Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 II 1



128 II 1

1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
i.S. Regierungsrat des Kantons Aargau und WWF Schweiz gegen Bundesamt
für Betriebe des Heeres, Bundesamt für Armeematerial und Bauten sowie
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
(Verwaltungsgerichtsbeschwerden)

    1A.173/2000 / 1A.174/2000 vom 5. November 2001

Regeste

    Art. 57 ff. und 78 BV, Art. 126 Abs. 4 MG, Art. 6 Abs. 3 MPV;
Plangenehmigung einer militärischen Ausbildungsanlage; Konflikt von
Interessen der Landesverteidigung und des Naturschutzes; Berücksichtigung
bei der Sachplanung.

    Wichtige Ermessensentscheide sind von der Sachplanbehörde zu
treffen. Kollidiert das Interesse der Landesverteidigung mit dem Interesse
an der Erhaltung eines Wildtierkorridors von nationaler Bedeutung, so
setzt die Plangenehmigung voraus, dass sich die Sachplanbehörde (hier:
der Bundesrat) mit dem Interessenkonflikt im Sachplan ausdrücklich
auseinandergesetzt und sich klar für den Vorrang des militärischen
Interesses entschieden hat (E. 3d).

Sachverhalt

    Die Pontoniere der Schweizer Armee werden vorwiegend in den
Genieschulen des Waffenplatzes Brugg ausgebildet. Die Ausbildung
umfasst folgende Stufen: (1) Anlernstufe, (2) Festigungsstufe, (3)
Anwendungsstufe. Die Anlernstufe findet in ruhigem, die Festigungsstufe in
leicht fliessendem Gewässer statt; die Anwendungsstufe unter realitätsnahen
Bedingungen in öffentlichen Gewässern. Da sich die derzeit genutzten
Gewässerabschnitte namentlich für die Anlernstufe teilweise nur schlecht
eignen, soll künftig ein Grossteil der wasserbezogenen Ausbildung in einer
neu zu bauenden Anlage mit einem künstlichen so genannten Lehrbecken
durchgeführt werden. Das Bedürfnis für eine solche Anlage ergibt sich
insbesondere aufgrund der Einführung der "Schwimmbrücke 95" im August
1996. Um im bestehenden Umfeld die Ausbildung zu ermöglichen, wurde vorerst
ein befristeter Vertrag mit den Nordostschweizerischen Kraftwerken (NOK)
abgeschlossen. Der Vertrag regelt die Nutzung eines Provisoriums oberhalb
des Stauwehrs des Kraftwerks Beznau. Dieses Provisorium genügt jedoch
längerfristig für die Ausbildung nicht. Auch aus Gründen der Sicherheit
und des Umweltschutzes ist

es auf längere Sicht ungeeignet. Die neu zu errichtende Anlage
muss insbesondere aus folgenden Teilen bestehen: Einem Lehrbecken,
einer Manövrierfläche für den Brückenbau, einem Abstellplatz für 13
Brückentransport-Sattelschlepper und einem Betriebsgebäude.

    1993/94 wurde eine Standortevaluation für die Anlage
durchgeführt. Dabei wurden 19 Standorte geprüft. Bei einer Begehung des
Standortes Au unmittelbar neben der Aare in der Gemeinde Böttstein/AG
bestätigten sich dessen Vorteile. Es wurde beschlossen, die Eignung
des Standortes Au verstärkt abzuklären und erste Projektideen
auszuarbeiten. Die Abklärungen zu den anderen Standorten wurden bis auf
weiteres eingestellt. Die Gründe dafür waren:

    - kurzer Transportweg von Brugg zum Standort Au;

    - die Transportroute liegt überwiegend ausserhalb geschlossener

    Ortschaften;

    - vielfältige Übungsmöglichkeiten durch Verbindung zur Aare (ruhiges,

    leicht und schneller fliessendes Gewässer);

    - die Durchspülung des Beckens mit Flusswasser gewährleistet eine gute

    Wasserqualität;

    - es sind geringe Terrainveränderungen nötig (Gelände auf Höhe der

    Aare);

    - gute Möglichkeiten der Einpassung in die Landschaft.

