Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 I 155



128 I 155

14. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. C. und Mitb. gegen Regierung des Kantons Graubünden und Gemeinde
Samnaun (staatsrechtliche Beschwerde)

    2P.232/2001 vom 14. Februar 2002

Regeste

    Geltung des Mehrwertsteuergesetzes in den Talschaften Samnaun und
Sampuoir (Art. 3 Abs. 3 MWSTG); Sondergewerbesteuergesetze der Gemeinde
Samnaun für Handel und Bauinvestitionen, für Handel mit Benzin und
Dieselöl sowie für Handel mit Tabakwaren (Art. 8, 9, 27, 29 und 127 BV);
Frist für staatsrechtliche Beschwerde (Art. 89 Abs. 1 OG).

    Bedarf ein kantonaler Erlass der konstitutiven Genehmigung durch eine
andere Behörde, so beginnt die Frist für die staatsrechtliche Beschwerde
erst mit der Genehmigung bzw. der Bekanntmachung des Genehmigungsentscheids
zu laufen. Das gilt auch, wenn die letzte kantonale Instanz im Rahmen
eines abstrakten Normenkontrollverfahrens entschieden hat (E. 1.1).

    Die streitigen Sondergewerbesteuern verstossen nicht gegen den
Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung (Art. 127 Abs. 2 BV): Soweit
sie zur Finanzierung der dem Bund zu kompensierenden Steuerausfälle
dienen, ist es sachlich vertretbar, diese Kosten in erster Linie
jenen Leistungspflichtigen anzulasten, die von der Befreiung von der
Mehrwertsteuer profitieren und deren Privilegierung den Bund veranlasst
hat, von der Gemeinde eine Kompensation zu verlangen. Soweit ihr Ertrag zu
andern, im Gesetz umschriebenen Zwecken dient, wird damit ein Sondervorteil
ausgeglichen, der einzelnen Gewerbetreibenden aus dem Zollprivileg in
besonderem Mass zukommt (E. 2).

    Die zur Überwachung und Kontrolle des Handels mit Tabakwaren
vorgesehenen Massnahmen (Clearingstelle; Meldepflicht) verletzen die
Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV nicht (E. 3).

Sachverhalt

    Das Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer
(Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20; in Kraft seit 1. Januar 2001)
gilt in Samnaun und Sampuoir, solange diese beiden Talschaften aus dem
schweizerischen Zollgebiet ausgeschlossen sind, nur für Dienstleistungen
sowie für Leistungen des Hotel- und Gastgewerbes. Die dem Bund auf
Grund dieser Bestimmung entstehenden Steuerausfälle sind durch die
Gemeinden Samnaun und Tschlin zu kompensieren; Einsparungen, die sich
auf Grund des geringeren Erhebungsaufwands ergeben, sind angemessen zu
berücksichtigen. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten im Einvernehmen
mit den Gemeinden Samnaun und Tschlin (Art. 3 Abs. 3 MWSTG).

    Die Stimmberechtigten der Gemeinde Samnaun nahmen am 17. Dezember
2000 das neu geschaffene Sondergewerbesteuergesetz für den Handel
und Bauinvestitionen der Gemeinde Samnaun an (im Folgenden: SGSG
Handel). Mit dem Ertrag dieser Steuer sollen insbesondere die erwähnten
Kompensationszahlungen an den Bund finanziert werden; ausserdem werden die
Mittel zur Förderung der Wirtschaft und insbesondere der Landwirtschaft
sowie für Beiträge an das Marketing verwendet; der restliche Ertrag
fällt in den Gemeindehaushalt (Art. 18). Mit dem Erlass des SGSG Handel
wurde gleichzeitig das Gesetz der Gemeinde Samnaun über die Besteuerung
des Handels mit gebranntem Wasser, mit Benzin und mit Dieselöl vom
28. Oktober 1973 (neu: Gesetz über die Besteuerung des Handels mit Benzin
und mit Dieselöl; im Folgenden: SGSG Benzin und Dieselöl) abgeändert. Der
Ertrag der Steuer dient den gleichen Zwecken wie jener des SGSG Handel
(vgl. rev. Art. 18). Gleichzeitig wurde auch das revidierte Gesetz
der Gemeinde Samnaun über die Besteuerung des Handels mit Tabakwaren
(nachfolgend: SGSG Tabak) von den Stimmberechtigten angenommen. Die
zollfreien Zigaretten werden den Bezugsberechtigten vom Gemeindevorstand
auf Grund des von den zuständigen Bundesbehörden bewilligten Kontingents
für zollfreie Tabakwaren zugeteilt; er berücksichtigt dabei die Anzahl
der Detailhändler sowie die Samnaun Tourismus gemeldeten Logiernächte
(Art. 3). Zur

