Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 390



128 III 390

72. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Finnair gegen
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (Berufung)

    4C.148/2001 vom 6. Juni 2002

Regeste

    Art. 25 des Warschauer Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln
über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der Fassung des
Haager Protokolls vom 28. September 1955 (WA; SR 0.748.410); Haftung
des Luftfrachtführers.

    Haftungssystem des Warschauer Abkommens (E. 4.1).

    Für die Beurteilung der Aktivlegitimation zur Geltendmachung von
Schadenersatzansprüchen gehen die Bestimmungen des Warschauer Abkommens
(Art. 18 und 30 Abs. 3 WA) der restriktiveren landesrechtlichen Regelung
(Art. 21 LTrR) vor (E. 4.2).

    Bejahung der unbeschränkten Haftung des Luftfrachtführers nach Art. 25
WA im konkreten Fall (E. 4.3).

Sachverhalt

    A.- Im Sommer 1996 beabsichtigte die UBS (damals noch SBG), eine
Wertsendung von DEM 1'500'000.- von Zürich über Helsinki nach Tallin
(Estland) an die Eesti Uhispank zu überweisen. Zu diesem Zweck schloss
die UBS mit der Finnair (im Folgenden: die Beklagte) einen Frachtvertrag
ab. Die Beklagte transportierte das Bargeld planmässig nach Tallin,
wo es der Eesti Uhispank indessen nicht übergeben werden konnte. Auf
dem Rücktransport nach Helsinki verschwand die Wertsendung unter
ungeklärten Umständen. In der Folge zahlte die Winterthur Schweizerische
Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden: die Klägerin) der UBS eine
Entschädigung von CHF 1'237'200.-.

    B.- Am 16. November 1998 machte die Klägerin beim Handelsgericht des
Kantons Zürich Regressansprüche gegen die Beklagte geltend und beantragte,
diese sei zu verpflichten, CHF 1'237'200.- nebst Zins zu bezahlen. Mit
Urteil vom 15. März 2001 verpflichtete das Handelsgericht die Beklagte,
der Klägerin Fr. 824'800.- nebst Zins zu bezahlen; im Mehrbetrag wurde
die Klage abgewiesen.

    C.- Mit Berufung vom 3. Mai 2001 beantragt die Beklagte dem
Bundesgericht im Wesentlichen, das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons
Zürich vom 15. März 2001 sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz festgehalten,
dass die UBS mit der Beklagten einen Luftfrachtvertrag abgeschlossen
und dieser einen 2,3 kg schweren Sack mit DEM 1'500'000.- in Banknoten
zum Transport nach Tallin (Estland) übergeben habe. Der Sack sei als
Wertsendung gekennzeichnet gewesen. Der zugehörige Luftfrachtbrief habe
folgende Weisung der UBS enthalten: "Valuable cargo - special supervision
req." / "Must fly as booked" / "One bag Nr. 863". Am 31. Juli 1996 sei
die Wertsendung mit dem zugehörigen Frachtbrief von Zürich nach Helsinki
transportiert worden. Am 1. August 1996 sei das Geld mit dem Flug AY 201
nach Tallin weitertransportiert und dort von der Balti Transport Ltd., dem
Cargo Handling Agent der Beklagten vor Ort, entgegengenommen worden. In
der Folge sei es aber nicht möglich gewesen, die Fracht der designierten
Empfängerin, der Eesti Uhispank, zu übergeben. Ob die Übergabe gescheitert
sei, weil die Eesti Uhispank nicht durch eine Kopie des Luftfrachtbriefes
über die Geldsendung informiert worden sei (Version der Klägerin), oder
ob die Bank eine falsche Kopie eines anderen Luftfrachtbriefes erhalten
habe (Version der Beklagten), sei unklar geblieben. Die Balti Transport
Ltd. habe deshalb beschlossen, die Wertsendung gleichentags mit dem Flug
AY202 nach Helsinki zurückzuschicken. In Helsinki sei die Wertsendung
nie angekommen.

Erwägung 3

    3.  Da im vorliegenden Fall ein internationaler Sachverhalt zu
beurteilen ist, ist zunächst das anwendbare Recht nach den Bestimmungen
des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale
Privatrecht (IPRG; SR 291) zu ermitteln (Art. 1 Abs. 1 IPRG), wobei die
völkerrechtlichen Verträge vorbehalten sind (Art. 1 Abs. 2 IPRG).

