung sowie wegen Verletzung des Grundsatzes
von Treu und Glauben (Art. 9 BV), sodann auch wegen Verletzung des Rechts
auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 8 EMRK [SR 0.101],
Art. 5 KV/LU [SR 131.213]) und wegen Verletzung des für die Schweiz am
26. März 1997 in Kraft getretenen UNO-Übereinkommens über die Rechte des
Kindes (KRK [SR 0.107], namentlich Art. 7 Abs. 1). Sie beantragte, das
Urteil vom 17. Mai 2001 sei aufzuheben und die Sache an das Obergericht
zurückzuweisen; der Beschwerde sei gemäss Art. 94 OG die aufschiebende
Wirkung beizulegen.

    Mit Verfügung vom 29. August 2001 hat der Präsident der I.
öffentlichrechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

    Das Obergericht ersucht um Abweisung der Beschwerde. Der
Regierungsrat bzw. in dessen Namen das kantonale Justiz-, Gemeinde- und
Kulturdepartement hat auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet,
wie sich auch der private Beschwerdegegner nicht dazu geäussert hat.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1. Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist im Kanton
Luzern das Obergericht die oberste gerichtliche Behörde zur abschliessenden
Beurteilung einer Angelegenheit, wie sie hier in

Frage steht (§ 1 Abs. 2 lit. a der am 7. Mai 1993 ergangenen
Regierungsratsverordnung über die freiwillige Gerichtsbarkeit, SRL
Nr. 260 b). Es handelt sich bei diesem Urteil um einen letztinstanzlichen
kantonalen Endentscheid.

    Die Beschwerdeführerin hat staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte bzw. staatsvertraglicher Bestimmungen (Art. 84
Abs. 1 OG) erhoben. Die kantonalen Instanzen gingen davon aus, der
Regierungsstatthalter, der die Adoption ausgesprochen habe, sei auch für
die Behandlung des Gesuches des Beschwerdegegners um "weitere Informationen
zu meiner Herkunft und zur Identität meiner leiblichen Eltern" zuständig,
und dementsprechend richtete sich der Rechtsmittelweg nach den kantonalen
Bestimmungen über das Adoptionsverfahren. Allerdings ist fraglich,
ob es sich nicht eher um ein Gesuch um Bekanntgabe der nach Art. 73a
der Zivilstandsverordnung vom 1. Juni 1953 (ZStV; SR 211.112.1) bei der
Adoption überdeckten Eintragung im Geburtsregister handelte, die gemäss
Art. 138 Abs. 4 ZStV nur mit Bewilligung der kantonalen Aufsichtsbehörde
(hier der Regierungsstatthalter: § 29 EG zum ZGB) erfolgen darf. Nach
Art. 20 ZStV wäre in diesem Falle die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht gegeben. Die Frage kann indes offen bleiben. Am
Verfahrensausgang ändert sich nichts, ob die vorliegende Beschwerde
als staatsrechtliche oder als Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt
wird, da die vorgetragenen Rügen auch in der letztgenannten Beschwerde
in gleicher Weise hätten vorgebracht werden können und zu prüfen wären
(vgl. etwa BGE 123 II 88 E. 1a/bb S. 92; 121 II 39 E. 2d/bb S. 47 mit
Hinweisen). Es kommt hinzu, dass für Mitte 2002 das Inkrafttreten der
neuen Bestimmung von Art. 268c Abs. 1 ZGB, die das Recht auf Kenntnis der
Abstammung für den Bereich der Adoption bundesgesetzlich regelt (dazu im
Einzelnen die nachfolgenden Erwägungen), vorgesehen ist, wodurch sich die
Frage des zulässigen Rechtsmittels an das Bundesgericht neu stellen wird.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind hier so oder anders erfüllt. Auf die
Beschwerde ist somit einzutreten.

Erwägung 2

    2.

    2.1 Das Obergericht stützt seinen Entscheid, wonach dem - im
vorliegenden Fall inzwischen volljährigen - Adoptivkind ein unbedingter
bzw. absoluter Anspruch auf Bekanntgabe der Identität seiner leiblichen
Mutter (bzw. Eltern) zusteht, zunächst auf Art. 7 Abs. 1 KRK. Es hat dabei
erwogen, dem wesentlichen Grundgedanken dieser Bestimmung entspreche auch
das schweizerische

Verfassungsrecht, dies jedenfalls im Bereiche der Fortpflanzungsmedizin
(Art. 119 Abs. 2 lit. g BV, so schon Art. 24novies Abs. 2 lit. g aBV),
in welchem der Zugang einer Person zu den Daten über ihre Abstammung zu
gewährleisten sei. Somit stehe dem aus einer künstlichen Fortpflanzung
stammenden Kind und ebenso dem Adoptivkind, dem das Adoptionsgeheimnis
(Art. 268b ZGB) im Hinblick auf die Art. 28 ZGB und 7 Abs. 1 KRK
nicht entgegen gehalten werden könne, das Recht auf Kenntnis seiner
Abstammung zu, welches das Recht auf Einsicht in die diesbezüglichen
Daten einschliesse. Diese Ansicht werde denn auch in der Lehre schon
seit längerer Zeit vertreten; und ebenfalls nach der neu vorgesehenen
Bestimmung von Art. 268c Abs. 1 ZGB dürfe das Adoptionskind nach
vollendetem 18. Lebensjahr jederzeit Auskunft über die Personalien seiner
leiblichen Mutter (Eltern) verlangen.