Überwachung und Kontrolle des Handels mit Tabakwaren in der Zollfreizone
Samnaun betreibt die Gemeinde Samnaun zusammen mit der Gemeinde Tschlin
eine Clearingstelle (Art. 17). Der Einkauf und die Einfuhr sämtlicher
Tabakwaren hat ausschliesslich über jene Händler, Lieferanten und
Transporteure von Tabakwaren zu erfolgen, die durch die Clearingstelle
vorgängig anerkannt wurden (Art. 4). Die Bezugsberechtigten haben der
Clearingstelle ihre Bezüge von Tabakwaren zu melden (Art. 6). Diese
orientiert ihrerseits die Zollbehörden, wenn ein Bezugsberechtigter seinen
Kontingentsanteil an zollfreien Tabakwaren bezogen hat (Art. 5).

    Die Regierung des Kantons Graubünden wies die von C. und Mitbeteiligten
am 14. Februar 2001 erhobene verfassungsrechtliche Beschwerde, mit der
die Aufhebung der an der Urne angenommenen Sondergewerbesteuergesetze
beantragt wurde, mit Entscheid vom 3. Juli 2001 ab.

    Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene staatsrechtliche
Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Die staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Erlass ist binnen 30
Tagen seit der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung
zu erheben (Art. 89 OG). Kennt das kantonale Recht ein Verfahren der
abstrakten Normenkontrolle, ist zunächst dieses zu durchlaufen (Art. 86
Abs. 1 OG; BGE 124 I 11 E. 1a S. 13, mit Hinweisen), und die Frist
zur staatsrechtlichen Beschwerde beginnt alsdann mit der Eröffnung des
letztinstanzlichen kantonalen Normenkontrollentscheids. Nach der Praxis
des Bundesgerichts kann jedoch mit einer an einen solchen Entscheid
anknüpfenden staatsrechtlichen Beschwerde die verfassungsrechtliche
Überprüfung und allfällige Aufhebung des angefochtenen Erlasses nur dann
verlangt werden, wenn das kantonale Normenkontrollverfahren unmittelbar
im Anschluss an den Erlass der angefochtenen Bestimmung, d.h. innert der
hiefür vorgeschriebenen oder, mangels einer solchen, innert der üblichen
Rechtsmittelfrist eingeleitet worden ist. Wird indessen, wo das kantonale
Recht die Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens jederzeit
bzw. ohne fristliche Bindung an den Erlass der angefochtenen Bestimmung
zulässt, wie dies im Kanton Graubünden der Fall ist, ein entsprechender
Normenkontrollentscheid erst später erwirkt, so kann mit einer daran

anschliessenden staatsrechtlichen Beschwerde weder eine
verfassungsrechtliche Überprüfung noch die Aufhebung der beanstandeten
Rechtssätze verlangt werden; zulässig sind in diesem Fall einzig noch
Verfassungsrügen, die sich gegen den Entscheid bzw. das Verfahren vor der
kantonalen Normenkontrollinstanz richten (BGE 111 Ia 270 E. 2 mit Hinweis).

    Im vorliegenden Fall datieren die angefochtenen Erlasse vom 17.
Dezember 2000; die verfassungsrechtliche Beschwerde an die Regierung
wurde am 14. Februar 2001 erhoben. Es stellt sich daher die Frage,
ob die Beschwerde innert der "üblichen" Rechtsmittelfrist eingereicht
worden ist. Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben,
da die staatsrechtliche Beschwerde ohnehin rechtzeitig ist: Nach Art. 42
des bündnerischen Gemeindegesetzes vom 28. April 1974 bedürfen kommunale
Steuererlasse nämlich zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung durch die
Regierung. Diese wurde im vorliegenden Fall am 3. Juli 2001 erteilt, am
gleichen Tag, an dem der angefochtene Entscheid gefällt wurde. Bedarf
aber ein Erlass der (konstitutiven) Genehmigung durch eine andere
Behörde, so beginnt die Beschwerdefrist erst mit der Genehmigung bzw. der
Bekanntmachung des Genehmigungsentscheids zu laufen (BGE 121 I 187 E. 1b
und c S. 189/190; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 349). Da die Beschwerdeführer ihre
kantonale verfassungsrechtliche Beschwerde noch vor der Ausfällung
des Genehmigungsentscheids erhoben haben, kann ihnen nicht vorgeworfen
werden, sie hätten damit zu lange zugewartet. Die im Anschluss an den
Beschwerdeentscheid der Regierung erhobene staatsrechtliche Beschwerde
vom 6. September 2001 erweist sich daher - unter Berücksichtigung der
Sommergerichtsferien (Art. 34 Abs. 1 lit. b OG) - als rechtzeitig.