    Die Parteien sind sich darin einig, dass primär das Warschauer
Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im
internationalen Luftverkehr in der Fassung des Haager Protokolls vom
28. September 1955 (SR 0.748.410, nachfolgend WA) anwendbar ist. Für
die Fragen, die vom Warschauer Abkommen nicht geregelt werden, richtet
sich das anwendbare Recht nach den Bestimmungen des IPRG. Nachdem die
Parteien keine anderweitige Rechtswahl getroffen haben (Art. 116 IPRG),
ist das Schweizer Recht massgebend, da die Beklagte in der Schweiz eine
Zweigniederlassung hat und der Sachverhalt eine engere Beziehung zur
Schweiz als zu Finnland als Sitzstaat der Beklagten hat (Art. 117 IPRG,
insbes. in Verbindung mit Art. 21 Abs. 3 IPRG). Auch diesbezüglich gehen
die Parteien mit der zutreffenden Auffassung des Handelsgerichtes einig,
dass subsidiär Schweizer Recht anzuwenden ist.

Erwägung 4

    4.  Im Folgenden ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen
und in welchem Umfang der Luftfrachtführer nach dem WA haftet. Dabei
ist zunächst kurz auf das spezielle Haftungssystem des WA einzugehen
(E. 4.1). Anschliessend ist die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin
zu prüfen (E. 4.2). Falls deren Klageberechtigung bejaht werden sollte, ist
zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht von einer unbeschränkten Haftung des
Luftfrachtführers nach Art. 25 WA ausgegangen ist (E. 4.3). Schliesslich
wird auf den Kausalzusammenhang (E. 4.4) und die Schadenersatzbemessung
unter Berücksichtigung eines allfälligem Selbstverschuldens der
geschädigten Bank einzugehen sein (E. 4.5).

    4.1  Gemäss 18 Abs. 1 WA hat der Luftfrachtführer den Schaden zu
ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von Gütern
entsteht, wenn das Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde,
während der Luftbeförderung eingetreten ist. Art. 20 WA bestimmt, dass
die Ersatzpflicht entfällt, wenn der Luftfrachtführer nachweist, dass er
und seine Leute alle erforderlichen Massnahmen zur Verhütung des Schadens
getroffen haben oder dass sie diese Massnahmen nicht treffen konnten (keine
Haftung, wenn dem Luftfrachtführer die Exkulpation gelingt). Demgegenüber
ist gemäss Art. 25 WA von einer unbeschränkten Verantwortlichkeit des
Luftfrachtführers bei besonders gravierendem Verschulden auszugehen
(unbeschränkte Haftung, wenn der Geschädigte dem Luftfrachtführer ein
qualifiziertes Verschulden nachweist). Schliesslich ist in Art. 22
WA eine beschränkte Haftung des Luftfrachtführers - z.B. maximal 250
Poincaré-Franken pro Kilogramm Gepäck oder Frachtgut (Art. 22 Abs. 2a WA) -
vorgesehen (beschränkte Haftung, wenn dem Luftfrachtführer die Exkulpation
nach Art. 20 WA und dem Geschädigten der positive Verschuldensnachweis
nach Art. 25 WA misslingt).

    4.2  Wie schon im kantonalen Verfahren bestreitet die Beklagte
auch im bundesgerichtlichen Verfahren zunächst die Aktivlegitimation
der Klägerin. Sie macht geltend, klageberechtigt sei nur, wer über das
Frachtgut verfügen könne. Im vorliegenden Fall sei nach dem Eintreffen
der Sendung in Tallin die Eesti Uhispank verfügungsberechtigt geworden,
so dass die UBS und folglich auch die regressierende Klägerin nicht
klageberechtigt sei.

    4.2.1  Die im vorliegenden Verfahren zu prüfenden
Schadenersatzansprüche stützen sich auf Art. 18 WA. Diese Bestimmung
äussert sich nicht zur Anspruchsberechtigung (GIEMULLA/SCHMID, Frankfurter
Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Bd. 3, Warschauer Abkommen, N. 33 zu
Art. 18 WA). Demgegenüber kann dem Schweizer Recht eine ausdrückliche
Regelung der Klageberechtigung entnommen werden. Art. 21 Abs. 1 des
Lufttransportreglementes (LTrR; SR 748.411) sieht vor, dass für Ansprüche
gegen den Luftfrachtführer aus Verlust nur klageberechtigt ist, wer über
das Frachtgut verfügen kann. Für die Frage der Verfügungsberechtigung
verweist Art. 17 Abs. 1 LTrR auf die Art. 12-15 WA. Gemäss Art. 13
Abs. 1 WA ist der Empfänger grundsätzlich nach Ankunft des Gutes am
Bestimmungsort berechtigt, vom Luftfrachtführer die Ablieferung des
Gutes zu verlangen. Mit der Ankunft am Bestimmungsort geht somit das
Verfügungsrecht auf den Empfänger über. Im vorliegenden Fall ist das
Verfügungsrecht der absendenden Bank mit der Ankunft der Wertsendung auf
dem Flughafen Tallin grundsätzlich untergegangen, so dass gemäss Art. 21
Abs. 1 LTrR auch die Klageberechtigung der Klägerin zu verneinen wäre.