    Im Sinne einer Eventualbegründung hat das Obergericht ausgeführt,
selbst wenn ein unbedingter Anspruch des Adoptivkindes auf Kenntnis
der leiblichen Mutter (Eltern) zu verneinen und daher grundsätzlich
eine Abwägung der sich gegenüber stehenden Interessen vorzunehmen
wäre, würde sich am Verfahrensausgang nichts ändern. Die Kindsmutter
vermöge keine besonderen Umstände nachzuweisen, die ihr Interesse
an der Aufrechterhaltung des Adoptionsgeheimnisses als überwiegend
erscheinen liessen. Somit sei zu Gunsten des Sohnes zu entscheiden und
dem Auskunftsbegehren zu entsprechen.

    2.2 Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, das
Obergericht habe dem Beschwerdegegner zu Unrecht einen bedingungslosen
Anspruch auf Kenntnis der Abstammung eingeräumt. Art. 7 KRK sei keine
eigenständige Bedeutung neben dem Landesrecht beizumessen. Die vom
Obergericht vorgenommene enge und zu absolute Auslegung der Bestimmung sei
im Ergebnis offensichtlich unhaltbar; insbesondere entbinde die Bestimmung
das Gericht nicht davon, eine Abwägung zwischen den persönlichen Interessen
des Kindes und denjenigen der leiblichen Eltern zu machen. Auch der
Hinweis auf Art. 119 Abs. 2 lit. g BV (bzw. Art. 24novies Abs. 2 lit. g
aBV) vermöge den Standpunkt des Obergerichts nicht zu stärken, denn diese
Regelung betreffe einzig den Bereich der Fortpflanzungsmedizin und habe
keine weiter gehende Bedeutung etwa für den Bereich des Adoptionsrechts. Es
sei selbstverständlich, dass jeder Verfassungsgrundsatz seine Schranke an
den Rechten anderer Personen finde, was indes das Obergericht verkenne. Das
ihr selber zustehende Persönlichkeitsrecht bleibe vorbehalten und sei
ebenfalls

zu berücksichtigen. Der Anspruch des Beschwerdegegners auf Kenntnis seiner
Abstammung könne daher nicht uneingeschränkt gelten. Daran könne auch der
Hinweis auf die Bestimmung von Art. 268c ZGB nichts ändern, denn diese
sei noch gar nicht in Kraft getreten.

    Müsste sie dem angefochtenen obergerichtlichen Urteil entsprechend
unter den gegebenen Umständen ihre Identität preisgeben, so bedeutete dies
für sie einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte,
in ihr Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit (Art. 10 BV,
entsprechend Art. 8 EMRK und Art. 5 KV/LU). Denn die Bekanntgabe ihrer
Identität würde ihre Gesundheit ernsthaft gefährden; sie müsste mit einer
erheblichen Störung ihres psychischen Gleichgewichts rechnen, nachdem das
Kind durch eine Vergewaltigung gezeugt worden sei, was sie - wie auch
dessen Freigabe zur Adoption - nach wie vor schwer belaste und sie bis
heute nicht habe verarbeiten können. Indem das Obergericht es unterlassen
habe, die von ihr geltend gemachte schwierige Situation einlässlich
abzuklären und zu berücksichtigen, sei ihm eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) und eine mangelhafte Sachverhaltsfeststellung
bzw. willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV) anzulasten. Im Übrigen würde
durch die Preisgabe ihrer Identität der Grundsatz von Treu und Glauben
verletzt, nachdem die Behörden ihr anlässlich der Freigabe ihres Kindes
das Adoptionsgeheimnis zugesichert hätten.

Erwägung 3

    3.

    3.1 Das Bundesgericht hatte wiederholt Beschwerden zu beurteilen,
in denen bevormundete Personen in erster Linie gestützt auf das ihnen
gemäss kantonalem Verfahrensrecht bzw. von Verfassungs wegen zustehende
Akteneinsichtsrecht (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 4 aBV) Einsicht in
die sie betreffenden Vormundschaftsakten verlangten, um Kenntnis von
ihrer Abstammung zu erhalten (BGE 125 I 257; 112 Ia 97), nachdem ihnen
der Zugang zu diesen Akten durch die zuständigen kantonalen Instanzen
verwehrt worden war. Gemäss dieser Rechtsprechung besteht das Recht auf
Akteneinsicht nicht nur hinsichtlich hängiger, sondern auch bezüglich
abgeschlossener Verfahren, sofern der Gesuchsteller ein schutzwürdiges
Interesse geltend machen kann und weder das öffentliche Interesse noch
ein überwiegendes Interesse Dritter dem entgegensteht (vgl. auch BGE 122
I 153 E. 6a S. 161).

