Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 IV 1



128 IV 1

1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. B. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

    6S.372/2000 vom 22. Oktober 2001

Regeste

    Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB; Strafausscheidung, Rechtsmittel.

    Die nachträgliche Strafausscheidung ist eine strafzumessungsrechtliche
Frage. Sie ist daher mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten (E. 1).

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Zürich fand im Berufungsverfahren
am 7. Mai 1998 B. der teilweise bandenmässigen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es bestrafte ihn mit 12 Monaten Gefängnis
und schob den Vollzug nicht auf.

    Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine
Nichtigkeitsbeschwerde von B. am 9. August 1999 ab, soweit es darauf
eintrat.

    Das Bundesgericht wies am 14. Oktober 1999 eine eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde von B. gegen das Urteil des Obergerichts ab.

    B.- Die vom Obergericht am 7. Mai 1998 beurteilten Straftaten fielen
teilweise in die zweijährige Probezeit nach bedingter Entlassung aus
dem Strafvollzug, die das damalige Amt für Straf- und Massnahmenvollzug
(ASMV) und heutige Amt für Justizvollzug (AJV) mit Verfügung vom 1.
November 1995 angeordnet hatte. Auf

Grund des Urteils vom 7. Mai 1998 hatte das AJV den Widerruf und die
Rückversetzung zu prüfen und stellte im Sinne von Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1
StGB das Gesuch um Strafausscheidung.

    Das Obergericht des Kantons Zürich stellte mit Beschluss vom 4. April
2000 fest, "dass für die in die vom Amt für Straf- und Massnahmenvollzug
mit Verfügung vom 1. November 1995 angesetzte Probezeit von 2 Jahren
fallenden, vom Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, am 7. Mai
1998 beurteilten Delikte eine drei Monate übersteigende Strafe ausgefällt
worden wäre und deren Vollzug nicht hätte bedingt aufgeschoben werden
können".

    Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine
Nichtigkeitsbeschwerde von B. am 17. Mai 2001 ab, soweit es darauf eintrat.

    C.- B. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
den Beschluss des Obergerichts vom 4. April 2000 aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es
darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Begeht der Entlassene während der Probezeit eine strafbare
Handlung, für die er zu einer drei Monate übersteigenden und unbedingt zu
vollziehenden Freiheitsstrafe verurteilt wird, so ordnet die zuständige
Behörde die Rückversetzung an. Wird der Entlassene zu einer milderen oder
zu einer bedingt zu vollziehenden Strafe verurteilt, so kann die zuständige
Behörde von der Rückversetzung Umgang nehmen (Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB).

    Regelmässig bestimmen die Strafgerichte bei der Strafzumessung jenen
Strafanteil, der auf die während der Probezeit begangene strafbare Handlung
entfällt. Vorliegend hatte das Strafgericht diesen Strafanteil auf Grund
der Umstände nicht genau festgesetzt. Die Vorinstanz nimmt im Sinne der in
BGE 101 Ib 154 begründeten Rechtsprechung eine Strafausscheidung vor. Es
handelt sich um eine dem Entscheid der zuständigen Vollzugsbehörde gemäss
Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB vorausgehende Ausscheidung des Strafanteils,
der auf die in der Probezeit verübte Straftat entfällt. Dabei geht es
nicht um eine materielle Änderung des rechtskräftigen Urteils, sondern
bloss um dessen Präzisierung oder Erläuterung im Sinne einer nachträglichen
Unterteilung der in ihrer Gesamtheit unverändert

bleibenden Strafe (BGE 101 Ib 154 S. 156). Die Vollzugsbehörde muss
sich diesbezüglich beim urteilenden Gericht erkundigen (BGE 104 Ib 21
E. 1). Das Gericht zieht bei der Strafausscheidung auch die Vorschriften
von Art. 63 ff. StGB heran (BGE 101 Ib 154 S. 156). Solche Entscheidungen
betreffen die Strafe selbst und stellen nicht blosse Verfügungen
über deren Vollzug dar. Diese nachträgliche Quotenaufteilung ist eine
strafzumessungsrechtliche Frage (vgl. auch BGE 82 I 167 und 83 IV 111
zur insoweit vergleichbaren Quotenausscheidung bei der Auslieferung
zum Zwecke des Strafvollzugs). Die nachträgliche Strafausscheidung
ist daher mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten und nicht mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.