Erwägung 2

    2.  Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 127 Abs. 2
BV. Sie machen geltend, die streitigen Sondergewerbesteuern verstiessen
gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung, indem sie ohne
sachlichen Grund nur von einer bestimmten Gruppe von Steuerpflichtigen
erhoben würden. Überdies werde der Ertrag - ebenfalls ohne sachlichen
Grund - nicht nur zur Finanzierung der Kompensationszahlungen an
den Bund, sondern auch für die Förderung der Landwirtschaft und das
Tourismus-Marketing verwendet.

    2.1  Nach Art. 127 Abs. 2 BV sind bei der Ausgestaltung der Steuern,
soweit es deren Art zulässt, insbesondere die Grundsätze

der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der
Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
zu beachten. Nach diesen Grundsätzen, die unter der Herrschaft der alten
Bundesverfassung aus dem Gebot der Rechtsgleichheit abgeleitet wurden,
müssen die Steuerpflichtigen nach Massgabe der ihnen zur Verfügung
stehenden Mittel gleichmässig belastet werden (BGE 126 I 76 E. 2a mit
Hinweisen). Dabei ist zu beachten, dass die erwähnten Grundsätze auf die
direkten Steuern zugeschnitten sind. Dieser Überlegung hat das Parlament
durch Beifügung des Passus "soweit es die Art der Steuer zulässt" Rechnung
getragen (zur Entstehungsgeschichte von Art. 127 Abs. 2 BV vgl. SILVIA
MARIA SENN, Die verfassungsrechtliche Verankerung von anerkannten
Besteuerungsgrundsätzen, Diss. Zürich 1999, S. 285/286).

    2.2  Soweit mit den streitigen Abgaben bezweckt wird, die
Kompensationszahlungen zu finanzieren, die die Gemeinde dem Bund wegen
des Wegfalls der Mehrwertsteuer bezahlen muss, lassen sie sich am ehesten
als Kostenanlastungssteuern qualifizieren. Unter diesen Begriff fallen
Sondersteuern, die einer bestimmten Gruppe von Pflichtigen auferlegt
werden, weil sie zu bestimmten Aufwendungen des Gemeinwesens eine
nähere Beziehung haben als die Gesamtheit der Steuerpflichtigen. Von den
Vorzugslasten (Beiträgen) unterscheiden sich solche Abgaben dadurch, dass
kein individueller, dem einzelnen Pflichtigen zurechenbarer Sondervorteil
vorliegen muss, der die Erhebung der Abgabe rechtfertigt. Es genügt,
dass die betreffenden Aufwendungen des Gemeinwesens dem abgabepflichtig
erklärten Personenkreis eher anzulasten sind als der Allgemeinheit, sei es,
weil diese Gruppe von den Leistungen generell (abstrakt) stärker profitiert
als andere oder weil sie - abstrakt - als hauptsächlicher Verursacher
dieser Aufwendungen angesehen werden kann. Die Kostenanlastungsabgabe
stellt, da sie voraussetzungslos, d.h. unabhängig vom konkreten Nutzen
oder vom konkreten Verursacheranteil des Pflichtigen erhoben wird,
eine Steuer dar. Sie steht nach dem Gesagten aber in einem gewissen
Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung. Eine
derartige Sondersteuer setzt voraus, dass sachlich haltbare Gründe
bestehen, die betreffenden staatlichen Aufwendungen der erfassten
Personengruppe anzulasten. Zudem muss die allfällige Abgrenzung nach
vertretbaren Kriterien erfolgen; andernfalls verletzt die Abgabe das in
Art. 8 BV enthaltene Gleichheitsgebot (vgl. BGE 124 I 289 E. 3b S. 291/292
mit Hinweisen).

