Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 330



128 III 330

59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. A. gegen B. und Ad
hoc Schiedsgericht Basel (staatsrechtliche Beschwerde)

    4P.77/2002 vom 3. Juli 2002

Regeste

    Art. 180 Abs. 3 und Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG; Internationale
Schiedsgerichtsbarkeit; Unzulässigkeit der Schiedsbeschwerde gegen einen
Ablehnungsentscheid eines kantonalen Richters.

    Hat gemäss Art. 180 Abs. 3 IPRG der kantonale Richter über ein
Ablehnungsbegehren entschieden, so ist sein Entscheid endgültig und
kann weder direkt noch indirekt im Rahmen einer Schiedsbeschwerde gegen
den Endentscheid des Schiedsgerichts gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG
angefochten werden (E. 2).

Sachverhalt

    A.- A. (nachstehend: Kläger) mit Wohnsitz in der Schweiz und
B. (nachstehend: Beklagter) mit Wohnsitz in Deutschland sind Brüder. Beide
sind an der X. Gruppe beteiligt, zu der insbesondere die X. GmbH mit
Sitz in Deutschland gehört. Am 18. Juni 1986 schlossen die Parteien eine
als "Familienvertrag" bezeichnete Vereinbarung, welche später mehrfach
ergänzt wurde. Diese Vereinbarung

hatte zum Zweck, die Willensbildung in den beiden Familienstämmen der
Parteien jeweils so zu vereinheitlichen, dass jeder Familienstamm nur mit
einer Stimme sprechen kann und die Geschäftsführungsorgane entsprechend
paritätisch zu besetzen sind. Im Mai 1996 wurde der Sohn des Klägers,
C., als Geschäftsführer der X. GmbH eingesetzt. Diese Funktion wurde ihm
in der Folge auf Begehren des Klägers wieder entzogen. Daraufhin verlangte
der Beklagte unter Berufung auf den "Familienvertrag" die Wiedereinsetzung
von C. als Geschäftsführer der X. GmbH.

    B.- Am 23. August 1999 klagte der Kläger gestützt auf die
Schiedsklausel im "Familienvertrag" beim Einzelschiedsrichter Dr. Bernhard
Christ in Basel auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei,
der Ernennung von C. zum Geschäftsführer der X. GmbH zuzustimmen. Der
Beklagte beantragte, auf die Klage nicht einzutreten, eventualiter sie
abzuweisen. Zudem stellte er verschiedene Feststellungsbegehren bezüglich
der Stellung von C. als zu rehabilitierendem Geschäftsführer.

    Am 12. Oktober 2000 stellte der Beklagte beim Zivilgericht
Basel-Stadt das Begehren, den Einzelschiedsrichter wegen Befangenheit
abzulehnen. Dieses Begehren wies der Zivilgerichtspräsident Basel-Stadt
mit Erkenntnis vom 2. April 2001 ab. Dagegen erhob der Beklagte sowohl
eine kantonale als auch eine staatsrechtliche Beschwerde. Mit Letzterer
beantragte er insbesondere die Anordnung vorsorglicher Massnahmen
und die Sistierung des kantonalen Beschwerdeverfahrens. Diese Anträge
wies das Bundesgericht mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2001 wegen
Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab. Daraufhin zog der Beklagte die
staatsrechtliche Beschwerde zurück. Das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt hiess die kantonale Beschwerde insoweit gut, als es den
Kostenentscheid des Zivilgerichts bezüglich der Parteientschädigung für
den Schiedsrichter aufhob. Im Übrigen hat das Appellationsgericht die
Beschwerde abgewiesen, soweit es darauf eintrat.

    Mit Urteil vom 12. Februar 2002 hiess das Schiedsgericht die Klage
gut und wies die Rechtsbegehren des Beklagten ab.

    Der Beklagte erhob Schiedsbeschwerde gemäss Art. 190 ff. IPRG (SR 291)
mit den Anträgen, das Schiedsurteil vom 12. Februar 2002 sei aufzuheben und
die Sache sei an den von den Parteien für Folgeschiedsverfahren nach dem
Familienvertrag gemeinsam bestellten Einzelschiedsrichter Prof. Dr. Anton
K. Schnyder zur Neubeurteilung zu verweisen. Zudem ersuchte der Beklagte
darum, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzusprechen. Dieses

Gesuch wurde mit Präsidialbeschluss vom 30. April 2002 abgewiesen.

    Der Kläger und der Einzelschiedsrichter beantragen, auf die Beschwerde
nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.

