Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 IV 241



128 IV 241

37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Amt für
Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungsdienst Zürcher Oberland
(Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.146/2002 vom 13. August 2002

Regeste

    Art. 43 StGB; Vollstreckung aufgeschobener Strafen.

    Psychiatrische Begutachtung bei der Anordnung, Abänderung oder
Aufhebung von Massnahmen gemäss Art. 43 StGB. Zusammenfassung der
Rechtsprechung. Anforderungen an die Aktualität eines Gutachtens.

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X. am
25. September 1996 unter anderem wegen versuchten bandenmässigen Raubes
und qualifizierten Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe von 3 1/2 Jahren,
unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 448 Tagen. Es ordnete eine
ambulante Behandlung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an und
schob den Vollzug der Freiheitsstrafe zu Gunsten dieser Massnahme auf.

    B.- Am 11. Februar 1997 verfügte das Amt für Straf- und
Massnahmenvollzug des Kantons Zürich den Vollzug der ambulanten
Massnahme. Am 4. Juli 2000 ordnete der Sonderdienst des Amtes für
Justizvollzug des Kantons Zürich, gestützt auf Art. 2 Abs. 8 VStGB 1
(SR 311.01), den Aufschub des Vollzugs weiterer Freiheitsstrafen von
sechs beziehungsweise drei Tagen Haft an.

    C.- Am 18. April 2001 stellte der Bewährungsdienst Zürcher Oberland
die ambulante Massnahme ein und ersuchte das Obergericht, den Vollzug
der aufgeschobenen Strafen anzuordnen.

    D.- Mit Beschluss vom 1. März 2002 ordnete das Obergericht des Kantons
Zürich den Vollzug der aufgeschobenen Strafen an.

    E.- X. erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Beschluss
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es
darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.

    1.1  Nach Auffassung der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer nicht
therapiewillig. Die Therapie bei Dr. A. habe er abgebrochen, ohne sich
abzumelden, und auf dessen schriftliche und telefonische Nachfragen habe
er nicht reagiert. Zwar hätten sich seine diversen Umzüge ungünstig
auf die Therapie ausgewirkt, doch hätte er es in der Hand gehabt,
irgendwo sesshaft zu werden und seine Therapie - allenfalls bei einem
anderen Therapeuten - weiterzuführen. Vom Verurteilten habe erwartet
werden dürfen, dass er sich an einen Therapierahmen halte und einen
vorgesehenen Therapieabbruch vorgängig mit einem Therapeuten bespreche
oder den Abbruch dem Therapeuten wenigstens mitteile. Spätestens nach
der ersten Ausschreibung hätte er wissen müssen, dass auch die zuständige
Amtsstelle über seinen Aufenthaltsort hätte informiert werden müssen. Die
Massnahme sei unter diesen Umständen als gescheitert zu betrachten.

    1.2  Die Vorinstanz prüft die verschiedenen Möglichkeiten bei
Scheitern der ambulanten Massnahme im Sinne von Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2
StGB und führt aus, dass der Richter erst zu entscheiden habe, ob und
inwieweit aufgeschobene Strafen zu vollstrecken seien, wenn weder eine
Anstaltseinweisung noch eine Verwahrung noch andere Massnahmen in Frage
kommen.

    Auf eine erneute Begutachtung könne verzichtet werden. Das Gericht
könne die Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer erneuten Massnahme
stellten, gestützt auf die früheren Gutachten und Arztberichte selber
beantworten. Am 12. November 1991 habe Dr. B. ein Gutachten zu
Händen des Obergerichtes erstellt. Das Ergänzungsgutachten desselben
Sachverständigen datiere vom 8. Oktober 1993. Er liege somit rund
sieben Jahre zurück. Dieser zeitliche Abstand bedeute aber nicht, dass
der Beschwerdeführer zwingend erneut zu begutachten sei. Vorliegend
gebe es keine Anhaltspunkte für eine veränderte Entwicklung des
Beschwerdeführers, die eine Neubeurteilung verlangen würden. In seinem
ersten Gutachten aus dem Jahre 1991 habe Dr. B. festgehalten, eine
langfristige ambulante psychotherapeutische Behandlung sei grundsätzlich
indiziert. Im Ergänzungsgutachten vom 1993 habe Dr. B. ausgeführt,
das Objektivierungsvermögen des Beschwerdeführers erscheine als
gering. Die ungenügende Bereitschaft und Fähigkeit zu selbstkritischer
Introspektion und zur In-Fragestellung seiner subjektiven Standpunkte
sei ein erhebliches Problem für die Behandlung. Die langfristige
Durchführbarkeit einer Behandlung habe sich - im Gegensatz zu seinen
früher geäusserten Bedenken - bestätigt, nachdem sie nun gesamthaft seit
über drei Jahren durchgeführt worden sei. Gleichzeitig komme er aber
nicht umhin, die weitere langfristige Durchführbarkeit der Behandlung für
denjenigen Zeitpunkt in Frage zu stellen, in dem es zu einer wirklichen
therapeutischen Auseinandersetzung und damit zu einer entscheidenden
Veränderung des Behandlungscharakters gekommen sein werde.