    Das Recht auf Einsicht in Akten, die persönliche Angaben enthalten,
geht sodann gemäss neuerer Rechtsprechung auch aus dem

(zunächst ungeschriebenen, nunmehr geschriebenen) Verfassungsrecht der
persönlichen Freiheit hervor (Art. 10 Abs. 2 BV und dazu insbesondere
BGE 127 I 6 E. 5 S. 10 mit Hinweisen), die nicht nur die Gewährleistung
der Bewegungsfreiheit oder den Schutz der persönlichen Unversehrtheit
bezweckt, sondern auch allgemein die Achtung der Persönlichkeit garantiert
(BGE 126 I 112 ff. und 125 I 257 E. 3b S. 260 mit weiteren Hinweisen). Das
Sammeln, die Bearbeitung und die Aufbewahrung von Personendaten durch die
Verwaltung stellen einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar (BGE
122 I 153 E. 6b/bb S. 163), der wie jede Beschränkung dieser Freiheit
insbesondere nur dann zulässig ist, wenn er auf einer gesetzlichen
Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse angeordnet wurde und den
Verhältnismässigkeitsgrundsatz beachtet (Art. 36 BV). Die persönliche
Freiheit als fundamentales Institut der Rechtsordnung darf jedoch durch
die im öffentlichen Interesse möglichen gesetzlichen Beschränkungen nicht
völlig unterdrückt oder ihres Gehalts entleert werden (Art. 36 Abs. 4 BV,
BGE 125 I 257 E. 3b S. 260 mit Hinweisen).

    Das Sammeln, die Bearbeitung und die Aufbewahrung von Personendaten
gehören auch zum Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK (Entscheide des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 7. Juli 1989 i.S. Gaskin,
Serie A, Bd. 160, § 37, und vom 26. März 1987 i.S. Leander, Serie A,
Bd. 116, § 48; BGE 125 I 257 E. 3b S. 260; 122 I 153 E. 6b/cc S. 163),
der indes im hier interessierenden Zusammenhang nicht über den Gehalt
der persönlichen Freiheit hinaus geht, wie sie durch die Bundesverfassung
gewährleistet ist (vgl. etwa BGE 126 I 112 E. 3a S. 115 mit Hinweisen). Im
Entscheid Gaskin erklärte der Gerichtshof, eine Person, die nicht in der
eigenen Familie aufgewachsen sei, habe an sich ein von der Konvention
geschütztes Recht, über die Kindheit und die Jahre der Entwicklung
Auskunft zu erhalten, und es gehe nicht an, die Akteneinsicht einzig von
der Zustimmung von Informanten abhängig zu machen (vgl. namentlich §§
10 und 49 des Entscheids; zudem auch ARTHUR HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN,
Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern
1999, S. 253, sowie OLIVIER GUILLOD, Les garanties de procédure en droit
tutélaire, ZVW 1991 S. 41, insb. 46 f.).

    3.2 Es stellte sich in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aber
auch bereits die Frage, ob unabhängig vom Recht auf Akteneinsicht ein
Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung besteht.

    3.2.1 Im Entscheid BGE 112 Ia 97 hatte das Bundesgericht erwogen,
der Anspruch, die abgeschlossenen Vormundschaftsakten hinsichtlich der
ausserehelichen Vaterschaft und der Jugendzeit einzusehen, beurteile
sich nach dem kantonalen Verfahrensrecht und nach dem aus Art. 4 aBV
abgeleiteten Akteneinsichtsrecht. Es erinnerte dabei an die Grenzen des
verfassungsmässigen Rechts der persönlichen Freiheit und führte aus, dass
gegebenenfalls unabhängig von einem hängigen Verfahren die Anerkennung des
Rechts auf Einsicht in abgeschlossene Vormundschaftsakten von einer unter
dem Gesichtspunkt von Art. 4 aBV vorzunehmenden Interessenabwägung abhänge,
eine Prüfung, bei der auch allen einander gegenüber stehenden Interessen
- einschliesslich der mit dem Schutz der persönlichen Freiheit Dritter
verbundenen Interessen - Rechnung getragen werden müsse (BGE 112 Ia 97
E. 5b S. 100 ff.; dazu THOMAS COTTIER, Kein Recht auf Kenntnis des eigenen
Vaters? in: recht 4/1986 S. 135 ff.; und vom selben Autor, Die Suche nach
der eigenen Herkunft: Verfassungsrechtliche Aspekte, Beihefte zur ZSR,
Heft 6, Basel 1987, S. 27 ff., wo ein solches Recht aus der persönlichen
Freiheit abgeleitet wird, insb. S. 39 ff.).

    Im Entscheid betreffend den St. Galler Beschluss über Eingriffe in
die Fortpflanzung beim Menschen zog das Bundesgericht ein Recht des
Samenspenders, absolute Anonymität zu beanspruchen, in Zweifel. Es
verzichtete aber darauf zu entscheiden, ob ein aus künstlicher
Fortpflanzung stammendes Kind über ein auf der persönlichen Freiheit
beruhendes Recht verfüge, die Identität des Samenspenders zu kennen (BGE
115 Ia 234 E. 6d S. 254 ff.; diesbezügliche Kritik: SUZETTE SANDOZ/OLIVIER
MEXIN, Liberté personnelle et procréation médicalement assistée: quelles
limites au pouvoir créateur du juge constitutionnel? in: ZSR 114/1995
I S. 453 ff.; CYRIL HEGNAUER, Künstliche Fortpflanzung und persönliche
Freiheit, in: ZBl 92/1991 S. 341 ff.).