    4.2.2  Eine derart restriktive Regelung der Klagelegitimation, wie sie
vom Schweizer Gesetzgeber getroffen wurde, wird in der Literatur mit guten
Gründen abgelehnt. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass sich die in
Art. 18 WA vorgesehenen Schadenersatzansprüche auf Beförderungen beziehen,
denen ein Frachtvertrag zu Grunde liegt. Der Frachtvertrag wird zwischen
dem Absender und dem Luftfrachtführer abgeschlossen. Die sich aus dem
Frachtvertrag ergebenden Rechte - so u.a. auch diejenigen aus Art. 18 WA -
stehen somit in erster Linie dem Absender zu (GIUMELLA/SCHMID, aaO, N. 33b
zu Art. 18 WA). Mit der restriktiven Regelung der Klageberechtigung in
Art. 21 LTrR entzieht der schweizerische Gesetzgeber dem Absender das Recht
auf Schadenersatz, auf den er gemäss Art. 18 WA einen völkerrechtlich
verankerten Anspruch hat. Es steht daher zum Vornherein in Frage,
ob Art. 21 LTrR nicht dem Warschauer Abkommen widerspricht (REGULA
DETTLING-OTT, Internationales und schweizerisches Lufttransportrecht,
Zürich 1993, S. 273). Andrerseits sprechen auch systematische
Überlegungen gegen die in Art. 21 LTrR vorgesehene restriktive Regelung
der Klagelegitimation. Gemäss Art. 30 Abs. 3 WA hat der Absender bei
Sukzessivbeförderungen - eine von mehreren Frachtführern auszuführende
Beförderung - neben dem Empfänger einen Anspruch auf Schadenersatz. Wenn
aber bei Sukzessivbeförderungen die völkerrechtliche Regelung der
Aktivlegitimation (Art. 30 Abs. 3 WA) dem einschränkenderen Landesrecht
(Art. 21 LTrR) vorgeht, ist nicht einzusehen, weshalb der Absender bei
einer Sukzessivbeförderung in Bezug auf die Klageberechtigung besser
gestellt sein soll als bei einer einfachen Beförderung (DETTLING-OTT,
aaO, S. 273 f.; ähnlich GIUMELLA/SCHMID, aaO, N. 33a zu Art. 18 WA).

    4.2.3  Es ist daher davon auszugehen, dass in analoger Anwendung von
Art. 30 Abs. 3 WA die Klageberechtigung des Absenders zu bejahen ist. Das
Handelsgericht hat zutreffend festgehalten, dass den Bestimmungen
des Warschauer Abkommens (Art. 18 und 30 Abs. 3 WA) gegenüber den
landesrechtlichen Normen (Art. 21 LTrR) der Vorrang einzuräumen ist. Unter
diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob die Verfügungsberechtigung
der UBS nach der gescheiterten Ablieferung des Frachtgutes in Tallin
wieder aufgelebt ist, wie das Handelsgericht unterstellt hat.

    4.3  Im Folgenden ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die
Beklagte für den Verlust der Wertsendung haftbar ist. Grundsätzlich ist
festzuhalten, dass der Luftfrachtführer gemäss Art. 18 WA für den Verlust
haftbar ist, der während der Luftbeförderung eingetreten ist. Eine
beschränkte Haftbarkeit gemäss Art. 22 WA wird von der Beklagten -
unter Vorbehalt der Aktivlegitimation der Klägerin - ausdrücklich
anerkannt. Die Klägerin und mit ihr die Vorinstanz gehen demgegenüber
von einer unbeschränkten Haftung der Beklagten nach Art. 25 WA aus.