    Aus dem Verlauf der Therapie bei Dr. A. schliesst die Vorinstanz
sodann, dass sich der Verurteilte auch gegenüber diesem Therapeuten nicht
auf eine eigentliche Therapie eingelassen habe.

    Der Vollzug der aufgeschobenen Strafe sei deshalb anzuordnen.

Erwägung 2

    2.  Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 43
Ziff. 5 Abs. 1 StGB geltend. Sinngemäss führt er aus, der Richter
habe vor seinem Entscheid den Arzt anzuhören. Zwar habe dies der
Bewährungsdienst Zürcher Oberland getan. In dem ärztlichen Bericht sei
festgehalten, dass "Therapie-(Teil-)Ziele" "nicht erreicht" worden
seien, "Therapiefortschritte" "bis zum Therapieabbruch weiterhin
festgestellt werden" könnten. Dies bedeute, dass ein gewisser Erfolg
erzielt worden sei. Der Arzt erwähne aber nichts über die Gefährdung bei
einem Strafvollzug. Umstritten sei die Frage der Erfolglosigkeit. Die
Vorinstanz nehme dies an mit Hinweis auf den Therapieabbruch und die
Schwierigkeiten der Vollzugsbehörden, Kontakt mit dem Beschwerdeführer
zu halten. Ein solcher Kontakt sei ihm aber vom Gericht nicht auferlegt
worden. Die Vorinstanz stelle die Unzweckmässigkeit der Massnahme auf
Gutachten ab, die bereits viele Jahre zurücklägen.

    Indem sich die Vorinstanz auf die alten Gutachten abstütze und
die Entwicklung in der Zwischenzeit nicht berücksichtige, komme sie
zum falschen Schluss, dass kein Teilerfolg erzielt worden sei, und sie
lasse daneben nicht prüfen, welches die Folgen des Strafvollzugs für die
durchgeführten Massnahmen wären.

    Weiter wäre der heutige Vollzug der 3 1/2 Jahre Gefängnis
unverhältnismässig. Es sei neben der langen Zeitspanne zwischen den
strafbaren Handlungen und dem möglichen Strafvollzug zu berücksichtigen,
dass er sich für mehrere Jahre in einer Therapie befunden habe.

Erwägung 3

    3.  Auf welche Grundlagen Entscheide über Massnahmen abzustützen
sind, ist gesetzlich nicht allgemein normiert; auch der Rechtsprechung
lassen sich dazu keine allgemein gültigen Grundsätze entnehmen.
Die Gerichtspraxis zu Fragen der Begutachtung von psychisch auffälligen
Straftätern ist nicht leicht zu überblicken. Während das Gesetz explizite
Vorschriften über die Entscheidgrundlagen bei der Anordnung von Massnahmen
enthält, fehlen entsprechende Bestimmungen für die Abänderung von
Massnahmen im Verlauf des Vollzugs und für die Beendigung von Massnahmen.