    2.1  Der Beschwerdeführer rügt dem Sinne nach, das Zivilgericht
habe zu Unrecht die Befangenheit des Schiedsrichters verneint, weshalb
das Schiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt sei. Damit sei
Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verletzt, was im Rahmen der Anfechtung des
Schiedsentscheides geltend gemacht werden könne. Der Beschwerdegegner
und der Schiedsrichter machen geltend, der Entscheid des Zivilgerichts
sei endgültig und könne daher vom Bundesgericht auch indirekt nicht mehr
überprüft werden.

    2.2  Soweit die Parteien das Ablehnungsverfahren nicht geregelt
haben, entscheidet gemäss Art. 180 Abs. 3 IPRG der Richter am Sitz des
Schiedsgerichts endgültig. Das Bundesgericht hat unter Berufung auf die
Materialien erkannt, die Endgültigkeit solcher Entscheide bedeute, dass
sie nicht direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden
können (BGE 122 I 370 E. 2). Offen gelassen wurde dagegen die Frage,
ob unbesehen eines negativen Entscheids des staatlichen Richters der
spätere Schiedsentscheid gestützt auf Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG wegen
der Mitwirkung eines ablehnbaren Schiedsrichters angefochten werden kann
oder ob diese Anfechtungsmöglichkeit auf Fälle beschränkt ist, in denen
ein von den Parteien ernanntes Gremium über das Ablehnungsgesuch befand
(BGE 122 I 370 E. 2d S. 373). Diese Möglichkeit der indirekten Anfechtung
von Ausstandsentscheiden privater Gremien hat das Bundesgericht mit der
Begründung zugelassen, eine Rechtsordnung müsse sich die Möglichkeit
vorbehalten, Schiedsspruch und -verfahren auf ihre rechtsstaatliche
Unbedenklichkeit zu überprüfen, wozu die Unparteilichkeit eines
Schiedsrichters gehöre (BGE 118 II 359 E. 3b; vgl. auch Urteil
des Bundesgerichts 4P.292/1993 vom 30. Juni 1994, E. 4). Da die
Unparteilichkeit des Schiedsrichters bei einem Ausstandsentscheid gemäss
Art. 180 Abs. 3 IPRG bereits von einem staatlichen Richter überprüft
wurde, entfällt insoweit das Bedürfnis nach einer weiteren staatlichen
Kontrolle. Gemäss der Zielsetzung der gesetzlichen Ordnung über die
internationale Schiedsgerichtsbarkeit, die

Anfechtungsmöglichkeiten in diesen Verfahren tunlichst zu beschränken
(vgl. BGE 122 I 370 E. 2d S. 372), ist daher die Endgültigkeit des
Entscheides gemäss Art. 180 Abs. 3 IPRG nach der herrschenden Lehre
dahingehend zu verstehen, dass sie auch eine spätere Überprüfung des
Ablehnungsentscheides des kantonalen Richters im Rahmen der Anfechtung
des Schiedsgerichtsentscheides ausschliesst (WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN,
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Kommentar zu
Kapitel 12 des IPR-Gesetzes, S. 111; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de
l'arbitrage interne et international en Suisse, N. 12 zu Art. 180 IPRG;
HEINI, in: IPRG-Kommentar, N. 20 zu Art. 190 IPRG; RÜEDE/HADENFELDT,
Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl., S. 187 Fn. 155;
ANDREAS BUCHER, Le nouvel arbitrage international en Suisse, S. 116
Rz. 341; HANS PETER WALTER, Praktische Probleme der staatsrechtlichen
Beschwerde gegen internationale Schiedsentscheide (Art. 190 IPRG), in:
Bulletin SVS 19/2001 S. 2 ff., S. 12; GERHARD WALTER, Einige prozessuale
Aspekte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, in:
Etudes de droit international en l'honneur de Pierre Lalive, S. 699
ff., S. 704; derselbe, La loi suisse sur l'arbitrage international -
Questions ouvertes sur les moyens de recours, in: SJ 1990 S. 384 ff.,
S. 385 Fn. 4; derselbe, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der
Schweiz - Offene Fragen zu Kap. 12 des IPR-Gesetzes, in: ZBJV 126/1990
S. 161 ff., S. 168; a.M. PETER/FREYMOND, Basler Kommentar, N. 36 zu Art.
180 IPRG; PIERRE A. KARRER, Les rapports entre le tribunal arbitral,
les tribunaux étatiques et l'institution arbitrale, in: Revue de droit
des affaires internationales/International Business Law Journal 1989
S. 761 ff., S. 766; MARC BLESSING, The New International Arbitration Law
in Switzerland, A Significant Step Towards Liberalism, in: Journal of
International Arbitration 5/1988 Nr. 2 S. 9 ff., S. 41).

    2.3  Aus dem Gesagten folgt, dass auf die Schiedsbeschwerde,
welche sich inhaltlich alleine gegen den Ausstandsentscheid des
Zivilgerichtspräsidenten richtet, nicht einzutreten ist.