Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 I 254



128 I 254

25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. E. Gilgen-Müller und P. Aebi gegen Regierungsrat und Grossen Rat
des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)

    1P.494/2001 vom 14. August 2002

Regeste

    Art. 49 Abs. 1 BV; zuständige kantonale Behörde gemäss Art. 25
Abs. 2 RPG.

    Art. 25 Abs. 2 RPG verlangt im Interesse einer gesamtkantonal
einheitlichen und rechtsgleichen Rechtsanwendung, dass sämtliche Gesuche
für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzone von einer kantonalen Behörde
behandelt werden (E. 3).

    Art. 84 Abs. 1 des Berner Baugesetzes, der diese Kompetenz auf die
(derzeit insgesamt 26) Regierungsstatthalter überträgt, erfüllt diese
Anforderung nicht (E. 4).

Sachverhalt

    Am 4. April 2001 beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern eine
Änderung des bernischen Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG). Die Revision
diente in erster Linie der Anpassung des kantonalen Rechts an das
revidierte Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (in der
Fassung vom 20. März 1998; RPG; SR 700) und die Raumplanungsverordnung
vom 28. Juni 2000 (RPV; SR 700.1), die beide am 1. September 2000 in
Kraft getreten waren.

    Art. 84 des geänderten Baugesetzes lautet:

      1. Der Regierungsstatthalter entscheidet über die Zonenkonformität in

         der Landwirtschaftszone und über Ausnahmegesuche nach den Artikeln

         24 bis 24d RPG. Er holt Amts- und Fachberichte von den betroffenen

         kantonalen Amtsstellen ein.

      2. Er teilt die Ausnahmeentscheide der zuständigen Stelle der

      Justiz-,

         Gemeinde- und Kirchendirektion mit.

      3. Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion und die

         Volkswirtschaftsdirektion erlassen Richtlinien über die

         Zonenkonformität von Vorhaben in der Landwirtschaftszone und über

         Ausnahmen nach den Artikeln 24 bis 24d RPG.  Die zuständigen

         Stellen der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion sowie der

         Volkswirtschaftsdirektion beraten den Regierungsstatthalter in

         diesen Fragen.

      4. [Unverändert.]

    Am 26. Juli 2001 erhoben Elisabeth Gilgen-Müller und Peter Aebi
staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, Art. 84
Abs. 1 BauG sei aufzuheben wegen Verletzung von Art. 25 Abs. 2 RPG als
bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschrift und Verstosses gegen das
Willkürverbot (Art. 9 BV). Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt,
die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Mit
Beschwerdeergänzung vom 14. Januar 2002 hielten die Beschwerdeführer an
ihrem Antrag fest und erhoben ausdrücklich die Rüge der Verletzung von
Art. 49 Abs. 1 BV.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt Art. 84 Abs.
1 BauG wegen Verletzung des Vorranges von Bundesrecht auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.  Art. 25 RPG (in der Fassung des Gesetzes vom 20. März 1998) lautet:

      Art. 25    Kantonale Zuständigkeiten 1.    Die Kantone ordnen

      Zuständigkeiten und Verfahren.  1bis  Sie legen für alle Verfahren

      zur Errichtung, Änderung oder

            Zweckänderung von Bauten und Anlagen Fristen und deren

            Wirkungen fest.

      2.    Die zuständige kantonale Behörde entscheidet bei allen

      Bauvorhaben

            ausserhalb der Bauzonen, ob sie zonenkonform sind oder ob

            für sie eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann.

    Dies entspricht materiell der bereits zuvor geltenden Regelung:
Bis zum 1. September 2000 bestimmte Art. 25 Abs. 2 aRPG: "Ausnahmen
nach Art. 24 werden durch eine kantonale Behörde oder mit deren
Zustimmung bewilligt." Diese Regelung wurde durch Art. 25 Abs. 1 der
Raumplanungsverordnung vom 2. Oktober 1989 (AS 1989 S. 1985) wie folgt
ergänzt: "Die zuständige kantonale Behörde (Art. 25 Abs. 2 RPG) prüft bei
allen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen, ob sie eine Ausnahmebewilligung
(Art. 24 RPG) benötigen." Dieselbe Regelung enthielt bereits Art. 16 der
Raumplanungsverordnung vom 26. März 1986 (AS 1986 S. 626).

    3.1  Art. 25 Abs. 1 RPG statuiert den Grundsatz der
Organisationsautonomie der Kantone. Dieser Grundsatz wird in Abs.
2 insofern eingeschnränkt, als die Zuständigkeit einer kantonalen Behörde
vorgeschrieben wird: Während es den Kantonen üblicherweise freisteht,
ihre Aufgaben an die Gemeinden zu delegieren, verlangt Art. 25 Abs. 2 RPG
(wie schon Art. 25 Abs. 2 aRPG) nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre,
dass Ausnahmebewilligungen für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen entweder
durch eine kantonale Behörde oder mit deren Zustimmung zu erteilen sind
(BGE 109 Ib 125 E. 2c S. 129; 111 Ib 213 E. 5a S. 220; 115 Ib 302 E. 5d/bb
S. 308, 400 E. 4a S. 405; ALEXANDER RUCH, RPG-Kommentar, Art. 25 Rz. 25
ff.; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht,
Bd. I, 3. Aufl., Rz. 786 S. 216; LEO SCHÜRMANN/PETER HÄNNI, Planungs-,
Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 3. Aufl., S. 176; CHRISTOPH BANDLI,
Bauen ausserhalb der Bauzonen, Diss. Bern 1989, Rz. 152 S. 112 f.;
THOMAS MÜLLER, Die erleichterte Ausnahmebewilligung, Diss. Zürich 1990,
S. 164 f.; PETER HEER, Die raumplanungsrechtliche Erfassung von Bauten und
Anlagen im Nichtbaugebiet, Diss. Zürich 1995, S. 72). Das Bundesgericht
hat mehrfach entschieden, dass Ausnahmebewilligungen, die ohne Mitwirkung
einer kantonalen Behörde von der Gemeinde erteilt werden, rechtswidrig
und u.U. sogar nichtig sind (BGE 111 Ib 213 E. 5 S. 220 f.).