    4.3.1  Gemäss Art. 25 WA gelten Haftungsbeschränkungen nicht, wenn
nachgewiesen wird, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung
des Luftfrachtführers oder seiner Leute verursacht worden ist, die
entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und
im Bewusstsein begangen wurden, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit
eintreten werde. Die Rechtsprechung und Literatur gehen davon aus,
dass die unbeschränkte Haftung nicht schon dann eintritt, wenn der
Luftfrachtführer oder seine Leute grob fahrlässig handeln. Vielmehr ist
für die unbeschränkte Haftung entweder erforderlich, dass der Schaden mit
"Absicht" herbeigeführt wird. Als zweite Möglichkeit für eine unbeschränkte
Haftung sieht das Abkommen vor, dass ein Schaden "leichtfertig und im
Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde",
verursacht wurde. Für die zweite Variante der unbeschränkten Haftung
ist somit einerseits ein leichtfertiges Verhalten und andrerseits ein
Bewusstsein hinsichtlich des schädigenden Erfolges erforderlich. Als
"leichtfertig" - im französischen Text: "témérairement" - gilt ein
Verhalten, das "verwegen, waghalsig oder tollkühn" ist (BGE 98 II 231
E. 4 S. 241 f. m.w.H.; GIEMULLA/SCHMID, aaO, N. 33 zu Art. 25 WA m.w.H.;
DETTLING-OTT, aaO, S. 229; EDGAR RUHWEDEL, Der Luftbeförderungsvertrag,
3. Aufl., Frankfurt a.M. 1998, S. 327 m.w.H.). Hinsichtlich des
Bewusstseins der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ist
erforderlich, dass dieses Bewusstsein subjektiv tatsächlich gegeben war;
ein blosses Erkennenmüssen nach objektiven Massstäben reicht nicht (BGE
113 II 359 insbes. E. 3b und c S. 365 f. m.w.H.; GIEMULLA/SCHMID, aaO,
N. 37 ff. zu Art. 25 WA, mit Hinweisen auf die nationale Rechtssprechung
verschiedener Länder; DETTLING-OTT, aaO, S. 233; RUHWEDEL, aaO, S. 328
f. m.w.H.).

    4.3.2  Die Beweislast für die Voraussetzungen von Art. 25 WA trägt
die Geschädigte. Keine besonderen Beweisschwierigkeiten bestehen in
Bezug auf die Umstände, die auf ein leichtfertiges - d.h. verwegenes,
waghalsiges oder tollkühnes - Verhalten schliessen lassen. In Bezug auf
die subjektive Voraussetzung - das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit eines
Schadenseintritts - kann der Geschädigte demgegenüber leicht in Beweisnot
geraten. Da in Bezug auf innere Tatsachen der direkte Beweis oft nicht
möglich ist, ist in diesem Bereich ein indirekter Beweis - Indizienbeweis -
zulässig (BGE 98 II 231 E. 5 S. 242 m.w.H.; DETTLING-OTT, aaO, S. 233 f.;
RUHWEDEL, aaO, S. 330 ff., insbes. Rz. 414, m.w.H.). Allerdings ist der
Indizienbeweis nur bei klaren Verhältnissen angebracht, weil sonst die
Gefahr besteht, dass die mit dem Haager Protokoll eingeführten Änderungen
zunichte gemacht werden (vgl. GIEMULLA/SCHMID, aaO, N. 51 zu Art. 25 WA).

    4.3.3  Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz der Beklagten oder
ihren Leuten verschiedene leichtfertige (d.h. verwegene, waghalsige oder
tollkühne) Handlungen vorgeworfen (lit. a). Gestützt auf Indizien hält es
das Handelsgericht sodann für erwiesen, die Beklagte habe im Bewusstsein
gehandelt, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde
(lit. b).

