Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 339



128 III 339

62. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
i.S. A. und Mitb. (Beschwerde)

    7B.34/2002 vom 10. Juli 2002

Regeste

    Steigerungsbedingungen (notwendiger Inhalt und nachträgliche
Abänderung); Art. 134 Abs. 1 SchKG und Art. 52 VZG.

    Ist das zu verwertende Grundstück vom Bundesgesetz über das
bäuerliche Bodenrecht (BGBB) erfasst, gehört ein entsprechender Hinweis
zum notwendigen Inhalt der Steigerungsbedingungen; werden die aufgelegten
Steigerungsbedingungen nachträglich ergänzt, sind sie im Sinne von Art. 52
VZG neu aufzulegen (E. 4).

    Der Betreibungsschuldner, der noch vor dem Steigerungstag erfährt,
dass in den aufgelegten Steigerungsbedingungen zu Unrecht nicht auf das
BGBB hingewiesen worden war, und deren Ergänzung verlangen will, darf
damit nicht untätig bis nach Abschluss der Steigerung zuwarten; wenn er
nicht zu Beginn der Steigerung die mit dem erwähnten Mangel behafteten
Steigerungsbedingungen beanstandet, kann er diese nicht mehr mit einer
Beschwerde gegen den Zuschlag in Frage stellen (E. 5).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Die Steigerungsbedingungen bilden (zusammen mit dem
Lastenverzeichnis) die Grundlage der bevorstehenden Steigerung;
sie bestimmen die Art und Weise der Steigerung, namentlich auch die
Modalitäten des Zuschlags (AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts, 6. Aufl., § 28 Rz. 47; vgl. auch FRITZSCHE/WALDER,
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl.,
§ 31 Rz. 6). Nachträgliche Abänderungen der Steigerungsbedingungen sind
nach Art. 52 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über
die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG; SR 281.42) nur zulässig,
wenn diese neu aufgelegt, publiziert und den Beteiligten nach Massgabe
von Art. 139 SchKG zur Kenntnis gebracht werden. Das gilt jedenfalls für
Änderungen in Punkten, die den erwähnten Zweck betreffen und deshalb zum
notwendigen Inhalt der Steigerungsbedingungen gehören.

    b) Auf Grund einer Information der für das bäuerliche Bodenrecht
zuständigen kantonalen Behörde ging das Betreibungsamt ursprünglich davon
aus, das zu verwertende Grundstück falle nicht unter das Bundesgesetz
vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11),
so dass in den aufgelegten

Steigerungsbedingungen ein Hinweis auf dieses Gesetz unterblieb.
Nachdem das Amt sich wenige Tage vor dem Steigerungstermin vom Gegenteil
überzeugt hatte, benachrichtigte es (telefonisch) die Beschwerdeführer. Am
Steigerungstag gab es dem Gantpublikum bekannt, dass für den Erwerb des
Grundstücks im Sinne von Art. 67 BGBB eine Bewilligung der zuständigen
Behörde notwendig sei.

    c) Fest steht somit, dass die Steigerungsbedingungen ohne neue Auflage
um den Hinweis auf das BGBB erweitert worden sind. Es ist zu prüfen,
ob das Betreibungsamt damit gegen Bundesrecht verstossen hat:

    aa) Art. 134 Abs. 1 SchKG bestimmt, dass die Steigerungsbedingungen
in ortsüblicher Weise aufzustellen und so einzurichten seien,
dass sich ein möglichst günstiges Ergebnis erwarten lasse. Mit den
Steigerungsbedingungen gilt es, vor allem auch diejenigen Personen
anzusprechen, die an der spezifischen Nutzung, die das zu verwertende
Grundstück allenfalls zulässt, interessiert sind. Im Hinblick auf
das anzustrebende bestmögliche Verwertungsergebnis ist es bei einem
landwirtschaftlichen Grundstück unerlässlich, mit einem Hinweis auf das
BGBB (auch) in den Steigerungsbedingungen die besonderen Eigenschaften
des Grundstücks hervorzuheben. In den in Art. 86 BGBB festgelegten Fällen
ergibt sich aus der im Grundbuch erfolgten Anmerkung, ob das Grundstück
vom genannten Gesetz erfasst wird.