    Fraglich ist jedoch, ob Art. 25 Abs. 2 RPG weitergehende Anforderungen
stellt und verlangt, dass eine einzige kantonale Behörde über sämtliche
Bauvorhaben ausserhalb der Bauzone entscheidet, d.h. eine Delegation an
eine Mehrzahl dezentralisierter Kantonsbehörden verbietet. Diese Auffassung
vertreten die Beschwerdeführer und das Amt für Raumentwicklung; sie wird
vom Regierungsrat des Kantons Bern bestritten.

    3.2  Der Wortlaut von Art. 25 Abs. 2 RPG ist nicht eindeutig: "Die
kantonale Behörde" kann sich auf eine einzige kantonale Behörde wie auch
auf die im jeweiligen Fall örtlich zuständige kantonale Behörde beziehen.

    3.2.1  Der Regierungsrat macht in diesem Zusammenhang geltend, dass
der Gesetzgeber, hätte er bewusst nur eine einzige kantonale Behörde
für zuständig erklären wollen, die Möglichkeit gehabt hätte, eine klare
Formulierung zu wählen, wie z.B. in Art. 76 des Bundesgesetzes vom
25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (PatG; SR 232.14), wonach
die Kantone eine Gerichtsstelle bezeichnen, "welche für das ganze
Kantonsgebiet als einzige kantonale Instanz entscheidet". Dagegen ist
allerdings einzuwenden, dass erstinstanzliche Gerichte - im Gegensatz zu
kantonalen Verwaltungsbehörden - typischerweise nur für einen Teil des
Kantonsgebiets zuständig sind, weshalb sich die Klarstellung "für das ganze
Kantonsgebiet" eher aufdrängt als im Kontext des Raumplanungsgesetzes.

    3.2.2  Auch in Art. 26 RPG hat der Gesetzgeber die Formulierung
"eine kantonale Behörde" (Abs. 1) bzw. "die kantonale Behörde" (Abs. 3)
verwendet. In diesem Zusammenhang (Genehmigung der Nutzungspläne und ihrer
Anpassung) wird jedoch - soweit ersichtlich einhellig - die Auffassung
vertreten, es müsse sich um eine kantonale Zentralbehörde handeln,
wie z.B. das Baudepartement, die kantonale Raumplanungsfachstelle, den
Regierungsrat oder den Grossen Rat (RUCH, RPG-Kommentar, Art. 26 Rz. 9;
EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern
1981, Art. 26 Rz. 6: "die Spitze des beaufsichtigenden Gemeinwesens";
für den Kanton Bern vgl. Art. 61 Abs. 1 BauG: zuständig ist die Justiz-,
Gemeinde- und Kirchendirektion). Davon geht auch Art. 47 Abs. 1 RPV aus
("erstattet der kantonalen Genehmigungsbehörde ... Bericht"). Es liegt
nahe, Art. 25 Abs. 2 RPG im gleichen Sinne zu interpretieren wie Art. 26
RPG (so ausdrücklich RUCH, aaO, Art. 25 RPG Rz. 25; zur grundsätzlichen
Beziehung von Nutzungsplan und Ausnahmebewilligung vgl. PETER HEER, aaO,
S. 61 ff.).

    3.3  Im Folgenden ist daher zu prüfen, welche Regelungsabsicht der
Gesetzgeber mit der streitigen Bestimmung verfolgte (zur Methodik vgl. BGE
128 I 34 E. 3b S. 40 f.). Hierüber kann die Entstehungsgeschichte von
Art. 25 Abs. 2 RPG und seinen Vorgängerbestimmungen (Art. 25 Abs. 2 aRPG;
Art. 29 Abs. 5 Raumplanungsgesetz vom 4. Oktober 1974 [BBl 1974 II 816])
Aufschluss geben.

    3.3.1  Art. 29 Abs. 5 des in der Volksabstimmung verworfenen
Raumplanungsgesetzes 1974 sah erstmals vor, dass Ausnahmebewilligungen "der
Zustimmung der zuständigen kantonalen Behörde" bedürfen. Dieser Eingriff
in die kantonale Verfahrenshoheit war im Parlament sehr umstritten.

    Die Befürworter der Vorlage hielten die kantonale Zustimmung für
erforderlich, um eine für den ganzen Kanton einheitliche Rechtspraxis zu
gewährleisten (BR Furgler, AB 1973 S 117; SR Bodenmann, AB 1974 S 454; NR
Muheim, AB 1974 N 1336 zu Art. 35 des Gesetzesentwurfs). Sie befürchteten,
dass die Gemeindebehörden Pressionen ausgesetzt sein würden und nicht in
aller Freiheit und Unabhängigkeit entscheiden könnten (NR König, AB 1974
N 102; NR Kloter, AB 1974 N 103, S. 1137; NR Müller, AB 1974 N 1136). Die
kantonale Behörde habe dagegen den Überblick über die Praxis und werde
sich an diese Praxis halten wollen und halten müssen, um sich nicht dem
Vorwurf einer willkürlichen Entscheidung auszusetzen; ihre Entscheide
würden auch in viel grösserem Umfang publik gemacht und unterlägen in
viel grösserem Umfang der politischen Kontrolle durch die kantonalen
Regierungen bzw. die kantonalen Parlamente (NR König, AB 1974 N 102).

    Die Gegner der Vorlage verwiesen dagegen auf die guten Erfahrungen
mit kommunalen Baubewilligungsbehörden in ihrem Kanton und hielten eine
zentralistische Lösung für unpraktikabel (vgl. Voten SR Vincenz, AB 1973 S
120; SR Krauchthaler, AB 1973 S 120; NR Schlumpf, AB 1974 N 103 f.). Eine
kantonale Behörde, die unzählige Augenscheine im ganzen Kantonsgebiet
vornehmen müsse, wäre überfordert (NR Brosi, AB 1974 N 1136; SR Vincenz,
AB 1974 S 455: "Beamtentourismus auf Rechnung des Steuerzahlers"). Es
sei Sache der Kantone zu entscheiden, wie sie die Einhaltung der
bundesrechtlichen Vorgaben durch die Gemeinden sicherstellen wollten
(NR Bonnard, AB 1974 N 105). Für die Gewährleistung einer einheitlichen
Praxis genüge der Erlass von Richtlinien (SR Vincenz, AB 1974 S 455).