    3.2.2 Inzwischen, am 26. März 1997, ist das Übereinkommen über die
Rechte des Kindes (KRK) auch für die Schweiz in Kraft getreten. Nach
dessen Art. 7 Abs. 1 ist jedes Kind unverzüglich nach seiner Geburt in
ein Register einzutragen. Sodann hat das Kind laut dieser Bestimmung das
Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit
zu erwerben, und soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und
von ihnen betreut zu werden.

    Die Bestimmung ist - wie im vorliegenden Fall auch das Obergericht
mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zutreffend erwogen
hat und von der Beschwerdeführerin zu Unrecht in

Abrede gestellt wird - direkt anwendbar und kann folglich vor den Gerichten
geltend gemacht werden (BGE 125 I 257 E. 3c/bb S. 262; STEPHAN WOLF,
Die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes und ihre Umsetzung in das
schweizerische Kindesrecht, in: ZBJV 134/1998 S. 113 ff., insb. S. 134
f.; zudem auch CYRIL HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 5. Aufl., Bern
1999, S. 99, und INGEBORG SCHWENZER, Die UN-Kinderrechtskonvention und
das schweizerische Kindesrecht, in: AJP 1994 S. 820 f.; diesbezüglich
allerdings kritisch RUTH REUSSER/RAINER J. SCHWEIZER, Das Recht auf
Kenntnis der Abstammung aus völker- und landesrechtlicher Sicht, in:
ZBJV 136/2000 S. 605 ff., insb. S. 610 ff.). Sodann nahmen Volk und
Stände am 17. Mai 1992 Art. 24novies aBV an, der die Fortpflanzungs- und
Gentechnologie regelt. Gemäss Abs. 2 lit. g dieser Bestimmung ist der
Zugang einer Person zu den Daten über ihre Abstammung zu gewährleisten
(gleich lautet Art. 119 Abs. 2 lit. g der auf den 1. Januar 2000
in Kraft getretenen nachgeführten Bundesverfassung vom 18. Dezember
1998). Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung ist am 18. Dezember 1998
ein sie konkretisierendes Bundesgesetz verabschiedet worden, das am 1.
Januar 2001 in Kraft getreten ist (unten E. 4.2).

    Dementsprechend steht, wie das Bundesgericht in Berücksichtigung dieser
neueren Rechtsgrundlagen festgestellt hat, dem aus einer künstlichen
Fortpflanzung stammenden Kind jedenfalls dem Grundsatze nach das Recht
auf Kenntnis seiner Abstammung zu, welches das Recht auf Einsicht in
die diesbezüglichen Daten einschliesst (BGE 125 I 257 E. 3c/bb S. 262,
auch mit Hinweisen auf die Lehre).

    3.2.3 Die vom Obergericht bejahte Frage, ob ein derartiges Recht des
Kindes unabhängig von der Art und Weise seiner Zeugung und damit auch
bei der Adoption sowie unbedingt oder absolut besteht und die Interessen
der Eltern zurückzustehen haben, ist indes in der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung bis anhin offen geblieben, neulich im Entscheid BGE 125
I 257 (E. 3c/cc S. 263). Bei der diesem Entscheid zugrunde liegenden
Sach- und Rechtslage bejahte das Bundesgericht das Recht auf Einsicht
in die Vormundschaftsakten, wie schon ausgeführt, entsprechend seiner
bisherigen Praxis im Lichte des verfassungsmässigen Akteneinsichtsrechts
(vgl. dazu kritisch JÖRG PAUL MÜLLER, Die staatsrechtliche Rechtsprechung
des Bundesgerichts im Jahre 1999, in: ZBJV 136/2000 S. 786 f.), nachdem der
Beschwerdeführer sich praktisch ausschliesslich darauf berufen hatte. Dabei
gelangte es aber im Wesentlichen zum Schluss, das Interesse der um Einsicht
in die Akten ersuchenden Person, das

nicht wirtschaftlicher, sondern rein therapeutischer Natur sei
(Identitätskrise), gehe denjenigen Dritter - d.h. insbesondere den
Interessen der inzwischen schon gestorbenen Mutter wie auch den Interessen
der möglichen Väter - vor (BGE 125 I 257 E. 4 S. 263 ff.). In BGE 112
Ia 97 hatte das Bundesgericht nach vorgenommener Interessenabwägung
einen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht im Lichte von Art. 4 aBV
verneint (dazu kritisch die schon erwähnten Abhandlungen von COTTIER,
oben E. 3.2.1).

    3.2.4 Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den genannten
Entscheiden BGE 112 Ia 97 und 125 I 257 insofern, als er nicht
die Einsichtnahme in Adoptions- oder Vormundschaftsakten, sondern
die Offenlegung der leiblichen Abstammung einer kurz nach ihrer
Geburt zur Adoption freigegebenen Person zum Gegenstand hat. Mit dem
angefochtenen Urteil des Obergerichts, das die vorangehenden Entscheide
des Regierunssgstatthalters und der Regierung bestätigte, wurde lediglich
entschieden, dem privaten Beschwerdegegner werde die Identität der
Beschwerdeführerin als seine leibliche Mutter bekannt gegeben. Eine
weiter gehende Einsicht in die Akten des Adoptionsverfahrens oder
der Vormundschaftsbehörde, denen er weitere Informationen über seine
Mutter und ihre damaligen Lebensumstände entnehmen könnte, bildete nicht
Gegenstand des kantonalen Verfahrens und ist daher auch nicht Gegenstand
des Verfahrens vor Bundesgericht. Zu prüfen und zu entscheiden ist
daher allein, ob ein Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung
besteht, d.h. ob es das Recht hat, dass ihm die bei der Adoption im
Zivilstandsregister überdeckte Eintragung über seine Abstammung und damit
die Identität seiner leiblichen Eltern bzw. hier seiner Mutter, die sich
dem widersetzt, bekannt gegeben wird.