    Der Standort Au liegt zwischen Villigen und Böttstein am
westlichen Ufer der nach Norden fliessenden Aare in einer allseitig
gegen die Umgebung abgeschlossenen Geländekammer. Östlich begrenzt
wird die Au durch das gekrümmte Aareufer. Westlich der Au verläuft
die Erschliessungsstrasse zur nördlich gelegenen Beznauinsel sowie die
Kantonsstrasse Villigen-Böttstein. Die Au besteht aus Ackerland, Wald
und einem bestockten Uferdamm. Ausser einem kleinen Geräteschopf und
dem Gittermast der Hochspannungsleitung an der Erschliessungsstrasse
gibt es in der Au keine Hochbauten oder Anlagen. Am östlichen Aareufer
gegenüber der Au liegt ein Wald. An die Au grenzen verschiedene intensiv
genutzte Bereiche. Ca. 500 m flussabwärts liegt die erwähnte Beznauinsel,
welche dicht bebaut ist mit dem Kernkraftwerk, dem Wasserkraftwerk und
verschiedenen Stromübertragungsanlagen. Schräg gegenüber befindet sich
das Zwischenlager für schwach radioaktive Abfälle (ZWILAG). Von der
Au aus ca. 500 m flussaufwärts - also südlich - befindet sich das Paul
Scherrer Institut mit seinen zahlreichen Gebäuden und Anlagen beidseits
der Aare. Die Au ist im Richtplan des Kantons Aargau als Landschaft
von kantonaler

Bedeutung und im Nutzungsplan der Gemeinde Böttstein als
Landschaftsschutzzone ausgeschieden.

    Für den Standort Au wurde eine erste Projektidee ausgearbeitet und den
betroffenen Grundeigentümern, der Gemeinde Böttstein sowie der Abteilung
Landschaft und Gewässer des Baudepartements des Kantons Aargau zur Kenntnis
gebracht. Diese äusserten sich alle grundsätzlich zustimmend zum Vorhaben.

    Am 17. September 1996 reichte das Bundesamt für Betriebe des
Heeres (BABHE) dem damaligen Eidgenössischen Militärdepartement als
Plangenehmigungsbehörde das Projekt zum Bau einer Ausbildungsanlage in
der Au zur Vorprüfung ein.

    Am 18. Oktober 1996 ordnete die Genehmigungsbehörde die
Durchführung des ordentlichen Plangenehmigungsverfahrens mit einer
Umweltverträglichkeitsprüfung an.

    Ende Februar 1997 reichte das damalige Amt für Bundesbauten ein
Vorprojekt ein. Danach bestand die Anlage aus einem Lehrbecken von ungefähr
70 x 85 m Wasserfläche und einem Verbindungskanal zur Aare; überdies aus
einem Betriebsgebäude, einem Manövrier- und einem Abstellplatz sowie einer
Zufahrt. Das Betriebsgebäude, der Manövrierplatz und die Zufahrt lagen im
Süden der Anlage. Mit der Schaffung von ökologischen Ausgleichsflächen
wurde der Eingriff in die Geländekammer abgeschwächt. Die Anlage wurde
auf eine Benutzungsdauer von 20 Jahren ausgerichtet.

    In der Voruntersuchung des Umweltverträglichkeitsberichts (UVB) vom
Februar 1997 wurde ausgeführt, nach verschiedenen Beobachtungen überquerten
im Gebiet Au Rehe und Wildschweine die Aare. Dies werde indirekt dadurch
bestätigt, dass hier überdurchschnittlich viele Rehe Opfer des Verkehrs
würden. Wohl aufgrund dieser Beobachtungen sei im kantonalen Richtplan an
dieser Stelle ein so genannter Vernetzungskorridor für Wildtiere festgelegt
worden. Die räumliche Ausbreitung der Tiere werde durch den Bau der Anlage
beeinträchtigt. Massnahmen zur möglichst weit gehenden Verminderung dieses
Konfliktes müssten im Rahmen der Hauptuntersuchung noch aufgezeigt werden.

    Am 15. Juli 1997 ordnete die Genehmigungsbehörde die Hauptuntersuchung
zur Umweltverträglichkeit an.