    In einzelnen Voten wurde auf die Möglichkeit der Delegation an
dezentrale Kantonsbehörden, z.B. auf Bezirksämter, hingewiesen, um auch
in grossen Kantonen eine praktikable Lösung zu erreichen (NR Weber, AB
1974 N 106; BR Furgler, AB 1974 N 109; SR Urech, AB 1974 S 456). Diesem
Vorschlag wurde widersprochen, weil es in den meisten Kantonen keine
dezentralisierte Organisation gebe (Voten SR Schlumpf, AB 1974 S 456;
NR Brosi, AB 1974 N 1135/1136). Andere Parlamentarier vertraten die
grundsätzliche Auffassung, die neue Bestimmung verpflichte die Kantone,
eine einzige kantonale Behörde für die Erteilung von Bewilligungen neuer
Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen für zuständig zu erklären
(so der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission, SR Bodenmann,
AB 1974 S 200; vgl. auch NR König, AB 1974 N 105: Kantonsregierung als
Genehmigungs- bzw. Zustimmungsbehörde).

    Den Beratungen zum RPG 1974 lässt sich somit keine eindeutige
Stellungnahme zur Zulässigkeit der Delegation an dezentrale Behörden
entnehmen.

    3.3.2  1978 legte der Bundesrat einen neuen Gesetzesentwurf vor
(Botschaft des Bundesrates vom 27. Februar 1978 zum Bundesgesetz über die
Raumplanung, BBl 1978 I 1006 ff.). Art. 25 Abs. 2 des Entwurfs sah vor,
dass Ausnahmen nach Art. 24 "durch eine kantonale Behörde oder mit deren
Zustimmung bewilligt" werden. In der Botschaft (S. 1029) wird hierzu
ausgeführt:

      "Bei der Ordnung der Zuständigkeiten haben die Kantone dafür zu

    sorgen, dass Ausnahmen nach Art. 24 durch eine Behörde des Kantons oder

    wenigstens mit deren Zustimmung bewilligt werden".

    Der Wortlaut der Bestimmung ("eine kantonale Behörde") wie auch die
Erläuterung in der Botschaft ("eine Behörde des Kantons") sprechen eher
für die Zuständigkeit einer einzigen kantonalen Behörde.

    Dieses Verständnis wird durch die Erläuterungen zum Bundesgesetz über
die Raumplanung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und des
Bundesamts für Raumplanung bestätigt, die von Mitarbeitern des Bundesamts
und Fachleuten verfasst wurden, die an der Erarbeitung und Beratung des
RPG beteiligt gewesen waren. Dort heisst es (aaO, Rz. 5 zu Art. 25 RPG, S.
311 f.):

      "Baubewilligungen für zonenwidrige Bauten und Anlagen ausserhalb des

    Baugebietes rühren an heikle Fragen: Wann sind Bauwerke
standortgebunden?

    Was sind überwiegende Interessen? Welche Anliegen der Raumplanung
sind uns

    wichtig? Mit schlichter Gesetzesauslegung von Fall zu Fall ist
ihnen nicht

    beizukommen. Alle diese Fragen wollen für das gesamte Kantonsgebiet mit

    gewisser Einheitlichkeit beantwortet werden: Ausnahmen ausserhalb der

    Bauzonen sind oft ein Politikum; rechtsgleiche Behandlung der
Gesuche ist

    deshalb oberstes Gebot. Solcher Anspruch litte aber unheilvollen
Schaden,

    wenn Bewilligungen nach Art. 24 ausschliesslich in der Hand von
Gemeinde

    oder Bezirk lägen. Also muss eine Behörde, die für den ganzen Kanton

    zuständig ist, mitwirken können. Für solche Regelung spricht weiter,
dass

    Bewilligungen für Ausnahmen ausserhalb der Bauzonen mit mehr

    Eigenständigkeit und Überblick erteilt werden, weil dann sämtliche
Gesuche

    dafür an einer einzigen Stelle zusammenlaufen. Der Nachteil - zentrale

    Behörden arbeiten häufig nach festen, einfachen Kriterien - wiegt
bei den

    angeführten Vorteilen nicht schwer." [Hervorhebungen im Original]

    Hier wird somit eindeutig gegen die Delegation der Entscheidbefugnis
an Behörden Stellung genommen, die - wie die Regierungsstatthalter -
nur für ein Teilgebiet des Kantons zuständig sind.

    Art. 25 Abs. 2 aRPG wurde im Parlament ohne Diskussion angenommen
(vgl. AB 1978 S 471 und AB 1979 N 338), d.h. auch mit Zustimmung der
ehemaligen Gegner einer einzigen kantonalen Bewilligungsbehörde, die ihre
Opposition offensichtlich aufgegeben hatten.

    3.3.3  Durch die neuste Revision des Raumplanungsgesetzes wurde
zwar der Wortlaut der Bestimmung modifiziert, ohne aber deren Inhalt
verändern zu wollen. In der Botschaft des Bundesrates vom 22. Mai 1996
zu einer Teilrevision des Bundesgesetzes über die Raumplanung (BBl 1996
III 513 ff., insbes. S. 546 Ziff. 209) heisst es:

      "Angesichts des Umstandes, dass die Zonenkonformität von Bauten und

    Anlagen in der Landwirtschaftszone künftig in einem erweiterten Sinn

    verstanden werden soll [...], kann sich die Beantwortung der Frage,
ob ein

    konkretes Vorhaben zonenkonform sei, mitunter schwierig
gestalten. Gerade

    kleinere Gemeinden dürften von der Komplexität der in diesem

    Zusammenhang

    zu treffenden Abklärungen in der Regel überfordert sein. Die Frage, ob

    ein konkretes Vorhaben ausserhalb der Bauzone zonenkonform sei,
muss daher

    - nicht zuletzt im Interesse einer gesamtkantonal einheitlichen

    Rechtsanwendung - von einer kantonalen Behörde beantwortet werden. Dies

    ist jedoch nicht neu. Bereits heute hat sich die zuständige kantonale

    Behörde mit sämtlichen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen zu
befassen."