    2.3  Gemäss Art. 3 Abs. 3 MWSTG haben die Gemeinden Samnaun und Tschlin
dem Bund die Steuerausfälle zu kompensieren, die ihm daraus entstehen,
dass in diesen Gemeinden die Mehrwertsteuer nur für Dienstleistungen
sowie für die Leistungen des Hotel- und Gastgewerbes erhoben wird. Auch
wenn die Gemeinde die Zahlungen aus den allgemeinen, von sämtlichen
Steuerpflichtigen zu tragenden Finanzmitteln leisten könnte, liegt
es doch nahe, diese Kosten in erster Linie jenen Leistungspflichtigen
anzulasten, die von der Befreiung von der Mehrwertsteuer profitieren
und deren Privilegierung den Bund veranlasst hat, von der Gemeinde eine
Kompensation zu verlangen. Wenn die Gemeinde in Art. 3 und 7 SGSG Handel
namentlich die Umsätze der Handelsbetriebe und die Bauleistungen einer
Sondersteuer unterwirft, so ist dies sachlich vertretbar, denn es sind
hauptsächlich diese Umsätze, die der Mehrwertsteuer entgehen und die zu den
Kompensationszahlungen Anlass geben. Demgegenüber sind die Dienstleistungen
und die Leistungen des Hotel- und Gastgewerbes der Mehrwertsteuer
unterworfen, und die Landwirte sind für die Lieferungen der im eigenen
Betrieb gewonnenen Erzeugnisse ohnehin von der Steuerpflicht ausgenommen
(Art. 25 Abs. 1 lit. b MWSTG), so dass hiefür keine Steuerausfälle zu
kompensieren sind.

    2.4  Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, dringt nicht
durch. Dass die Gewerbetreibenden die Sondersteuer zu entrichten haben,
obwohl auch die im Zollfreigebiet ansässigen Endkonsumenten von der
Befreiung durch die Mehrwertsteuer profitieren, verletzt den Grundsatz der
Allgemeinheit der Besteuerung nicht und ist systemkonform: Einerseits wäre
auch die Mehrwertsteuer nicht vom Endkonsumenten erhoben worden, anderseits
kann damit gerechnet werden, dass die Sondergewerbesteuer Handel so gut
wie die Mehrwertsteuer auf den Endkonsumenten überwälzt werden kann. Von
der Einholung eines Gutachtens über die behauptete "Umverteilungswirkung"
der Steuer durfte die Regierung ohne Verletzung des Gehörsanspruchs der
Beschwerdeführer absehen. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass
die Berechnungen des Bundes betreffend die Höhe des von der Gemeinde zu
kompensierenden Steuerausfalls nicht korrekt seien, genügt die Begründung
den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, indem sich die
Beschwerdeführer nicht substantiiert mit den entsprechenden Ausführungen
im angefochtenen Entscheid auseinandersetzen. Im Übrigen bildet die Höhe
der in Art. 3 Abs. 3 MWSTG vorgesehenen Kompensationszahlungen nur ein
Element der

Berechnungsgrundlagen für die Erhebung der Sondersteuer; die Gemeinde
kann deren Ertrag daneben auch für die Wirtschaft, insbesondere die
Landwirtschaft sowie für das Marketing verwenden; der restliche Ertrag
fällt in den Gemeindehaushalt (Art. 18 SGSG Handel).