    Am 11. März 1998 reichten das BABHE und das Bundesamt für Armeematerial
und Bauten (BAB) der Genehmigungsbehörde das Gesuch um Genehmigung des
Vorhabens zum Bau der Ausbildungsanlage am Standort Au zusammen mit dem

Umweltverträglichkeitsbericht vom Februar 1998 und dem dazugehörigen
Spezialbericht Wildtierökologie vom Januar 1998 ein. Die Verfasserin
des Spezialberichts legt dar, am südlichen Rand des Gebiets Au
verlaufe ein Wildtierkorridor. Die grossräumige Vernetzung von
Wildtierpopulationen werde von Fachleuten einhellig als vordringlich
erachtet. Der genetische Austausch zwischen Wildtierpopulationen, die
Erhaltung von Ausbreitungsmöglichkeiten und Kolonialisierungswegen
sowie die Sicherstellung ausreichend grosser Populationsräume durch
Gewährleistung der artgemässen Mobilität seien langfristig notwendig für
die Überlebenssicherung der Tierpopulationen. Im Bereich des Korridors
in der Au seien namentlich folgende Tierarten vorhanden: Wildschwein,
Reh, Fuchs, Dachs, Iltis, Hermelin (grosses Wiesel), Mauswiesel (kleines
Wiesel), Feldhase, Steinmarder, Biber, Luchs. Die Überquerung eines
breiten Flusses sei für Wildtiere eine gefährliche und energieraubende
Sache. Nach einer Flussüberquerung müssten die Tiere eine gute Deckung
zum Ausruhen finden. Beim Fluss müsse eine breite Ausstiegstelle vorhanden
sein. Der Wildtierkorridor in der Au ermögliche grossräumig den Austausch
von Tieren zwischen Jura und Nordostschweiz bzw. Schwarzwaldregion. Die
Breite des Korridors betrage knapp einen Kilometer. Das Nadelöhr liege
beim Fluss. Dieser könne nur passiert werden auf der Höhe der so genannten
Zulenkstruktur (d.h. der natürlichen Vegetations- bzw. Geländestruktur,
entlang der sich die Tiere zum anschliessenden Lebensraum bewegen); nur
dort seien wildtiertaugliche Ausstiegsmöglichkeiten vorhanden. Ohne einen
funktionierenden Wildtierkorridor im unteren Aaretal entstünde von der
Nord- bis zur Ostgrenze der Schweiz eine weitgehend unpassierbare Schranke,
welche mindestens bis zur Linthebene irreparabel wäre. Die Verfasserin des
Spezialberichts kommt zum Schluss, bei Erstellung der projektierten Anlage
könne die Funktionsfähigkeit des Wildtierkorridors nicht erhalten werden,
auch nicht mit flankierenden Massnahmen. Es sei davon auszugehen, dass die
Wildtiervernetzung praktisch vollständig zerstört würde. Der Korridor in
der Au sei heute im Vergleich mit anderen wichtigen Wildtierkorridoren zwar
als recht gut, wenn auch nicht mehr völlig unbelastet zu beurteilen. Die
bestehenden Beeinträchtigungen seien nicht so schwerwiegend, dass
sie die Tiere an der Passage hindern würden, und die heutige Situation
könne mit einfachen Massnahmen verbessert werden. Eine Umplatzierung von
Anlageteilen, z.B. des Betriebsgebäudes und des Manövrierplatzes auf die
Nordseite des Beckens, brächte vermutlich keine ausreichende

Verbesserung. Um die Situation wesentlich verbessern zu können, müsste
die Anlage aus dem Korridorbereich heraus verschoben werden, d.h. in rund
200 m Entfernung von der Zulenkstruktur. Dies würde aber praktisch einem
neuen Projekt gleichkommen. Dessen Auswirkungen auf andere Naturschutz-
und Umweltbereiche müssten neu abgeschätzt werden. Das vorliegende Projekt
lasse sich nicht mit dem Ziel der Korridorerhaltung vereinbaren.

    In der Folge eröffnete die Genehmigungsbehörde das Anhörungsverfahren
bei den betroffenen kantonalen und kommunalen Behörden sowie bei den
interessierten Bundesbehörden und veranlasste die öffentliche Auflage des
Projekts (22. April bis 25. Mai 1998). Es wurden verschiedene Einsprachen
erhoben.