    Die Zuständigkeit einer kantonalen Behörde rechtfertigt sich danach
zum einen aufgrund der Komplexität der Materie, zum anderen im Interesse
einer "gesamtkantonal einheitlichen Rechtsanwendung". Dabei unterstellt
die Botschaft, dass die zuständige Behörde - wie bisher - "mit sämtlichen
Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen" befasst ist. Der Bundesrat geht somit
von der Zuständigkeit einer einzigen kantonalen Behörde aus, die für den
ganzen Kanton zuständig ist. Die eidgenössischen Räte stimmten dem Entwurf
des Bundesrats zu Art. 25 Abs. 2 RPG ohne Diskussion zu (AB 1997 N 1870;
AB 1997 S 221).

    3.4  Der Regierungsrat macht geltend, weder in der Botschaft noch
in den Beratungen des Parlaments sei die angeblich bundesrechtswidrige
bernische Zuständigkeitsordnung erwähnt worden. Dies trifft zu, lässt
aber keine Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers zu.

    Die Botschaften des Bundesrats richten sich an die eidgenössischen
Räte. In diesem Zusammenhang sind Hinweise auf bundesrechtswidrige
Praktiken einzelner Kantone zumindest ungewöhnlich. Zwar wird die
Auffassung des Berner Regierungsrats nicht ausdrücklich desavouiert; der
Bundesrat distanziert sich aber auch nicht von der gegenteiligen Auffassung
des Bundesamts für Raumplanung (heute: Bundesamt für Raumentwicklung
[ARE]), das schon unter der Herrschaft des alten Rechts (Art. 25 aRPG) die
Auffassung vertreten hatte, die Berner Zuständigkeitsordnung, welche die
Kompetenz auf 26 Regierungsstatthalter verteile, sei bundesrechtswidrig,
weil sie eine einheitliche und rechtsgleiche Anwendung von Art. 24
RPG im Kanton gefährde (vgl. Schreiben des Bundesamts für Raumplanung
vom 29. Januar 1991 und vom 12. Juli 1988). Es liesse sich daher
ebenso gut argumentieren, der Bundesrat hätte, in Kenntnis der vom
zuständigen Bundesamt vertretenen Auslegung von Art. 25 Abs. 2 aRPG,
dessen Auffassung korrigieren und darauf hinweisen müssen, dass eine
Delegation an dezentralisierte kantonale Behörden zulässig sei. Die
Botschaft des Bundesrates weist jedoch, wie oben (E. 3.3.3) dargelegt
worden ist, in die entgegengesetzte Richtung.

    3.5  Betrachtet man die zitierten Stellen, von der parlamentarischen
Debatte zum Raumplanungsgesetz 1974 über die Erläuterungen zu Art. 25
Abs. 2 aRPG bis zur Botschaft des Bundesrates zum heutigen Art. 25 Abs. 2
RPG, weisen sie eine gemeinsame Leitidee auf: Hauptzweck der Bestimmung
ist eine einheitliche und rechtsgleiche Behandlung von Ausnahmegesuchen
innerhalb des Kantonsgebiets (so auch BGE 109 Ib 125 E. 2c S. 129;
115 Ib 400 E. 4a und b S. 405; THOMAS MÜLLER, Die erleichterte
Ausnahmebewilligung, Diss. Zürich 1990, S. 165; RUCH, RPG-Kommentar,
Art. 25 RPG Rz. 25; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs-, Bau- und
Umweltrecht, Bd. I, 3. Aufl., Rz. 786 S. 216; PETER LUDWIG, Die Wirkungen
der Zuweisung zur Landwirtschaftszone, in: Blätter für Agrarrecht 14
(1980) S. 87-102, insbes. S. 94; ARNOLD MARTI, Die Koordination der
Bewilligungsverfahren für Bauten und Anlagen nach dem Bau-, Planungs-
und Umweltschutzrecht, in: Informationsblatt - RPG-NO 1989 H. 1/2
S. 34-87, insbes. S. 39). Überdies sollen Ausnahmebewilligungen von einer
fachlich kompetenten Behörde, unabhängig von Pressionen und persönlichen
Abhängigkeiten erteilt werden. Aus diesen Gründen sollen sämtliche Gesuche
bei einer übergeordneten Behörde mit entsprechender Eigenständigkeit
und entsprechendem Überblick zusammenlaufen (HALLER/KARLEN, aaO, Rz. 786
S. 216).

    3.6  Diese Auslegung wird durch die kantonale Gesetzgebung bestätigt:
Mit Ausnahme des Kantons Bern haben alle Kantone die Zuständigkeit gemäss
Art. 25 Abs. 2 RPG an eine kantonale Zentralbehörde übertragen, die für das
gesamte Kantonsgebiet zuständig ist (vgl. §§ 63 lit. e und 64 des Aargauer
Gesetzes über Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen vom 19. Januar 1993
[zuständiges Departement bzw. Koordinationsstelle]; Art. 82 Abs. 2 lit. a
des Gesetzes vom 28. April 1985 über die Einführung des Bundesgesetzes über
die Raumplanung des Kantons Appenzell-Ausserrhoden [Baudirektion]; Art. 63
des Baugesetzes vom 28. April 1985 des Kantons Appenzell-Innerrhoden
[Baudepartement]; § 117 Abs. 1 des Baselbieter Raumplanungs- und
Baugesetzes vom 8. Januar 1998 [Bau- und Umweltschutzdirektion];
§ 33 der Bau- und Planungsverordnung des Kantons Basel-Stadt vom
19. Dezember 2000 [Bauinspektorat ist generell für Entscheide über
Bauvorhaben zuständig]; Art. 59 Abs. 1 des freiburgischen Raumplanungs-
und Baugesetzes vom 9. Mai 1983 [zuständige Direktion]; Art. 2 ff. der
Genfer Loi sur les constructions et les installations diverses vom
14. April 1988 [das Baudepartement ist generell Baubewilligungsbehörde];
Art. 35 f. des Glarner Raumplanungs- und Baugesetzes vom 1. Mai 1988
[Zustimmung der Baudirektion]; Art. 2 der Raumplanungsverordnung für
den Kanton Graubünden vom 26. November 1986 [Departement]; Art. 29
Abs. 5 Loi sur les constructions et l'aménagement du territoire des
Kantons Jura vom 25. Juni 1987 [département]; § 58 der Luzerner Planungs-
und Bauverordnung vom 27. November 2001 [Raumplanungsamt]; Art. 62 der
Neuenburger Loi cantonale sur l'aménagement du territoire vom 2. Oktober
1991 [département]; Art. 209 des Nidwaldner Gesetzes über die Raumplanung
und das öffentliche Baurecht vom 24. April 1988 [zuständige Direktion];
Art. 23 Abs. 4 des Obwaldner Baugesetzes vom 12. Juni 1994 [Departement];
Art. 87bis des St. Galler Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche
Baurecht vom 6. Juni 1972 i.V.m. Art. 2 des Regierungsbeschlusses über
den Vollzug von Art. 77 Abs. 2 und Art. 87bis des Baugesetzes vom 25.
Juni 1996 [Planungsamt]; Art. 57 des Gesetzes über die Raumplanung und
das öffentliche Baurecht im Kanton Schaffhausen vom 1. Dezember 1997
[Baudepartement]; § 76 Abs. 2 des schwyzerischen Planungs- und Baugesetzes
vom 14. Mai 1987 [das vom Regierungsrat bezeichnete Amt]; § 38bis Abs. 1
des solothurnischen Planungs- und Baugesetzes vom 3. Dezember 1978 [Bau-
und Justizdepartement]; Art. 3 Abs. 1 Legge edilizia cantonale vom 13.
März 1991 und Art. 2 i.V.m. Anh. 1 Ziff. 1 Regolamento di applicazione
della Legge edilizia des Kantons Tessin vom 9. Dezember 1992 [verbindliche
Stellungnahme des Dipartimento del Territorio]; § 20 der Verordnung des
Regierungsrates des Kantons Thurgau zum Planungs- und Baugesetz vom
26. März 1996 [Amt für Raumplanung]; Art. 30c Abs. 4 des Baugesetzes
des Kantons Uri vom 10. Mai 1970 [Zustimmung der Direktion]; Art. 121
lit. a i.V.m. Art. 120 lit. a Loi sur l'aménagement du territoire et
les constructions vom 4. Dezember 1985 des Kantons Waadt [département des
travaux publics]; Art. 2 Abs. 2 Loi sur les constructions vom 8. Februar
1996 des Kantons Wallis [commission cantonale des constructions]; §
10 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 lit. b des Zuger Planungs- und Baugesetz
vom 26. November 1988 [Baudirektion]; Ziff. 1.2. des Anhangs zur
Bauverfahrensverordnung des Kantons Zürich vom 3. Dezember 1997
[Baudirektion]).

