Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 128 III 224



128 III 224

42. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. "Die Wache" Wach-
und Schliess-Aktiengesellschaft gegen Wache AG (Berufung)

    4C.369/2001 vom 3. April 2002

Regeste

    Art. 956 OR, Art. 3 lit. d UWG; Firmenschutz, unlauterer Wettbewerb.

    Zum Schutz der Ausschliesslichkeit von Firmen, deren Inhalt
im Wesentlichen aus einer gemeinfreien Sachbezeichnung besteht,
insbesondere von solchen, die nach "alter Praxis" des Eidgenössischen
Handelsregisteramts anerkannt wurden. Unterschiede zum Markenschutz
(E. 2b).

    Pflicht zum Gebrauch der Firma, wie sie im Handelsregister eingetragen
ist, soweit dies erforderlich ist, um eine Verwechslungsgefahr gegenüber
einer Firma mit Exklusivitätsrecht zu vermeiden (E. 2d).

    Lauterkeitsrechtliche Schranken für verwechselbare Darstellungen
der Firma, in denen einzelne Firmenbestandteile ungleich gestaltet sind
(E. 2c).

Sachverhalt

    Die Klägerin hat ihren Sitz in der Stadt Zürich und ist seit 1928 unter
der Firma "Wache AG" im Handelsregister eingetragen. Ihr Zweck besteht im
Wesentlichen in der "Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen jeglicher
Art, namentlich (in der) Bewachung von unbeweglichem und beweglichem
Eigentum...". Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf den Kanton Zürich und
die angrenzenden Kantone.

    Die Beklagte ist eine aus einem 1956 gegründeten Familienunternehmen
hervorgegangene Gesellschaft nach liechtensteinischem Recht mit Sitz
in Vaduz. Ihr Zweck besteht in der Durchführung von Bewachungsaufträgen
verschiedener Art, der Errichtung und Führung von Werkschutzorganisationen
für die Industrie und der Führung eines Detektivbüros. Ihre Tätigkeit
erstreckt sich auf das Fürstentum Liechtenstein und seit 1992 auch
auf den Kanton St. Gallen. Seit 1996 ist sie im Handelsregister des
Kantons St. Gallen eingetragen, unter der Firma <"Die Wache" Wach- und
Schliess-Aktiengesellschaft, Vaduz (FL),

    Zweigniederlassung Altstätten>>.

    Die Beklagte trat Ende 1999 in Zürich an der Messe "Sicherheit 99"
auf und verteilte Werbematerial. Auf dem Deckel der Kartonmappe und an
den Seitenrändern der Prospektblätter treten fettgedruckt die Wörter
"Die Wache" in Erscheinung. Darüber figuriert ein Signet mit Schlüssel
und Hundekopf, der kreisförmig von einem Band mit der Inschrift "Wach-
und Schliessgesellschaft" bzw. "Wach- und Schliessgesellschaft in
Liechtenstein" umrahmt wird.

    Am 18. Februar 2000 stellte die Klägerin beim Handelsgericht des
Kantons St. Gallen das folgende Rechtsbegehren:
      "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte mit der

    Verwendung der vom Handelsregistereintrag in der Schweiz abweichenden

    Firmenbezeichnung "Die Wache" bzw. "Wache" widerrechtlich gehandelt
hat.
       2. Der Beklagten sei zu verbieten, ihre Firma im Geschäftsverkehr
       in der

    Schweiz in anderer Form zu gebrauchen als diese im Handelsregister des

    Kantons St. Gallen eingetragen ist. Insbesondere seien ihr die
Verwendung

    der verkürzten Bezeichnung "Die Wache" sowie Darstellungen der im

    Handelsregister eingetragenen Firma, welche einzelne Firmenbestandteile

    ungleich gestalten, zu verbieten.
       3. ..."

    Das Handelsgericht hiess die Klage am 10. September 2001 im
Wesentlichen gut und entsprach den gestellten Begehren.