    3.1  Bei der Anordnung von Massnahmen ist die rechtliche Situation
klar. Es ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer Massnahme,
soweit sie dem psychiatrischen Fachbereich zuzuordnen sind, regelmässig
gutachterlich abgestützt sein müssen. Bei stationärer Unterbringung geistig
Abnormer ergibt sich dies aus dem gesetzlichen Obligatorium gemäss Art. 43
Ziff. 1 Abs. 3 StGB. Selbst dort, wo der Gesetzgeber einigen Spielraum
offen liess, indem er eine entsprechende Pflicht von der Erforderlichkeit
einer gutachterlichen Abklärung abhängig macht (Art. 44 Ziff. 1 Abs. 2
StGB), verhält er sich nicht anders. Die Beantwortung der relevanten
Fragen dürfte den Erfahrungshorizont von Angehörigen der Justiz in der
Regel sprengen. Überdies wird das dem Richter zugebilligte Ermessen
faktisch nicht zum Tragen kommen, weil sich zumeist im Voraus kaum sagen
lässt, welche Art von Massnahme in Frage kommen könnte. Schliesslich
ist auch im Zusammenhang mit Massnahmen nach Art. 44 StGB zu beachten,
dass selbst bei eindeutigen Störungsbildern, wie sie etwa bei Alkohol-
oder Drogenabhängigkeit nicht selten sind, das Phänomen der Komorbidität
nicht ausser Acht gelassen werden darf. Alkohol- und Drogenmissbrauch
gehen häufig einher mit anderen psychischen Störungen, oft mit
Persönlichkeitsstörungen (NORBERT NEDOPIL, Forensische Psychiatrie,
2. Aufl., Stuttgart/New York 2000, S. 100 und 116). Deshalb dürfen
sich die Entscheidungsträger bei Fragen nach der Notwendigkeit von
Abklärungen nicht dazu verleiten lassen, ihr Augenmerk einzig auf die
deutlichen Symptome der Suchtproblematik zu richten. Zu tolerieren
ist dabei allerdings die Praxis, soweit in einfachen Fällen von weniger
grosser Tragweite - so etwa bei der Anordnung von ambulanten Massnahmen -
nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit auf ein umfassendes Gutachten
verzichtet wird. Allerdings müssen sich die relevanten Fragen auch hier
zumindest auf Grund eines so genannten Kurzgutachtens oder eines ärztlichen
Berichtes beantworten lassen.

    3.2  Weniger eindeutig ist die Rechtslage, soweit die Grundlagen von
Entscheiden im Verlauf des Vollzugs oder bei Beendigung einer Massnahme
zur Diskussion stehen. Das Bundesgericht hat sich bisher zu dieser Frage
kaum geäussert.

    Für die jährliche Prüfung einer Entlassung aus der Massnahme
gemäss Art. 45 Ziff. 1 StGB hat der Gesetzgeber keine Begutachtung
vorgeschrieben. Die Vollzugsbehörden sind einzig gehalten, einen
Bericht der Anstaltsleitung einzuholen. Damit wird bei therapeutischen
Massnahmen der behandelnde Arzt zur Stellungnahme eingeladen. Der Arzt
wird sich wohl primär zum Verlauf der Behandlung und zum Therapieerfolg
äussern. Eine Pflicht zur Begutachtung lässt sich aus dieser Vorschrift
nicht ableiten. Ein solcher Bericht kann den Anforderungen an ein Gutachten
indessen per se nicht genügen. Einem Therapeuten muss diejenige Neutralität
abgesprochen werden, welche von einem Gutachter gemäss ständiger
Gerichtspraxis verlangt wird, der für den Entscheid über die Anordnung
einer Massnahme beizuziehen ist (vgl. etwa Urteile des Bundesgerichts
6P.43/2000 vom 26. April 2000, E. 1b; 6S.444/1999 vom 4. Oktober 2000,
E. 2, je mit Hinweisen).