    3.7  Es finden sich nur wenige Literaturstellen zur Zulässigkeit einer
Dezentralisierung. Im RPG-Kommentar der Schweizerischen Vereinigung
für Landesplanung wird die Auffassung vertreten, die den Kantonen
zugewiesene Kompetenz dürfe nicht an dezentralisierte Behörden wie
Bezirksräte, Regierungsstatthalter, Préfets usw. delegiert werden,
weil dadurch der Gesetzeszweck vereitelt werde (RUCH, RPG-Kommentar,
N. 26 zu Art. 25). THOMAS MÜLLER (aaO, S. 165) verlangt die Zustimmung
"der kantonalen Fachbehörde", geht also von der Zuständigkeit einer für
das gesamte Kantonsgebiet zuständigen Behörde aus. Auch HALLER/KARLEN
verlangen, dass sämtliche Gesuche bei einer übergeordneten Behörde
zusammenlaufen sollen (aaO, Rz. 786 S. 216). Dieser Rechtsauffassung
stimmt WALTER KÄLIN in seinem vom Berner Regierungsrat in Auftrag
gegebenen Gutachten vom 25. September 1991 zu, weshalb er die
Berner Zuständigkeitsordnung für bundesrechtswidrig hält. Dagegen
kommt ULRICH ZIMMERLI in seinem Bericht vom 7. Oktober 2001 zuhanden
des Regierungspräsidenten zum Ergebnis, die Delegation an mehrere
dezentralisierte Kantonsbehörden sei mit Bundesrecht vereinbar.

    3.8  Der Regierungsrat beruft sich für seine Auslegung von Art. 25
Abs. 2 RPG auf den Grundsatz der kantonalen Organisationsautonomie: Art. 75
BV (Art. 22quater aBV) räume dem Bund auf dem Gebiet der Raumplanung
nur eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz ein. Er habe sich deshalb bei
Eingriffen in die Organisationsautonomie der Kantone Zurückhaltung
aufzuerlegen (so auch ULRICH ZIMMERLI, Stellungnahme zuhanden des
Regierungsrats vom 7. Oktober 2001, S. 2). Dies ergebe sich auch aus
Art. 46 Abs. 2 BV.

    3.8.1  Gemäss Art. 191 BV sind die Bundesgesetze für das Bundesgericht
massgebend. Das Bundesgericht muss mithin die in den Bundesgesetzen
enthaltenen Bestimmungen anwenden, selbst wenn sie der Verfassung
widersprechen sollten. Es muss sie aber verfassungskonform auslegen,
soweit ein Auslegungsspielraum besteht (BGE 126 IV 236 E. 4b S. 248;
116 Ia 368 f.; 115 II 129 E. 6 S. 132; WALTER KÄLIN, Staatsrechtliche
Beschwerde, 2. Aufl., S. 15 ff.). Im Folgenden ist deshalb zu prüfen, ob
mit Rücksicht auf die Organisationsautonomie der Kantone und im Hinblick
auf die beschränkte Regelungskompetenz des Bundes eine andere Auslegung
von Art. 25 Abs. 2 RPG geboten ist.