    Im Unterschied zu den bisher durch das Bundesgericht beurteilten Fällen
ist dem hier Auskunft verlangenden Adoptivkind in der Hauptbegründung
des angefochtenen Entscheides ein unbedingter bzw. absoluter Anspruch auf
Kenntnis der leiblichen Mutter zugestanden worden, wogegen sich diese vorab
zur Wehr setzt. Sie bestreitet einen solchen, keine Interessenabwägung
erheischenden unbedingten Anspruch und rügt eine Verletzung ihrer
persönlichen Freiheit, indem sie namentlich geltend macht, die Bekanntgabe
ihrer Identität hätte für sie eine ernsthafte Störung ihres psychischen
Gleichgewichts und damit ihrer Gesundheit zur Folge.

Erwägung 4

    4.

    4.1 Nach Art. 7 Abs. 1 KRK hat - wie bereits dargelegt wurde (oben
E. 3.2.2) - jedes Kind u.a. soweit möglich das Recht, seine

Eltern zu kennen. Die Einschränkung "soweit möglich", die sich auch auf
das Recht bezieht, von seinen Eltern betreut zu werden, ist in Bezug auf
das Recht auf Kenntnis der Identität der Eltern nicht als Einschränkung
rechtlicher Natur zu verstehen; wo die Eltern tatsächlich identifiziert
werden können, soll dieser Anspruch bestehen (CLAIRE NEIRINCK, Le Droit
de l'Enfance après la Convention des Nations Unies, Paris 1993, S. 28 B 8
N. 38; s. auch SCHWENZER, aaO, S. 820). Es gibt allerdings auch Hinweise
darauf, dass die Tragweite von Art. 7 Abs. 1 KRK nicht überschätzt werden
darf (vgl. die Ausführungen von REUSSER/SCHWEIZER, aaO, insb. S. 610-612;
so hat Frankreich die Anonymität des Samenspenders gesetzlich verankert,
obwohl es die KRK diesbezüglich ohne Vorbehalt ratifiziert hat).

    Eine mit Art. 7 Abs. 1 KRK vergleichbare Regelung ist unterdessen
im Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern
und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption
(HAÜ) vorgesehen (dazu BBl 1999 S. 5795 ff.; zudem auch RUTH REUSSER,
Neuerungen im Adoptionsrecht des Zivilgesetzbuches, in: ZVW 2001
[Sonderausgabe] S. 133 ff., sowie MONIQUE JAMETTI GREINER, Das Haager
Adoptionsübereinkommen und seine Umsetzung im schweizerischen Recht, in:
ZVW 1997 S. 171 ff.). Art. 30 dieses mit Bundesbeschluss vom 22. Juni 2001
genehmigten Übereinkommens (BBl 2001 S. 2941 f., vorgesehene SR-Nummer
0.211), das - wie auch die dazu gehörende Ausführungsgesetzgebung (BBl
2001 S. 2908 ff.) - gemäss Auskunft des Bundesamtes für Justiz für die
Schweiz voraussichtlich Mitte 2002 in Kraft treten soll, lautet wie folgt:
      "1 Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaates sorgen dafür, dass

    die ihnen vorliegenden Angaben über die Herkunft des Kindes,
insbesondere

    über die Identität seiner Eltern, sowie über die Krankheitsgeschichte
des

    Kindes und seiner Familie aufbewahrt werden.
       2 Sie gewährleisten, dass das Kind oder sein Vertreter unter

    angemessener Anleitung Zugang zu diesen Angaben hat, soweit das
Recht des

    betreffenden Staates dies zulässt."

    4.2 Die die Fortpflanzungsmedizin betreffende Verfassungsbestimmung
(Art. 24novies Abs. 2 lit. g aBV bzw. die damit übereinstimmende
Bestimmung von Art. 119 Abs. 2 lit. g der nachgeführten, auf den 1. Januar
2000 in Kraft getretenen Bundesverfassung) entspricht dem wesentlichen
Grundgedanken von Art. 7 Abs. 1 KRK: Danach ist der Zugang einer Person
zu den Daten ihrer Abstammung zu gewährleisten (BGE 125 I 257 E. 3c/bb
S. 262).

    So sieht Art. 27 des am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1998 über die medizinisch unterstützte
Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz [FMedG], SR 814.90), der die
genannte Verfassungsbestimmung konkretisiert, nunmehr ausdrücklich vor,
dass ein Kind, wenn es das 18. Lebensjahr vollendet hat, Auskunft über
die äussere Erscheinung und die Personalien des Spenders verlangen kann
(Abs. 1); und nach Art. 27 Abs. 2 FMedG kann es "im Übrigen", also
vor Erreichen des Erwachsenenalters, jederzeit Auskunft über alle Daten
des Spenders verlangen, wenn es ein schutzwürdiges Interesse daran hat
(vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates zum FMedG, BBl 1996 III 205 ff.,
insb. S. 274, ferner auch die Botschaft des Bundesrates zum schon erwähnten
Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BBl 1994 V 1 ff., insb. S. 28
f.; zudem auch CYRIL HEGNAUER, Künstliche Fortpflanzung und Grundrechte,
in: Festschrift für Ulrich Häfelin, Zürich 1989, S. 144 f., und FRANZISKA
BUCHLI-SCHNEIDER, Künstliche Fortpflanzung aus zivilrechtlicher Sicht,
Diss. Bern 1987, insb. S. 107 ff.).