    Bei Entscheiden von grösserer Tragweite, wie etwa Entscheiden
über die Entlassung aus einer Verwahrung, ist es allerdings fraglich,
ob nicht doch weitere Entscheidungsgrundlagen erforderlich sind.
Nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts wird zwar ein Gutachten
eines unabhängigen Sachverständigen nicht generell als notwendig
bezeichnet. Immerhin hat das Bundesgericht aber darauf hingewiesen,
dass sich in Fällen einer lange dauernden Internierung die fachliche
Beurteilung durch einen aussenstehenden Psychiater unter bestimmten
Umständen aufdrängen könnte (BGE 121 IV 1 E. 2). Sodann ist zu
beachten, dass der Entwurf des Bundesrates von 1998 zur Änderung
des Schweizerischen Strafgesetzbuches - in diesem Punkt von beiden
Räten bestätigt (AB 1999 S 1124; AB 2001 N 574 u. 581) -, für die
Entlassung aus einer Verwahrung zwingend das Gutachten eines unabhängigen
Sachverständigen vorschreibt (Art. 64b Abs. 2). Soweit Fachkommissionen
beigezogen werden, was in schwierigeren Fällen heute regelmässig
der Fall sein dürfte, hat sich das Problem mittlerweile entschärft:
Hier erfolgt eine Beurteilung des Falles durch eine interdisziplinär
zusammengesetzte Gruppe von Fachleuten, welcher auch ein psychiatrischer
Sachverständiger angehört. Die Erwägungen der Fachkommissionen stellen
eine fundierte und objektive Entscheidungsgrundlage dar (kritisch zu den
Fachkommissionen etwa STRATENWERTH, Zur Rolle der sog. "Fachkommissionen",
in: Andreas Donatsch/Marc Forster/Christian Schwarzenegger [Hrsg.],
Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für
Stefan Trechsel, Zürich 2002, S. 887 ff.). In vielen Fällen dürften die
Fachkommissionen ihre Empfehlungen zusätzlich sogar auf externe Gutachten
abstützen. Allerdings wäre es überspitzt, die jährliche Erstellung eines
neuen Gutachtens zu verlangen. Damit würde die Gefahr geschaffen, dass
solche Abklärungen zu Routinegeschäften werden. Prozessuale Leerläufe
sind aber möglichst zu vermeiden. Die Fachkommissionen erachten
gemäss ihren eigenen Richtlinien die Begutachtung eines Betroffenen
in Zeitintervallen von drei Jahren für erforderlich (vgl. etwa Ziff.
3.5 Abs. 2 der Richtlinien vom 1. Januar 2000 des Nordwestschweizerischen
und Innerschweizerischen Strafvollzugskonkordates und Ziff. 2.2 der
Richtlinien des Ostschweizerischen Strafvollzugskonkordates über den
Vollzug von Freiheitsstrafen an gemeingefährlichen Straftätern und
Straftäterinnen vom 16. April 1999).

    3.3  Im Zusammenhang mit der Abänderung von Massnahmen beziehungsweise
der Anordnung von Ersatzmassnahmen hat sich der Gesetzgeber zu den
Entscheidungsgrundlagen nicht geäussert. Eine Beantwortung dieser Frage
lässt sich aber zwanglos der Regelung entnehmen, wie sie bei der Anordnung
von Massnahmen besteht. Der Richter, der beispielsweise gemäss Art. 44
Ziff. 3 Abs. 2 StGB prüft, ob eine andere sichernde Massnahme anzuordnen
ist, kann seinen Entscheid nur gestützt auf Grundlagen treffen, wie sie
ihm als Sachrichter auch bei der erstmaligen Anordnung zur Verfügung
stehen müssen. Wo die Einweisung in eine Klinik nach Art. 43 StGB zu
prüfen ist, hat er so zu verfahren, wie es Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
zwingend vorschreibt. Er hat mithin die Beurteilung des körperlichen und
des geistigen Zustandes des Betroffenen und seinen Entscheid über die Art
der anzuordnenden Massnahme auf ein Gutachten abzustützen. Ein kurzer
Arztbericht, der nach Einsichtnahme in die frühere Krankengeschichte
erstellt worden ist, vermag hier grundsätzlich nicht zu genügen (vgl. BGE
100 IV 142 E. 3).

    Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Gericht
gemäss Art. 43 Ziff. 5 Abs. 1 und 3 StGB den Arzt anzuhören hat,
soweit nach Abschluss einer Massnahme der Vollzug einer Reststrafe zur
Diskussion steht. Diese Bestimmung bezieht sich von ihrer Systematik und
ihrem Wortlaut her einzig auf den Fall einer erfolgreichen Massnahme. Ein
solcher ärztlicher Bericht ist auf das Thema beschränkt, ob der Erfolg
der Massnahme durch den Strafvollzug erheblich gefährdet würde. Eine
generelle Begutachtungspflicht im Zusammenhang mit der Abänderung von
Massnahmen lässt sich daraus nicht ableiten.