    3.8.2  Die kantonale Organisationshoheit ist ein zentrales Element
des schweizerischen Föderalismus. Sie wird in der neuen Bundesverfassung
zwar nicht explizit festgehalten, wird aber aus Art. 47 BV ("Der Bund
wahrt die Eigenständigkeit der Kantone") abgeleitet. Auch wo die Kantone
Bundesrecht umzusetzen haben, belässt der Bund ihnen möglichst grosse
Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung
(Art. 46 Abs. 2 BV). In dieser Rücksichtnahme spiegelt sich der Respekt
vor der Aufgaben- und Organisationsautonomie der Kantone (KURT NUSPLIGER,
Grundzüge der Behördenstruktur im Verfassungsrecht der Kantone, in: Daniel
Thürer/Jean-François Aubert/Jörg Paul Müller [Hrsg.], Verfassungsrecht der
Schweiz, Zürich 2001, S. 1084 f.; vgl. auch PETER SALADIN, BV-Kommentar,
N. 104 zu Art. 3 BV; URS STEIMEN, Die Umsetzung von Bundesrecht durch die
Kantone gemäss Art. 46 Abs. 1 und 2 BV, in: Thomas Gächter/Martin Bertschi
[Hrsg.], Neue Akzente in der "nachgeführten" Bundesverfassung, Zürich
2000, S. 170 ff., ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER,
Droit constitutionnel suisse, Bd. I, Bern 2000, S. 63 f. Rz. 185
ff.; ULRICH ZIMMERLI, Bund - Kantone - Gemeinden, in: Die neue
Bundesverfassung, Konsequenzen für Praxis und Wissenschaft, Berner
Tage für die Juristische Praxis 1999, Bern 2000, S. 51 f.). Eingriffe
in die kantonale Organisationsautonomie sind nur zulässig, wenn sie
für die Sicherstellung einer richtigen und rechtzeitigen Umsetzung des
Bundesrechts durch die Kantone notwendig und verhältnismässig sind. Dies
setzt eine Abwägung zwischen der Verpflichtung des Bundes, für eine
adäquate Aufgabenerfüllung zu sorgen, einerseits und der Organisations-
und Verfahrenshoheit der Kantone andererseits voraus (PETER SALADIN, Bund
und Kantone, Autonomie und Zusammenwirken im schweizerischen Bundesstaat,
in: ZSR 103/1984 II S. 433 ff., insbes. S. 504 f.; derselbe, BV-Kommentar,
N. 104 zu Art. 3; YVO HANGARTNER, Die Kompetenzverteilung zwischen Bund
und Kantonen, Habilitationsschrift St. Gallen 1972, Bern 1974, S. 158 f.;
STEIMEN, aaO, S. 170 f.).

    3.8.3  Eingriffe des Bundesgesetzgebers in die kantonale
Organisationsautonomie sind auch bei einer Grundsatz- oder
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nicht von vornherein
ausgeschlossen: Es ist anerkannt, dass der Bundesgesetzgeber, wo
besonders wichtige Probleme zu entscheiden sind oder klare Abgrenzungen
auf eidgenössischer Ebene vorgenommen werden müssen, auch detaillierte
Regeln erlassen darf (RICCARDO JAGMETTI, BV-Kommentar, N. 106 und 116
zu Art. 22quater aBV; PETER SALADIN, BV-Kommentar, N. 198 zu Art. 3;
AUGUST MÄCHLER, Rahmengesetzgebung als Instrument der Aufgabenteilung,
Diss. Zürich 1987, S. 67 ff., insbes. S. 127 f.). Dazu können auch
Verfahrensbestimmungen gehören, wenn dies zur Durchsetzung des Bundesrechts
geboten ist (MÄCHLER, aaO, S. 132 f.).

    3.8.4  Die Einschränkung der Siedlungstätigkeit ausserhalb der
Bauzonen ist ein zentrales Anliegen des RPG. Dementsprechend sind
die Zonenkonformität von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen
und die Erteilung von Ausnahmebewilligungen bundesrechtlich geregelt
(Art. 16a RPG i.V.m. Art. 34 ff. RPV und Art. 24 ff. RPG i.V.m. Art. 39
ff. RPV); die Anwendung dieser Bestimmungen kann im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom Bundesgericht frei geprüft werden
(Art. 34 Abs. 1 RPG). Aufgrund der herausragenden Bedeutung dieser
Entscheide für die Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet sind auch
organisatorische Vorgaben des Bundes zulässig (BGE 115 Ib 302 E. 5d/bb
S. 308, 400 E. 4a S. 405; 109 Ib 125 E. 2c S. 129). Zur Sicherstellung
eines einheitlichen Vollzugs in den für die geordnete Besiedlung des
Landes entscheidenden Fragen der Zonenkonformität und der Erteilung von
Ausnahmebewilligungen erachtete der Bundesgesetzgeber die Zuständigkeit
einer einzigen kantonalen Behörde für erforderlich (vgl. oben,
E. 3.5). Es handelt sich hierbei um ein wichtiges Vollzugsanliegen in
einer Grundsatzfrage der Raumplanung, das eine Einschränkung der kantonalen
Organisationsautonomie rechtfertigt. Den Kantonen verbleibt ein - wenn auch
beschränkter - Gestaltungsspielraum bei der Bezeichnung der zuständigen
kantonalen Behörde und deren Ausgestaltung (vgl. unten E. 4.2), der es
ihnen erlaubt, den kantonalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Insofern
besteht keine Veranlassung, das bisherige Ergebnis der Auslegung von
Art. 25 Abs. 2 RPG unter dem Blickwinkel von Art. 46 Abs. 2 und Art. 47
BV in Frage zu stellen.

Erwägung 4

    4.  Nach dem Gesagten ist zu prüfen, ob Art. 84 Abs. 1 BauG, der
die Zuständigkeit zur Prüfung der Zonenkonformität und zur Erteilung von
Ausnahmebewilligungen ausserhalb der Bauzone auf die Regierungsstatthalter
überträgt, mit Art. 25 Abs. 2 RPG vereinbar ist.

    4.1  Die Beschwerdeführer bezweifeln, dass der Regierungsstatthalter
eine "kantonale" Behörde sei: Er werde nicht vom Kanton, sondern von
den Stimmberechtigten des Amtsbezirks gewählt (Art. 93 Abs. 2 KV/BE)
und sei daher eine Bezirksbehörde.

    Dies schliesst allerdings eine Qualifikation als kantonale
Behörde nicht aus: Gemäss Art. 93 Abs. 1 KV/BE sind die Amtsbezirke
die Verwaltungseinheiten des Kantons. Es handelt sich nicht um
eigenständige Gebietskörperschaften wie Kanton und Gemeinden, sondern
um dezentralisierte Verwaltungseinheiten zur Erfüllung kantonaler
Aufgaben. Die Bezirksverwaltung ist damit Teil der kantonalen Verwaltung
(URS BOLZ, in: Walter Kälin/Urs Bolz [Hrsg.], Handbuch des bernischen
Verfassungsrechts, Bern 1994, S. 494, Anm. 1a zu Art. 93). Die
Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter vertreten in ihrem
Amtsbezirk die Regierung (Art. 93 Abs. 3 lit. a KV/BE; Art. 9 Abs. 1
lit. a des Gesetzes vom 16. März 1995 über die Regierungsstatthalterinnen
und Regierungsstatthalter [RstG]). Insofern verstösst die Bezeichnung
der Regierungsstatthalter als zuständige Behörde in Art. 84 Abs. 1 BauG
nicht gegen das Gebot einer kantonalen Zuständigkeit.