    Bereits in der Botschaft zum Fortpflanzungsmedizingesetz hatte der
Bundesrat die Ansicht vertreten, dass nunmehr auch dem Adoptivkind im
Lichte der Bundesverfassung ein unbedingter Anspruch auf Ausstellung
eines Registerauszuges (Art. 138 ZStV) zusteht (dazu CYRIL HEGNAUER,
Kann das Adoptivkind Auszüge über den ursprünglichen Eintrag seiner Geburt
verlangen, Art. 138 ZStV?, in: ZZW 1988 S. 2 ff., und REUSSER, aaO, S. 138;
s. im Übrigen auch Art. 8 des Datenschutzgesetzes vom 19. Juni 1992 [SR
235.1]). Im Einzelnen führte der Bundesrat in diesem Zusammenhang aus
(BBl 1996 III 271):
      "Auswirkungen auf das Adoptionsrecht
       Auch im Adoptionsbereich besteht kein Anspruch der leiblichen
       Eltern auf

    Geheimhaltung ihrer Identität gegenüber dem Kind. Das in Art. 268b ZGB

    verbürgte Adoptionsgeheimnis bezweckt lediglich, Adoptiveltern
und -kind

    vor Einmischung der leiblichen Eltern, aber auch vor Dritten,
zu schützen.

    Gestützt auf Art. 138 Abs. 3 ZStV (...) können dem Kind mit Bewilligung

    der kantonalen Aufsichtsbehörde Auszüge oder Abschriften von
überdeckten

    Eintragungen abgegeben werden. Die Praxis ist freilich
zurückhaltend. Die

    Streitfrage, ob das Adoptivkind einen unbedingten Anspruch auf
Ausstellung

    eines Registerauszuges habe oder ob in jedem Fall eine
Interessenabwägung

    erfolgen müsse, ist nun im Lichte der Bundesverfassung im ersteren
Sinn zu

    entscheiden. Demnach muss mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über

    die medizinisch unterstützte Fortpflanzung Art. 138 ZStV an Art. 27

    (FMedG) angepasst werden. ..."

    Die entsprechende Anpassung der ZStV ist auf den 1. Januar 1998 in
Kraft getreten (Art. 138 ff. ZStV in der Fassung vom 13. August 1997).

    Dieser Gleichstellung von auf dem Wege der künstlichen Fortpflanzung
gezeugten Kindern und Adoptivkindern ist beizupflichten. Es ist
nicht zu sehen, weshalb bzw. inwiefern in Bezug auf den Anspruch
des Kindes auf Kenntnis der leiblichen Abstammung im Bereich des
Adoptionsrechts eine andere, weniger weit gehende Regelung gelten
soll als im Bereich der künstlichen Fortpflanzung (vgl. dazu die
Ausführungen von REUSSER/SCHWEIZER, aaO, S. 605 ff., insb. S. 632 f.). Das
Bundesgericht erwog denn auch bereits in BGE 125 I 257 (E. 3c/bb S. 262)
eine Gleichstellung des Adoptivkindes, dem das Adoptionsgeheimnis (Art.
268b ZGB) im Hinblick auf die Art. 28 ZGB und Art. 7 Abs. 1 KRK nicht
entgegen gehalten werden kann, mit dem auf dem Wege der künstlichen
Fortpflanzung gezeugten Kind.

    4.3 Ein Grossteil der Lehre ist schon seit längerer Zeit und mit
gewichtigen Gründen der Ansicht, dass dem Adoptivkind bereits nach
bisherigem schweizerischen Recht ein unbedingter Anspruch auf Kenntnis
seiner leiblichen Eltern bzw. auf einen Auszug über den ursprünglichen
Eintrag seiner Geburt (nunmehr gemäss Art. 138 ff. ZStV in der Fassung
vom 13. August 1997) zusteht, dies - wie gemäss dem angefochtenen
obergerichtlichen Urteil - inzwischen insbesondere auch gestützt auf Art. 7
Abs. 1 KRK (s. zum Ganzen HEGNAUER, aaO [Kindesrecht], S. 99, und derselbe,
Dürfen dem mündigen Adoptierten die leiblichen Eltern gegen den Willen
der Adoptiveltern bekanntgegeben werden?, in: ZVW 1991 S. 101 f.; WOLF,
aaO, S. 135; SCHWENZER, aaO, S. 820; RENÉ LOCHER, Persönlichkeitsschutz und
Adoptionsgeheimnis, Diss. Zürich 1993, S. 55 ff., insb. S. 68 f. und S. 96;
a.M. FRANZ WERRO, Das Adoptionsgeheimnis - Ausgewählte Fragen, in: ZZW
1995 S. 364 ff.; s. zum Ganzen auch die Übersicht von REUSSER/SCHWEIZER,
aaO, S. 605 ff., und REUSSER, aaO, S. 133 ff.). Dieser Anspruch wird mit
dem Interesse des Kindes daran begründet, zur eigenen Persönlichkeits-
bzw. Identitätsfindung über die eigene biologische Herkunft Kenntnis zu
erlangen und damit den Bezug zur eigenen Vergangenheit herstellen zu können
(s. Hinweise zur Herkunftsabklärung erwachsener adoptierter Personen,
verfasst im Rahmen der Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden,
in: ZVW 1997 S. 247; dazu auch COTTIER, aaO [ZSR], S. 39 ff.; LOCHER,
aaO, S. 49 f.; WERRO, aaO, S. 365; REUSSER, aaO, S. 137; vgl. ferner

