Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 380



128 III 380

69. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
i.S. Ausgleichskasse des Kantons Zug (Beschwerde) 7B.91/2002 vom 9. August
2002

Regeste

    Art. 70 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 1 SchKG; Art. 1 Abs. 2 und Art. 8
Abs. 2 VFRR (SR 281.31); Fortsetzung der Betreibung in einem andern
Betreibungskreis.

    Rechtmässigkeit der Anleitung der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts im Formular Nr. 4. Verändert der Schuldner während
des Einleitungsverfahrens seinen Wohnsitz, muss der Gläubiger für die
Fortsetzung der Betreibung das Original des Doppels des Zahlungsbefehls
dem neu zuständigen Betreibungsamt vorlegen. Eine elektronische Kopie
des Zahlungsbefehls genügt nicht (E. 1.2).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.  ...

    1.2  Es trifft zu, wie die Beschwerdeführerin feststellt, dass
die Vorschrift nicht im SchKG geregelt ist, wonach für die Fortsetzung
der Betreibung in einem andern Betreibungskreis der Zahlungsbefehl im
Original vorgelegt werden muss. Wie die Vorinstanz ausführt, findet
sich dieser Hinweis noch heute, zwar nicht in den Erläuterungen,
sondern in der Fussnote 2 des Formulars Nr. 4. Dass diese Obliegenheit
nicht im SchKG selbst, sondern nur im Formular erwähnt wird, macht diese
deshalb nicht unverbindlich. Denn gemäss Art. 1 Abs. 2 der Verordnung vom
5. Juni 1996 über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verwendenden
Formulare und Register sowie die Rechnungsführung (VFRR; SR 281.31) ist die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts für die Herausgabe
der Formulare zuständig und erlässt die notwendigen Anleitungen für deren
Benützung. Das war schon 1929 so, wie in dem von der Aufsichtsbehörde
zitierten BGE 53 III 64 unter Hinweis auf BBl 1922 I 412 festgestellt
wird. Die Rechtmässigkeit dieser Anleitung steht somit ausser Zweifel.

    Gemäss Art. 70 Abs. 1 SchKG wird der Zahlungsbefehl im Doppel
ausgefertigt. Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für
den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht gleich, so ist
die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung massgebend. Das Obergericht
hat daraus zu Recht gefolgert, dass auch die für den Gläubiger bestimmte
Ausfertigung des Zahlungsbefehls eine öffentliche Urkunde darstelle. Wird,
wie im BGE 53 III 64 S. 66 ausgeführt wird, die Fortsetzung der Betreibung
beim gleichen Amt verlangt, das bereits das Einleitungsverfahren
durchgeführt hat, erfolgt die Prüfung des Fortsetzungsbegehrens auf
Grund des Betreibungsbuches, das ebenfalls eine öffentliche Urkunde
ist. In gleicher Weise muss deshalb auch die Prüfung auf Grund der
Originalurkunde vorgenommen werden, wenn das Einleitungsverfahren
nicht beim betreffenden Betreibungsamt durchgeführt worden ist, wie die
Vorinstanz zutreffend erwägt. Dabei ist unerlässlich, dass das für den
Gläubiger bestimmte Doppel des Zahlungsbefehls im Original vorgelegt wird,
denn das Betreibungsamt hat auf Grund des Fortsetzungsbegehrens von Amtes
wegen zu prüfen, ob ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl vorliegt. Dass es
gemäss den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nicht erforderlich
ist, Originale, z.B. des Zahlungsbefehls, verfügbar zu halten, ist
nicht entscheidend. Gemäss Art. 8 Abs. 2 VFRR können die von den
Betreibungsbehörden verwendeten Bücher mit Bewilligung der kantonalen
Aufsichtsbehörde mittels elektronischer Datenverarbeitung geführt
werden (vgl. BGE 126 III 476 E. 1b S. 478 a.E.). Für die elektronische
Herstellung, Verwendung und Archivierung der im Schuldbetreibungs- und
Konkurswesen erstellten Urkunden müsste die gesetzliche Grundlage erst
noch geschaffen werden, wobei wohl insbesondere die Art. 67 und 70 ff.
SchKG geändert werden müssten. Es ist deshalb nicht möglich, für die
öffentliche Verwaltung, weil die missbräuchliche Verwendung einer Urkunde
weniger wahrscheinlich sei, eine Ausnahme zu machen und statt des Originals
eine (elektronische) Kopie des Zahlungsbefehls genügen zu lassen.

    Gemäss dem angefochtenen Urteil bestreitet die Beschwerdeführerin
nicht, dass das Original der für sie bestimmten Ausfertigung des
Zahlungsbefehls nicht mehr beschafft werden könne. Das Obergericht weist
für diesen Fall darauf hin, dass bei einem Verlust des Dokumentes
der Gläubiger beim früheren Betreibungsamt einen Auszug aus dem
Betreibungsbuch anfertigen lassen und diesen dem neu zuständigen Amt
zur Fortsetzung der Betreibung vorlegen könne. Dies sei nach geltendem
Recht die einzige Möglichkeit für den Gläubiger, sich bei Verlust des
Doppels des Zahlungsbefehls wieder ein Beweisdokument zu verschaffen. Das
Obergericht hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem es die Verfügung des
Betreibungsamtes, die Betreibung auf Grund der eingereichten elektronischen
Kopie des Zahlungsbefehls nicht fortzusetzen, geschützt hat.