    Die Beklagte führt Berufung mit dem Antrag, das Urteil des
Handelsgerichts sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Bundesgericht
weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Handelsgericht erwog, die Beklagte habe mit der Verwendung
ihres Firmenbestandteils "Die Wache", der nur einen Teil der eingetragenen
Firma darstellt, beim Publikum den falschen Eindruck erweckt, sie
stehe mit der Klägerin in einer wirtschaftlichen Beziehung oder ihre
Dienstleistungen seien sogar der Klägerin zuzuordnen. Dadurch handle sie
unlauter im Sinne von Art. 3 lit. d des Bundesgesetzes vom 19. Dezember
1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241). Die Verwendung
nur eines Firmenbestandteils der Beklagten führe dazu, dass ihre Firma
nicht mehr eindeutig identifizierbar sei und im geschäftlichen Verkehr
Verwechslungen aufträten. Unter diesen Umständen wäre die Beklagte auch
firmenrechtlich verpflichtet gewesen, ihre Firma so wie im Handelsregister
eingetragen zu gebrauchen (Art. 956 Abs. 2 OR).

Erwägung 2

    2.- a) Die Beklagte rügt, die Vorinstanz habe Art. 956 Abs. 2 OR
sowie Art. 3 lit. d und Art. 9 UWG verletzt. Sie habe verkannt, dass
für die Beurteilung der Verwechselbarkeit im Sinne von Art. 3 lit. d
UWG die Kriterien für die Verwechselbarkeit von Wortmarken heranzuziehen
seien und dass die Marke "Wache" nicht schutzfähig sei. "Wache" sei eine
Sach- oder Dienstleistungsbezeichnung mit geringer Kennzeichnungskraft,
die zum Gemeingut gehöre und nicht allein aufgrund der Alterspriorität
monopolisiert werden dürfe. Die Beklagte verweist dazu auf BGE 80 II
171, wo das Bundesgericht erkannt habe, es sei nicht statthaft, dass
eine beschreibende Angabe durch ein Unternehmen monopolisiert werde.
Eine Verwechslungsgefahr sei bei Verwendung der kennzeichnungsschwachen
Bezeichnung "Wache" auszuschliessen.

    b) Zunächst kann der Beklagten nicht beigepflichtet werden, soweit
sie geltend machen will, die Klägerin könne nach Lauterkeitsrecht
für ihre im Wesentlichen aus einer gemeinfreien Sachbezeichnung
bestehende Firma keinen weitergehenden Schutz beanspruchen als er
sich aus markenrechtlichen Grundsätzen ergäbe. Es trifft zwar zu, dass
Sachbegriffe des Gemeingebrauchs seit der vom Bundesgericht in BGE 101 Ib
361 E. 5d/e bestätigten Praxisänderung des Eidgenössischen Amts für das
Handelsregister nicht mehr als alleiniger Inhalt einer Firma anerkannt
werden. Dies im Wesentlichen mit der gleichen Begründung, mit der reinen
Sachbezeichnungen der Markenschutz verwehrt wird. Indessen können die
unter der alten Praxis zugelassenen und ins Handelsregister eingetragenen
reinen Sachfirmen nach wie vor firmenrechtliche

Exklusivität beanspruchen (Art. 951 Abs. 2 und Art. 956 OR). Zudem kann
gegenüber einer aus einer reinen Sachbezeichnung bestehenden alten Firma
- anders als bei Marken - die Nichtigkeit auch nicht einredeweise oder
widerklageweise geltend gemacht werden (vgl. BGE 114 II 284 E. 4b; 101 Ib
361 E. 4a S. 364; HILTI, Firmenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, Bd. III, Kennzeichenrecht, S. 247; ALTENPOHL,
Basler Kommentar, N. 16 zu Art. 944 OR und N. 3 zu Art. 950 OR). Die
Beklagte kann daher im vorliegenden Streit um den Gebrauch ihrer Firma
aus dem angerufenen BGE 80 II 171, wonach ein Geschäftsmann, der an
einer Sachbezeichnung keine Markenschutzrechte zu erlangen vermag,
seinen Konkurrenten deren Verwendung auch nach Wettbewerbsrecht nicht
verwehren kann, nichts für sich ableiten. Die Klägerin als nach alter
Praxis rechtmässig im Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft
kann sich auf das Recht auf Ausschliesslichkeit ihrer Firma für das ganze
Gebiet der Schweiz berufen (ALTENPOHL, aaO, N. 4 zu Art. 951 OR).