    2.5  Soweit der Ertrag aus den Sondergewerbesteuern auch zu den
soeben genannten Zwecken verwendet wird oder in den Gemeindehaushalt
fällt, können die Steuern nicht mit der Anlastung der Kosten aus den
Kompensationszahlungen gerechtfertigt werden. Sie stellen insoweit
auch keine echte Vorzugslast im Sinn einer dem Kostendeckungs- und
Äquivalenzprinzip unterliegenden Kausalabgabe dar, da sie nicht
als Gegenleistung für eine bestimmte Aufwendung des Gemeinwesens
erscheinen. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht dagegen mit der
Mehrwertabgabe, mit der die Abschöpfung von durch planerische Massnahmen
geschaffenen Vorteilen bezweckt wird (vgl. dazu BGE 121 II 138; 105 Ia
134; BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002,
S. 4). Es kann bei der Beurteilung der Sondergewerbesteuern nämlich nicht
über die ganz besondere Situation der Gemeinde Samnaun hinweggesehen
werden. Diese bildet, wie allgemein bekannt ist, ein Zollausschlussgebiet
im Sinn von Art. 2 Abs. 2 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 (ZG;
SR 631.0). Das heisst, dass Waren sämtlicher Art zollfrei in das
Gemeindegebiet eingeführt und dort ohne Zollbelastung verkauft werden
können. Von Bedeutung ist dies namentlich bei Produkten, die mit besonders
hohen Grenzabgaben belastet sind, wie dies namentlich bei Treibstoffen
(vgl. das Mineralölsteuergesetz vom 21. Juni 1996; SR 641.61) und
Tabakwaren (vgl. das Bundesgesetz über die Tabakbesteuerung vom 21. März
1969; SR 641.31) der Fall ist. Es ist gerichtsnotorisch, dass dieses auf
besondere historische Umstände zurückzuführende und seit mehr als 100
Jahren bestehende Privileg zur Folge gehabt hat, dass sich auf dem Gebiet
der Gemeinde Samnaun ein ganzer Wirtschaftszweig gebildet hat, der auf dem
mit dem Zollprivileg zusammenhängenden Einkaufstourismus beruht. Der Sinn
der Sondergewerbesteuern liegt nun nach Darstellung der Gemeinde darin,
die Vorteile, die einzelne Gewerbetreibende aus dem Zollprivileg ziehen,
sämtlichen Einwohnern zukommen zu lassen und Wirtschaftszweige, die davon
nicht oder jedenfalls nicht direkt profitieren, wie die Landwirtschaft
und der Tourismus, zu fördern. Es geht somit um eine Art Ausgleichung
des Sondervorteils, der einzelnen Gewerbetreibenden aus dem Zollprivileg
erwächst. Das ist unter dem Gesichtspunkt der

Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung grundsätzlich
nicht zu beanstanden. Die Gemeinde Samnaun erhebt denn auch schon seit
längerer Zeit und unabhängig von der Einführung der Mehrwertsteuer ähnlich
ausgestaltete Sondergewerbesteuern. Das Bundesgericht hat sich bereits mit
Urteil vom 7. Mai 1975 mit dem damaligen Gesetz der Gemeinde Samnaun über
die Besteuerung des Handels mit gebranntem Wasser und mit Benzin befasst,
wobei es die dagegen erhobenen Rügen als unbegründet erachtet hat. Es
besteht kein Anlass, heute anders zu entscheiden. Die Beschwerdeführer
verkennen den Sinn der Sondersteuern, wenn sie geltend machen, die
damit belasteten Detaillisten würden von der Wirtschaftsförderung
bzw. dem Tourismus-Marketing nicht mehr als andere Bevölkerungsgruppen
profitieren. Nicht darum geht es, sondern um den Ausgleich der Vorteile
aus dem Zollprivileg, die ihnen im besonderen Masse zukommen. Ein solcher
Vorteilsausgleich ist verfassungsmässig zulässig.

Erwägung 3

    3.  Die weiteren Rügen erweisen sich zum Vornherein als unbegründet:

    3.1  Bezüglich der SGSG Handel beanstanden die Beschwerdeführer,
dass der Steuersatz für Betriebe des Detailhandels 3 Prozent, für solche
des Grosshandels hingegen nur 0,5 Prozent des Entgelts betrage. Nach den
einleuchtenden Ausführungen der Regierung lässt sich der unterschiedliche
Steuersatz dadurch rechtfertigen, dass der Grosshandel, der zoll- und
mehrwertsteuerfrei aus der Schweiz oder aus Österreich nach Samnaun liefern
kann, bei einem höheren Steuersatz abwandern würde. Auch ist zu beachten,
dass eine höhere Besteuerung des Grosshandels zu einer entsprechenden
unerwünschten Schattensteuer führen würde, da die Gemeinde Samnaun das
Institut des Vorsteuerabzugs nicht kennt. Dieser Aspekt rechtfertigt
übrigens auch den niedrigen Steuersatz auf den Bauleistungen. Soweit
die Beschwerdeführer rügen, dass die Steuersätze für die Abgaben auf
Tabakwaren und Treibstoff um ein Vielfaches höher sind, übersehen
sie, dass in diesen Gewerbezweigen die durch die Sondergewerbesteuer
auszugleichenden Vorteile aus dem Zollprivileg ebenfalls viel höher sind
als beim gewöhnlichen Detailhandel.