    a) In objektiver Hinsicht wirft die Vorinstanz der Beklagten zunächst
vor, dass die Wertsendung im Cargo-Manifest (Liste der Frachtgüter)
nicht als solche ausgewiesen worden sei. Soweit die Beklagte geltend
macht, es sei nicht nachgewiesen, dass das Cargo-Manifest nicht korrekt
ausgefüllt worden sei, kritisiert sie die tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 55 Abs.1 lit. c OG). Sodann
führt das Handelsgericht gestützt auf ein Fachrichtervotum aus, dass
kein Preadvice (Avisierung des Bestimmungsflughafens) ausgestellt
worden sei, obwohl bei Valorensendungen immer ein Preadvice der
Abgangsstation an die nächste Empfangsstelle erfolge. Auf die Kritik
an dieser Feststellung ist ebenfalls nicht einzutreten, weil die auf
einem Fachrichtervotum basierenden Feststellungen verbindlich sind
(IMBODEN/MESSMER, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen,
Zürich 1992, Rz. 94, S. 129). Weiter wirft die Vorinstanz der Beklagten
vor, das Loadsheet (Dokumentation der Gewichtskontrolle) sei nicht
korrekt ausgefüllt worden. Gestützt auf das Fachrichtervotum hält die
Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich fest, dass das Loadsheet
zwar in erster Linie der Gewichtskontrolle diene, dass der Loadmaster
dem Flugkapitän aber aussergewöhnliche Fracht hätte melden müssen, damit
die nötigen Sicherheitsmassnahmen hätten getroffen werden können. Auch
mit der Kritik an dieser Feststellung ist die Beklagte nicht zu hören
(vgl. oben). Schliesslich beanstandet die Vorinstanz den Transport
der Wertsendung im allgemeinen Frachtraum des Flugzeuges. Es mag zwar
zutreffen, dass die Wertsendungen im Flugzeug, das zum Einsatz gelangte,
im gewöhnlichen Frachtraum transportiert werden mussten, weil keine
speziellen Sicherheitseinrichtungen vorhanden waren. In diesem Fall wären
aber besondere Sicherheitsvorkehren am Abflug- und am Bestimmungsort
unerlässlich gewesen. Dass solche Vorkehren getroffen wurden, hat die
Beklagte nie behauptet.

    Angesichts dieser Verfehlungen, die der Beklagten bzw. ihren Leuten
vorzuwerfen sind, ist insgesamt von einem leichtfertigen Verhalten
der Beklagten auszugehen. Aufgrund des besonderen Charakters der zu
spedierenden Sendung, der allgemein bekannten Sicherheitslage vor Ort
und der unplanmässigen Rückbeförderung der Valorensendung nach Helsinki
wäre besondere Sorgfalt bei der Durchführung des Transportes angezeigt
gewesen. Statt dessen muss sich die Beklagte wie erwähnt eine ganze
Reihe von Pflichtverletzungen und Unterlassungen vorwerfen lassen. Ein
Frachtführer, dem eine derartige Häufung von grob unvorsichtigem
Verhalten beim Transport eines sensiblen Frachtgutes anzulasten ist,
handelt waghalsig und verwegen, mithin leichtfertig im Sinn von Art. 25
WA. Zu Recht spricht die Vorinstanz in diesem Zusammenhang auch von
einem Organisationsverschulden. Der Einwand der Beklagten, die Vorinstanz
habe die internen Richtlinien, Weisungen und Verträge mit Dritten nicht
berücksichtigt, verfängt nicht. Selbst wenn entsprechende Vorkehren
getroffen worden sein sollten, behauptet die Beklagte nicht, dass auch
für deren Befolgung gesorgt worden sei.

    b) In subjektiver Hinsicht ist die aufgrund von Indizien getroffene
Feststellung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, die Beklagte bzw. deren
Leute hätten mit dem Bewusstsein gehandelt, dass ein Schaden mit
Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Soweit die Beklagte im Indizienbeweis
an sich einen grundsätzlichen Verstoss gegen Art. 25 WA sieht, ist
ihr entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung bei qualifiziert
unsorgfältigen Handlungen und Unterlassungen wie im vorliegenden Fall ein
Indizienbeweis zulässig ist (vgl. E. 4.3.2). Ob die Vorinstanz aufgrund
der Indizien auf das Vorliegen des geforderten Bewusstseins schliessen
durfte, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren
nicht überprüft werden kann (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223 f. m.w.H.).