PETER TUOR/BERNHARD SCHNYDER/JÖRG SCHMID, Das schweizerische
Zivilgesetzbuch, 11. Aufl., Zürich 1995, S. 306).

    Verschiedene europäische Länder kennen eine vergleichbare
Rechtslage. So hat in England und Norwegen die adoptierte Person vom
18. Altersjahr, in Deutschland, Österreich und Schweden vom 16. Altersjahr
an einen vorbehaltlosen Anspruch auf Kenntnis der leiblichen Eltern
(s. dazu LOCHER, aaO, S. 38 ff., und HEGNAUER, aaO, ZVW 1991 S. 102).

    4.4 Im Verlaufe der parlamentarischen Beratung zum HAÜ und zur
diesbezüglichen Ausführungsgesetzgebung (s. dazu die Botschaft des
Bundesrates, BBl 1999 S. 5795 ff.) wurden verschiedene weitere Anliegen
im Zusammenhang mit der Vorlage miteinbezogen. Der Klarheit halber
(s. REUSSER, aaO, S. 135) ist nun auch für den Adoptionsbereich -
namentlich gestützt auf Art. 30 HAÜ - eine Regelung betreffend das
Recht auf Kenntnis der Abstammung beraten und ausdrücklich beschlossen
worden (s. dazu im Einzelnen AB 2000 S 195 ff., und 2000 N 1026 ff.,
insb. S. 1029, Votum Ménétrey-Savary), wie sie bereits in Art. 27 FMedG
vorgesehen ist (vorstehend lit. b). Diese neu vorgesehene Bestimmung von
Art. 268c ZGB lautet wie folgt (s. dazu auch REUSSER, aaO, S. 138 ff.):
      "1 Hat das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, so kann es jederzeit

    Auskunft über die Personalien seiner leiblichen Eltern verlangen;
vorher

    kann es Auskunft verlangen, wenn es ein schutzwürdiges Interesse hat.
       2 Bevor die Behörde oder Stelle, welche über die gewünschten Angaben

    verfügt, Auskunft erteilt, informiert sie wenn möglich die leiblichen

    Eltern. Lehnen diese den persönlichen Kontakt ab, so ist das Kind
darüber

    zu informieren und auf die Persönlichkeitsrechte der leiblichen Eltern

    aufmerksam zu machen.
       3 Die Kantone bezeichnen eine geeignete Stelle, welche das Kind auf

    Wunsch beratend unterstützt."

    Diese Regelung wird zwar gemäss den Angaben des Bundesamts für Justiz -
voraussichtlich zusammen mit dem HAÜ - erst auf den Sommer 2002 in Kraft
treten. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung kann ihr keine
Vorwirkung zukommen (RENÉ A. RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische
Verwaltungsrechtssprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt am Main
1990, Nr. 17 S. 50). Doch können nach der Rechtsprechung Vorarbeiten zu
Erlassen, die noch nicht in Kraft getreten sind, bei der Auslegung einer
Norm berücksichtigt werden (BGE 124 II 193 E. 5d S. 201), dies vor allem
dann, wenn das geltende System nicht grundsätzlich

geändert werden soll und nur eine Konkretisierung des bereits
bestehenden Rechtszustandes angestrebt wird oder Lücken des geltenden
Rechts ausgefüllt werden (vgl. auch BGE 122 IV 292 E. 2d; 117 II 466
E. 5a). So verhält es sich im vorliegenden Fall, indem die vorgesehene
Regelung von Art. 268c ZGB an sich bloss eine Konkretisierung einer dem
Grundsatze nach bereits gegebenen Rechtslage bildet. In Anbetracht dessen
steht nichts entgegen, die Bestimmung schon jetzt in die vorliegenden
Erwägungen miteinzubeziehen. Sie stellt der Sache nach lediglich klar
bzw. bestätigt, dass - wie im Bereich der künstlichen Fortpflanzung - erst
recht auch im Bereich des Adoptionsrechts von einem grundsätzlichen Recht
auf Kenntnis der eigenen Abstammung auszugehen ist; sie bezweckt bloss
der Klarheit halber (REUSSER, aaO, S. 135) auch auf Gesetzesstufe eine
Angleichung an die schon bestehende Regelung von Art. 27 FMedG, welcher
der nach dem Gesagten jeder Person, unabhängig von der Art ihrer Zeugung
(REUSSER/SCHWEIZER, aaO, S. 620), staatsvertraglich bzw. von Verfassungs
wegen zustehende Anspruch auf Kenntnis der Eltern zugrunde liegt.