    bb) Stellt sich heraus, dass in den aufgelegten Steigerungsbedingungen,
aus welchem Grund auch immer, zu Unrecht nicht auf die Anwendbarkeit des
BGBB bzw. auf die sich daraus ergebende Bewilligungspflicht hingewiesen
worden ist, sind die Steigerungsbedingungen nach dem Gesagten unter
Beachtung des in Art. 52 VZG festgelegten Verfahrens abzuändern
bzw. zu ergänzen, neu aufzulegen und bekannt zu machen. Das Vorgehen des
Betreibungsamtes im vorliegenden Fall war mithin unzulässig: Das Amt hätte
die Steigerung absetzen und nach der genannten Bestimmung verfahren müssen
(dazu MAGDALENA RUTZ, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, Basel 1998, N. 14 zu Art. 125 SchKG).

Erwägung 5

    5.- a) Der dargelegte Mangel in der Vorbereitung der Steigerung ist
so schwerwiegend, dass er an sich die Aufhebung des mit der Beschwerde
angefochtenen Steigerungszuschlags zu rechtfertigen vermag. Der Zuschlag
ist jedoch nicht etwa nichtig. Es liegt kein Verstoss gegen eine Bestimmung
vor, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren
nicht Beteiligten erlassen

worden ist (vgl. Art. 22 Abs. 1 SchKG). Die Durchsetzung des BGBB ist
ohnehin dadurch gewährleistet, dass der Steigerungszuschlag aufgehoben
wird, falls der Ersteigerer nicht in der Lage ist, fristgerecht eine
Bewilligung beizubringen (Art. 67 Abs. 2 BGBB). In Frage steht hier einzig
die Pflicht des Betreibungsamtes, das bestmögliche Steigerungsergebnis
anzustreben. Es geht mit andern Worten ausschliesslich um die Interessen
des Schuldners und von am Verwertungsobjekt berechtigten Personen (vgl.
JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 4. Aufl., N. 14 zu Art. 125 SchKG).

    b) Unter den hier gegebenen tatsächlichen Verhältnissen stellt
sich auf Grund des Gesagten die Frage, ob die verfahrenswidrige
Änderung bzw. Ergänzung der Steigerungsbedingungen mit der gegen
den Zuschlag gerichteten Beschwerde rechtzeitig angefochten worden
ist. Wie die Beschwerdeführer vorbringen, hat das Betreibungsamt ihnen
vier Tage vor dem Steigerungstermin telefonisch mitgeteilt, dass das
zu verwertende Grundstück entgegen seiner früheren Annahme vom BGBB
erfasst werde. Ausführungen zum Inhalt des Telefongesprächs sind dem
angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen. Insbesondere steht nicht fest,
ob das Betreibungsamt klar zu erkennen gab, dass es die Steigerung am
vorgesehenen Tag durchführen werde. Falls das Amt sich in diesem Sinne
geäussert haben sollte, hätten die Beschwerdeführer mit Beschwerde an die
kantonale Aufsichtsbehörde - unter Hinweis auf die vorzunehmende Ergänzung
der Steigerungsbedingungen - die Verschiebung verlangen müssen. Auch im
Falle, dass das weitere Vorgehen des Betreibungsamtes unklar geblieben
sein sollte, durften die Beschwerdeführer nach der Information über die
Unterstellung des Grundstücks unter das BGBB nicht untätig die Erteilung
des Zuschlags abwarten. Falls ihnen nicht mitgeteilt worden sein sollte,
die Steigerung werde verschoben, hätten sie zumindest erscheinen und
vor Durchführung der Steigerung den Mangel im Vorbereitungsverfahren
(verfahrenswidrige Ergänzung der Steigerungsbedingungen) rügen
müssen. Sollten sie dies unterlassen haben, hätten sie - ähnlich einem
Ersteigerer, der sich den Steigerungsbedingungen stillschweigend unterzieht
(dazu vgl. BGE 123 III 406 E. 3 S. 409; 121 III 24 E. 2b S. 26 f., mit
Hinweisen) - ihr Beschwerderecht bezüglich dieses Punktes verwirkt.