    4.2  Art. 25 Abs. 2 RPG verlangt jedoch weiter, dass im Interesse
einer gesamtkantonal einheitlichen Rechtsanwendung sämtliche Gesuche
von einer übergeordneten Behörde mit entsprechender Eigenständigkeit
und entsprechendem Überblick behandelt werden. Die kantonale Behörde
entscheidet über die Bewilligungsfähigkeit eines Gesuches, indem sie den
Entscheid direkt selber trifft oder indem sie einen Bewilligungsentscheid
der örtlichen Baubehörde genehmigt bzw. diese zur Bewilligungserteilung
ermächtigt.

    Wie das ARE überzeugend darlegt, schliesst dies - in Bezug auf den
kantonalen Entscheidungsträger - eine gewisse Dezentralisierung, z.B. durch
die Bildung von Aussenstellen innerhalb einer Behörde, nicht aus, solange
die Aussenstellen hierarchisch und weisungsmässig der Zentrale unterstellt
bleiben, also nicht über autonome Entscheidungsbefugnisse verfügen,
und mittels geeigneter organisatorischer Vorkehren dafür gesorgt wird,
dass die einheitliche und rechtsgleiche kantonale Rechtsanwendung trotz
der räumlichen Ausgliederung gewahrt bleibt. Diese Voraussetzungen wären
beispielsweise bei einer Zuständigkeit des Berner Amts für Gemeinden und
Raumordnung (AGR) erfüllt, das neben der Amtszentrale und der Abteilung
Kantonsplanung in Bern über vier Aussenstellen für die Kreise Bern,
Biel, Thun und Burgdorf verfügt. Die Mitarbeiter der Aussenstellen
sind in die Verwaltungshierarchie eingebunden und einer gemeinsamen,
zentralen Behördenleitung unterstellt, die für die Einheitlichkeit und
Rechtsgleichheit der Entscheide ihrer Mitarbeiter verantwortlich ist.

    4.3  Die Regierungsstatthalter sind für das Gebiet eines Amtsbezirks
zuständig. Derzeit gibt es im Kanton Bern 26 Amtsbezirke. Art. 84 Abs. 1
BauG bewirkt somit, dass es insgesamt 26 "kantonale" Bewilligungsbehörden
gibt. Eine derartige Aufsplitterung der Zuständigkeit ist mit dem durch
Art. 25 Abs. 2 RPG verfolgten Zweck einer einheitlichen und rechtsgleichen
Praxis im gesamten Kantonsgebiet von vornherein schlecht vereinbar. Es ist
zwar einzuräumen, dass Rechtseinheit auf verschiedene Weise sichergestellt
werden kann. Der Bundesgesetzgeber hat indessen nicht nur das Ziel, sondern
auch den Weg, wie das Ziel erreicht werden soll, festgelegt. Demgemäss
muss die Entscheidungsbefugnis grundsätzlich bei einer einzigen kantonalen
Instanz gebündelt sein.

    4.4  Der Regierungsrat macht geltend, eine einheitliche Praxis werde
durch die für die Regierungsstatthalter verbindlichen Richtlinien der
zuständigen Direktion gewährleistet. Zudem sei ein enger Austausch
und eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Gemeinden
und Raumordnung (AGR) und den Regierungsstatthaltern sichergestellt:
Es fänden regelmässig gemeinsame Tagungen statt, in denen die Praxis
besprochen und festgelegt werde; zudem würden die Regierungsstatthalter
von den Juristen und den Bauinspektoren des AGR beraten (Art. 84
Abs. 3 BauG). Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion sorge für
eine zweckmässige Aus- und Weiterbildung der Regierungsstatthalter
(Art. 8 RStG). Bei der Bewilligungs- und Vollzugstätigkeit seien
die Regierungsstatthalter nur gegenüber den Nachbarbezirken autonom,
nicht aber gegenüber dem Regierungsrat: Sie unterlägen der Aufsicht des
Regierungsrats (Art. 7 Abs. 1 RStG; Art. 1 Abs. 2 Verordnung über die
Obliegenheiten der Regierungsstatthalter), die naturgemäss mit einem
Weisungsrecht verbunden sei.

    Die Beschwerdeführer und das ARE bestreiten dies: Die
Regierungsstatthalter entschieden autonom, ohne Weisungen seitens
einer zentralen Behörde. Die Richtlinien der Justiz-, Gemeinde-
und Kirchendirektion könnten die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung
nicht im erforderlichen Masse sichern, da es ihnen an der notwendigen
Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit im Einzelfall fehle.

    4.5  Gemäss Art. 7 Abs. 1 RStG stehen die Regierungsstatthalter unter
der Aufsicht des Regierungsrates; diese wird durch die Justiz-, Gemeinde-
und Kirchendirektion ausgeübt (Art. 7 Abs. 2 RStG).

    Das Aufsichtsrecht umfasst das Recht, allgemeine Weisungen, z.B.
in Form von Verwaltungsanordnungen, zu erteilen (ANDRÉ GRISEL, Traité de
droit administratif, vol. I, Neuchâtel 1984, S. 197; BLAISE KNAPP, Précis
de droit administratif, 4. Aufl., Basel 1991, Rz. 13 S. 5; FRITZ GYGI,
Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 74; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss
des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Rz. 987). Dies bestätigt
Art. 20 der Verordnung über die Regierungsstatthalter, wonach die Justiz-,
Gemeinde- und Kirchendirektion eine Dienstinstruktion erlässt, in welcher
die hauptsächlichsten Obliegenheiten der Regierungsstatthalter aufgeführt
werden. Die von den zuständigen Direktionen erlassenen Richtlinien sind
damit für die Regierungsstatthalter verbindlich. Dies ergibt sich auch
aus Art. 84 Abs. 3 BauG.