Erwägung 5

    5. Demnach ist ein Recht des Adoptivkindes, seine leiblichen Eltern
zu kennen, als Aspekt des verfassungsrechtlichen und staatsvertraglichen
Persönlichkeitsschutzes bzw. der persönlichen Freiheit anzuerkennen (s.
COTTIER, aaO [ZSR], S. 39 ff.; RAINER J. SCHWEIZER, Kommentar BV, Rz. 101
und 104 zu Art. 24novies; MÜLLER, aaO, S. 787; HEGNAUER, aaO [Kindesrecht],
S. 99; LOCHER, aaO, S. 68; zudem auch MARINA MANDOFIA BERNEY/OLIVIER
GUILLOD, Liberté personnelle et procréation assistée. Quelques réflexions,
in: SJZ 89/1993 S. 205 ff.). Dieses Recht umfasst den Anspruch des
Adoptivkindes auf Zugang zu den überdeckten Eintragungen betreffend
die Abstammung.

    Der Anspruch auf Kenntnis der leiblichen Eltern kann mit
verfassungsrechtlichen Positionen Dritter, namentlich der biologischen
Eltern, kollidieren, wie dies denn auch von der Beschwerdeführerin geltend
gemacht wird. Ein solcher Konflikt zwischen Grundrechtspositionen ist
gestützt auf eine Güter- bzw. Interessenabwägung zu lösen (vgl. etwa BGE
126 II 300 E. 5b S. 315; 123 I 152 E. 3b S. 157; 105 Ia 67 E. 4c S. 72;
JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 47,
mit Hinweis auf den bereits erwähnten Entscheid des EGMR i.S. Gaskin, oben
E. 3.1). Wie diese Abwägung vorzunehmen, d.h. welcher Grundrechtsposition
bei einer derartigen Konkurrenzsituation allenfalls der Vorrang zu

geben ist, kann in der Verfassung oder in dem sie konkretisierenden
Gesetz festgelegt sein. Ist eine Rangfolge aus Verfassung und Gesetz
nicht ableitbar, ergibt sich der Massstab aus den verfassungsrechtlichen
Grundwerten und Garantien insgesamt (vgl. nebst den soeben erwähnten
Urteilen auch BGE 119 Ia 460 E. 4d S. 473; ferner JÖRG PAUL MÜLLER,
Allgemeine Bemerkungen zu den Grundrechten, in: Daniel Thürer/Jean-François
Aubert/Jörg Paul Müller [Hrsg.], Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich
2001, § 39, insb. Rz. 25 und 40 ff.; und vom selben Autor: Elemente einer
schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, insb. S. 119 ff.). Im
vorliegenden Fall ist nach dem Gesagten zu berücksichtigen, dass der
Gesetzgeber mit der Ratifizierung der angeführten Staatsverträge und in
der nationalen Gesetzgebung, auch wenn das HAÜ und die diesbezügliche
Ausführungsgesetzgebung mit Art. 268c ZGB erst Mitte 2002 in Kraft treten
werden (oben E. 4.4), die Güterabwägung zu Gunsten des volljährigen
Adoptivkindes ohne Einschränkungen vorgenommen hat. Der Anspruch, die
leiblichen Eltern zu kennen, steht somit dem volljährigen Adoptivkind von
Verfassungs wegen unabhängig von einer Abwägung mit entgegenstehenden
Interessen zu und ist entsprechend unbedingt; es handelt sich um ein
unverzichtbares und nicht verwirkbares Recht.

    Im Hinblick auf die einschlägigen Konventionsbestimmungen und den
Wertewandel, der in diesem Bereich eingetreten ist, vermögen die von
der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe somit - unabhängig
davon, ob sie zutreffen oder nicht - den Informationsanspruch des
Beschwerdegegners nicht zurückzudrängen. Haben aber die Interessen der
Mutter (Eltern) an einer Geheimhaltung ihrer Identität hinter den ihrem
inzwischen volljährigen Sohn zustehenden Anspruch auf Kenntnis seiner
Abstammung in jedem Falle zurückzutreten, so verletzt das angefochtene
Urteil weder die persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin noch den von
ihr zudem angerufenen Grundsatz von Treu und Glauben. Entsprechend ist
auch nicht zu beanstanden, dass das Obergericht entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin keine weiteren Abklärungen zu den näheren, nicht
rechtserheblichen Umständen im Zeitpunkt der Zeugung traf und auf ihre
Darstellung nicht abstellte.

Erwägung 6

    6. Die Beschwerde ist somit unbegründet und daher abzuweisen.

    In Anbetracht des Streitgegenstandes ist das Verfahren dem Antrag der
Beschwerdeführerin entsprechend unter Wahrung ihrer Anonymität durchgeführt
worden. Da die staatsrechtliche

Beschwerde grundsätzlich rein kassatorischer Natur ist, ist die Anonymität
der Mutter gegenüber dem Sohn nicht bereits mit der Zustellung des
vorliegenden Urteils durch offene Namensnennung aufzuheben. Das Urteil
wird den Parteien noch anonymisiert mitgeteilt. In der Folge wird
der Regierungsstatthalter dem Beschwerdegegner die Identität der
Beschwerdeführerin bekannt zu geben haben, nachdem sein Entscheid
in Rechtskraft erwachsen und mit dem vorliegenden Urteil auch die
der staatsrechtlichen Beschwerde zuerkannte aufschiebende Wirkung
dahingefallen ist.