    Aufgrund der in der Hauptuntersuchung zur Umweltverträglichkeit
aufgezeigten Auswirkungen auf den Wildtierkorridor wurde das Projekt
überarbeitet. Die Anlage wurde unter Beibehaltung der Lage des
Verbindungskanals nach Norden verschoben, d.h. der Manövrierplatz,
das Betriebsgebäude und die Zufahrt wurden auf die Nordseite des Beckens
verlegt. Die Anlage rückt damit vom Wildtierkorridor ab. Die Flächenanteile
der verschiedenen Anlageteile und die Gesamtfläche der Anlage haben sich
nicht verändert. Das Becken beansprucht mit den Nebenanlagen eine Fläche
von rund 20'000 m2 Landwirtschaftsland. Für die Schaffung von ökologischen
Ausgleichsflächen werden zusätzlich ca. 18'000 m2 Landwirtschaftsland
sowie rund 16'000 m2 Wald und Gehölze einbezogen. Die Baukosten werden
auf ca. Fr. 7 Mio. veranschlagt.

    Auf Anregung des Umweltverbandes Pro Natura wurde das Gebiet
Langmatt im Grenzbereich der Gemeinden Möriken-Wildegg und Holderbank
als Alternativstandort geprüft. Der dazu verfasste Bericht vom August
1998 beurteilt dieses Gebiet als ungeeignet.

    Am 31. März 2000 genehmigte das Eidgenössische Departement für
Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) das Vorhaben des BABHE und
des BAB zum Bau der Anlage in der Au gemäss dem geänderten Projekt unter
Auflagen. Überdies bewilligte das VBS unter Auflagen die Rodung von 4'300
m2 Wald, welcher für die Umsetzung der ökologischen Ausgleichsmassnahmen
benötigt wird, und die Ersatzaufforstung von 7'600 m2 Wald. Ferner erteilte
es die Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus der Aare für das Becken.

    Der Regierungsrat des Kantons Aargau führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Plangenehmigung vom

31. März 2000 aufzuheben; das Plangenehmigungsgesuch sei zur Überarbeitung
an das VBS zurückzuweisen; das VBS sei anzuweisen, eine Verschiebung
der Anlage nach Norden, zumindest um 50 m, vorzunehmen; die in der
Plangenehmigung verfügten Auflagen seien sinngemäss den verlegten
Standortverhältnissen anzupassen.

    Der WWF Schweiz erhebt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Er beantragt, die Plangenehmigung des VBS aufzuheben; das
Plangenehmigungsgesuch für die Ausbildungsanlage am Standort Au sei
abzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des WWF Schweiz
(Beschwerdeführer 2) teilweise gut und schreibt jene des Regierungsrates
(Beschwerdeführer 1) als gegenstandslos geworden ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer 2 richtet sich gegen den "Grobstandort". Er
macht geltend, die Anlage dürfe am Standort Au überhaupt nicht gebaut
werden. Demgegenüber wendet sich der Beschwerdeführer 1 lediglich gegen den
"Feinstandort". Er ist der Auffassung, die Anlage dürfe zwar am Standort
Au gebaut werden; sie müsse aber nach Norden verschoben werden, da beim
Bau am genehmigten Standort den Wildtieren ein viel zu geringer Abstand
von lediglich 50 m zugemutet werde.

    Zunächst ist zu prüfen, ob der Bau der Anlage in der Au zulässig
ist. Nur wenn das zu bejahen ist, stellt sich die Frage nach dem
Feinstandort. Zu behandeln ist somit zuerst die Beschwerde des
Beschwerdeführers 2.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer 2 macht geltend, der Sachplan sei
unvollständig; die Anlage hätte deshalb nicht bewilligt werden dürfen.

    a) Die vorgesehene Anlage in der Au wirkt sich erheblich auf Raum
und Umwelt aus. Die Plangenehmigung setzt deshalb einen Sachplan nach
dem Bundesgesetz über die Raumplanung voraus (vgl. Art. 126 Abs. 4 des
Bundesgesetzes vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung
[MG; SR 510.10]).