    3.2  Die Beschwerdeführer kritisieren die Höhe der mit dem SGSG
Benzin und Dieselöl erhobenen Abgaben. Sie legen jedoch nicht in einer den
Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Art dar, inwiefern
diese Abgaben ihre verfassungsmässigen Rechte verletzen sollen. Im Übrigen
wäre fraglich, ob sie zu einer

entsprechenden Rüge überhaupt legitimiert wären, zumal sie nicht behaupten,
Tankstellen zu betreiben oder inskünftig solche eröffnen zu wollen.

    3.3  Die Beschwerdeführer machen geltend, Art. 3 Abs. 1 und 2 SGSG
Tabak, wonach der Gemeindevorstand auf Grund des von den zuständigen
Bundesbehörden bewilligten Kontingents für zollfreie Tabakwaren alljährlich
einen Verteilschlüssel festlege, wobei er die Anzahl der Detailhändler
sowie die Samnaun Tourismus gemeldeten Logiernächte berücksichtige,
entspreche den Anforderungen an eine genügende gesetzliche Grundlage nicht.
Indessen steht das abgaberechtliche Legalitätsprinzip hier nicht im Spiel,
lässt sich der Kreis der Abgabepflichtigen, der Gegenstand der Abgabe und
deren Bemessungsgrundlagen doch durchaus dem Gesetz entnehmen (vgl. BGE
125 I 182 E. 4a S. 193 mit Hinweisen). Zwar knüpft die Abgabepflicht
insofern an das Kontingentssystem an, als die Abgabe nur auf den im
Rahmen des Kontingents eingeführten Zigaretten erhoben wird (Fr. 12.-
pro 200 zollfreie Zigaretten; Art. 12 lit. a SGSG Tabak). Sollten die
Beschwerdeführer aber ein zu geringes Kontingent erhalten, wie sie
offenbar befürchten, hätten sie demgemäss eine entsprechend geringere
Steuer auf den Zigaretten zu bezahlen, wären also abgaberechtlich gar nicht
benachteiligt. Inwiefern die Delegation der Kontingentszuteilung an den
Gemeindevorstand sonstwie ihre verfassungsmässigen Rechte verletzen soll,
legen die Beschwerdeführer nicht hinreichend dar.

    Die inzwischen offenbar für das Jahr 2001 vorgenommene
Kontingentszuteilung kann im Übrigen nicht Gegenstand des vorliegenden
abstrakten Normenkontrollverfahrens bilden. Dass die streitigen
Bestimmungen überhaupt nicht verfassungskonform angewendet werden können,
lässt sich im Voraus jedenfalls nicht sagen.

    3.4  Die Beschwerdeführer beanstanden die Tabaksteuer auch der
Höhe nach. Soweit sie geltend machen, sie übersteige die entgangene
Mehrwertsteuer bei weitem und belaste die Tabakhändler übermässig,
übersehen sie, dass mit der Besteuerung des Tabakhandels primär nicht
die entgangene Mehrwertsteuer abgegolten, sondern der den Tabakhändlern
aus dem Zollprivileg erwachsende Sondervorteil ausgeglichen werden soll
(vgl. E. 2.5 hievor), weshalb der Vergleich mit dem übrigen Detailhandel
zum Vornherein fehlgeht. Die Behauptung, der Zigarettenhandel werde
infolge der Steuer defizitär, ist sodann nicht hinreichend belegt, indem
sich die Beschwerdeführer darauf beschränken, den Berechnungen der

Regierung ihre eigenen Zahlen entgegenzuhalten; sie ist im Übrigen auch
nicht glaubwürdig.

    3.5  Die Beschwerdeführer machen geltend, die Kontrolle des
Tabakhandels durch die Gemeinde, namentlich die Einrichtung der
Clearingstelle und die Meldepflicht an das Zollamt Martina, halte vor
der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) nicht stand.