    3.4  Selbst bei einer Bejahung einer Begutachtungspflicht im Rahmen
von Art. 45 Ziff. 1 StGB und bei der Abänderung von Massnahmen ist die
Frage noch nicht beantwortet, welche Anforderungen unter dem Aspekt der
Aktualität an ein solches Gutachten zu stellen sind. Es ist zu beachten,
dass der Betroffene bei der Abänderung einer Massnahme oder bei der
Entlassung aus dem Massnahmenvollzug regelmässig bereits mindestens einmal,
häufig sogar mehrfach begutachtet worden ist. Es ist deshalb zu prüfen,
ob für den Entscheid nicht auf bereits vorhandene Unterlagen abgestellt
werden kann.

    Auch bei sonstigen Beweisvorkehren im Strafverfahren ist der
Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. Wo genügende Grundlagen
bereits vorliegen, dürfen diese als Entscheidungsgrundlagen herangezogen
werden. Gemäss neuerer Rechtsprechung ist dabei nicht an das formale
Kriterium eines bestimmten Alters des in Frage stehenden Gutachtens
anzuknüpfen. Es kann auf ein älteres Gutachten abgestellt werden,
wenn sich die Verhältnisse seit dessen Erstellung nicht verändert
haben. So ist es durchaus möglich, dass ein Sachverständiger sich
bereits im Hauptverfahren oder später im Verlaufe des Vollzugs so
umfassend zu Fragen der Behandelbarkeit des Exploranden oder zur Eignung
einer Behandlung geäussert hat, dass sich daraus die Antworten auf
die Fragen ableiten lassen, welche sich stellen, wenn eine Massnahme
später scheitert. Überdies dürfte in vielen Fällen das Spektrum von
möglichen Massnahmen bereits zum Zeitpunkt des Sachurteils nicht sehr
gross sein. Entsprechend sind in einem späteren Verfahrensstadium
auch keine zusätzlichen Abklärungen erforderlich, um Alternativen
beurteilen zu können. Nicht zuletzt mit Blick auf den Mangel an
qualifizierten Sachverständigen in der Schweiz sind die Anforderungen an
Gutachten nicht zu überspannen. Gelegentlich dürfte es genügen, statt
eines neuen umfassenden Gutachtens bei einem bereits tätig gewordenen
Sachverständigen oder bei einer anderen Fachperson ein Ergänzungsgutachten
einzuholen. Soweit andererseits frühere Gutachten mit Ablauf der Zeit und
zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst haben, sind neue
Abklärungen unabdingbar. So gilt es etwa zu beachten, dass nach neuerer
forensisch-psychiatrischer Lehre Gefährlichkeitsprognosen lediglich für den
Zeitraum eines Jahres zuverlässig gestellt werden können (VOLKER DITTMANN,
Was kann die Kriminalprognose heute leisten? in: St. Bauhofer/P.H. Bolle/V.
Dittmann [Hrsg.], Gemeingefährliche Straftäter, Reihe Kriminologie, Bd. 18,
Chur/Zürich 2000, S. 72). Therapieverläufe etwa lassen sich häufig nicht
antizipieren.

Erwägung 4

    4.

    4.1  Wie oben dargelegt, beziehen sich Art. 43 Ziff. 5 Abs. 1 und 3
StGB auf Fälle erfolgreicher Massnahmen. Davon geht nun die Vorinstanz
gerade nicht aus, nicht einmal von einem Teilerfolg, sondern im Gegenteil
klar vom Scheitern der Massnahme. Eine Verletzung von Art. 43 Ziff. 5
StGB liegt demnach nicht vor.