    Am 19. August 1998 hat der Bundesrat den hier massgeblichen Sachplan
Waffen- und Schiessplätze verabschiedet. Darin ist der Neubau der Anlage
am Standort Au im Objektblatt 19.13 festgesetzt. Der Wildtierkorridor wird
kartografisch nicht erfasst. Ebenso wenig wird er in den Erläuterungen
zum Sachplan erwähnt.

    b) Der Wildtierkorridor stellt beim Standort Au das wesentliche
Problem dar.

    Im überarbeiteten Spezialbericht Wildtierökologie vom Dezember 1998
wird ausgeführt, der Wildtierkorridor in der Au müsse unbedingt erhalten
bleiben. Die internen Arbeitsgrundlagen für die Festlegung des Korridors
im Richtplan des Kantons Aargau wiesen ihm grösste Priorität, d.h.
überkantonale bzw. nationale Bedeutung zu. In der Schweiz bestehe noch
keine Festlegung von national bedeutenden Wildtierkorridoren in einem
Inventar. Entsprechende Vorarbeiten, welche als Grundlage dafür dienen
könnten, lägen zurzeit im Entwurf vor. Die Schweiz werde von einigen
grossräumigen Wildtierbarrieren durchschnitten, die vorwiegend durch
Siedlungen und Verkehrsträger gebildet würden und als irreparabel zu
beurteilen seien. Eine dieser Wildtierbarrieren verlaufe von Basel
entlang dem Rhein und der Aare, dann durch das Limmattal über Zürich,
die Linthebene und den Walensee bis Sargans. Sie trenne den Schwarzwald
und die Nordostschweiz vom Jura, der Zentral- und der übrigen Schweiz
sowie dem Alpenraum ab. Der insoweit einzige funktionsfähige Korridor
sei heute der in der Au. Zur Sicherung der Ausbreitungsrouten und
zur Vermeidung langfristig zu kleiner, isolierter Populationen seien
die letzten wildtiertauglichen Verbindungen zwischen den Grossräumen
unbedingt offen zu halten. Der Wildtierkorridor in der Au habe aufgrund
seiner Lage besondere Bedeutung für sich neu oder wieder ausbreitende
Tierarten. Da die Tiere zu unterschiedlichen Jahreszeiten wanderten,
müsse der Korridor ganzjährig dauernd offen gehalten bzw. von grossen
Störungen freigehalten werden.

    Im Bericht "Wildtierkorridore Schweiz" der Schweizerischen Gesellschaft
für Wildtierbiologie und der Schweizerischen Vogelwarte Sempach vom
November 1999 wird der Korridor in der Au als solcher von überregionaler
Bedeutung beschrieben. Es handle sich um die einzige für alle Tierarten
taugliche Verbindung Jura-Ostschweiz-Schwarzwald. Trotz Belastungen werde
der Korridor optimal von den Tieren genutzt. Als mögliche Massnahmen werden
unter anderem die Freihaltung und die Verminderung von Störungen genannt.

    Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) vertritt
in ihrem Gutachten vom 3. Juni 1999 die Auffassung, dem Wildtierkorridor
in der Au müsse nationale Bedeutung zuerkannt werden. Der gleichen Ansicht
ist das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL; Stellungnahme
vom 27. Mai 1999).

    Aufgrund dieser Fachberichte ist davon auszugehen, dass dem
Wildtierkorridor in der Au nationale Bedeutung zukommt.

    c) aa) Die ENHK führt im genannten Gutachten aus, das ursprüngliche
Projekt käme mitten in den Wildtierkorridor zu liegen und würde diesen
damit so stark beeinträchtigen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
mehr durch Wildtiere benutzt werden könnte. Der Verlauf des ganzjährig
benutzten Korridors sei so eng, dass auf ein Ausweichen der Tiere nicht
gehofft werden dürfe. Auch beim überarbeiteten und geänderten Projekt
sei der Korridor immer noch erheblich beeinträchtigt, wenn auch aufgrund
des etwas flussabwärts verschobenen Lehrbeckens weniger zentral. Eine
Verschiebung nach Norden sei an sich sinnvoll, weil das vergleichsweise
flachere West- und Ostufer am südlichen Rand der Au liege, d.h. im einzigen
Abschnitt, der als Ein- und Ausstieg für Wildtiere nutzbar sei. Aus diesem
Grund erscheine auch die südlich des Lehrbeckens nun vorgesehene, mit
Weichhölzern zu bestückende ökologische Ausgleichsfläche zweckmässig. Die
Anlage liege aber immer noch so direkt beim Wildtierkorridor, dass das
Vorhaben klar dessen Verlust bewirken werde.