    Die Firma der Beklagten muss sich demnach von derjenigen der Klägerin
deutlich unterscheiden (Art. 951 Abs. 2 OR). Der von der Beklagten erhobene
Einwand, sie sei nach Art. 952 OR verpflichtet, für ihre schweizerische
Zweigniederlassung die gleiche Firma wie die Hauptniederlassung zu führen,
stösst ins Leere: Der angefochtene Entscheid verlangt von der Beklagten
nichts anderes, als dass sie in der Schweiz die vollständige, für ihre
Zweigniederlassung in Altstätten im Handelsregister eingetragene Firma
verwendet.

    c) Soweit die Vorinstanz der Beklagten Darstellungen der
im Handelsregister eingetragenen Firma verbot, in denen einzelne
Firmenbestandteile ungleich gestaltet sind, hat sie ihren Entscheid zu
Recht auch auf Lauterkeitsrecht gestützt. Auch die Verwendung derjenigen
Firma, welche den Bestimmungen des Obligationenrechts über die Bildung von
Geschäftsfirmen nicht widerspricht, untersteht dem Lauterkeitsgebot des
Wettbewerbsrechts (BGE 116 II 614 E. 5c; 93 II 40 E. 3, je mit Hinweisen;
PATRY, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 164 f.).

    d) Die Vorinstanz hielt fest, die Beklagte habe ihre Firma nicht so
verwendet, wie sie sie angenommen habe und wie sie im Handelsregister
eingetragen sei. Damit habe sie eine Verwechslungsgefahr begründet und
ihre Firmengebrauchspflicht sowie Lauterkeitsrecht verletzt. Dies ist
bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

    Die von der Vorinstanz angesprochene Firmengebrauchspflicht besteht
darin, die Firma unverändert, so wie der Inhaber sie

angenommen hat, zu gebrauchen, soweit dies zur Vermeidung der Gefahr
einer Täuschung des Publikums über erhebliche Tatsachen erforderlich
ist (vgl. Art. 47 HRegV [SR 221.411]; BGE 122 III 220 E. 4c; 103 IV 202
E. 1; HILTI, aaO, S. 280 ff.). Dass zwischen dem blossen beklagtischen
Firmenbestandteil "Die Wache" und der klägerischen Firma "Wache AG"
eine Verwechslungsgefahr (vgl. BGE 127 III 160 E. 2a) besteht, ist
offensichtlich und wurde von der Vorinstanz zutreffend bejaht. Dies gilt
auch, wenn berücksichtigt wird, dass die Firma der Klägerin im Wesentlichen
aus einer Sachbezeichnung aufgebaut ist und daher als kennzeichnungsschwach
zu gelten hat (vgl. BGE 127 III 160 E. 2b/cc S. 168 mit Hinweis). Die
Beklagte vermag die Verwechslungsgefahr ihrer Kurzbezeichnung "Die Wache"
mit der klägerischen Firma "Wache AG" insbesondere nicht zu bannen,
indem sie über bzw. neben dem fettgedruckten Firmenbestandteil "Die
Wache" ein Signet verwendet und dem Substantiv Wache den Artikel ("Die")
voranstellt. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf ihre Prospekte geltend
macht, die Annahme der Verwechslungsgefahr durch die Vorinstanz beruhe
auf aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen bzw. einem Versehen,
ohne darzulegen, inwiefern dies der Fall sein soll, ist auf ihre Rüge
nicht einzutreten (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 115 II 484 E. 2a S. 485
f.). Solange die Beklagte die fettgedruckte Bezeichnung "Die Wache"
auf ihren in der Schweiz verteilten Prospekten isoliert verwendet,
verletzt sie ihre Pflicht zum Gebrauch der Firma <<"Die Wache" Wach- und
Schliess-Aktiengesellschaft, Vaduz (FL), Zweigniederlassung Altstätten>>,
und vor allem ihre Pflicht, für eine deutliche Unterscheidung von der
Firma der Klägerin zu sorgen.