    Dagegen ist in der Literatur und Rechtsprechung streitig, ob mit dem
Aufsichtsrecht generell auch ein Weisungsrecht im Einzelfall verbunden
ist (dafür: HÄFELIN/MÜLLER, aaO, Rz. 987 S. 235 i.V.m. Rz 998 f. S. 237;
a.A. KNAPP, aaO, Rz. 18 S. 6; GRISEL, aaO, S. 197). Die Frage braucht
jedoch nicht generell entschieden zu werden. Massgeblich ist die jeweilige
spezialgesetzliche Ausgestaltung des Aufsichtsrechts und der mit der
Dezentralisierung verfolgte Zweck: Sollen lokale Verwaltungsbehörden
ohne Autonomie geschaffen werden, die vollständig in die Hierarchie der
Zentralverwaltung eingebunden sind, oder soll der Behörde eine gewisse
selbständige, weisungsungebundene Beurteilungs- oder Entscheidungsbefugnis
zukommen?

    Während die Befugnis zur Erteilung genereller Weisungen in Art. 20 der
Verordnung über die Regierungsstatthalter ausdrücklich festgehalten ist,
fehlt eine entsprechende Regelung für die Einzelweisungsbefugnis. Immerhin
spricht die Stellung der Amtsbezirke als Verwaltungseinheiten des Kantons
ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Art. 93 Abs. 1 KV/BE) und diejenige
des Regierungsstatthalters als Vertreter des Regierungsrats (Art. 93
Abs. 3 lit. a KV/BE) für die Auffassung des Regierungsrats, wonach
Weisungen der zuständigen Direktion gegenüber dem Regierungsstatthalter
auch im Einzelfall möglich sind (so auch GYGI, aaO, S. 67, der die Berner
Bezirksverwaltung als "vertikale Dekonzentration" qualifiziert, d.h. als
Dezentralisierung ohne Autonomie).

    Allerdings erfolgte die Delegation der Zuständigkeit gemäss Art.
84 Abs. 1 BauG an die Regierungsstatthalter in der Absicht, Entscheide
über das Bauen ausserhalb der Bauzone einer bürgernahen, mit den
lokalen Verhältnissen vertrauten Instanz zu übertragen (Tagblatt
des Grossen Rates vom 30. Januar 2001, Voten GR Michel S. 31; GR
Brönnimann S. 32; GR Sägesser S. 32). Diesem Anliegen entspricht es,
den Regierungsstatthaltern faktisch - innerhalb der Grenzen des
Gesetzes und der kantonalen Richtlinien - eine gewisse Autonomie
einzuräumen und ihnen nicht im Einzelfall Weisungen zu erteilen. Ein
systematischer Gebrauch des Weisungsrechts wäre auch angesichts der
besonderen Stellung des Regierungsstatthalters als vom Volk gewählter
Magistrat und als Repräsentant des Amtsbezirks (URS BOLZ, aaO, S. 496 f.
Anm. 5a und 8 zu Art. 93 KV/BE) unangemessen. Insofern ist die Stellung
des Regierungsstatthalters nicht mit demjenigen eines Sachbearbeiters
innerhalb einer hierarchisch strukturierten Behörde vergleichbar, in
der Einzelfallweisungen an der Tagesordnung sind und die Entscheide nach
aussen vom Behördenleiter zu verantworten sind.

    Dementsprechend sieht Art. 84 Abs. 2 BauG im Regelfall eine
nachträgliche Kontrolle der Ausnahmeentscheide des Regierungsstatthalters
durch die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vor. Diese Kontrolle
ist jedoch, wie das ARE zutreffend darlegt, von beschränkter Wirksamkeit:
Ohne die zugehörigen Akten und Pläne ist es in der Regel nicht möglich
festzustellen, ob eine Ausnahme zu Recht oder zu Unrecht erteilt worden
ist. Ein systematisches Hinterfragen der erteilten Ausnahmebewilligungen
ist zudem schon aus personellen Kapazitätsgründen nicht möglich. Im
Regelfall wird sich die nachträgliche Kontrolle daher auf wenige
publikumswirksame oder dem Amt für Raumordnung bekannte Fälle sowie
evidente - auch ohne Akten und Pläne ersichtliche - Verstösse gegen das
Gesetz oder die Richtlinien beschränken.

    4.6  Im September 2001 haben die Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion und die Volkswirtschaftsdirektion gemeinsam den Entwurf
von Richtlinien für das Bauen ausserhalb der Bauzone vorgelegt. Dieser
Entwurf wird zur Zeit probeweise in den Amtsbezirken angewendet. Aufgrund
der eingegangenen Stellungnahmen und Erfahrungen sollen die Richtlinien
überarbeitet und definitiv verabschiedet werden. Der Richtlinien-Entwurf
ist sehr umfangreich und detailliert, gleichzeitig aber auch übersichtlich
und benutzerfreundlich gestaltet. Trotzdem bleiben zwangsläufig
wichtige Wertungs- und Beurteilungsspielräume für den Rechtsanwender
im Einzelfall, beispielsweise bei der Frage, ob eine Baute für die
Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebs objektiv notwendig
ist, ob ein nicht-landwirtschaftliches Bauvorhaben zwingend auf einen
Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist oder ob einem Bauvorhaben
überwiegende Interessen entgegenstehen. Gerade aufgrund der heiklen
Fragen, die sich bei der Rechtsanwendung im Einzelfall stellen, hielt
der Gesetzgeber die Mitwirkung einer für den ganzen Kanton zuständigen
Behörde für notwendig, um eine rechtsgleiche Behandlung der Gesuche zu
gewährleisten (EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG, Rz. 5 zu Art. 25 Abs. 2,
S. 311).

    4.7  Diese Anforderung erfüllt die Berner Zuständigkeitsregelung
nicht: Art. 84 Abs. 1 BauG überträgt die Kompetenz auf 26 selbständige
Behörden - die Regierungsstatthalter -, die keiner gemeinsamen zentralen
Behördenleitung unterstehen. Zwar unterliegen sie der Aufsicht des
Regierungsrats, die im Wesentlichen durch Richtlinien der zuständigen
Direktionen, verbunden mit einer nachträglichen Kontrollmöglichkeit
des AGR, ausgeübt wird. Eine blosse kantonale Aufsicht genügt jedoch
den Anforderungen von Art. 25 Abs. 2 RPG nicht (so schon BGE 115 Ib 400
E. 4b S. 405). Art. 84 Abs. 1 BauG ist auch keiner bundesrechtskonformen
Auslegung zugänglich.