    bb) Das BUWAL legt in seiner Stellungnahme vom 27. Mai 1999 dar, es
müsse davon ausgegangen werden, dass eine zusätzliche Beeinträchtigung
des Korridors, wie sie mit der Verwirklichung des vorliegenden Projektes
(gemäss derzeitigem Planungsstand) verbunden wäre, zum Unterschreiten
der minimal notwendigen Lebensraum-Qualität führen würde und somit die
Funktionsfähigkeit des Korridors verloren ginge. Das BUWAL kommt zum
Schluss, dass das Vorhaben wegen der Beeinträchtigung des Wildtierkorridors
auch gemäss überarbeitetem Projekt nicht umweltverträglich sei. Mit
Schreiben vom 2. September 1999 an die Vorinstanz bemerkt das BUWAL,
die Erhaltung des Wildtierkorridors könne mit dem heutigen Projekt
trotz weitreichender Massnahmen innerhalb des Projektperimeters nicht
sichergestellt werden.

    cc) Nach der überarbeiteten UVB-Hauptuntersuchung und dem ebenfalls
überarbeiteten Spezialbericht Wildtierökologie vom Dezember 1998 können
die Auswirkungen des geänderten Projektes auf den Wildtierkorridor nur
beschränkt vorausgesagt werden, da der aktuelle Forschungsstand noch
wesentliche Wissenslücken offen lasse. Zu unterscheiden seien verschiedene
Schutzmassnahmen zugunsten des Wildtierkorridors inner- und ausserhalb
des Projektperimeters.

    Für den Fall der Umsetzung aller Schutzmassnahmen inner- und ausserhalb
des Projektperimeters wird gesagt, dank optimierter

Situierung und Gestaltung der Anlage und ihrer Nahumgebung, leichter
Verschiebung des Wildtierkorridors nach Süden und wesentlichen
Biotopaufwertungsmassnahmen gemäss Gesamtaufwertungskonzept werde die
Wahrscheinlichkeit, dass der Ersatz bzw. Ausgleich ausreiche und der
Korridor für die meisten Arten funktioniere, als recht gross beurteilt. Ob
dieser Austausch von Tierindividuen ausreichend und genügend regelmässig
stattfinden werde, um die ökologische Funktion des Wildtierkorridors
langfristig zu erhalten, könne aufgrund der heute vorhandenen Wissensbasis
jedoch nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden.

    Für den Fall der Umsetzung der Schutzmassnahmen lediglich innerhalb
des Projektperimeters wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Korridor
vollumfänglich funktioniert, in jedem Fall als eher gering beurteilt. Der
Korridor werde vermutlich so stark beeinträchtigt, dass er seine Funktion
mindestens für einen Teil der Tierarten bzw. der Individuen verliere.

    Die Gesuchsteller konnten der Vorinstanz die Umsetzung aller
Schutzmassnahmen inner- und ausserhalb des Projektperimeters nicht
zusichern. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, könnte damit aufgrund der
überarbeiteten UVB-Hauptuntersuchung und des überarbeiteten Spezialberichts
Wildtierökologie die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Korridors für
sämtliche Tierarten - soweit man das heute beurteilen kann - langfristig
nicht als gesichert gelten.

    dd) Aufgrund der angeführten Stellungnahmen ist davon auszugehen, dass
der Bau der Anlage am Standort Au - auch wenn man die Auswirkungen nicht
in allen Einzelheiten voraussagen kann - jedenfalls zu einer erheblichen
Beeinträchtigung des Wildtierkorridors führen wird.