    4.2  Die Vorinstanz stützte sich bei ihrem Entscheid unter anderem auf
zwei Gutachten, wobei das jüngere - das Ergänzungsgutachten vom 8. Oktober
1993 - damals bereits über acht Jahre zurücklag. An das formale Kriterium
eines bestimmten Alters von Gutachten muss indessen nicht angeknüpft
werden. Auf ein älteres Gutachten darf, wie oben ausgeführt, abgestellt
werden, wenn es die rechtsgenüglichen Entscheidgrundlagen bereits enthält
und wenn sich die Verhältnisse seit der Erstellung des Gutachtens nicht
verändert haben. Die Vorinstanz hält fest, dass keine Anhaltspunkte für
eine veränderte Entwicklung des Beschwerdeführers vorliegen und dass sich
im Gegenteil die Befürchtungen des Gutachters bezüglich Durchhaltewillen
bewahrheitet haben. Die im Gutachten erfolgte Beurteilung trifft auch
heute noch zu, was sich im ganzen Therapieverlauf zeigt. Es liegen
keine Anhaltspunkte für eine Veränderung in der dem Gutachten zu Grunde
gelegten Persönlichkeitsstruktur vor. Der Therapieverlauf macht deutlich,
dass die Persönlichkeitsstörung immer noch vorhanden ist und - wie vom
Gutachter befürchtet - ein Therapiehindernis darstellt. Die Vorinstanz
hatte bereits anlässlich ihres ursprünglichen Entscheids die vom Gutachter
geäusserten Bedenken zur Kenntnis genommen und diesen durch Hinweis auf das
Nachverfahren, in dem der Richter von Gesetzes wegen einen Folgeentscheid
zu treffen habe, Rechnung getragen.

    Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie, ohne ein
weiteres Gutachten einzuholen, unter anderem auf die beiden Gutachten
aus den Jahren 1991 und 1993 abstellt.

    4.3  Zu prüfen bleibt schliesslich der Einwand des Beschwerdeführers,
er habe sich seit dem Ergänzungsgutachten aus dem Jahre 1993 wenigstens
teilweise positiv weiter entwickelt. Er sei im Übrigen während Jahren
in die Therapie gegangen. Es sei nicht auszuschliessen, dass er sich zum
Zeitpunkt des Therapieabbruchs in einer krisenhaften Phase befunden habe.
Darüber wäre der Arzt zu befragen gewesen, insbesondere auch dazu, ob
die Krise überwindbar sei.

    4.3.1  Mit diesem Einwand richtet sich der Beschwerdeführer zum grossen
Teil gegen tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz, was im Verfahren
der Nichtigkeitsbeschwerde nicht statthaft ist. In diesem Umfang kann
auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten werden.

    4.3.2  Im Übrigen fehlt dem Beschwerdeführer aufgrund der
Feststellungen der Vorinstanz die nötige Motivation für eine erneute
ambulante Massnahme, er ist nicht gewillt, mit dem Amt für Justizvollzug zu
kooperieren und vermag den für eine ambulante Behandlung erforderlichen
Durchhaltewillen nicht aufzubringen. Die Auffassung der Vorinstanz,
dass sich eine ambulante Massnahme mangels Kooperationsbereitschaft als
unzweckmässig erweist und dass von einer ambulanten Massnahme während
des Strafvollzugs abzusehen ist, da anzunehmen sei, dass sich der
Beschwerdeführer auch in diesem Fall einer Therapie widersetzen würde,
verletzt unter diesen Umständen kein Bundesrecht.

    4.3.3  Unter dem Aspekt der Erforderlichkeit und der Zweckmässigkeit
einer Massnahme geht es schliesslich auch um die Frage, ob überhaupt
erwartet werden könnte, dass sich die geistige Abnormität des Betroffenen
tatsächlich heilen lasse (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht,
Allgemeiner Teil II, 1989, § 11 N. 86 und § 12 N. 10). Dafür müsste
beim Betroffenen ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft gegeben
sein (vgl. den Entscheid 6S.69/2002 vom 7. Mai 2002). An dieser
Kooperationsbereitschaft und am Willen, sich einer Therapie zu unterziehen
und diese nicht von vornherein kategorisch abzulehnen, fehlt es dem
Beschwerdeführer. Die Vorinstanz hat dessen neuere Entwicklung sorgfältig
in ihre Erwägungen mit einbezogen und gewürdigt. Gerade diese Entwicklung
hat sie veranlasst, den Vollzug der Strafen anzuordnen. Eine Verletzung
von Bundesrecht ist auch in diesem Punkt nicht ersichtlich.

    4.3.4  Bei dieser Sach- und Rechtslage hatte die Vorinstanz nicht zu
prüfen, wie viel Zeit zwischen den strafbaren Handlungen und dem nunmehr
angeordneten Strafvollzug verstrichen ist. Ebenso wenig hatte sie sich
über Sinn und Zweck des Strafvollzuges zum gegenwärtigen Zeitpunkt
auszusprechen.