    4.3.4  Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der
Beklagten bzw. ihren Leuten insgesamt ein leichtfertiges Verhalten und
das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts vorzuwerfen
ist. Der Einwand der Beklagten, für jede schadensverursachende Person sei
einzeln zu beurteilen, ob ihre individuelle Verfehlung die Voraussetzungen
von Art. 25 WA erfülle, ist nicht überzeugend. Wer eine Hilfsperson bei
der Erfüllung seiner Verpflichtungen beizieht, hat sich deren Verhalten
gemäss Art. 101 OR anrechnen zu lassen. Auch im Anwendungsbereich von
Art. 25 WA, welche Bestimmung sich ausdrücklich auf die Handlungen
oder Unterlassungen des Luftfrachtführers oder "seiner Leute" bezieht,
gilt nichts anderes. Wenn eine einzige Person durch mehrere Handlungen
und Unterlassungen Verfehlungen begeht, die in ihrer Gesamtheit als
leichtfertig im Sinn von Art. 25 WA zu qualifizieren sind, muss das Gleiche
auch für den Luftfrachtführer gelten, der mehrere verschiedene Personen
als Hilfspersonen beizieht. Eine Besserstellung des Luftfrachtführers,
der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen verschiedener Hilfspersonen
bedient, lässt sich weder mit dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck von
Art. 25 WA rechtfertigen. Die Vorinstanz ist somit zutreffend davon
ausgegangen, dass die Beklagte eine unbeschränkte Haftung im Sinn von
Art. 25 WA trifft. Die Beklagte macht zu Unrecht geltend, sie treffe
höchstens eine beschränkte Haftung im Sinn von Art. 22 WA und sie habe
entsprechend dem Gewicht des abhanden gekommenen, 2,3 kg schweren Sackes
nur Schadenersatz in der Höhe von CHF 155.70 zu bezahlen (vgl. E. 4.1).

    4.4  Zu Recht hat die Vorinstanz auch ausgeführt, dass zwischen
dem Eintritt des Schadens und den der Beklagten anzulastenden
Pflichtverletzungen ein Kausalzusammenhang bestehe. Verfehlt ist der
Vorwurf der Beklagten, der (natürliche) Kausalzusammenhang sei von
der Klägerin nie nachgewiesen worden, weil die genauen Umstände des
Verschwindens der Valorensendung bis heute nicht festgestellt worden
seien. Die Beklagte verkennt, dass nicht die Frage massgebend ist,
aufgrund welcher Umstände - Diebstahl, anderweitiger Verlust, Zerstörung
- die Sendung verschwunden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob ihre
Pflichtverletzungen und Unterlassungen den Verlust der Sendung erst
ermöglichten. Entgegen der Darstellung der Beklagten hat das Bundesgericht
auch in BGE 98 II 231 ff. nichts anderes entschieden. Vielmehr wurde dort
ausdrücklich festgehalten, dass der Frachtführer auch bei ungeklärtem
Verlust eines Frachtgutes hafte, wenn sein Fehlverhalten ungeachtet der
konkreten Umstände für das Verschwinden kausal gewesen sei (aaO, E. 8
S. 246).

    4.5  Auch die Kritik an der Kürzung des Schadenersatzanspruchs
wegen Selbstverschuldens der UBS ist unbegründet. Gemäss Art. 21 WA
ist für die Schadenersatzreduktion bei Selbstverschulden des Klägers
die lex fori anwendbar. Art. 44 Abs. 1 OR bestimmt, dass der Richter
bei Selbstverschulden des Geschädigten die Ersatzpflicht ermässigen
oder ganz von ihr entbinden kann. Bei der Bemessung der Kürzung steht
dem Richter ein weites Ermessen zu (BGE 117 II 156 E. 3a S. 159). Solche
Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht zwar an sich frei. Es übt
dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz
grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen
abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den
Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn
sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet
werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich
diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht
erweisen (BGE 126 III 266 E. 2b S. 273 m.w.H.). Im vorliegenden Fall hat
die Vorinstanz der UBS vorgeworfen, die Übermittlung eines Avis für den
Geldtransport von DEM 1'500'000.- ohne Grund unterlassen zu haben. Das
Verschulden der UBS sei insofern als "noch leicht bis höchstens mittel"
zu bezeichnen. Unter Berücksichtigung des schweren Verschuldens der
Beklagten rechtfertige sich eine Reduktion der Schadenersatzpflicht
um 1/3. Entgegen der Darstellung der Beklagten wurde im angefochtenen
Urteil nicht festgehalten, dass die Zustellung der Geldsendung wegen
dem fehlenden Avis gescheitert sei. Vielmehr wurde ausgeführt, dass
eine Auslieferung der Sendung "unmöglich" gewesen sei, ohne dass auf die
unterschiedlichen Begründungen der Parteien für das Scheitern der Übergabe
eingegangen worden wäre. Die Auffassung des Handelsgerichtes, der UBS
sei ein "noch leichtes bis höchstens mittleres" Verschulden anzulassen,
ist daher nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des Verschuldens
der Beklagten, das wie ausführlich dargelegt als schwer einzustufen ist,
hat die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen nicht missbraucht, indem
sie die Schadenersatzpflicht um 1/3 reduziert hat.