    d) Es stehen sich beim Standort Au somit zwei nationale Interessen
gegenüber, nämlich einerseits das der Landesverteidigung und anderseits
das an der Erhaltung des Wildtierkorridors. Diese Interessen schliessen
sich gegenseitig aus, d.h. sie können nicht miteinander versöhnt
werden. Je nachdem, ob man die Sache eher aus dem Blickwinkel der
Landesverteidigung oder eher aus dem des Naturschutzes betrachtet,
ist man geneigt, dem einen oder anderen Interesse den Vorrang zu
geben. Dies kommt auch in den insoweit voneinander abweichenden
Stellungnahmen der betroffenen Fachbehörden zum Ausdruck. Für die
eine wie für die andere Betrachtungsweise gibt es Gründe. Sowohl das
Interesse der Landesverteidigung (Art. 57 ff. BV) als auch das Interesse
des Naturschutzes

(Art. 78 BV) haben Verfassungsrang. Dass das eine dieser Interessen
allgemein höher zu bewerten sei als das andere, lässt sich der Verfassung
nicht entnehmen. Die beiden Interessen sind deshalb als grundsätzlich
gleichwertig zu betrachten.

    Wie dargelegt, bedarf die Anlage in der Au gemäss Art. 126 Abs. 4 MG
der Grundlage in einem Sachplan. Nach Art. 6 Abs. 3 der Verordnung vom
13. Dezember 1999 über das Plangenehmigungsverfahren für militärische
Bauten und Anlagen (MPV; SR 510.51) setzt die Plangenehmigung eines
sachplanrelevanten Vorhabens dessen Festsetzung im Sachplan Militär
voraus. Wie das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) in der Vernehmlassung
zutreffend darlegt, hat damit der Verordnungsgeber zum Ausdruck
gebracht, dass wichtige Ermessensentscheide von der Sachplanbehörde zu
treffen sind. Bei der Frage, welchem von zwei sich widerstreitenden
gleichwertigen nationalen Interessen der Vorrang zu geben ist, handelt
es sich um einen bedeutenden Ermessensentscheid, den klarerweise die
Sachplanbehörde zu treffen hat. Diese hat in den Erläuterungen zum
Sachplan im Einzelnen darzulegen, weshalb sie sich zu Gunsten des einen
oder anderen Interesses entschieden hat (in diesem Sinne auch LUKAS
BÜHLMANN, Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999,
Art. 13 N. 4 und 30). Dass der Entscheid der Sachplanbehörde obliegt,
ist sachlich begründet. Die Sachplanbehörde - hier der Bundesrat - verfügt
über die erforderliche Distanz und ist befähigt, auf übergeordneter Stufe
in einer Gesamtschau die Interessen abzuwägen; die Gefahr der Verengung
des Blickwinkels besteht nicht. Fachbehörden neigen demgegenüber dazu,
ihre fachspezifischen Interessen in den Vordergrund zu stellen.

    Dem Sachplan Waffen- und Schiessplätze vom 19. August 1998 ist zum
Wildtierkorridor in der Au, wie gesagt, nichts zu entnehmen. Zwar ergibt
sich aus den Akten, dass dem Bundesrat der Korridor vor Verabschiedung
des Sachplanes bekannt war. So hat er am 14. Januar 1998 den Richtplan
des Kantons Aargau, in dem der Korridor vermerkt ist, genehmigt; überdies
hat die Vorinstanz den Bundesrat in einem Schreiben vom 1. Juli 1998
auf den Korridor aufmerksam gemacht. Gestützt darauf lässt sich jedoch
nicht sagen, der Bundesrat habe bei der Festsetzung des Sachplanes den
erwähnten Interessenkonflikt in der wirklichen Tragweite gekannt und
sich klar für den Vorrang der militärischen Interessen entschieden. Dafür
fehlen jegliche Hinweise im Objektblatt. Der Entscheid über den gegebenen
Interessenkonflikt muss mit der nötigen Klarheit aus der

Sachplanfestsetzung selbst hervorgehen. Das trifft hier nicht zu. Für
das Vorhaben, wie es der angefochtenen Plangenehmigung zu Grunde liegt,
fehlt damit in materieller Hinsicht die vorausgesetzte Festlegung im
Sachplan. Dieser Mangel steht der Bewilligung des Projekts am Standort Au
entgegen. Die Bewilligungsfähigkeit setzt voraus, dass auch auf der Stufe
Sachplanung die Auswirkungen auf den Wildtierkorridor bei der Standortwahl
hinreichend in Betracht gezogen werden.

    e) Die Beschwerde des Beschwerdeführers 2 ist insoweit gutzuheissen.