    Im angefochtenen Entscheid wird in diesem Zusammenhang unter Hinweis
auf ein Schreiben der Oberzolldirektion dargelegt, die Kontingentierung des
Zigarettenhandels solle verhindern, dass mehr tabaksteuerfreie Zigaretten
nach Samnaun verbracht werden, als in der Zollfreizone im Detailverkauf
abgesetzt werden könnten. Ansonsten bestehe Schmuggelgefahr zum Nachteil
der Europäischen Union und der Schweiz. Der Schmuggel zum Nachteil der
Europäischen Union schade dem Ansehen der Schweiz, wenn er in irgendeiner
Weise mit ihr und insbesondere mit dem Zollausschlussgebiet in Verbindung
gebracht werden könne. Über Kontingentserhöhungen könne erst diskutiert
werden, wenn verlässliche Detailverkaufszahlen vorlägen. Die Regierung
führt dazu weiter aus, zusätzliche Kontingente würden aus naheliegenden
Gründen nur zugesprochen, wenn der Nachweis erbracht werde, dass das
bestehende, aus nicht versteuerten Zigaretten bestehende Kontingent nicht
ausreiche und deshalb auch versteuerte Zigaretten nach Samnaun eingeführt
werden müssten, um die Nachfrage nach Zigaretten zu befriedigen. Dieser
Nachweis lasse sich aber nur mit einer restriktiven Kontrolle, verbunden
mit einer zentralen Abwicklung, bewerkstelligen. Genau diesem Zweck diene
die Clearingstelle.

    Die Vorbringen der Beschwerdeführer lassen diese Überlegungen nicht als
verfassungswidrig erscheinen. Es darf als allgemein bekannt vorausgesetzt
werden, dass der Schmuggel mit Zigaretten in Europa wegen der stärkeren
fiskalischen Belastung der Tabakwaren in den umliegenden Ländern ein
enormes Ausmass angenommen hat. Das Zollausschlussgebiet Samnaun ist
der Gefahr, als Drehscheibe für den Zigarettenschmuggel missbraucht zu
werden, in besonderem Masse ausgesetzt. Dass Schmuggelfälle in Samnaun
bis anhin, wenn überhaupt, höchstens vereinzelt vorgekommen sein sollen,
wie die Beschwerdeführer geltend machen, vermag an dieser Feststellung
nichts zu ändern. Sollten Missbräuche nicht verhindert werden können,
ist sogar zu befürchten, dass die Gemeinde Samnaun ihren Sonderstatus
überhaupt verlieren könnte. Unter diesen Umständen lässt sich nicht
bestreiten, dass ein eminentes öffentliches Interesse an den vorgesehenen
Kontrollmassnahmen besteht,

die überdies auch dem wirksamen Vollzug des Gesetzes über die Besteuerung
des Handels mit Tabakwaren dienen. Diese Massnahmen sind auch nicht
unverhältnismässig; sie erschweren den Beschwerdeführern die Ausübung
ihres Gewerbes nicht übermässig und lassen sich nicht ohne weiteres durch
weniger einschneidende, aber ebenso wirksame Kontrollen ersetzen. Dass
sie wirtschaftspolitischen Charakter hätten, vermögen die Beschwerdeführer
nicht darzutun.

    3.6  Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die
Sondergewerbesteuern führten zu unzulässigen Mehrfachbelastungen,
rügen sie keine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten. Dass in der
Schweiz wohnhafte Personen, die in Samnaun mit Sondersteuern belastete
Waren einkaufen, beim Import der Waren in die Schweiz unter Umständen
zusätzlich Mehrwertsteuer zu bezahlen haben, belastet die Beschwerdeführer
im Übrigen nicht.

    3.7  Schliesslich rügen die Beschwerdeführer, dass in den drei
angefochtenen Gesetzen unterschiedliche Strafandrohungen vorgesehen
seien. In der Tat ist kein überzeugender Grund für die unterschiedliche
Bussenrahmen erkennbar. Das rechtfertigt die Aufhebung der betreffenden
Bestimmungen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle indessen
noch nicht, da sie trotz dieses Mangels einer rechtsgleichen und damit
verfassungskonformen Anwendung zugänglich sind und die Beschwerdeführer
überdies die Möglichkeit haben, allfällige Bussenverfügungen anzufechten
(vgl. BGE 125 I 369 E. 2 S. 374 mit Hinweisen).

Erwägung 4

    4.

    4.1  Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Regierung des
Kantons Graubünden hat die angefochtenen Sondergewerbesteuergesetze unter
dem Vorbehalt genehmigt, dass die Stimmrechtsbeschwerde materiellrechtlich
abgewiesen wird. Auch das vorliegende Urteil präjudiziert jenes kantonale
Beschwerdeverfahren, das anscheinend vom Verwaltungsgericht sistiert
wurde und in dem es um abstimmungsrechtliche Fragen geht, nicht.